"Die Entscheidung" - Douglas Kennedy

  • "Die Entscheidung" - Douglas Kennedy


    Kurzbeschreibung:
    Manhattan, 1945: Der Krieg ist aus, und alle Menschen feiern. Auch Sarah, eine junge Frau, die nach New York gekommen ist, um ihren Weg zu machen. Sie trinkt auf einer Party auf die Zukunft. Da platzt Jack Malone herein, ein US-Army-Journalist, der gerade aus dem besiegten Deutschland kommt. Für Sarah und Jack ist es Liebe auf den ersten Blick. Doch sie haben nur eine Nacht. Und sie treffen eine Entscheidung, die nicht nur ihrer beider Leben bestimmt, sondern noch Jahrzehnte danach ihre schicksalhaften Auswirkungen haben wird ...


    Meine Meinung:
    Das ist wieder einmal eins jener Bücher, das ich anhand des Klappentextes eher nicht zur Hand genommen hätte und nur gelesen habe, weil es mir wärmstens empfohlen wurde. Und zu Recht...


    Dieses Buch versteht es einen zu fesseln und mit seinem Stil zu faszinieren... Es ist eines dieser Bücher, die einen auch zum Nachdenken anregen... Zum Nachdenken darüber, wie weitreichend eigene Entscheidungen sein können und das man manche Entscheidungen besser nicht leichtfertig treffen sollte.

    "Nicht wer Zeit hat, liest Bücher, sondern wer Lust hat, Bücher zu lesen, der liest, ob er viel Zeit hat oder wenig."

    - Ernst Reinhold Hauschka

    Zitat

  • Meine Meinung:


    Wenn ich nicht gewusst hätte, dass "Die Entscheidung" von Douglas Kennedy ist, hätte ich es nicht vermutet. Der Stil unterscheidet sich doch enorm zu seinen Thrillen (die im übrigen sehr gut sind).
    Ein sehr lesenwertes Buch und wie die Leserunde zeigt, sorgt es für reichlich Diskussionesstoff.
    Die eigentliche Handlung, die Geschichte Sara´s hat mir sehr gut gefallen. Es liest sich sehr flüssig und der Autor verzichtet weitgehend auf unnötige Ausschmückungen und Situationsdarstellungen.
    Die Rahmenhandlung Sara-Kate müsste es für mich fast nicht geben. Man kann zwar daraus auch einiges lernen, aber das Buch wäre nicht weniger lesenwert, wenn sie fehlen würde.


    Der Titel "Die Entscheidung" ist sehr gut gewählt, da das Buch ausschließlich darauf basiert. Was bedeuten Entscheidungen, inwieweit bestimmen auch noch so kleine und anscheinend unbedeutende unser Leben? Welche Entscheidung trifft man und wie verändert sich das ganze Leben dadurch? Kennedy ist es gelungen, dass sich der Leser auch nach der Lektüre darüber Gedanken macht.


    Der englische Titel "The pursuit of happiness" (Das Streben nach Glück) verdeutlicht, was diese Entscheidungen antreibt. Man fällt sie, weil man glaubt, man käme dem Glück so einen Schritt näher.


    Ein absolut lesenwertes Buch, über dessen Handlung ich nichts erzählen wollte, weil man es einfach lesen muss, um die Tragweite von Entscheidungen zu verstehen und für sich selbst einmal zu überdenken.

    Liebe Grüße,
    Ninnie



    Es ist ein großer Vorteil im Leben, die Fehler, aus denen man lernen kann, möglichst früh zu begehen.
    Sir Winston Churchill 1874-1965

  • Das ist mein erstes Buch von Douglas Kennedy, und hätten mich nicht Ninnie und Wiggli dankenswerterweise zur Leserunde überredet, wäre mir ein Buch entgangen, was tatsächlich das Zeug zum „Jahreshighlight“ hat, dabei habe ich eigentlich den Titel für dieses Jahr schon vergeben. Dachte ich zumindest bisher. Doch der Reihe nach.


