"Q" - Luther Blissett

  • Kurzbeschreibung
    Ein Thriller zwischen Reformation und Inquisition!
    Es ist ein Roman erschienen, von einem Autor, der sich Luther Blissett nennt. Aber wer versteckt sich hinter dem Pseudonym? Wer hat diesen historischen Thriller geschrieben, in dem ein Mann ohne Namen einen Mann mit vielen Identitäten jagt? Als in Italien dieser gewaltige Roman über die Zeit der Reformation erschien, löste er einen Sturm der Begeisterung aus. Denn neben grandioser Unterhaltung gibt er dem Leser ein Rätsel auf: Wer ist Luther Blissett? Die Überraschung war groß, als die Wahrheit ans Licht kam: Vier junge Autoren aus Bologna waren die Urheber dieses mysteriösen Romans. Ihr Ziel: die traditionelle Autorenschaft zu sprengen. Raffiniert umspannt dieser historische Thriller vierzig Jahre im 16. Jahrhundert - vierzig Jahre, die die Welt veränderten. Deutschland ist im Umbruch: Luther und die Wiedertäufer, päpstliche Spione und aufständische Bauern kämpfen um Macht und Vorherrschaft. Vor diesem Hintergrund stehen sich zwei erbitterte Feinde gegenüber: Ein junger Theologiestudent, Anführer der Häretiker, und sein unsichtbarer Feind - Q, der Mann ohne Gesicht, der Statthalter des Papstes, der Verräter ohne Namen. Seine Mission: den Geist der Revolte auszulöschen. Doch die Rebellen kämpfen mit einer unschlagbaren Waffe: der Macht des Wortes.


    Kritik:


    Wie habe ich dieses Buch verschlungen. 800 Seiten in 2 1/2 Tagen. Das sagt alles! Habt ihr jemals Initiativen zu Umberto Eco gefunden? Ich nicht. Das heißt: Bis eben vor jenen 2 Tagen. Ein reiner Glückstreffer.


    Intelligente Romane sind heute schwer zu finden. Zu sehr wird all zu triviales von den Verlagen gefördert. Doch was hier das Pseudonym Luther Blissett präsentiert, kann nur jedem anspruchsvollen Historischen-Roman-Leser genüßlich mit der Zunge schnalzen lassen.
    Hinter dem Pseudonym Luther Blissett stecken 4 junge, talentierte italienische Autoren. Lange war dieses Pseudonym unentdeckt, die ganze Literaturszene war in heller Aufregung um dieses fantastische Buch, und keiner wusste wirklich, wer es geschrieben hatte.


    Was dieses Buch zum besonderen Leseerlebnis macht, ist seine Erzählweise. Kein stumpfer, autoritärer Schreibstil eines Autors. Nein. 2 Schreibweisen. Die eine, ein gewisser "Q", Statthalter des Papstes, der in Spionagedienste Berater des Papstes steht, berichtet in Briefform, die er an seinen Chef schreibt. Er berichtet die Sicht aus seiner Dinge: Reformation, Luther, Münster, Bauernaufstand, gesellschaftliche Veränderungen usw.
    Q spinnt Intrigen, beobachtet die Situation für die Kirche, und versucht, zu manipulieren, verändern und zu kontrollieren.


    Die andere Sichtweise ist ein junger Theologiestudent, der in Tagebuchform sein Leben zu dieser Zeit beschreibt. Vom Theologiestudenten als Anhänger Luthers, zum Gehilfen von Münster, davon zum Krieger und Glaubensvertreter seiner Sichtweise, dass die einzige Obrigkeit eines guten Christen Gott ist, und nicht die Kirche.


    Sensationell, wie sich diese Sichtweisen kombinieren. Intellektuelle Lektüre, die niemals langweilig ist, für jedem leicht verständlich ist. In Zeiten der Abspaltung von der Kirche vertreten die Städter, Bauern, Fürsten, Könige, Theologen, Kardinäle ihre eigenen Interessieren, und unmittelbar kommt es da zu Konfrontationen. Natürlich auch zwischen Q. und dem Theologiestudenten, der Anführer neuer Häretiker.


