'Das Haus Gottes' - Teil 07

  • In diesem Teil kommt der Leser, zumindest anfangs, etwas zur Ruhe :-].


    Dottie pflegt den ständig widerstrebenden Aimery gesund. Sie sind sich jetzt beide über ihre Liebe im Klaren, aber Aimery gesteht sich nicht zu, sie auch zu leben.


    So ganz nebenbei hält die Pest Einzug. Ich hoffe, sie entwickelt sich nicht zu einem "mainstream" in der Handlung.


    Wir erfahren nun auch John`s/Michael`s Geschichte. Auch ziemlich übel, aber er im Laufe der Jahre gelernt, sich einigermaßen zu verzeihen und damit zu leben. Mit Michael spricht Aimery sich nun aus, einem mindestens ebenso argen Sünder kann er sich öffnen.


    Und das Wunder, auf das wir sooo lange gewartet haben, geschieht :-]. Nach Michael`s harten Worten auf S. 458

    Zitat

    "Aber ich bestrafe keinen anderen mit. Um mich weint keine Frau und quält sich mit Zweifeln, um mich liegt keine schlaflos und beschuldigt sich selbst"

    macht sich Aimery endlich auf zu Dorothy.


    Die lang und heiss ersehnte Vereinigung findet endlich - am Solent!


    Jetzt können sich Aimery und Francis hoffentlich noch versöhnen bevor dieser stirbt.

  • Das habe ich auch gedacht, Lumos: Hier kann sich der Leser mal ein wenig entspannen.


    Das hier ist eine Dorothy nach meinem Geschmack. Sie pflegt Aimery und gibt ihm neuen Lebensmut. Was hätte aus ihm werden könne, hätte sein Vater als Kind sein Selbstwertgefühl nicht so komplett zerstört.


    Hat Fitzroger Angst vor Aimery? Scheint mir fast so. Für mich kommt er ja auch immer noch als Helewises Mörder in Betracht.


    Gisberts Schiff bringt die Pest nach Southampton. Da wird es im nächsten Abschnitt sicher hoch hergehen.


    So ganz leuchtet mir Dorothys Haltung Gisbert gegenüber nicht ein. Sie weiß doch, daß er der Mann ist, mit dem Helewise Aimery betrogen hat. Schon, um Aimery nicht erneut weh zu tun, würde ich Gisbert doch mit dem Ar... nicht angucken, einen riesen Bogen um den Kerl machen und ganz sicher nicht noch ein Kleid von ihm annehmen und tragen! Okay, sie fühlt sich geschmeichelt von seiner Aufmerksamkeit, aber das geht gar nicht.


    Sehr schön dann wieder die Liebesszene auf der Salzwiese.

  • Und schon wieder ist Gilbert für Unheil zuständig, diesmal bringt sein Schiff die Pest nach Southampton. Den Ausdruck "die große Sterblichkeit" finde ich übrigens schöner als "der schwarze Tod"


    Wenigstens schaffen es Dorothy und Aimery endlich sich zu versöhnen, auch wenn sie es ohne John/Michael wohl nicht geschafft hätten.


    Dorothys Verhältnis zu Gilbert find eich auch mehr als seltsam, das habe ich ja schon früher mal geschrieben. So schön kann doch kein Mann sein, daß man alle sine charakterlichen Schwächen so leichtfertig abtut :gruebel


    Ich bin übrigens der Überzeugung daß Fitzroger Helewise auf dem Gewissen hat. "Mein Herz will ein verlauster Affe sein" der Spruch kommt doch nur von ihm... Und irgendwie hat er ja auch Angst vor Aimery. Warum auch immer. Der Mord an Helewise wäre zu mindestens ein guter Grund sich vor Aimery zu fürchten, wer weiss was der dann tun würde...

  • Zitat

    Original von streifi
    Den Ausdruck "die große Sterblichkeit" finde ich übrigens schöner als "der schwarze Tod"


    .


