Die Beschissenheit der Dinge - Dimitri Verhulst

  • DIE BESCHISSENHEIT DER DINGE von DIMITRI VERHULST



    INHALT:
    Dimitri Verhulst erzählt seine Lebensgeschichte: Er wohnt mit seinem Vater und seinen Onkeln bei seiner Oma und wird schon früh mit in die Kneipen genommen, in denen sich seine männliche Verwandtschaft stets zulaufen lässt und mit Prügeleien das Ansehen der Familie zu stärken versucht. Nachts hilft er ihnen aus ihren bekotzen Klamotten und schläft mit ihnen in dem alkoholatemgeschwängerten Mief.
    Zur Schule geht er hin und wieder auch mit eher geringem Erfolg, dafür verfolgt er mit Spannung die Alkohol- Tour de France, bei dem sein Vetter die Tageskilometer in eine Anzahl von Bieren und Schnäpsen umrechnet, welche dann als eine Etappe bezwungen werden muss.
    Als dann Roy Orbinson, der Lieblingssänger der gesamten Verhulst- Männer, sein Revival- Konzert live im Fernsehen gibt, müssen sie versuchen, irgendwo einen Fernseher herzubekommen, weil ihrer leider gerade gepfändet wurde.


    Ihr gesamtes Dasein ist zwar eng verknüpft mit dem Alkohol, aber sie halten auch ebenso so eng zusammen als Familie und das macht das Buch zu einer Familiengeschichte anderer Art.




    AUTOR:
    Dimitri Verhulst ist 1972 geboren und lebt in Belgien. Bevor er zu schreiben begann, war als Pizzakurier tätig und sein erster Roman in deutscher Sprache ist "Problemski Hotel" (siehe auch hier Eulenrezension)





    MEINE MEINUNG:
    Verhulst hat eine/seine Familiengeschichte geschrieben, die brutal und irgendwie auch erschütternd ist, aber trotzdem eine gewisse Liebenswürdigkeit an den Tag legt in all dem Suff, Kummer und ekelerregendem Mief.
    Es handelt sich allerdings in absolut keinster Weise um irgendeinen mitleiderregenden Milieuquatsch, sondern einfach um eine Kindheit, die so ungewöhnlich vielleicht gar nicht ist, sich aber trotzdem wie eine Geschichte anhört.
    Durch seine witzige, ironische und ungeschönte Schreibweise lässt sich dieses Buch phantastisch lesen.


    Etwas wie "Populärmusik aus Vittula" vielleicht, welches allerdings im direkten Vergleich eher einem Heimatfilm gleich kommt? ?(
    Ganz egal, fest steht: Dieses Buch ist definitiv eines der 15 besten, die ich je gelesen habe.




    Edit:
    Im übrigen muss ich hier noch mal das geniale Vorwort zitieren:
    "Für Windop. Und zum gedenken meiner Großmutter, die sich die Schande ersparen wollte und starb, während ich an den letzten Seiten des Manuskripts arbeitete.
    Eventuelle Ähnlichkeiten bestimmter Figuren in diesem Buch mit realen Personen beruhen auf reiner Menschenkenntnis."

    Bücher sind nur große Briefe an Freunde. [Antoine de Saint-Exupéry]

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  • Zitat

    Original von Idgie


    Yep. Das Vorwort war's. :lache


    He Idgie, willst du damit etwa sagen, meine herausragende Rezension würde dein Interesse nicht wecken? :sumu



    Freut mich, ich hoffe, das Buch findet noch ein paar Eulenleser, bin gespannt auf weitere Rezensionen :-)

  • Zitat

    Original von Sterntaler
    He Idgie, willst du damit etwa sagen, meine herausragende Rezension würde dein Interesse nicht wecken? :sumu


    :lache
    Nö. Also, das war so:
    Ich lese den Titel. Augenbraue hoch. Wie klingt das denn? In der Buchhandlung hätte ich das Ding sofort in der Hand gehabt.
    Ok, dann die Rezi. Puuh, scheint keine mitleiderregende "Bedauert micht doch bitte alle" Milieujammerstudie zu sein. Das klingt ja schon mal gut.
    Dass du dann aber noch so fies (im Sinne meines Kontos) warst, dieses hübsche Vorwort zu erwähnen, hat es auf meine Liste geschubst.
    Du siehst, das ist alles deine Schuld. :grin

  • ich habe gelesen und berichte deshalb gleich:


    Das Leben der Familie Verhulst, irgendwo in der belgischen Provinz, ist zumindest für Außenstehende, eine einzige Katastrophe:


