Ammann-Verlag gibt auf

  • DiskutantInnen auf der Seite, die Bücher v e r k a u f e n und solche, denen an literarischer Qualität liegt, werden hier nicht zusammenkommen. Anderswo auch nicht.


    Daß die Nachfrage das Angebot schafft, ist ein Dogma, das unsere Wirtschaft behrrscht. Deswegen ist es trotzdem nicht richtig.
    Und nein, es ist auch kein 'Henne und Ei'- Problem.


    Welche Bücher 'nachgefragt' werden, hängt an weit mehr als an 'Vorlieben' oder 'Geschmack' eines Publikums.
    Es geht hier um Bildungsstand, vorhandenes Wissen, der Frage, inwieweit Menschen in unserem Kulturkreis überhaupt befähigt werden, sich mit etwas anderem als Unterhaltung zu beschäftigen, um das Zusammenspiel der Medien, um nur einige wenige Faktoren zu nennen.
    Das Buch ist längst nicht mehr Leitmedium in unserer Kultur, ohne den Einfluß des Fernsehens und der Zeitungen/Zeitschriften, in erster Linie der Feuilletons, ist der Buchm a r k t gar nicht mehr denkbar.


    Wer als Verlag nicht auf reine Unterhaltung setzt, hat heutzutage schlechtere Karten denn je. Das Phänomen ist nicht neu.


    Daß eine massentaugliche Autorin ein weniger massentaugliches Projekt finanziert, wird oft behauptet, an Beweisen fehlt es mir bislang. Dieses Argument kommt mir wie eine Beschönigung der Tatsache vor, daß eben Quantität produziert wird, weil man Gewinn machen will.
    Was an sich in Ordnung ist, Verlage sind Wirtschaftsunternehmen und keine Institutionen zur Verteilung von Bonbons aus menschlicher Güte.


    In dem Punkt wäre mir mehr Ehrlichkeit lieber, als dieses Bemänteln und Schönreden einer ökonomisch bedingten Tatsache. Ich wundere mich eher über das Bestreben, sich im knallharten Gewinnstreben ein kulturell dekoriertes Mäntelchen umzuhängen.
    Ist da nun doch etwas dran, an der 'Qualität'?


    Zur Literatur:


    das Wort 'Hoch-Literatur' und auch das Adjektiv 'hoch-literarisch' sind mir in letzter Zeit häufiger aufgefallen.
    Was soll das bedeuten?
    Gibt es 'Tief-Literatur'?


    Die Wortschöpfung 'Hoch-Literatur' ist albern und unsinnig.


    Es gibt Literatur und Unterhaltungsliteratur. Letztere mag man in gehobenere und einfachere oder auch niedrige unterscheiden.


    Literatur ist Literatur ist Literatur. Nichts sonst. Sie wird nie ein Massenphänomen werden, das ist weder ihr Anspruch noch ihr Sinn. Sie wird ein Dasein auf kleinem Raum führen. Immer. Für sich. Aus sich heraus.
    Die Frage ist nur, ob man ihr diesen kleinen Raum auch weiterhin zugesteht oder ihr die Luft abschnürt (was zur Ziet passiert und mit jedem Tag schneller) oder aber ob man ihr mehr Luft zuführt, damit sie atmen kann und die Massenkultur beeinflußen, was sie immer schon getan hat.


    Ohne Literatur keine Unterhaltungsliteratur. Alles, was an Massenliteratur unters Lesepublikum gebracht wird, jede Figur, jedes Gefühl, jedes Abenteur, jede Handbewegung, jeder Seufzer, ist immer zweifach vorhanden, in gehobener Form und in vereinfachter, bis hin zu allerdünnsten, allerplattesten.
    Die beiden Bereiche beeinflussen sich.


    Ohne einen Gutteil Vulgarisierung lebt keine 'Literatur'. Vulgarisierung ist die Hefe der Kunst.
    Ohne literarische Überhöhung und künstlerische Originalität allerdings läuft sich die Unterhaltung tot. Sie wiederholt sich nur noch unablässig, weil der frische Luftzug fehlt.


    Wir stehen kurz vor diesem Punkt, wir leiden an Atemnot, wir leiden am Immergleichen.
    Je mehr unangepaßte Verlage verschwinden, desto geringer wird unsere Luftzufuhr.
    Zum Denken braucht man Sauerstoff. Der ist mit dem Verschwinden von Amman nun um einiges knapper geworden.



