Unterschichtenfernsehen?

  • Zitat

    Original von Babyjane


    Außerdem dieses erhebende Gefühl, nicht so dämlich wie die Leute da in der Flimmerkiste zu sein, scheint ein großer Anreiz, sich so einen Schrott anzusehen.


    (Zu diesem Schrott zähle ich übrigens auch sämtliche Soaps )


    Das ist auch ein interessanter Aspekt, so ein "so blöd wie die bin nichtmal ich" Gefühl.

  • Zitat

    Original von Babyjane
    @. Was nicht heißen soll, daß meine Kollegen der Unterschicht angehören, sondern daß man bei dem sinnfreien Mist ganz herrlich das Hirn abschalten und offenbar entspannen kann.


    Das ist der Punkt, und es schauen wirklich Menschen diese Sachen, wo man es NIE für möglich halten würde.
    Gut bei mir ist das bekannt :grin
    Dennoch schaue und lese ich auch ganz andere Sachen, die Mischungs machts.


    Ich bin das Prekariat
    Das ist so ein schönes Wort, das hört sich doch besser an. als es eigentlich bedeutet.


    Ach ja, oben schrieb jemand Brot und Spiele..jawoll!

  • Zitat

    Das ist auch ein interessanter Aspekt, so ein "so blöd wie die bin nichtmal ich" Gefühl.


    Ein Bestandteil des Schadenfreude-Phänomens. Es relativiert die eigene Unzulänglichkeit, Menschen zu beobachten, die offenbar noch unzulänglicher sind, nach welchen Kriterien auch immer. Hier wird - unwidersprochen - ein Bedürfnis befriedigt.

  • Meines Erachtens hat sich die Empörung über den Begriff "Unterschichtenfernsehen" nicht daran entzündet, dass es tatsächlich Formate für, sagen wir, schlichtere Gemüter gibt, die tatsächliche "nieder Instinkte" bedienen, sondern aus der daraus abzuleitenden Implikation, dass es in Deutschland überhaupt so etwas wie ein Unterschicht gebe (was durchaus nicht politisch korrekt wäre).
    Dann stellt sich natürlich die Frage, wie wir Unteschicht definieren:

    Zitat

    Ich halte es für sehr arrogant, jemand anderes, auch auf Grund seines TV-Verhaltens, als "Unterschicht" zu definieren.


    Da beißt sich die Katze in den Schwanz und ist wahrscheinlich die Ursache der Aufregung: Das konsumieren von "Unterschichten-TV" determiniert nicht eben jenen Zuschauer als Unterschicht. Dennoch lässt es sich nicht abstreiten, dass gewisse finanziell und intellektuell weniger privilegierte Bevölkerungsgruppen bestimmte Formate bevorzugen.
    Allerdings kann ich Jandas Kriterien rund um die "soziale Hängematte" nicht ganz zustimmen: Es gibt massenweise ordentliche Bürger, mit Kombi und Reihenhäuschen, die ausschließlich solche TV-Produkte konsumieren, deren einzige Druckwerke im Haus die Bildzeitung und der Neckermann-Katalog sind, die regelmäßig in Antalya Urlaub machen und trotzdem der Ansicht sind, die Hauptstadt der Türkei sei Istanbul und die ihren Kindern mit zwei Jahren einen eigenen Fenseher ins Kinderzimmer stellen.

    Menschen sind für mich wie offene Bücher, auch wenn mir offene Bücher bei Weitem lieber sind. (Colin Bateman)

  • Ich bekenne, ich gehöre zur Unterschicht:


    Eher simpel strukturiert freue ich mich darüber, dass ich Premiere Sport empfangen kann, freue mich darüber, wenn ein Action Film einen roten Bewertungspunkt bekommen hat, bedeutet das doch, viel Geballer keine Handlung, liebe solche Serien wir Ghost Whisperer (Dr. House ist mir eigentlich schon zu intellektuell) und Ditsche (könnte mein Bruder im Geiste sein), werde sauer wenn jemand am Sonntag den Rasen mäht, von wegen Ruhestörung, kaufe mir ab und an die BILD (natürlich nur wegen des Sportteils, ist ja klar!), kaufe eher bei Otto als bei Neckermann, bin auch der Meinung dass Dieter Bohlen (der Mensch ist unendlich clever) der letzte echte Intellektuelle auf diesem Planeten ist.


