'Das Wahre Kreuz' - Seiten 279 - Ende

  • SiCollier :


    Freut mich sehr, daß dir die Lektüre und auch diese Leserunde gefallen hat.


    Eine Frage: Warum würde deine Frau das Buch "mit Sicherheit nicht lesen"?
    (Mich interessiert, welche Leser ich warum erreiche und welche warum nicht.)


    Und noch eine Frage, damit nicht ganz unzusammenhängend: Warum hättest du das Buch "vermutlich weder wegen des Klappentextes noch wegen des U4 Textes gekauft"? Was hätte daran anders sein müssen, um dein Interesse zu wecken?


    Jörg

  • Frage 1:
    Wie steht ihr zu Mystery-Elementen in einem historischen Roman?


    Unbedingt positiv. Für mich ein wesentlicher Grund, so ein Buch zu kaufen und zu lesen.
    Mögt ihr Romane mit Mystery-Touch besonders?: eindeutig Ja. (Drum habe ich die beiden Romane von Corinna Kastner ja auch schon gelesen ;-) .)



    Frage 2 :
    Gefällt es euch, einem Ich-Erzähler durch die Romanhandlung zu folgen?


    Darüber habe ich noch nicht näher nachgedacht. Aber wenn ich es recht bedenke, auch hier ein eindeutiges Ja. Es ist persönlicher und zieht mehr in die Handlung hinein. Ich empfinde es dann so, als ob ich direkt beteiligt bin.



    Frage 3:
    Mögt ihr in historischen Romanen einen etwas "historisierenden" Stil, wie ich ihn im WAHREN KREUZ verwendet habe? Oder sollten nach eurer Meinung auch historische Romane ganz und gar in der Sprache der Zeit erzählt sein, in der sie geschrieben und gelesen werden?


    Auch hier ein lautes und klares Ja. Ich habe den „historisierenden“ Stil als sehr wohltuend und angenehm empfunden. Nochmal das früher erwähnte Beispiel, den Romanzyklus „Die Ahnen“ von Gustav Freytag, der im 4. Jahrhundert beginnt und um 1830 herum (so genau entsinne ich mich nicht mehr) endet. Freytag schreibt jeden Teil in einem der Zeit angemessenen Stil (bzw. was man damals dafür hielt). Das ergab einen sehr schnellen Zugang zur Handlung und zur Zeit, in der sie jeweils angesiedelt war.



    Frage 4:
    Kommen die Frauen eurer Meinung nach in der Romanhandlung ausreichend zur Geltung?


    Ich denke schon, in Anbetracht der Tatsache, daß (handlungszeitbedingt) relativ wenige Frauen vorkommen. Aflah tat mir leid, ihr Schicksal hätte vielleicht etwas mehr Aufmerksamkeit verdient gehabt, die plötzliche harte Reaktion ihres Vaters konnte ich nicht so ganz nachvollziehen.


    Identifiziert ihr euch leichter/lieber mit einem Mann oder einer Frau in der tragenden Rolle?
    Schwer zu beantworten. In vielen Romanen, die ich gelesen habe, spielen Frauen tragende Rollen. Identifikationsprobleme hatte ich so gut wie nie, was mich schon zur Überlegung brachte, ob ich mal einen Psychiater aufsuchen sollte??? - Jedenfalls spielt es i. d. R. keine Rolle bei der Kaufentscheidung, ob der Protagonist eine Frau oder ein Mann ist. Wichtig ist für mich (bei einem Roman) die Geschichte und der Autor/die Autorin.



    Frage 5:
    Findet ihr die im WAHREN KREUZ enthaltenen Schlachtszenen angemessen?


    In Anbetracht der Zeitebenen waren die Schlachtszenen nicht zu vermeiden. Schlachten sind immer schlimm. Ich empfand diese Szenen im Buch als angemessen (was ich daraus schließe, daß ich gar nicht groß darüber nachgedacht habe). Die Kämpfe waren da, wo sie vom Handlungsablauf her hin gehörten. Man konnte sie sich in aller Grausamkeit vorstellen, obwohl sie nicht bis ins letzte Detail beschrieben waren (wofür ich dankbar bin). Ich würde sagen: genau richtig.
    NB. Die schlimmsten Schlachtbeschreibungen habe ich übrigens bei einer Frau gefunden: bei Sara Douglass in der Axis-Trilogie bzw. Wayfarer Redemption (deutsch unter dem Reihentitel „Unter dem Weltenbaum“ bei Piper). Das dort war wirklich brutal und oft einfach nur Gemetzel (allerdings schriftstellerisch gut geschrieben, zumindest im von mir gelesenen englischen Original; will heißen ich habe es nicht als widerlich empfunden, wie es mir *sichinsFettnäpfensetz* bei Harry Potter ergangen ist, den ich darob aufgegeben habe zu lesen.)