    So traurig ich das finde, bin ich allerdings über diese klare Entscheidung froh. Nichtsist so schlimm wie die Travestie eines Verlagshauses, das unter einem großen alten Namen in vulgarisierter Form fortlebt.
    The horror.



    :wave



    magali

    Ich und meine Öffentlichkeit verstehen uns sehr gut: sie hört nicht, was ich sage und ich sage nicht, was sie hören will.
    K. Kraus

  • Zitat

    Original von magali
    DiskutantInnen auf der Seite, die Bücher v e r k a u f e n und solche, denen an literarischer Qualität liegt, werden hier nicht zusammenkommen. Anderswo auch nicht.


    Sehe ich nicht so.
    Es soll z. B. durchaus noch Buchhandlungen geben, die "literarischer Qualität" (wie auch immer das jeder für sich definieren mag) neben der Das-verkauft-sich-wie-geschnitten-Brot-Massenware ein Plätzchen einräumen und Verlage im Sortiment führen und auch durch Werbemaßnahmen unterstützen, von denen sie überzeugt sind, deren Programm sie schätzen und für die sie sich einsetzen, auch wenn das betriebswirtschaftlich gesehen eher ein Minusgeschäft ist.


  • Die Beweise liegen in vielen Buchhandlungen aus, sie sind nur für Aussenstehende schwer zu erkennen. Auch die großen Publikumsverlage finanzieren mit einigen gut verkäuflichen Autoren/Autorinnen viele Bücher, die es eben nicht in die Bestsellerlisten schaffen, die da vielleicht auch garnichts verloren haben.
    Natürlich will ein Verlag Gewinn machen, immerhin handelt es sich um ein Wirtschaftsunternehmen.
    Aber einer Aussage das nur noch Massentaugliches produziert wird muß ich widersprechen, das ist schlichtweg falsch!

  • Zitat

    Original von magali
    DiskutantInnen auf der Seite, die Bücher v e r k a u f e n und solche, denen an literarischer Qualität liegt, werden hier nicht zusammenkommen. Anderswo auch nicht.


    Womit du eigentlich jeder aktiven Buchhändlerin und jedem aktiven Verlagsangestellten unterstellst, dass er kein Wert auf literarische Qualität legt - ich weiß nicht, ob das beabsichtigt war, aber so kommt es bei mir an.

    :lesend
    If you can read, you can empathize, luxuriate, take a chance, have a laugh, hit the road, witness history, become enlightened, turn the page, and do it all again
    Oprah Winfrey

  • Wenn es so wäre, wie magali schreibt, würde es in unseren Buchhandlungen und in der Verlagslandschaft doch erheblich anders aussehen.


    Es gibt die Mischkalkulation in Verlagen und den für jeden sichtbaren Beweis findet man in jeder Taschenbuch oder Belletristikabteilung einer Buchhandlung und in den Verlagsprogrammen so mancher kleinerer und auch grösserer Verlage.


    Natürlich ist ein Verlag und eine Buchhandlung ein Wirtschaftsunternehmen, aber es gibt Verleger und Buchhändler, die ihren Job mit einer ordentlichen Portion Idealismus machen und sich nicht nur am Profitstreben orientieren.
    Wenn es nicht so wäre, gäbe es sehr viele Buchhandlungen oder Verlage nicht mehr und der Beruf des Buchhändlers wäre längst ausgestorben.


    Mir ist das ganze deutlich zu schwarzgemalt und pessimistisch.

    :lesend
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    Oprah Winfrey


  • Ja. Leider.


    :wave Corinna

  • Zitat

    Original von Cookie
    Ja, wie sieht es denn aus? Wenn ich das Angebot der Buchhandelsketten betrachte ... was sehe ich denn dort und was finde ich dort nicht?


    Zunächst sprach ich von der Mischkalkulation der Verlage, nicht vom Angebot bei Buchketten.
    Keine Buchhandlung, ob nun Kette oder nicht, kauft ein komplettes Verlagsprogramm ein, sondern eine Buchhandlung wählt aus dem Verlagsprogramm aus.