    Wenn ich auf der Autobahn unterwegs bin, dann wird gnadenlos Wolfgang Petry in den CD-Player geschoben und über mehrere hunderte Kilometer mitgesungen. Schade, dass man dabei dann kein Bier trinken darf, von wegen Autofahren und so......


    Mir ist es sowas von egal, ob man mich der Unterschicht zuordnet oder es bleiben lässt. Macht man es, fühle ich mich nicht diskriminiert. Und mein Fernsehverhalten kann man auch gern kritisieren, auch das ist mir herzlich egal, ich lebe trotzdem so weiter wie ich es für richtig halte und brauche dazu keine Anleitung von irgendwelchen Welterklärern und wenn sich welche in ihrer "Menschenwürde" verletzt fühlen, dann sollen sie was dagegen unternehmen, sich aber nicht heulend in der nächsten Sendung produzieren. Wer so dämlich ist, an diesen Sendungen (oder sagt man heute "Formaten") mitzuwirken, der soll auch die Folgen tragen bzw. es durchstehen, wer in Bohlens Sendung geht, der weiß was ihn erwartet.


    Ein supergeeigneter Fred für die Vereinigung der europäischen Sozialromantiker.

    Ich mag verdammen, was du sagst, aber ich werde mein Leben dafür einsetzen, dass du es sagen darfst. (Evelyn Beatrice Hall)


    Allenfalls bin ich höflich - freundlich bin ich nicht.


    Eigentlich mag ich gar keine Menschen.

  • Zitat

    Original von beowulf
    Voltaire, ich dachte du bist HSV Fan, also per definitionem Oberschicht- die Prols sind doch vom Millerntor :gruebel



    Ach, wir HSVer können auch tierisch prollen. :-)

    Ich mag verdammen, was du sagst, aber ich werde mein Leben dafür einsetzen, dass du es sagen darfst. (Evelyn Beatrice Hall)


    Allenfalls bin ich höflich - freundlich bin ich nicht.


    Eigentlich mag ich gar keine Menschen.

  • Zitat

    dass es in Deutschland überhaupt so etwas wie ein Unterschicht gebe (was durchaus nicht politisch korrekt wäre).


    Was genau erkennst du als politisch nicht korrekt, wenn jemand die Wahrheit ausspricht?
    Es gibt in Deutschland ganz klar eine Unterschicht. Es gibt Menschen, die weder Geld für Möbel, noch für das tägliche Essen ihrer Kinder haben, aber brav jeden "erbeuteten" Euro zu ihrem Dealer tragen und in Pillchen oder "Kräuter" umsetzen.
    Es gibt Menschen die sich gegenseitig in den Aufzug pinkeln, deren Treppenhäuser Müllkippen ähneln, die sich nicht mit Worten, sondern mit Schlägen verständigen, die es cool finden, den kleinen Terrier (staffordshire) auf den Spielplatz zu jagen und sich über die Kratzer der Kinder kaputt lachen, es gibt Menschen, die jeden Tag darüber nachdenken müssen, ob sie sich nun zum Frühstück eine Flasche Korn bei Aldi holen oder lieber ihr Aftershave leersaufen, es gibt Menschen, die ihren Sperrmüll aus dem 12. Stock werfen und sich dann auch noch aufregen, warum die Polizei sie belästigen kommt, weil sie doch grad beim Aufräumen sind.
    Es gibt Menschen, die ihre Kleinkinder im Schimmel spielen lassen, denen es egal ist, wenn die kleinen nackten Kinderfüsse über die Glasscherben der letzten Bierkiste tapsen und die jeden Monat auf einer Polizeiwache auflaufen und sehr "glaubwürdig" schildern daß ihnen schon wieder der Scheck vom Arbeitsamt abhanden gekommen ist, damit sie einen neuen erhalten und niemand merkt, daß sie vom alten Drogen und Alk gekaufen haben.
    All das gibt es und all das ist für mich Unterschicht!