    Unter den Büchern finden wir wieder, was uns in der Fremde entschwand, Frieden im Innern und Frieden mit unserer Umgebung.
    (Gustav Freytag, 1816 - 1895, aus "Die verlorene Handschrift")

  • Zitat

    Jörg
    Warum würde deine Frau das Buch "mit Sicherheit nicht lesen"?


    Ganz einfach: meine Frau liest (fast) nur Krimis! Aber keine Fantasy, keine Mystery oder was auch nur den Anschein danach hat.



    Zitat

    Jörg
    Was hätte daran anders sein müssen, um dein Interesse zu wecken?


    Na ja, ich lese keine Krimis. Habe zwar schon ein paar mal angefangen, bin aber immer wieder sehr schnell steckengeblieben. Irgendwie läßt der Klappentext bei mir eine Assoziation nach „Krimi-Richtung“ klingen, und dann eben der Satz „...und seine große Liebe zu retten.“ Der wird dem Buchinhalt nicht gerecht, sondern weist eher in Richtung sehr seichte Unterhaltung. Und dann kommt noch hinzu, daß ich mich bisher weder mit der Geschichte Frankreichs, noch Ägyptens und schon gar nicht Napoleons befaßt habe (obwohl eine Werkausgabe der Schriften Napoloens in meiner Bibliothek steht). Und mich diese Thematik so aus dem Stand heraus eigentlich auch gar nicht interessiert ... hat, bis zu dem Buch. Die Texte sprechen mich aus den genannten Gründen einfach nicht an.


    Im Gegensatz zum Prolog. Der ist so interessant, daß ich auf jeden Fall weiterlesen wollte.


    Habe ich mich verständlich machen können?


    * * * * *


    Noch was: Karl May wurde öfters angesprochen. Habe ich so gut wie nie gelesen. Winnetou 1 bis 3 - und das wars. Ich habe nie wieder den Wunsch verspürt, Karl May zu lesen, auch wenn ich die Verfilmungen immer gerne gesehen habe. Aber die Märchen aus 1001 Nacht, die habe ich verschlungen. Und daran hat mich das Wahre Kreuz wieder erinnert; das bezieht sich ausdrücklich auch auf die Dialoge zwischen Bastien und Jussuf. Wie habe ich diese Geschichten geliebt! Zum Glück habe ich eine Gesamtausgabe davon, die werde ich wohl wieder mal „lesend kontaktieren“.

    Unter den Büchern finden wir wieder, was uns in der Fremde entschwand, Frieden im Innern und Frieden mit unserer Umgebung.
    (Gustav Freytag, 1816 - 1895, aus "Die verlorene Handschrift")

  • Ich habe das Buch auch beendet und mir hat das Ende sehr gut gefallen, vor allem weil es einen runden und glaubwürdigen (und befriedigenden *g*) Abschluss gibt und die Visionen Bastiens nicht aufgelöst werden, sondern einfach bestehen bleiben. :-]


    Zitat

    Original von Jörg
    Frage 1:
    Wie steht ihr zu Mystery-Elementen in einem historischen Roman?


    Mystery-Elemente brauche ich prinzipiell auch nicht, ich mag es vor allen Dingen nicht, wenn sie dann versucht werden zu "erklären". Hier haben sie mich überhaupt nicht gestört, weil sie zum einen die zweite Zeitebene spannend erzählen und zum zweiten eben nicht auf eine bestimmte Erklärung festgelegt werden. Hat mir gut gefallen!


    Zitat

    Frage 2 :
    Gefällt es euch, einem Ich-Erzähler durch die Romanhandlung zu folgen?


    Ich habe prinzipiell keine Vorlieben, was die Erzählperspektive angeht. Der Vorteil der Ich-Perspektive liegt durchaus in der engeren Anbindung an die Protagonisten, aber meiner Meinung nach vor allem darin, dass man in der Regel davon ausgehen kann, dass der Protagonist seine Abenteuer überlebt, was durchaus sehr befriedigend sein kann :grin


    Zitat

    Frage 3:
    Mögt ihr in historischen Romanen einen etwas "historisierenden" Stil, wie ich ihn im WAHREN KREUZ verwendet habe? Oder sollten nach eurer Meinung auch historische Romane ganz und gar in der Sprache der Zeit erzählt sein, in der sie geschrieben und gelesen werden?