    Die männliche Familienmitglieder sind widerlich, triebgesteuert, laut und offensichtlich nicht besonders helle. Dazwischen Oma, die immer noch mit Kernseife die Bremsspuren aus den Unterhosen ihrer nichtnutzigen Söhne schrubbt, die aber mit einem gewissen Fatalismus akzeptiert hat, dass ihr das Leben wohl nichts mehr schenken wird.
    In dieser Alptraumfamilie wächst Dimitri auf und wird durch den Vater und seine handvoll Onkels bereits früh auf seine Rolle als Schulabbrecher, Sozialhilfeempfänger und schließlich schwerer Trinker vorbereitet: Meist geschieht dies in trostlosen Kneipen, in denen sich auch die anderen hoffnungslosen Dorfsäufer versammeln, um hoffnungslose Dorfsäuferinnen abzuschleppen.
    Und eigentlich ist Dimitri damit auch vollkommen zufrieden: Der Clan hält zusammen, man stellt die beeindruckendsten Kampftrinker im Dorf oder sorgt notfalls auch mit Prügel für den notwendigen Respekt. Man ist stolz darauf, nicht arbeiten zu gehen und auch auf die kaputte Leber: wer sechzig werden will ist ein abgeschlafftes Weichei. Und es Bedarf vieler Umwege, bis Dimitrieke merkt, dass ihn ein solches Leben zugrunde gehen lassen würde.


    Dieses Buch bedient sämtliche kollektive Vorurteile über Belgien: Bier wird in rauen Mengen konsumiert (ebenso fettes Essen), selbst die Tour de France bietet willkommenen Anlass, sich mal wieder ins Koma zu saufen, [SIZE=7]Babyleichen werden im Teich versenkt[/SIZE] und selbst das Manneken pies findet seine Entsprechung in Dimitris inkontinenter, ansonsten aber abscheulichen Mutter.
    Aber irgendwie hat man die Verhulsts gerne, auch wenn sie sehenden Auges von einer Katastrophe in die nächste taumeln, und wenn die ganze Geschichte auch ziemlich tragisch ist, bleibt das Gefühl, die Verhulstmänner tun genau das, was sie gerne wollen. Und das kann ja nicht jeder von sich behaupten.

    Menschen sind für mich wie offene Bücher, auch wenn mir offene Bücher bei Weitem lieber sind. (Colin Bateman)

  • *lol* musste gerade mal deinen minisatz vergrößern..... das buch klingt auf jeden fall gut, den namen vergesse ich nie wieder undwenns mich in der buchhandlung mal zufällig anlacht ist es garantiert sofort meins

    Ich bin vom 4.7. bis zum 20.7. (ca.) im Urlaub und kann keine Nachrichten beantworten. Meine WBs sind alle auf den Weg geschickt, hoffe, dass sie bald ankommen und es keine Probleme gibt. Bis dann :wave

  • Zitat

    Original von Lilli
    Ich lese und werde berichten... :-]


    Manchmal denkt mal "Wow... cooler Titel - cooler Klappentext" und der Inhalt ist dann ein ganz anderer... Man kann behaupten, depressiver gehts kaum noch. Die komplette Familie Verhulst ist am Rande des Abgrunds angesiedelt. Nur Dimitri schaffts am Ende in "Trainspotting-Manier" ein bürgerliches Leben aufzubauen - like: "Choose Life. Choose a job. Choose a career. Choose a family...". Wenn in den Erzählungen nur 50% autobographisches steckt, na dann möchte ich mit der Kindheit des Autors auch nicht getauscht haben wollen.


    Die Erzählungen sind lesbar, auch gut geschrieben, aber leider viel zu depressiv. Ich vergebe 6 von 10 Punkten.

    Lilli
    "The more you ignore me, the closer I get." [Morrissey]

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  • Der Autor beschreibt Ausschnitte aus seinem Leben, die im Buch unter verschiedene Kapitel gepackt sind. Die zeitliche Einordnung muss nicht zwangsläufig chronologisch sein, auch stellen sie nur Momentaufnahmen dar. Ein richtiges Gesamtbild ergibt sich dadurch nicht. Ebenfalls werden wichtige Lebensabschnitte überhaupt nicht erwähnt.


    Dimitri Verhulst wächst im Haushalt seiner Großmutter auf, gemeinsam mit deren vier erwachsenen Söhnen, von denen einer sein Vater ist. Der Großvater ist bereits verstorben, hat jedoch sein "Erbe" weitergegeben: Alle seine Söhne sind die gleichen Säufer wie er. Einzig die Großmutter scheint nicht zu trinken. Wie sie nüchtern jedoch dieses Elend ertragen kann, ist mir ein Rätsel.