  • Zitat

    Original von Voltaire



    Wenn ich auf der Autobahn unterwegs bin, dann wird gnadenlos Wolfgang Petry in den CD-Player geschoben und über mehrere hunderte Kilometer mitgesungen.


    Mein Zuhaus das liegt heut ganz am Ende der Zeit
    zwischen Bergen und Meer, tausend Träume von hier.
    Ich kenn dort jedes Haus, jeden Pflasterstein
    denn ich war dort als Junge daheim.....


    lalala....lalalaaaaaaaa......lalala...lala...... :grin


    Der Text ist heute zwar nicht mehr aktuell, aber es bleibt trotzdem eines meiner Lieblingslieder von W. Petry

    Avatar: James Joyce in Bronze... mit Buch, Zigarette und Gehstock.
    Diese Plastik steht auf seinem Grab. (Friedhof Fluntern, Zürich)
    "An Joyces Grab verweht die Menschensprache." (Yvan Goll)

  • Hallo, BJ.


    :grin


    Es geht aber nicht so sehr darum, wen der Begriff bezeichnet, sondern a) daß es ihn überhaupt gibt und b) daß er impliziert, daß der Unterschicht eine Oberschicht gegenübersteht, was wiederum zur Folgerung führt, daß soziales Prestige bedeutungsvoll ist, und das steht einer Gesellschaft von Gleichen unter Gleichen nicht gut zu Gesicht (ganz egal, ob es wahr ist oder nicht). Davon abgesehen hat sich die Kunst der begrifflichen Verniedlichung in den vergangenen Jahren bombastisch entwickelt. Ausländer sind zu Menschen "mit Migrationshintergrund" geworden, ob sie wollen oder nicht, und wer es auf die Spitze treiben will, nennt sie allochthone Mitbürger, denn dann weiß kaum einer mehr, was gemeint ist. Gewalttäter und Verbrecher sind "Menschen mit sozialer Auffälligkeit", aber der Begriff läßt sich dehnen. Politische Korrektheit bedeutet, ein Problem so lange sprachgebräuchlich zu diminuieren, bis es nicht mehr nach Problem klingt. "Unterschicht" paßt da nicht ins Schema.

  • Mag sein, BJ, aber erinnerst du dich an die Empörung, als plötzlich das Wort "Unterschicht" tatsächlich fiel? "Sozialromantiker", wie Voltaire sie nennen würde, sprachen von Diskriminierung und eben davon, dass es politisch gar nicht korrekt wäre, einen Teil der Bevölkerung als "Unterschicht" zu bezeichnen.


    Da ich keine Polizistin bin, habe ich aber mit solchen Menschen wenig zu tun, wohl aber mit den von mir beschriebenen "ordentlichen Bürgern", die ihre Kinder mit 8 Jahren Freddy Krüger gucken lassen, deren Kinder zum Nachbarskind sagen "mit Negern spiel ich nicht" (und das in einer Gegend mit einem gefühlten Ausländeranteil von 0,5%, also keine Rede von Nicht-Deutscher Übermacht) und denen mit drei Jahren die Milchzähne ausfallen, weil sie mit Nuckelflasche vor dem Fernseher geparkt wurden.
    Tut mir leid, daraus spricht für mich eine Geisteshaltung, die ich vielleicht nicht explizit der Unterschicht zuordnen würde, die ich aber doch sehr bedenklich finde.


    Voltaire: tut mir schrecklich leid, dass mein Versuch, Dir die Welt zu erklären (das war nämlich eigentlich mein Ziel), gescheitert ist :lache

    Menschen sind für mich wie offene Bücher, auch wenn mir offene Bücher bei Weitem lieber sind. (Colin Bateman)

  • Zitat

    Original von beowulf
    Ist das der mit den stinkenden Freundschaftsbändchen?


    Ob er die immer noch trägt? Ich habe ihn schon Ewigkeiten nicht mehr gesehen....

    Avatar: James Joyce in Bronze... mit Buch, Zigarette und Gehstock.
    Diese Plastik steht auf seinem Grab. (Friedhof Fluntern, Zürich)
    "An Joyces Grab verweht die Menschensprache." (Yvan Goll)

  • Ist das denn wirklich eine aktuelle Entwicklung mit der Unterschicht?
    Familien, wie BJ sie beschreibt, gibt es doch schon weit länger als seit Sendungen wie Big Brother, Dschungelcamp, Talkshows und co.