    Ich mußte öfters an die 2. Sinfonie von Gustav Mahler denken, die Parallelen, doch auch die Unterschiede, drängten sich mir immer wieder auf. „Wir stehen am Grabe eines geliebten Menschen.“ So beginnt die Zweite nach Mahlers eigenen Worten. (In der Partitur heißt das dann „Mit durchaus ernstem und feierlichem Ausdruck.“ Seine Kommentare finden sich an verschiedenen Stellen, u. a. hier.) Und so beginnt auch dieses Buch mit einer Beerdigung, geschildert aus der Sicht der Tochter der Toten, Kate. Wir erfahren etwas über die Tote, aber vor allem über Kate und ihr Schicksal, bevor sie zur Beerdigung ihrer Mutter mußte. Die sie glaubte zu kennen. Doch wann kennen wir einen Menschen wirklich? Können wir einen Menschen überhaupt je wirklich kennen?


    „Sein Leben, Kämpfen, Leiden und Wollen zieht noch einmal, zum letzten Mal, an unserem geistigen Auge vorüber.“ (Gustav Mahler weiter über die 2.) Doch im Buch bleibt es nicht dabei. Eine ältere Dame nimmt Kontakt mit Kate auf, bringt sie dazu sich zu entscheiden, sich mir ihr zu treffen. Und so erfährt Kate auf den folgenden 586 Seiten das Schicksal dieser älteren Dame namens Sara (genau wie ninnie möchte ich über die Handlung sehr wenig sagen, weil es sich nur erschließt, wenn man eben diese vorher nicht kennt) und was sie mit Kates Vater, der vor über 44 Jahren gestorben ist, verbindet. Danach ist nichts mehr, wie es vorher war. Nun, in diesem Buch geht es vor allem um das vorher. Um die Geschichte von Sara, Eric, Jack und Dorothy. Um die schicksalhaften Verbindungen zwischen diesen.


    “Tut mir leid, aber ich glaube, dass unser Handeln nach dem Prinzip von Ursache und Wirkung Folgen hat. Wenn man es wagt, A zu tun, wird unausweichlich B eintreten. Das Problem ist, dass die meisten Menschen glauben, sie könnten die Folgen ihres Tuns umgehen. Aber das ist unmöglich. Die Dinge holen einen immer ein.“ (Seite 541) Es geht darum, wie Entscheidungen, ob bewußt oder unbewußt, ob freiwillig oder unfreiwillig getroffen, das Leben beeinflussen und lenken. Es geht darum, mit den Folgen, den Konsequenzen dieser Entscheidungen zu leben, zu lernen damit umzugehen. Und es geht letztlich um Schuld und Vergebung.


    Selten habe ich so lange gebraucht, um in ein Buch hineinzukommen. Während der ersten dreihundert Seiten habe ich öfters über Abbrechen nachgedacht, es aber wegen der Leserunde nicht getan. Wofür ich heilfroh bin. Ich habe lange nicht gewußt, worauf das Ganze eigentlich hinauslaufen soll. Als ich es zu ahnen begann, konnte ich gar nicht mehr so schnell lesen, wie ich wollte (und ich kann ziemlich schnell lesen). An dieser Stelle noch der Hinweis, daß man die Szene bei der Befreiung des KZ Dachau im Gedächtnis behalten sollte. Die wird später im Buch noch eine wichtige Rolle spielen. Als mir das (bzw. die Bedeutung) bewußt wurde, ist mir fast das Herz stehen geblieben.


    “Das ist das Erstaunlichste am Altern: Plötzlich wird einem klar, dass all der Schmerz, all die tragischen Ereignisse vergänglich sind. Du schleppst die Dinge ewig mit dir herum. Und dann, eines Tages, stirbst du. Und nimmst deine Geschichte mit ins Grab.“ (Seite 700) Wie wird diese Geschichte aussehen, die mit uns stirbt, die wir einmal mit ins Grab nehmen? Am Ende hatte ich den Eindruck, daß Kate etwas aus der Geschichte, die sie erfahren hatte, gelernt und Konsequenzen gezogen hatte. Die 2. von Mahler geht „Mit höchster Kraftentfaltung“ (Partituranweisung) recht eindeutig zu Ende: „Ein allmächtiges Liebesgefühl durchdringt uns mit seligem Wissen und Sein.“ So eindeutig endet das Buch nicht. Sicher, die Geschichte ist vollständig erzählt, die Handlung gerundet und alle offenen Fäden verknüpft. Aber dieser Knoten ist nicht das Ende, das Leben geht weiter. Bis zu jenem Tag, an dem der Ruf ertönt, den jeder irgendwann einmal hören und ihm Folge leisten muß. Dem Tag, an dem die Geschichte eines Menschen mit ihm stirbt.