    Ersteres!! Trägt eindeutig zur Atmosphäre bei!!


    Zitat

    Frage 4:
    Kommen die Frauen eurer Meinung nach in der Romanhandlung ausreichend zur Geltung?
    (Eine geschlechterspezifische Frage: Identifiziert ihr euch leichter/lieber mit einem Mann oder einer Frau in der tragenden Rolle? Ist das Wissen um das Geschlecht der Hauptfigur[en] gar von Bedeutung dafür, ob ihr euch ein Buch zulegt? Oder ist das egal?)


    Die Identifizierung fällt mir bei Frauen wie Männern gleich - entscheidend ist nicht das Geschlecht, sondern die Glaubwürdigkeit der Figuren.


    Zitat

    Frage 5:
    Findet ihr die im WAHREN KREUZ enthaltenen Schlachtszenen angemessen?
    (Der Roman spielt ja - in beiden Zeitebenen - vor einem nicht gerade friedlichen Hintergrund. Von daher gibt es einige Schlachtszenen in der Handlung. Sind es euch zu viele oder vielleicht gar zu wenige? Sind sie zu ausgedehnt oder zu knapp? Zu blutig oder zu unblutig? Oder lest ihr lieber historische Romane ganz ohne Krieg und Kampf?)


    Ja, fand ich genau angemessen. Wieviel Krieg und Kampf vorkommen darf oder soll - hängt wie bei den Personen von der Glaubwürdigkeit ab - spielt die Handlung in einer kriegerischen Zeit, wäre es beschönigend, sie einfach auszulassen, und umgekehrt.

  • Frage 1: zu den Mystery-Elementen:
    Mit einer generellen Antwort tue ich mir schwer. Es kommt immer auf den Roman und auf die entsprechende Verwendung an. In deinen Büchern sind mir diese Elemente bisher immer positiv aufgefallen, weil sie eher in die Geschichte gepasst haben und eigentlich nie gestört haben.
    Generell bevorzuge ich eine dezente Verwendung solcher Elemente. Es kommt immer auf die Dossierung an. Ein paar Element hier und da geschickt eingebaut, können die Spannung heben und interessante Aspekte aufzeigen. Ich finde dabei auch immer eine Einbettung in die reale Welt als Anschlussstelle sehr interessant. Wichtig dabei ist mir auch, dass es nicht zu übertrieben wird.
    Stören würden mich diese Elemente vor allem dann, wenn damit Logikbrüche in der Geschichte kaschiert werden sollen. Wenn dann wie aus der Zauberhand eine Lösung für ein Problem ohne ersichtlichen Grund gefunden werden würde.


    Frage 2: Die Ich Perspektive
    Auch hier hängt es wieder sehr von der Geschichte ab, die erzählt werden soll. Für einen fiktiven Bericht wie in diesem Buch oder bei „Im Schatten von Notre-Dame“ eignet sich die Ich Perspektive sehr gut und in dieser Form lese ich sie auch sehr gern. Die Engelsreihe könnte ich mir z.B. nicht in der 1. Person vorstellen. Durch die vielen Handlungsstränge würde dies vermutlich eher ein Zappen zwischen den Perspektiven werden.


    Gefährlich bei der Ich Perspektive ist vor allem, dass der Freiraum von mir als Leser insofern eingeengt wird, als mir alle meine Gedanken zu dem Buch durch den Protagonisten vorgekaut werden. Das war hier auch hin und wieder der Fall, war aber auch nicht störend, weil dadurch gleich einige möglichen Logikeinhacker aus der Welt geschafft wurden.
    Vielleicht könnte man dieser Gefahr etwas mehr aus dem Weg gehen, indem man der Hauptfigur nicht zu viel Wissen im Sinne einer auktorialen Erzählweise mitgibt, aber so, dass sie dem Leser nicht als dumm erscheint, sondern einfach, dass sie selbst vor den Rätseln steht.