    Der Autor bemüht sich um einen lockeren Tonfall, der ihm auch gelingt. Trotzdem wird der Schrecken, den diese Art zu leben hervorruft, nicht übertüncht. Das Lachen bleibt einem im Halse stecken, wenn er etwa davon berichtet, dass einer seiner Onkels eine "Tour de France" im Biertrinken organisiert, um den besten aller Säufer dadurch zu finden.


    Irgendwann scheint die Großmutter wenigstens die Verantwortung ihrem Enkel gegenüber zu erkennen und meldet die Zustände dem Jugendamt. Dimitri wird aufgrund dessen in ein Heim, bzw. zu Pflegeeltern geschickt. Dies erfährt man leider nur wie nebenbei und sonst keinerlei Einzelheiten dazu.


    Genausowenig wird die Beziehung von Dimitri zu seiner Mutter näher beschrieben. Man bekommt nur zu lesen, dass er sie nicht leiden kann und deshalb lieber in den asozialen Verhältnissen bei seinem Vater lebt. Immerhin ist sein Vater wenigstens der einzige, der einer Arbeit nachgeht. Die Onkels leben alle von der "Stütze" und der mageren Rente der Großmutter.


    Wie Dimitri aus diesem Sumpf herauskommt und es schafft, Autor zu werden, erfährt man leider nicht. Er beschreibt sich jedoch in einem Kapitel als Erwachsener und die Beziehung, die er zu seinem eigenen Sohn hegt. Sympathisch macht ihn das nicht, denn er wirkt sehr gefühlsarm und egoistisch.


    Alles in allem war es für mich ein eher unbefriedigendes Buch, da für eine Lebensgeschichte zu viele Fragen offen bleiben.


    7 von 10 Eulenpunkten

  • Titel: Die Beschissenheit der Dinge
    OT: De helaasheid der dingen
    Autor: Dimitri Verhulst
    Übersetzt aus dem Niederländischen von: Rainer Kersten
    Verlag: btb
    Erschienen: August 2011
    Seitenzahl: 222
    ISBN-10: 3442742528
    ISBN-13: 978-3442742523
    Preis: 9.99 EUR


    Das sagt der Klappentext:
    Dimmetrieken wächst bei seiner Großmutter in dem flämischen Dorf Reetveerdegem auf, zusammen mit seinem Vater und drei Onkeln. Sozialamt, Kneipe, Küche und Klo sind die Eckpfeiler ihres Daseins, und sie sind stolz darauf. Wer auf sie herabschaut, bekommt ihre Fäuste zu spüren. Sie veranstalten Trinkwettbewerbe, die erst mit dem Delirium enden, sammeln die besten Sauflieder und denken nicht an die Zukunft, da sie sowieso keine haben ... Dimitri Verhulst erzählt seine eigene Geschichte als Roman.


    Der Autor:
    Dimitri Verhulst, geboren 1972 im flämischen Aalst und heute in der Wallonie zu Hause.


    Meine Meinung:
    Was anfangs sprachlich ganz amüsant herüberkommt, dass beginnt dann im weiteren Verlauf ein ganz klein wenig zu nerven. Es geht um die Unflätigkeit der Sprache, um das freundlich Primitive. Weniger wäre hier deutlich mehr gewesen.
    Die ganze Geschichte dreht sich mehr oder weniger fast nur ums Saufen, ums Kotzen, um Darm- und Blasenentleerungen und natürlich auch ums Ausüben eines alkoholumnebelten Beischlafes. Mehr passiert in diesem autobiografischen Roman eigentlich nicht. Die handelnden Personen sind skurril und wirken wie die Flodders aus dem Film „Flodder – eine Familie zum Knutschen“ aus 1986.
    Und wenn man diesen Film gesehen hat, dann kommt einem in diesem Buch einiges schon bekannt vor.
    Das Buch, der Roman, ist geprägt von einer freundlichen und teilweise auch tragisch-komischen Trostlosigkeit. Es ist deftig, manchmal amüsant-primitiv, dann aber auch wieder übertrieben vulgär. Aber was will man machen? Wenn es denn halt so war.......
    Ein Buch, das man nicht unbedingt gelesen haben muss, dass aber vielleicht die Langeweile unter dem Sonnenschirm am Strand ein wenig vertreiben.
    Kein Highlight der niederländischen Literatur – eher ein Highlight aus dem Trash-Schuppen des Büchermarktes. 5 Eulenpunkte – vergeben mit einigen Bedenken; es sind nämlich nicht ganz 5 Punkte.

    Ich mag verdammen, was du sagst, aber ich werde mein Leben dafür einsetzen, dass du es sagen darfst. (Evelyn Beatrice Hall)


    Allenfalls bin ich höflich - freundlich bin ich nicht.


    Eigentlich mag ich gar keine Menschen.