    Das macht mich so froh!
    Ich habe ewig lange ueberlegt und mich dann entschieden, den englischen zeitgenoessischen Terminus "The Great Mortality" zu uebersetzen, weil ich ihn so "richtig" fand.
    Das Lektorat mochte den Begriff ueberhaupt nicht, fand, es sei ein Anglizismus, was ich mir als Uebersetzer besser nicht anhaengen lasse - ansonsten sieht man in der Branche recht rasch uebel aus. Ich wollte so gern erklaeren, warum ich zwischen dem Begriff, fuer den die Englaender des Vierzehnten Jahrhunderts sich entschieden haben, und dem vom Lektorat vorgeschlagenen "das grosse Sterben" einen wichtigen Unterschied sehe, habe - wie so oft - in meinem Ringen-mit-Klauen-und-Fussnaegeln wohl kaum die richtigen Worte gefunden und schliesslich nachgegeben.
    Als die Fahnen kamen, erfuhr ich dann, dass das Lektorat sich doch entschieden hat, meinen Begriff beizubehalten. Dafuer bin ich sehr, sehr dankbar! Aber auch unsicher, denn Lektoren mahnen sowas ja nicht ohne Grund an, und wenn Leser es einfach als - verschrobenen, manieristischen - Anglizismus empfinden wuerden, waere das sehr unschoen.
    Deshalb freu ich mich riesig, dass Du's mochtest.
    Der Begriff "Schwarzer Tod" ist juenger und wurde damals weder in England noch in Deutschland verwendet.


    Alles Liebe von Charlie

  • Zitat

    Original von Charlie


    Das macht mich so froh!


    :-) freut mich wiederum :wave


    Wann ist die Pest denn das erste Mal in England nachweislich aufgetreten? Irgendwie hat man im Buch so das Gefühl, als wäre das alles ganz neu für die Leute. So als hätten sie das in ihrem Leben so noch nicht erlebt. Später ist die Pest ja ziemlich regelmässig wieder aufgeflammt, so daß viele in ihrem Leben mehrere Pestepidemien erlebt (und evtl. auch überlebt) hat.

  • Zitat

    Der Begriff "Schwarzer Tod" ist juenger und wurde damals weder in England noch in Deutschland verwendet.


    Das dachte ich mir doch, deswegen finde ich es zumindest "verwunderlich", dass das Lektorat dir das ankreiden wollte. Mit der Verwendung des Begriffes "Schwarzer Tod" hättest du dir doch allzu schnell die "historisch korrekte" Leserschaft zum "Feind" gemacht.


    Staunende Grüße.

  • Das Lektorat hat NICHT "der Schwarze Tod" vorgeschlagen, sondern "das grosse Sterben".
    Dagegen ist historisch nichts zu sagen, auch wenn der Begriff in England so nicht verwendet wurde - irgendwie muss man's ja nennen, wenn man die Uebersetzung nicht moechte.


    Wie gesagt, ich kann im Nachhinein (damals war ich einfach nur verzweifelt und nicht in der Lage, nuechtern nachzudenken) das Lektorat verstehen, denn wenn hier ein Anglizismus (KEIN Anachronismus) von Lesern angekreidet worden waere, faellt's nicht nur auf den Autor zurueck, sondern auf den Lektor ebenso.
    Umso mutiger finde ich es, dass man sich letzten Endes doch dazu entschlossen hat.


    Mein Bericht war also keine Kritik am Lektorat, sonderen deren Gegenteil.


    Die Epidemie von 1347/48 die als "grosse Sterblichkeit" bezeichnet wurde und heute im Allgemeinen als "die Pest" bezeichnet wird, wurde als die erste Welle dieser Erkrankung, die England erreichte, betrachtet. Davon, dass dem so war - und davon, dass es sich um die von dem Erreger Yersinia pestis ausgeloeste Erkrankung tatsaechlich handelte - gehe ich in meiner Darstellung aus.
    Aber Vorsicht: Ich habe mich fuer diese Darstellung entschieden, weil sie mir als Laien erstens plausibel erschien, weil zweitens darueber die meiste Literatur zur Verfuegung stand und weil drittens der mich unterstuetzende medizinhistorische Experte diese Theorie vertritt. Zahlreiche Medizinhistoriker sind jedoch inzwischen nicht mehr der Ansicht, dass es sich um Yersinia pestis gehandelt habe.


    Herzliche Gruesse von Charlie

  • Zitat

    Original von Charlie
    Aber Vorsicht: Ich habe mich fuer diese Darstellung entschieden, weil sie mir als Laien erstens plausibel erschien, weil zweitens darueber die meiste Literatur zur Verfuegung stand und weil drittens der mich unterstuetzende medizinhistorische Experte diese Theorie vertritt. Zahlreiche Medizinhistoriker sind jedoch inzwischen nicht mehr der Ansicht, dass es sich um Yersinia pestis gehandelt habe.


    Herzliche Gruesse von Charlie


    Welcher Ansicht sind die hier erwähnten Medizinhistoriker?

  • "Er liebte sie im stehen, sie liebte ihm im Stehen nicht minder..."