    Man kann sich mal ein Verlagsprogramm von Suhrkamp oder Diogenes oder anderen Verlagen durchschauen und wird dort Bücher finden, die man kaum in einer Buchhandlung stehen sieht.
    Das ist eigentlich schon der Beweis, dass Verlage sich manche Bücher leisten, die nicht das große Geld versprechen. Das meinte ich mit "Mischkalkulation": Bestseller und gut verkäufliches subventioniert im Verlag die weniger gut verkäuflichen, die sich ein Verleger aus Imagegründen, Idealismus oder Liebe zur Literatur leistet.
    Und das gilt sogar für Taschenbuchverlage.
    Wenn du eine Vorschau durchgeblättert hast, dürfte dir schon einiges auffallen, was erheblich schwerer verkäuflich ist, nur eine extrem kleine Zielgruppe anspricht - aber dennoch ein Platz im Verlagsprogramm findet.


    Eine Buchhandlung muß aus der Fülle der jährlichen hundertausenden Neuerscheinungen auswählen und das tun sie nach ihren Kriterien, passend zu ihrer Zielgruppe und zu ihrem Image und Programm.


    Bei dem Schimpfen auf die großen Ketten kann ich ehrlich gesagt nur gähnen.
    Sie haben den Ammannverlag nicht auf dem Gewissen.
    Wenn dann ist es der Leser, der in Scharen in die großen Ketten rennt, statt dem kleinen Buchhändler die Treue zu halten. Da sollte sich jeder Buchhändler auch mal fragen, was machen die großen denn besser, dass sie die Buchkäufer auf ihre Seite bringen?
    So schlecht sortiert, unübersichtlich gestaltet (ich sage nur: Taschenbücher in Drehsäulen), wie hier in meiner Stadt die kleinen Buchhandlungen sind, bin ich glücklich und dankbar das ein großer, böser Filialist hier seine Niederlassung eröffnet hat und gehe mit Freuden zur Mayerschen.

    :lesend
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    Oprah Winfrey

  • @ janda


    Erst mal vielen Dank für deine ausführliche Antwort.


    Meine Frage bezog sich durchaus auf deine Äußerung:


    Zitat

    Original von janda
    Es gibt die Mischkalkulation in Verlagen und den für jeden sichtbaren Beweis findet man in jeder Taschenbuch oder Belletristikabteilung einer Buchhandlung und in den Verlagsprogrammen so mancher kleinerer und auch grösserer Verlage.


    Darum verstehe ich jetzt nicht, warum du in deiner Antwort einen Satz von mir zitierst, der im Bezug auf meine Frage nicht in direktem Zusammenhang steht.


    Ich habe den Eindruck, dass wir aneinander vorbeireden.
    Hm, hattest du denn die beiden Artikel gelesen, die ich verlinkt hatte? Da wird ja behauptet, dass eben diese Subventionierung nicht stattfindet und auch ich wage das mittlerweile zu bezweifeln, wenn auch ich das früher mal geglaubt habe. Vielleicht war das ja auch mal so.


    Du beschreibst die Einkaufspolitik der Buchhandlungen. Und die stimmt nur bedingt. Die hat sich bei vielen Buchhandlungen im Laufe/Wandel der Zeit radikal verändert. Wohlbemerkt bei vielen, nicht bei allen. Kannst du auch wunderbar nachlesen in den beiden Artikeln. Das, was dort geschildert wird, entspricht der Realität.
    Es gibt sogar Buchhandlungen, die die Vertreterbesuche ablehnen und nur noch anhand der Empfehlungslisten der (großen) Verlage (mit vortrefflichen Rabatten bei Abnahme von xxx Exemplaren) einkaufen. Andere werden folgen. Da, liebe janda, ist kein Platz für die Titel kleiner Verlage. Das ist nur einer von mehreren Faktoren, die zu diesem Teufelskreis führen, dass mittlerweile eher das Angebot die Nachfrage bestimmt.


    Du erwähnst Suhrkamp und Diogenes, beides Verlage, die ich sehr schätze. Aber in diesem Thread geht es eben um die kleinen Literaturverlage und auch die kleinen Buchhandlungen, die hart ums Überleben kämpfen müssen.


    Ich habe nichts gegen die großen Buchhandelsketten, ich sehe aber die große Gefahr, die davon ausgeht, wenn die Großen von den Großen bevorzugt werden und die Kleinen kaum noch Chancen haben zu bestehen.


    Dass nun allein die Leser schuld am Desaster sein sollen, wage ich zu bezweifeln. Schön wäre es natürlich, wenn wir alle die kleineren Buchhandlungen unterstützten. Wenigstens ab und zu.


    Hoffnungsvolle Grüße
    :wave Corinna

  • Zitat

    Original von Cookie
    Du erwähnst Suhrkamp und Diogenes, beides Verlage, die ich sehr schätze. Aber in diesem Thread geht es eben um die kleinen Literaturverlage und auch die kleinen Buchhandlungen, die hart ums Überleben kämpfen müssen.