    Frage 3: historisierende Stil
    Mir gefällt der sehr gut. Vor allem würde ein historischer Bericht von einer Figur von Ende 18. Jh. in „moderner Sprache“ eher ungewohnt klingen. Ich finde, dass diese Rahmenhandlung diesen Stil schon fast verlangt und es dem Gesamteindruck gut tut. Außerdem schadet dieser Stil überhaupt nicht der Lesbarkeit. Der Roman lässt sich sehr gut lesen. Fraglicher wäre es dabei schon, wenn es in einer Form wäre, bei der man jeden Satz zweimal lesen muss, damit man ihn versteht. Das wäre vermutlich weniger förderlich.


    Frage 4: Frauen
    Mir ist das Geschlecht der Hauptperson eigentlich egal. Es muss ein spannender Charakter sein, über den man eine Geschichte erzählen kann. Generell ist der Buchmarkt für historische Romane von Frauenfiguren in der Hauptrolle – wenn auch teilweise als Männer verkleidet ;-) – mehr als ausreichend überschwemmt. Siehe die Titel –in Diskussion.


    Frage 5: Kampfszenen
    Eher an der Grenze zu zu viel, aber noch nicht störend. Bei zu langen Kampfszenen, bei denen wirklich nur der reine Kampf Mann gegen Mann beschrieben wird, neige ich dazu die Stellen etwas überflugsartig zu lesen, weil es mich nicht sonderlich interessiert. Viel interessanter finde ich dabei das Rund herum um den Krieg und Kampf: Taktik in begrenzten Maß, Spezialitäten in der Kriegsführung, die Folgen des Krieges, die spezielle Bedeutung für die Geschichte.


    Vielen Dank für die Begleitung der Leserunde, Jörg!

  • Wegen des Klappentextes. Ich habe mir das nochmals durch den Kopf gehen lassen und will mich etwas korrigieren bzw. meine alte Aussage etwas relativieren.


    Wenn ich mir ein Buch aussuche, spielen für mich eine Rolle der Autor/die Autorin, das Thema, bisweilen auch der Verlag, und mein derzeitiges (zum Zeitpunkt des Buchkaufs) Hauptinteresse.


    Das Problem liegt vielleicht weniger im Text selbst als bei mir. Derzeit lese ich vor allem Fantasy und Sachbücher zu religiösen bzw. mythologischen Themen. Frankreich, Bonaparte, Ägypten - das sind nicht so unbedingt meine Interessengebiete. Ich denke, daß darin der eigentliche Grund zu finden ist, daß mich der Klappen- und U4 - Text nicht so ansprach. Im Gegensatz aber zum Prolog. Hätte ich den als erstes gelesen, hätte ich das Buch auf jeden Fall gekauft und gelesen. Trotz Frankreich, Bonaparte und Ägypten.


    Ich hoffe, das hilft jetzt weiter.

    Unter den Büchern finden wir wieder, was uns in der Fremde entschwand, Frieden im Innern und Frieden mit unserer Umgebung.
    (Gustav Freytag, 1816 - 1895, aus "Die verlorene Handschrift")

  • SiCollier zum Thema Karl May:


    Wenn die Winnetou-Figur auch durch die Filme und Festspiele weitaus bekannter ist, so sind die wahren Leseerlebnisse unter Mays Reiseerzählungen für mich seine Orientromane, wo er eine Welt von ganz eigenem Zauber entwirft. Ich würde ja sagen, greif einfach mal zu "Durch die Wüste" und fang an zu lesen. Aber ich zögere, einem Erwachsenen den Einstieg in Karl Mays Welt ans Herz zu legen. Wenn man May als Kind/Heranwachsender mochte, wird man ihn höchstwahrscheinlich auch als Erwachsener gern lesen (mir geht es so), wenn auch unter anderen Vorzeichen. Aber wenn die prägende Lektüre in der Jugendzeit fehlt, weiß ich ehrlich nicht, ob es eine gute Sache ist. Bei deinen weitgespannten und auch an Klassikern ausgerichteten Leseinteressen wäre es vielleicht einen Versuch wert. :gruebel ?(


    Jörg

  • Jörg wegen Karl May:


    Nur keine falschen Hemmungen; ich bin ja auch hierher geraten, gerade weil ich Anregungen fürs Lesen suche (Stichwort Horizont erweitern, über den eigenen Tellerrand schauen...).