    Zu der Liebeszene wollte ich noch was sagen. Die steht in meiner persönlichen Hall of Fame auf einem Ehrenpodest. Das ist die schönste und ergreifendste Liebesszene, die ich je gelesen habe. Sie ist einerseits so schlicht weil sich hier zwei Menschen finden, die sich lieben und ihre Liebe für diesen Moment endlich zulassen, andererseits so gewaltig, dass sie ohne viele Gesten und körperliche Beschreibungen auskommt und einem beim Lesen von den Füßen fegt.
    Hier findet sich, was zusammengehört und das hat mir beim ersten und beim wieder- und wiederlesen die Tränen in die Augen getrieben. Liebe Charlie, was Du hier mit wunderschönen, einfachen, gewaltigen und berührenden Worten auf 1,5 Seiten schaffst, schaffen andere nicht auf 20 Seiten.

  • Vielen Dank, Bouquineur. Ich finde Liebesszenen unendlich schwer zu schreiben. Diese wollte ich unbedingt schreiben, weil ich sie den zweien so gegoennt habe - ich hatte grosse Angst, sie nicht in den Kieselstrand, sondern in den Sand zu setzen.


    Zur Epidemie von 1347/48 gibt es verschiedene Theorien, Spekulationen, Ansaetze. So vermuten manche Forscher, es habe sich um eine Anthrax-Infektion gehandelt, andere gehen von einer Kombination mehrerer Erreger aus. Welche Version die Forschung derzeit fuer die wahrscheinlichste erachtet, weiss ich nicht, da bin ich leider nicht auf dem neuesten Stand.
    Yersinia pestis ist jedenfalls nur eine von mehreren Moeglichkeiten.


    Alles Liebe von Charlie

  • Ich finde auch, daß es erst mal ruhiger wird, Dorothy und Aimery finden sich wieder und Dorothy pflegt ihn auf der Werft mit Unterstützung von John/Michael. Seine wahre Geschichte erfahren wir auch noch in diesem Kapitel.


    Fritzroger ist mir irgendwie ungeheuer.


    Es wird ein drittes Hochamt für Luke aus Havant gelesen, also mit ihm kommt bestimmt noch was?? :gruebel


    Gilbert verehrt immer noch Dorothy und die Magd Betta ist wieder schwanger von ihm. Gilbert lädt Dorothy zum Tanz nach Southampton ein. Hier wollte ich gleich wieder eingreifen, damit sie ja nicht mit ihm geht :fetch


    Ronald wurde von Dorothy verziehen, weil er Aimery wieder dazu gebracht hat zu arbeiten.


    .. und dann kommt dass verseuchte Schiff und erneut ein packendes Finale: Aimery reitet nach Hause zu seinem sterbenden Vater



    Die Spannung bleibt uns jedenfalls erhalten :wave

  • In diesem Kapitel gibt es endlich, endlich ein paar Offenbarungen.


    Roger ,Sohn es Roger - der Mörder von Helewise; ich hatte so meine Ahungen aber der Grud war ein anderen; zuerst dachte ich Roger wär ein Geistlicher, und hat Helewise aufgrund ihrer Hurerei getötet. Und weil er sich aufgrund dessen zutiefst verabscheut aber sich nicht selber vergeben kann hasst er Aimery, da er ihn ständig an den Mord erinnert.
    -
    Die Gottesgeißel; ist von der Pest die Rede?
    -
    John, der nicht John heißt, sondern Michael erzählt seine Geschichte. Meines Erachtens ist er der einzig Sehende unter all den Menschen.
    -
    Ich hoffe Aimery kommt noch rechtzeitig, um vor dem Tod seines Vater zu sprechen.

  • Ich habe den 6. und 7. Teil in einem Rutsch gelesen und poste jetzt lieber hier, um nicht im 6. zu viel zu verraten.
    So viele Jahre sind vergangen, Kinder sind groß (und mannbar) geworden, Dottie hat, außer ihren Gefühlen, alles im Griff, und Aimery verzweifelt nach wie vor an sich und der Welt.
    Aber langsam kommt Licht ins Dunkel. Habe ich es richtig verstanden, das Luke Aimerys Sohn war?
    Fitzroger ist mir nach wie vor ein Buch mit sieben Siegeln. Er scheint der Schlüssel zu allem zu sein, aber ich kann mir beim besten Willen nicht vorstellen, was er verbirgt.
    Apropos Schlüssel: Der Schlüssel um Aimerys Hals ist sicher der Bibliotheksschlüssel des Domus Dei – ob dem noch einmal Bedeutung zukommt?
    Nach wie vor genieße ich dieses Buch, ich kann wunderbar mit Dottie und all den anderen mitfühlen und habe mich dementsprechend gefreut, als Dottie und Aimery sich endlich ein paar Stunden des Glücks zugestehen.