    Welche Geschichte nehmen wir dann mit in unser Grab?

    Unter den Büchern finden wir wieder, was uns in der Fremde entschwand, Frieden im Innern und Frieden mit unserer Umgebung.
    (Gustav Freytag, 1816 - 1895, aus "Die verlorene Handschrift")

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  • Spät, aber immerhin: Meine Meinung


    Als das Buch damals, 2003, als Taschenbuch erschien, habe ich es mir direkt gekauft. Den Autor kannte ich schon, wenn auch aus einem anderen Genre (Thriller), jedoch schreibt er ihn meinen Augen sehr gut. Daher war es für mich nicht schwer, ein Buch eines anderen Genres zu kaufen. Den Klappentext hatte ich kaum beachtet, die Richtung gefiel mir.
    Damals habe ich das Buch recht schnell gelesen, eigentlich hatte ich keine Zeit, aber ich konnte nicht aufhören zu lesen. Es wurde eins meiner wenigen Lieblingsbücher. Es ist ein Buch, an das ich immer wieder denke, wenn folgenschwere Entscheidungen der Liebe betreffen fällen will oder muss.


    Jetzt habe ich es zum zweiten Mal gelesen. Ich glaube auch, dass ich diesen Roman noch mehrmals in meinem Leben lesen werde. Das Leben verändert sich, und damit auch man selbst. Bei diesem Durchgang habe ich auf andere Dinge wert gelegt, und musste feststellen, dass ich manches immer noch genauso sehe, manches nicht mehr.
    Durch die Leserunde hatte ich die Möglichkeit, über meine Ansichten und Meinungen zu diskutieren. Das hatte ich mir bei der ersten Lektüre sehr gewünscht.


    Bei der Lektüre sollte man beachten, in welcher Zeit dieser Roman spielt: Kurz nach dem Ende des 2. Weltkrieges und in den 50er Jahren. Damals waren die Zeiten anders als heute, andere Gesellschaftliche Zwänge, Möglichkeiten. Die Protagonisten sind Kinder ihrer Zeit.
    Als ich das Buch in die Hand nahm, um mit der Lektüre zu beginnen, las ich das Zitat, was für mich die Handlung des ganzen Romanes bezeichned ist:

    Zitat

    Was wir sollten, tun wir nicht
    Was wir nicht sollten, tun wir
    Und bauen auf die Hoffnung
    Dass uns das Schicksal gewogen ist.


    Mathew Arnold


    Wie viel Einfluss haben unsere Entscheidungen auf unser Leben? Auf das Leben der Menschen, die wir lieben?
    Und umgekehrt? Wie stark wird unser Leben von den Entscheidungen anderer Menschen beeinflusst?
    Was sind richtige Entscheidungen? Was sind falsche? Gibt es diese klare Trennung? Muss man nicht mit beiden leben? Leben können? Am Ende seines Lebens schaut man zurück, auf die guten wie die schlechten Entscheidungen, aber ungeschehen kann man keine machen.


    Bemerkenswert für mich ist bei diesem Buch, dass es der Autor, ein Mann, es schaft, die Sicht der Erzählerin, einer Frau, mir glaubhaft und gut darzustellen.


    Es war und ist mein Lieblingsbuch. Es wird immer einen besonderen Platz in meinem Bücherregal und in meinem Herzen haben. Wenn ich bis auf wenige Bücher alle meine Bestände weggeben müsste, dieses würde ich nicht weggeben. Dafür bedeutet es mir zuviel.

  • Ich habe das Buch auch in der Leserunde gelesen. Und ich bin sehr froh, dass ich dadurch auf diesen schönen Roman aufmerksam gemacht wurde. Zuvor habe ich noch nie etwas von Douglas Kennedy gelesen, kenne also auch seine Thriller nicht.


    Das Buch liest sich sehr gut. Zuerst war ich etwas skeptisch, da das Buch immerhin ca. 700 Seiten dick ist. Aber es ist so packend geschrieben, dass ich es schneller gelesen habe, als so manches Buch mit der Hälfte der Seitenzahl.


    Die Geschichte von Sara hat mir auch sehr gut gefallen. Besonders interessant fand ich auch die Schilderung der McCarthy-Ära. Dazu würde ich gerne noch andere Bücher lesen.