    Wir hatten zu Hause einfach nur vier oder fünf Karl May Bücher, und irgendwie (warum weiß ich selbst nicht) ist es beim Filmschauen geblieben. Aber meine Frau hat in ihrer Jugend die meisten gelesen (?!), und ihre Bücher sind auch noch vorhanden. Nach dem "Wahren Kreuz" habe ich eh' das Bedürfnis, noch etwas "in Ägypten oder Umgebung" zu bleiben. Warum also nicht einen der angesprochenen Karl May Bände versuchen?

    Unter den Büchern finden wir wieder, was uns in der Fremde entschwand, Frieden im Innern und Frieden mit unserer Umgebung.
    (Gustav Freytag, 1816 - 1895, aus "Die verlorene Handschrift")

  • SiCollier,


    wenn du dich in Karl Mays Orientwelt einlesen will, dann fang wirklich mit "Durch die Wüste an". Ist zwar der Anfang eines sechsbändigen Zyklus, aber es ist halt der Anfang der Kara-Ben-Nemsi-Saga. (Natürlich gibt es da noch ein Büchlein namens "Die Oase des Scheitans" - Achtung, Schleichwerbung - , das erzählt, wie Kara und Halef sich kennenlernen, aber das macht eigentlich nur dann Spaß, wenn man vorher den echten May kennegelernt hat.)


    Jörg

  • hallo jörg!


    hoffentlich verärgere ich dich jetzt nicht, aber ich möchte doch noch einmal auf meine frage weiter vorn zurückkommen. natürlich kannst du deine figuren sterben lassen, wann und wie du willst, und bist uns dazu keine rechenschaft schuldig. vielleicht ist meine frage aber auch ganz einfach nur untergegangen...
    also: warum musste das kleine mädchen sterben?
    kein sinnvoller platz für sie in der weiteren geschichte?
    sie hätte doch zB von maruf aufgezogen werden können?
    war es zufall - oder ist das ein bewährter griff eines autors in die trickkiste, um bei der lesegemeinde gefühle anzusprechen?
    wie ist das überhaupt für einen autor, wenn er figuren sterben lässt? manche sind einem doch gewiss ans herz gewachsen...
    lg
    drehbuch
    :wave

    "Ich habe die Erfahrung gemacht, dass Leute ohne Laster auch sehr wenige Tugenden haben." (A. Lincoln)

  • drehbuch :


    Sorry, ich hatte deine Bemerkung zu Rabja nicht als Frage aufgefaßt.


    Ich habe sie sterben lassen, um die Grausamkeit des Krieges (allgemein) bzw. der französischen Besatzer (konkret) aufzuzeigen. Mit einer Figur wie Rabja, einem unschuldigen Kind, das den Lesern vertraut geworden ist, gelingt das m.E. besonders gut. Auch war sie ja Bastien ans Herz gewachsen, was letztlich seine Motivation verstärkt, a) sich von seinen eigenen Landsleuten abzuwenden und b) durch das Verbergen der Reliqie dafür zu sorgen, daß diese nicht für kriegerische Zwecke mißbraucht wird. Romanaufbautechnisch betrachtet ist also gerade das Ermordet-Werden die Funktion der Rabja-Figur.


    Im übrigen bin ich dafür berüchtigt, Figuren sterben zu lassen, die den Lesern gerade ans Herz gewachsen sind. :vergrab Wenn es nach mir ginge, würde es in meinen Romanen viel weniger Happy Ends geben. Aber das verursacht bei meinem Agenten und im Verlag immer einen mittleren Herzkasper. Auch Bastien hatte ich ursprünglich, als der Roman noch in der Planungsphase war, ein letales Ende zugedacht (ja, auch Ich-Erzähler können sterben).


    "Ans Herz wachsen" mir keine Figuren. Das hielte ich auch für falsch, würde es doch bedeuten, daß ich emotionale Bindungen zu ihnen eingehe. (Karl May muß das wohl passiert sein, denn er soll sich nächtelang mit seinen Figuren unterhalten, mit ihnen diskutiert und gestritten haben; ich schlafe nachts lieber.) Das würde mich aber daran hindern, mit ihnen in der Geschichte so zu verfahren, wie es der Story-Aufbau m.E. erfordert.