    Eine Frage habe ich seit einiger Zeit:
    Aimery hält sich über Monate in der Werft verborgen, ohne dass jemand davon erfährt. Wie groß muss ich mir Portsmouth eigentlich vorstellen? Gut, es ist eine Stadt, aber mehr als ein paar tausend Einwohner wird sie kaum gehabt haben. Ich könnte mir vorstellen, dass es in den damaligen Städten insbesondere unter den Bürgern eine unglaublich hohe soziale Kontrolle gab. Mich würde sehr interessieren, Wie viele Menschen tatsächlich damals in Portsmouth gelebt haben.


    Ganz liebe Grüße von der begeisterten SteffiB

  • Etwa 2500, Steffi.
    Die soziale Kontrolle lag - nach allem, was sich belegen laesst - in Folge des ersten grossen Brandes voellig darnieder, die Gilde funktionierte nicht mehr, wer konnte, wanderte ab. Die Stadt stand kurz davor, zur Geisterstadt zu werden.
    Dass ihn ab und an jemand bemerkt oder etwas ahnt, denke ich trotzdem. Die Leute wissen letztendlich, dass er da ist. Aber sie wissen nicht, wie sie sich verhalten sollen. Ich hoffe, das wird in spaeteren Teilen noch klarer, wenn nicht, muessen wir darueber nochmal reden, dann ist's ein Fehler von mir.


    Zu allem anderen darf ich natuerlich nichts sagen, freu mich aber vor mich hin.
    MEIN PFERD IST EBEN GEKOMMEN!


    Alles Liebe von Charlie

  • Liebe Charlie!
    Nun, vieles ist ja auch aus dramaturgischen Gesichtspunkten nicht anders zu lösen. So finde ich es einerseits verwunderlich, dass sich Dottie die Puzzleteile um ihre angeheiratete Familie erst über die Jahre erschließen bzw. in ihr die Hände gespielt werden – andererseits habe ich überhaupt kein Problem damit. Ich nehme es hin und freue mich über die spannende Geschichte. Zumal eine gewisse Sprachlosigkeit sowohl Dotties als auch viele andere Charaktere auszeichnet. Aber ist es nicht genau diese Sprachlosigkeit, dieses Unvermögen, sich endlich einmal die Seele leicht zu reden, die so viele Menschenschicksale so unerträglich machen? Nein, nein Charlie, das Wort Fehler will ich nicht hören. Es ist gut so, wie es ist.
    Und ich bin ebenso gespannt auf die Auflösung wie den Weg dahin.


    2500. Das sind sogar noch weniger, als ich vermutet hatte. Dass sich die Sitten lockerten, hast du sehr anschaulich beschrieben. Eine Dottie hätte sich sonst niemals gehen lassen ...
    "Sie wissen nicht, wie sie sich verhalten sollen" – da hast du Recht. Die Vogel-Strauß-Taktik in der Gesellschaft ist ja nach wie vor eine weithin praktizierte.


    Liebe Grüße aus dem sonnigen Hamburg!
    Deine SteffiB


    PS: Ich bin sehr gespannt, ob dir mein Pferdchen gefällt ... ist ja etwas komplett anderes ...

  • Der Blinde heißt also Michael und war ein Frauenschänder.
    Charlie
    So kriegst du deine Leserunden aber nie aus der nicht-jugendfreien Zone. :lache


    Wurde in Southampton tatsächlich der erste Kran für die Entladung der Schiffe eingesetzt? Als ich mir vor einigen Monaten die Kräne im Hamburger Hafen ansah, musste ich über die Ursprünge nachdenken. Wie elend lange muss so eine Löschung der Ladung gedauert haben.

  • Wann in England der erste solche Kran eingesetzt wurde, laesst sich nicht sagen, Southampton ist aber ein wahrscheinlicher Kandidat.
    Ihr drueben, in den Hansestaedten, hattet so ein Ding aber frueher!


    Alles Liebe von Charlie

  • zitat: Den Ausdruck "die große Sterblichkeit" finde ich übrigens schöner als "der schwarze Tod"



    :write
    vielleicht nicht unbedingt schöner, aber inhalts- und einfallsreicher, jedenfalls besser.

    "Ich habe die Erfahrung gemacht, dass Leute ohne Laster auch sehr wenige Tugenden haben." (A. Lincoln)