    Dieses Intermezzo führt nicht nur zu extremster Spannung, sondern auch zum literarischen Hochgenuss. Literatur für Anspruchsvolle, Literatur, die sich von so manchem Historials-Schrott meilenweit abhebt.


    Allerdings, wer sein Gehirn beim Lesen nicht gerne benutzt, der wird bei diesem Buch auf verlorenen Posten stehen.


    mfg

  • Es hat etwas gedauert, aber es ist jetzt auch eine englische Uebersetzung erhaeltlich, die ganz gut sein soll. Ich hab mir gerade das Buch in der Buecherei bestellt. Mich interessiert hier wirklich das Thema, hab doch schliesslich auch lange in Muenster gelebt.


    Mich beunruhigt nur, dass einige Rezensionen es etwas schwer zugaenglich finden. Und das in einigen Faellen GERADE wegen der unterschiedlichen Schreibstile, die den Lesefluss doch etwas zerreissen. Ich ueberleg noch ob ich die deutsche Version meinem Vater schicken soll. Er liegt mal wieder fuer eine Weile im Krankenhaus. Aber es sollte nicht zu schwierig sein (er liebt Rebecca Gable und auch Ken Folletts "Saeulen der Erde").

    Gruss aus Calgary, Canada
    Beatrix


    "Well behaved women rarely make history" -- Laura Thatcher Ulrich

  • Hi Beatrix,


    ich halte nichts von Amazon-Rezensionen.


    Für mich ist das Buch einfach nur sensationell, aber ohne etwas gewollte Anstrengung wird man am Buch zerbrechen.


    Ich habe da wie bei einem Buch nie zuvor mein Gehirnschmalz anstrengen müssen, um alle Zusammenhänge zu verstehen. Aber gerade das ist das Reizvolle am Buch.


    mfg

  • Hab's heute am Wühltisch für 3 € erstanden *freu* und bin schon sehr gespannt, wenn His das Buch so vergöttert.
    Es wandert allerdings erstmal auf den SUB, bin derzeit ja noch sehr im Lesestress :grin

  • Dass ich das noch erleben darf: Ich schwimme mit His auf einer Welle der Begeisterung :grin (Und er bekommt es nicht einmal mit tzä).


    Spaß beiseite, dieses Buch ist einfach NUR TOLL!! :anbet


    Intrigen, Ränkepiele, Glaubenskämpfe, Aufstände der Bauern, usw usw.


    Der einzigartige Schreib-/Erzählstil ist zwar anfangs gewöhnungsbedürftig, aber Freunde kurzer Kapitel werden Blissett sowieso alles verzeihen, da ihr Stöhnen über endlos lange Kapitel endlich erhört wurde.


    Blissett wechselt gekonnt zwischen
    - Zeiten (Rückblick vs. Gegenwart),
    - Perspektiven (Berichte bzw. Erleben eines unbekannten Theologiestudenten)
    - und Erzählstilen (Gegenwart vs. Vergangenheit, Erlebnisbericht vs. Briefform),
    was dem Roman mehr Tempo gibt, sobald man sich auf eine stellenweise sogar in jedem Kapitel wechselnde Ebene eingelassen hat. Aber es lohnt sich!


    Selten habe ich die Zeit der Reformation mit all ihren berühmten und weniger berühmten Figuren so lebendig erzählt gesehen: keine Weichspülromantik, aber auch kein reines Schlachtengemetzel, Blissett formt die Charaktere durchgängig menschlich und zeichnet ein spannendes und faszinierendes Bild dieser Epoche.


    Volle 10 Punkte und absolut empfehlenswert! --> :bruell LESEN LESEN LESEN!!