    Jörg

  • @ jörg:


    die "schuld" liegt auf meiner seite, ich hab meinen betreffenden eintrag gerade noch einmal gelesen: er war wirklich nicht eindeutig als frage an dich zu erkennen (ich WOLLTE zwar fragen, habe dann aber zulange am text rumgebastelt, weil es nicht als "auf den schlips-treten" rüberkommen sollte*g*).


    danke für deine ausführliche und nachvollziehbare antwort!
    ja, das mit den "happy ends" ist so eine sache. (zu) oft wirken sie ein wenig unrealistisch, denn im realen leben sind es ja auch oft kompromisse oder enttäuschungen, mit denen sich die dortigen protagonisten, sprich "wir", auseinandersetzen müssen.
    interessanter einblick in das schaffen eines autors!
    ich fürchte, mir selbst würde es schwerfallen, mir manche figuren nicht ans herz wachsen zu lassen...
    aber das ist wohl mit ein unterschied zwischen einem echten autor, welcher sein handwerk als broterwerb sehen und beherrschen muss, und einem menschen, der nur davon träumt, vielleicht auch einmal ein buch zu schreiben...


    einen schönen sonntagnachmittag!
    lg
    drehbuch
    :anbet :wave

    "Ich habe die Erfahrung gemacht, dass Leute ohne Laster auch sehr wenige Tugenden haben." (A. Lincoln)

  • Kriegsherr: der Name sagt es! Da rettet der Stamm der Abnaa Al Salieb Bastien das Leben, und Napoleon hat nichts besseres zutun als mit Kanonen auf das Lager zuschießen!!! Als Bastien ihm klar zu machen versucht, das der Stamm kein Feind ist, tut Napoleon das mit einem Schulterzucken und "Das war eine gute Übung für die Soldaten" ab!! Leben zählt nicht. Denn mit dieser "Kanonen"methode wäre es ja auch einfach gewesen, Bastien zu töten!!


    Das die Ritter nur noch so ein paar waren, verstehe ich nicht ganz(?). Woher kommen diese Ritter? Waren es nur Franzosen? Denn in anderen Ländern gab es doch auch Kreuzritter ...


    Sehr schön und informativ finde ich die Zeittafeln am Ende des Buches. :wave


    Danke; Jörg für die nette und informative Begleitung dieser Leserunde.

  • Jörg
    Danke für den Hinweis. Habe das Buch aus dem Bücherregal geholt und auf den berüchtigten SUB ganz oben gelegt.



    Zitat

    Jörg
    a) Im übrigen bin ich dafür berüchtigt, Figuren sterben zu lassen, die den Lesern gerade ans Herz gewachsen sind.
    ...
    b) Auch Bastien hatte ich ursprünglich, als der Roman noch in der Planungsphase war, ein letales Ende zugedacht (ja, auch Ich-Erzähler können sterben).


    a) Oh je, dann muß ich mir wohl doch einen anderen Lieblingsautor suchen? ;-) Das Leben ist schon hart und grausam genug; da will ich das nicht auch noch in den „Bücherwelten“ vorfinden.
    b) Wegen solcher „Gefahren“ schaue ich normalerweise auch immer zuerst mal auf die letzten Seiten, um zu wissen, wer da noch am Leben ist (um mir selbst „größere Schocks“ zu ersparen). Ich bin auf Jonathan Stroud noch immer wegen des Endes der Bartimäus-Trilogie sauer; Jörg hätte das dann wohl eher gefallen.



    Zitat

    Bumkin
    Kriegsherr: der Name sagt es! Da rettet der Stamm der Abnaa Al Salieb Bastien das Leben, und Napoleon hat nichts besseres zutun als mit Kanonen auf das Lager zuschießen!!! Als Bastien ihm klar zu machen versucht, das der Stamm kein Feind ist, tut Napoleon das mit einem Schulterzucken und "Das war eine gute Übung für die Soldaten" ab!! Leben zählt nicht.


    Diese Stelle empfand ich auch als eine Schlüsselszene, die leider in der heutigen Welt nichts von ihrer Aktualität eingebüßt hat.

    Unter den Büchern finden wir wieder, was uns in der Fremde entschwand, Frieden im Innern und Frieden mit unserer Umgebung.
    (Gustav Freytag, 1816 - 1895, aus "Die verlorene Handschrift")

  • Heute habe ich in einem Rutsch den 3. Teil gelesen. Dieser begann äußerst brutal, gerade liebgewonnene Figuren werden grausam hingemetzelt. Menschen, die eigentlich vorgeben keine Feinde zu sein, bekämpfen sich. Es war als wär ich aus einem Traum wieder zurück auf dem Boden der Tatsachen gelandet.
    Bastien, der bisweilen noch sehr jung wirkt, durchschaut Napoleons wahre Motive, und benennt sie.
    Die Geschichte spitzt sich sehr schnell zu und endet mit einem Happy End, obwohl ich zwischendurch ein böses Ende befürchtet hatte.