    Mag sein, dass es inwzischen mehr sind, vielleicht fallen sie auch nur mehr auf, aber neu ist das garantiert nicht.

  • Zitat

    Original von DraperDoyle


    Voltaire: tut mir schrecklich leid, dass mein Versuch, Dir die Welt zu erklären (das war nämlich eigentlich mein Ziel), gescheitert ist :lache



    Mach dir nichts draus, es zählt der gute Wille. :-)


    Ich bin zudem erklärungsresistent. :wave

    Ich mag verdammen, was du sagst, aber ich werde mein Leben dafür einsetzen, dass du es sagen darfst. (Evelyn Beatrice Hall)


    Allenfalls bin ich höflich - freundlich bin ich nicht.


    Eigentlich mag ich gar keine Menschen.

  • Hallo, Leserättin.


    Zitat

    aber neu ist das garantiert nicht


    Nein, nicht wirklich. Aber durch den hier diskutierten Begriff findet ja - zusätzlich zur sozialen - auch noch eine kulturelle und damit eine intellektuelle Einordnung statt.

  • Die Diskussion ist echt einfach super! Vielleicht sollte jeder im Profil noch seine Lieblingsfernsehserien oder dergleichen angeben, damit man auch gleich weiß, wen man in welche Schublade stecken muss. :grin


    Und was, wenn man in keine Schublade passt? Ich guck im TV am liebsten alle möglichen Arten von Sport. An allererster Stelle steht da die BuLi, aber auch Wintersport könnte ich mir den ganzen Tag angucken. Desweiteren liebe ich Dr. House und Grey's Anatomy sorgt grundsätzlich für die richtige Portion Depression pro Woche. Interessante Dokumentationen seh ich mir sehr gern an, wenn ich Zeit dazu habe. Um sich am WE richtig auf den SingStar-Abend einzustimmen ist DSDS super, denn es gibt da wirklich Leute, die richtig gut singen können. In den Castings kann man versuchen seinen Fremdscham zu überwinden. Wenns nicht klappt, dann hat man es wenigstens versucht.


    @ Voltaire: Das mit der BILD find ich super ;-)! Ist vor allem im Zug immer toll. Ich lese gern den Sportteil der liegengebliebenen Zeitungen. Allein die Blicke der übrigen Reisenden sind es doch schon wert. Sie fangen sofort an, einen zu verurteilen. Wenn sie dann bei der Fahrkartenkontrolle feststellen, dass ich auch noch Studentin bin, machen sie sich dann auch noch Sorgen um die Zukunft unseres Landes. Ich mein, wenn schon die Studenten die BILD lesen... ;-)


    Das mit den Schubladen ist nicht so ganz mein Ding. Und bestimmte Sendungen bestimmten Schichten zuzuordnen funktioniert so einfach nicht. Das passt auch meistens nicht mit den Quoten zusammen. Es gibt Schwachsinnsformate, die angeblich niemand guckt und doch haben die wahnsinnige Zuschauerzahlen. Vielleicht liegt es auch daran, dass die Leute Angst vor Verurteilung haben. Solange man noch zwischen Realität und Fiktion unterscheiden kann, ist TV doch ok. Man kann sich das rauspicken, was einem gefällt oder man kann es auch ganz lassen. Jeder wie er will.


    @ beowulf: Gibt es auch Schubladen beim Fußball? Wozu gehöre ich dann als Schalke-Fan? ;-)


    Gibt es denn eigentlich irgendwelche Untersuchungen dazu, ob das TV-Konsumverhalten von verschiedenen Schichten sich wirklich unterscheidet? Ich glaube es fast nicht. Zumindest nicht großartig.

  • Zitat

    Original von Groupie



    @ beowulf: Gibt es auch Schubladen beim Fußball? Wozu gehöre ich dann als Schalke-Fan? ;-)


    Zu den Guten!


    [SIZE=7]oder auch zu den Dortmundhassern[/SIZE]