  • Ich möchte das Buch auch gerne lesen. Ist es trotz den Perspektivwechseln "leicht" zu lesen? Oder muss man sich beim Lesen total anstrengen und konzentrieren? Anspruchsvoll kann es ja trotzdem sein, aber wenn ich mich beim Lesen "quälen" muss, macht es mir auch keinen Spaß.


    Und jetzt haben hier schon zwei Leute was vom Grabbeltisch erzählt - meint ihr da beide den gleichen Grabbeltisch oder wie? Mag auch das Buch auf einem Grabbeltisch finden - was soll das??? :grin

  • Zitat

    Original von Angelcurse
    Ich möchte das Buch auch gerne lesen. Ist es trotz den Perspektivwechseln "leicht" zu lesen? Oder muss man sich beim Lesen total anstrengen und konzentrieren? Anspruchsvoll kann es ja trotzdem sein, aber wenn ich mich beim Lesen "quälen" muss, macht es mir auch keinen Spaß.


    Hallo Angelcurse!
    Also es ist definitiv kein Buch, dass man nebenbei lesen kann (also neben dem TV oder Radio oder so), aber wenn man um den Perspektivewechsel weiß, ist man nach ein paar Seiten in der Geschichte drin :-) Ich musste mich am Anfang schon konzentrieren, aber nie zurückblättern oder so.


    Liebe Grüße,
    milla

  • Ich kann das jetzt nicht so gut beurteilen, weil diese Zeit auch so ein kleines Steckenpferd von mir ist. Wenn man den Hintergrund ganz gut kennt, kann man einfach nicht mehr beurteilen, wie das für jemanden ist, der gerade zum ersten Mal reinriecht.
    Mir hat allerdings allein schon das Lesen viel Spaß gemacht. Die Zeit ist wirr -- wenn dich einiges verwirren sollte, dann schieb 's auf die historischen Umstände!


    Und danach mal in Grimmelshausens Der Abenteuerliche Simplicissimus Teutsch reinschnuppern! :grin

  • Hier scheint das Buch immer noch eher unbekannt zu sein. Niemand, den ich drauf anspreche, kennt es. Die Buecherei hat gerade mal 4 Exemplare (zum Vergleich ca. 100 von Folletts "Saeulen der Erde"). Ich hatte es recht lange auf meiner virtuellen Warteliste dort, mich nicht wirklich dran getraut und dann endlich vor ein paar Wochen abgeholt.


    Der Anfang geht gleich mit enormen Tempo und viel Spannung los. Es fliesst einiges an Blut und das wird entsprechend graphisch beschrieben. Diese Spannung zu einem doch sonst in Schulen u.a. trocken dargebotenen Thema hat mich wirklich begeistert.


    Wenn man sich drauf einlassen kann, ist auch der staendige Wechsel der Zeiten und Perspektiven verstaendlich. Wenn ich allerdings zwischendurch mal das Buch fuer einen Tag weglegen musste, dann war es aber immer wieder schwer reinzukommen. Sich jedes Mal neu orientieren zu muessen find ich schon sehr anstrengend. Eigentlich ja nicht die Schuld der Autoren, aber nach einiger Zeit begann es mich doch zu nerven, kann eben so ein Buch nicht taeglich an einem Stueck lesen.


    Inzwischen bin ich halb durch das Buch durch und die anfaengliche Begeisterung hat sich doch so ziemlich gelegt. Es zieht sich etwas. Mich stoert inzwischen auch enorm die total negative Einstellung gegenueber Martin Luther. Klar kann man sich ueber so manches bei ihm streiten und anderer Meinung sein. Und bis zu einem gewissen Grade ist es aeusserst interessant ueber die unterschiedlichen Ansichten und Glaubensrichtungen zu lesen. Aber es wird ja gar kein gutes Haar an ihm gelassen. Und das find ich bei einem Roman ueber die Reformation einfach falsch.