    Jörg, wie ich hier gelesen habe, schwebte Dir so etwas vor. Wie hätte das denn ausgesehen?


    Zitat

    "Wer würde schon ins kalte Rußland einmarschieren, wenn er den sonnenbeschienenen Orient erobern kann?"



    Könnte Napoleon wirklich so etwas gesagt haben? Oder ist es Sarkasmus, wie SiCollier meint?


    Zusammenfassend kann ich sagen, es ist ein sehr gelungenes Buch. Es fesselt bis zur letzten Seite.
    Im Vergleich zu anderen Büchern, die sich mehr oder weniger mit Tempelrittern befassen, wirkt es auf seine Art glaubwürdig (trotz der Mystery - Szenen) und nicht übertrieben religiös.
    Es ist eine spannende Geschichte eingebettet in einen realen historischen Hintergrund.
    Die Zeittafeln und das Nachwort geben dem ganzen einen seriösen Abschluss, bzw. interessante Hintergrundinformationen.

  • Jörg


    Nun zu deinen Fragen:
    Frage 1:
    Wie steht ihr zu Mystery-Elementen in einem historischen Roman?


    Grundsätzlich muss ich gestehen, spielt es für mich als"Allesbuchfresser" keine Rolle ob Mytery oder nicht. Wenn es zur Handlung und Spannung des Buches beiträgt, wie hier, gefällt es mir gut. Nur Science Fiction würde ich ablehnen.


    Frage 2 :
    Gefällt es euch, einem Ich-Erzähler durch die Romanhandlung zu folgen?


    Wie ich glaube schon erwähnt habe, war diese Perspektive für mich erstmal ungewohnt. Nachdem ich mich eingelesen hatte, kann ich deiner Meinung nur zustimmen. Man nimmt die Dinge anders, manchmal vielleicht auch intensiver wahr. Also eine gute Wahl:


    Frage 3:
    Mögt ihr in historischen Romanen einen etwas "historisierenden" Stil, wie ich ihn im WAHREN KREUZ verwendet habe? Oder sollten nach eurer Meinung auch historische Romane ganz und gar in der Sprache der Zeit erzählt sein, in der sie geschrieben und gelesen werden?
    Wenn ich einen Roman aus einer anderen Zeit lesen möchte, der in der entsprechenden Sprache verfasst ist, dann lese ich einen Klassiker!


    Frage 4:
    Kommen die Frauen eurer Meinung nach in der Romanhandlung ausreichend zur Geltung?
    Es wird die Geschichte von Bastien erzählt. Er ist die Hauptperson. Vielleicht hätte man die Rollen der Frauen mehr ausschmücken können, aber ich habe nichts vermißt.
    Die Geschichte entscheidet über den Kauf eines Buches, nicht das Geschlecht der Hauptperson.


    Frage 5:
    Findet ihr die im WAHREN KREUZ enthaltenen Schlachtszenen angemessen?
    Die Schlachtszenen fand ich zwar beim Lesen als aufwühlend, halte sie dennoch für angemessen.
    Historische Romane ganz ohne Krieg und Kampf? Gibt es die?

  • Hallo,


    ich sehe einmal mehr, dass ich eigentlich nicht Leserunden tauglich bin. Wenn mir das Buch nämlich gefällt, wie eben jenes hier, dann lese ich viel lieber, als etwas dazu zu schreiben.


    Also nur ganz kurz: Gefällt mir sehr! Ist spannend! Der Ich-Erzähler passt absolut! Eine runde Sache - und ich will endlich wissen, wie es ausgeht, und schauen wir mal, ob der Onkel wirklich der Gute ist ...


    Grüße


    Rabarat

  • Joschi :


    Ein böses Ende hätte so ausgesehen, daß
    a) Bastien nicht überlebt
    oder
    b) Ourida nicht überlebt
    oder
    c) beide nicht überleben und das Geheimnis des Wahren Kreuzes mit ins Grab nehmen. :cry


    Das Rußland-Zitat entstammt meiner Phantasie. Aber gut möglich, daß Napoleon etwas Ähnliches gesagt hat. Es würde zu ihm passen, da er zwar ein Mann der Tat, aber auch einer des hochtrabenden Wortes war.


    Jörg