    Die Rahmengeschichte hat mir nicht ganz so gut gefallen. Besonders der zweite Teil hat mich ein klein wenig enttäuscht. Das tut dem Lesevergnügen allerdings keinen Abbruch. Es ist ein Buch, das ich nur empfehlen kann und das mir sehr gefallen hat. Auch ich könnte mir vorstellen, es in ein paar Jahren noch einmal zu lesen.


    .

  • Mir hat "Die Entscheidung" auch gut gefallen, erinnerte mich an die vielen Romane von Sloan Wilson, die ich frueher las. Besonders an "Der Mann im grauen Flanell".


    Noch besser gefiel mir "Nachtblende" von Douglas Kennedy, dessen erste Haelfte mich sehr an den ersten Tom Ripley Krimi von Patricia Highsmith erinnert hat, aber die zweite Haelfte verliert sich leider im planlosen Chaos, da ging Kennedy offenbar die Puste aus.

  • Zitat

    Original von Chrissie666
    Mir hat "Die Entscheidung" auch gut gefallen, erinnerte mich an die vielen Romane von Sloan Wilson, die ich frueher las. Besonders an "Der Mann im grauen Flanell".


    Noch besser gefiel mir "Nachtblende" von Douglas Kennedy, dessen erste Haelfte mich sehr an den ersten Tom Ripley Krimi von Patricia Highsmith erinnert hat, aber die zweite Haelfte verliert sich leider im planlosen Chaos, da ging Kennedy offenbar die Puste aus.



    Ich muss meine Meinung revidieren: "Die Entscheidung" ist wesentlich besser als "Nachtblende". Diesen Roman las ich vor 15 Jahren, als es auf Deutsch im Club Center erschien, konnte mich nur noch schwach daran erinnern. Beim Wiederlesen gefiel es mir besser als viele der Romane, die ich nach der Millenium Trilogie von Stieg Larsson im letzten Sommer las. Damals dachte ich, wann ich wohl wieder auf so ein Highlight stossen werde?
    Nun, "Die Entscheidung" ist so ein Highlight.


    Eine atemberaubende Geschichte, keinerlei Laengen (meine gebundene Ausgabe hat 730 Seiten), die 40er und 50er Jahre in Manhattan finde ich sowieso hochinteressant.
    Neben der Liebesgeschichte erfaehrt man auch noch viel ueber HUAC (House Un-American Activities Committee), deren Black List damals vielen Menschen (nicht nur Kuenstlern) in den USA das Leben zur Hoelle gemacht hat, weil sie vorruebergehend einer linken Partei angehoert haben und von der HUAC unter Druck gesetzt wurden, Namen zu nennen, also gegen ehemalige Parteigenossen auszusagen.


    Durch Zufall entdeckte ich gestern in der Bibliothek "High Noon: The Hollywood Black List and the Making of an American Classic" (2017, von Glenn Frankel), das ich mir nun vornehmen werde. Es geht um die Schwierigkeiten beim Produzieren des Westerns "Zwoelf Uhr mittags" (Gary Cooper).

  • Wir haben ein beach cottage am Popham Beach in Maine fuer Anfang Oktober gebucht (so wie im Roman "Die Entscheidung"). Nun wuerde ich gerne die Romane von Douglas Kennedy erneut durchlesen, in denen seine Protagonistin zum Popham Beach faehrt. Weiss jemand, in welchen anderen Kennedy Romanen Popham Beach eine Rolle spielt?

  • Popham Beach war ein Traum!

    Ich dachte immer, etwas Schoeneres als die Insel Nantucket am Cape Cod gibt es in den USA nicht, aber uns hat der Popham Beach bei Bath in Maine sogar noch besser gefallen.

    Normalerweise sieht man bei Urlaub am Meer nur viel Wasser.

    Am Popham Beach muendet der Kennebec River, dort liegt das Fort Popham. Gegenueber vom Popham Beach (wo unser Ferienhaus lag) befindet sich eine Halbinsel, deren Haeuser sehr fotogen sind.

    Ausserdem gibt es hier zig Inseln mit Leuchttuermen und winzige Inselchen mit oder ohne Haus drauf. Das Auge hat also viel zu sehen, nicht nur einsames, weites Meer.