    In diesem Thread geht es darum, dass der Ammannverlag die Toren schließt und dann eine Reihe daraus resultierender Diskussionen.


    Ich habe hier nicht über die Größe von Buchhandlungen und Verlagen diskutiert - sondern ich habe auf die generell extrem pessimistische Antwort von magali geantwortet, die sich meiner Interpretation nach, sehr pessimistisch über den Zustand des gesamten Marktes geäußert hat.
    Von groß und klein war bei mir nicht die Rede.


    Und was die Schuld des Lesers angeht: diese Aussage bezog sich auf die Existenz der kleinen Läden und der großen.
    In einer Stadt öffnet eine neue Buchhandlung - soweit so gut. Wenn sich nun die Kunden einer bereits vorhandenen Buchhandlung davon nicht beeindrucken lassen, weil sie rundum glücklich sind, mit der Buchhandlung, die sie hatten, werden sie mal einen Neugierbesuch machen, aber nach einer kurzen Zeit werden sich die Umsätze der alteingesessenen Buchhandlung auch wieder stabilisieren.
    Aber es scheint ja so zu sein, dass die Neuzugänge eben etwas mehr bieten, als die kleinen, alteingesessenen.
    Sie sind vielleicht größer (aber Größe an sich kann von einem Kunden auch als Unübersichtlichkeit und somit Nachteil empfunden werden), aber sie sind oft auch - und das kann ich jetzt hier aus ganz ureigener Erfahrung sagen - besser strukturiert, übersichtlicher, geräumiger, gemütlicher.
    Und auch wenn mich dann mein buchhändlerisches Gewissen plagt: wenn mir mein Filialist eine so schöne Buchhandlung anbietet, die mich schnell das finden lässt, was ich suche, dann ziehe ich das dem kleinen Laden vor.


    Es ist nicht der Leser allein - aber er hätte die Macht mit seinem Einkaufsverhalten so manches zu ändern. Es ist aber auch nicht die böse Kette.

    :lesend
    If you can read, you can empathize, luxuriate, take a chance, have a laugh, hit the road, witness history, become enlightened, turn the page, and do it all again
    Oprah Winfrey

  • Ich gebe zu, mir erst jetzt das Verlagsprogramm richtig angeschaut zu haben. Ich finde es schade, dass dieses ehrgeizige Verlagshaus schließt. (Die neue Dostojewski-Übersetzung wurde von diesem Verlag initiiert?! :wow Da bekomme ich ja gleich ein schlechtes Gewissen, die Fischer-TB-Ausgabe gekauft zu haben.)


    Mir ist Mandelstam z. B. ein Begriff - wenn meine wirklich große Buchhandlung mal ein Buch aus der Werkausgabe gehabt hätte, hätte ich gern reingeguckt und mich vielleicht früher zu einem Kauf entschlossen.
    Womit ich sagen möchte, dass ich von anspruchsvollen und/oder großen Buchläden genau diese Dienstleistung eigentlich erwarte - die Aufmerksamkeit der Kunden auf besondere und schöne Bücher zu lenken und ihm die Möglichkeit zur Ansicht zu geben. Gerade bei Autoren, die nicht so bekannt sind, könnte das doch manchen Kauf beschleunigen oder überhaupt ermöglichen. So, und nun schlagt mich Naivling. :-)

  • @ Vulkan


    Wieso Naivling? Im Gegenteil!


    Dein Beitrag hat dazu geführt, dass ich noch einen interessanten Artikel in der süddeutschen.de gefunden habe, der Hintergrundinfos über die Wirtschaftlichkeit der Ammann-Projekte (z. B. die Dostojewski-Übersetzungen und die Werkausgaben Mandelstams und Pessoas) enthält.
    So sollen die Verlagsgruppe Georg von Holtzbrinck und Monika Schoeller, Chefin der Fischer-Verlage und Gesellschafterin der Holtzbrinck-Gruppe, jahrelang Verluste bei Ammann ausgeglichen haben (die Dostojewski-Übersetzungen z. B. sind in das Fischer-Programm übernommen worden).


    Da du Mandelstam ansprichst: Hier zwei sehr informative Rezensionen zur im Ammann Verlag erschienenen Mandelstam-Biografie "Meine Zeit, mein Tier" von Ralph Dutli, die ich allen hier empfehlen möchte.


    :wave Corinna