    Die Kapitel ueber die Wiedertaeufer in Muenster waren fuer mich ein Hauptgrund das Buch zu lesen. Habe lange in der Stadt gelebt und freute mich auf etwas mehr Hintergrund. Und diese Geschichte aus der Sicht der Wiedertaeufer ist ja auch mal was neues. Es enttaeuscht mich aber auch etwas und ich frag mich, ob die Personenbeschreibungen in ihren Extremen tatsaechlich der historischen Wahrheit entsprechen. Na ja, diese Kapitel werd ich auch noch zu Ende lesen, aber danach wohl nicht mehr als kursiv weiter - nur um die Aufloesung zu erfahren.

    Gruss aus Calgary, Canada
    Beatrix


    "Well behaved women rarely make history" -- Laura Thatcher Ulrich

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  • Hab mich hier noch gar nicht zu diesem Thema geäußert. "Q" zählt auch zu meinen absoluten Lieblingsbüchern und meiner Meinung nach, gehört es zu den wenigen Ausnahmen, die sich tatsächlich "historischer Roman" nennen dürfen.


    Warum ist das Buch kein so großer Erfolg, obwohl es das ohne weiteres verdient hätte? Tja, die Antwort wurde hier gerade genannt:


    Zitat

    Original von Beatrix
    Wenn man sich drauf einlassen kann, ist auch der staendige Wechsel der Zeiten und Perspektiven verstaendlich. Wenn ich allerdings zwischendurch mal das Buch fuer einen Tag weglegen musste, dann war es aber immer wieder schwer reinzukommen. Sich jedes Mal neu orientieren zu muessen find ich schon sehr anstrengend. Eigentlich ja nicht die Schuld der Autoren, aber nach einiger Zeit begann es mich doch zu nerven, kann eben so ein Buch nicht taeglich an einem Stueck lesen.


    Der häufige Wechsel der Perspektiven macht das Buch für viele Leute einfach zu kompliziert. Die meisten wollen beim Lesen nicht viel nachdenken müssen, sondern sich einfach berieseln lassen. Genau wie beim Schund, den man so im Fernsehen zu sehen bekommt. Da ist es leider nicht verwunderlich, dass Trivialliteratur wie Ken Folletts Romane sich sehr viel besser verkaufen, als diese Ausnahmeerscheinung. Für mich ist jedenfalls klar, welches Buch hier das Meisterwerk ist. ;)


    Und ja: Kent Folletts Bücher sind "gut", aber auch nicht mehr. Und ich habe auch nichts gegen solche Massenmarktliteratur, finde es aber dann aber immer wieder schade zu sehen, wenn die wirklich guten Bücher in der Masse untergehen, weil heute oftmals die Verlage entscheiden, was den Lesern gefällt (bzw. zu gefallen hat). Daher befürchte ich auch fast, dass es in Zukunft immer seltener Titel wie "Q" geben wird, auch deswegen, weil Verlage immer weniger Experimente eingehen und das damit verbundene Risiko scheuen.

  • Zitat

    Original von CoubertDer häufige Wechsel der Perspektiven macht das Buch für viele Leute einfach zu kompliziert. Die meisten wollen beim Lesen nicht viel nachdenken müssen, sondern sich einfach berieseln lassen.


    Aber es ist auch ein Trugschluss, dass grossartige Literatur einfach kompliziert sein muss. Es gibt auch Weltliteratur, die nicht schwer zu lesen sind. Klassiker wie Tolstois "Anna Karenina" oder Remarques "Im Westen nichts neues" sind wunderbar geschrieben, regen zum Nachdenken an - und sind nicht kompliziert.


    Ein Beispiel: Wieso muss in Q ein Kapitel mit einer Jahreszahl betitelt werde, die wohl der Zeit entspricht, in der der Erzaehler auf den ersten 2 Zeilen beginnt zu erzaehlen, aber im Rest des Kapitels eine komplett andere Zeit dargestellt wird und man muss erstmal raten und zurueckschlagen um rauszufinden, welches Jahr denn nu dran ist?

    Gruss aus Calgary, Canada
    Beatrix


    "Well behaved women rarely make history" -- Laura Thatcher Ulrich