Marlen Haushofer: DIE WAND

  • Kürzlich war im TV der Film "Die Wand", leider habe ich ihn mir angeguckt.


    Ich habe das Buch vor Jahren gelesen und war beim und nach dem Lesen hin und her gerissen, das Buch hat mir alle Stimmungen beschert, die man haben kann und das noch lange Zeit nach dem Lesen.


    Der Film bringt die Emotionen auch nicht annähernd rüber, kann man vermutlich in 1,5 Stunden Spiellänge nicht schaffen. Ich war schon sehr enttäuscht.


    Dafür werde ich das Buch sicher nochmal lesen.

  • Autorin
    Marlen Haushofer, (* 11. April 1920; † 21. März 1970), war eine österreichische Schriftstellerin. "Die Wand" erschien 1963.


    Inhalt
    Eine Frau wird über Nacht von einer unsichtbaren Wand vom Rest der Welt getrennt. Dahinter scheint alles wie versteinert. Auf sich gestellt muss sie für ihr Überleben und das von ein paar Haustieren sorgen. Irgendwann spürt sie das Bedürfnis, einen Bericht über die Ereignisse niederzuschreiben.


    Sehr detailliert beschreibt sie ihre Tätigkeiten vor allem der Nahrungsbeschaffung, wie Melken, Heumachen, Kartoffelanbau etc. Sehr wenig erfährt man über ihre Gedanken und Gefühle. Das ist aber kein Wunder, schließlich kommt sie vor lauter Arbeit und Sorge um ihre Tiere kaum zum Denken. Und manchmal will sie es auch nicht. Über ihr früheres Leben deutet sie in wenigen Sätzen an, dass sie ganz in der Sorge um ihre Familie aufgegangen ist (man beachte das Entstehungsjahr des Romans) und dabei nicht immer glücklich war. Man hört schlechte Erfahrungen mit ihren Mitmenschen, Enttäuschung und Resignation heraus. So ist auch die Grundstimmung des Buches eher düster bis depressiv.


    Meinung
    Das Buch ist kein Mysterie-Roman und man sollte als Leser nicht darüber grübeln, welche über-/außerirdischen Wesen oder Ereignisse diese Wand in die Landschaft gestellt haben.
    Zeitweise ermüdeten mich die unzähligen Einzelheiten ihrer handwerklichen Tätigkeiten. Ich hätte mir stattdessen mehr Einblick in ihre Gedanken- und Gefühlswelt gewünscht, doch der berichtsartige Schreibstil lässt das nicht zu und ist vor der Autorin wohl auch nicht gewünscht. Schließlich geht es ja genau darum, dass die vielen Tätigkeiten Nachdenken verhindern. Das kann der Leser dafür umso mehr tun. Ich habe mir sehr gerne Gedanken über diese Wand gemacht und während des Lesens sehnsüchtig auf immer neue Anstöße gewartet, die mich dabei weiterbringen. Ich stellte mir die Frage, wie überlebensfähig ich selbst in dieser Situation wäre und hatte auch Ideen, wie ich es besser machen könnte - der Beweis für Praxistauglichkeit steht noch aus.


    In diesem Bericht sehe ich eine Parabel auf das vorheriges Leben der Erzählerin. Aus Liebe zu den ihr Anvertrauten gerät sie in ein Hamsterrad. Zur Umwelt entsteht dadurch eine undurchdringliche Wand. Nur selten macht sie sich Gedanken darüber, diese Wand zu überwinden. Doch will sie das auch?


    Fazit
    Ein lesenswertes Buch. Ich bin überzeugt, dass ich mich auch noch in Jahren an dieses Buch zurückerinnere.

  • Ich habe vor einigen Jahren zum ersten Mal von DIE WAND in der ZDF Sendung "Unsere Besten" gehört. Ein Buch, das mir völlig fremd war unter den Top Ten? Und dann noch so geradezu enthusiastische Kritiken? Ich musste es lesen! Was für ein Wahnsinnsbuch!


    Die Hauptperson, deren Namen nie genannt wird muss völlig isoliert von der bekannten Welt leben und überleben.
    Ich denke, die Handlung selber ist hinlänglich bekannt.
    Das faszinierende ist, wie Marlen Haushofer in ruhigen Worten und Szenen beschreibt, wie die Frau die Situation zu verstehen, und dann damit klar zu kommen versucht. Im Laufe der Zeit passt sich ihr Leben, ihr Lebensrythmus der Natur und dessen Zyklus an. Die Wertigkeiten verschieben sich. Ihr Leben reduziert sich auf das Wesentliche. Ihre Gedanken drehen sich immer mehr nur noch um den Kreis des Lebens. Als sie am Ende des Buches merkt, dass es ggf. einen Weg auf die andere Seite geben könnte, beschließt sie aber nicht, es sofort zu versuchen. Ihr altes Leben existiert nicht mehr und es ist nicht klar, ob sie es überhaupt zurück will.


    Das Buch hat mich sehr lange beschäftigt. Was würde ich tun? Würde ich das aushalten? Was würde ich vermisse, was würde mir fehlen? Was ist überhaupt wichtig?
    Ja, in dem Buch passiert nicht viel. Es fließt wie ein ruhiger Bach ohne Höhen und Tiefen dahin, aber trotzdem, oder gerade deswegen, reißt es einen mit. Ich kenne eigentlich kein anderes Buch, das derart intensiv zum Nachdenken anregt.

  • Hier, eine Katzengeschichte


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    Mit den Worten „Hier, eine Katzengeschichte“ hat Marlen Haushofer das Manuskript dieses Romans seinerzeit ihrem Lektor übergeben. Die österreichische Autorin, die 1920 geboren und nur 50 Jahre alt wurde, hat zwar viele Literaturpreise erhalten, aber den Erfolg ihrer Romane beim Publikum konnte sie nicht mehr miterleben. Ob sie ihn genossen hätte, ist allerdings zweifelhaft.


    Ich habe bereits einiges über Marlen Haushofer gelesen, mich aber bislang noch an keines ihrer Werke getraut. Es hat mich ein wenig abgeschreckt, dass sie später zu einer „Kultfigur“ wurde, stark vereinnahmt unter anderem von der Frauenbewegung, der allerdings auch zu verdanken ist, dass es überhaupt zur posthumen Rezeption kam, im Fall von „Die Wand“ sogar zur Verfilmung, im Jahr 2012 mit Martina Gedeck in der Hauptrolle. Dieser Roman kann tatsächlich der feministischen Literatur im weitesten Sinne zugeordnet werden, aber zuvorderst handelt es sich um eine kluge, großartig erzählte und sehr spannende Geschichte um eine Person in einer, nun ja, sozialen Grenzsituation.


    „Die Wand“ ist die von der Hauptfigur - genau genommen der einzigen Romanfigur - selbst niedergeschriebene Geschichte einer vierzig Jahre alten Frau, die Verwandte auf einer Jagdhütte in einem Tal am österreichischen Alpenrand besucht. Sie bleibt allein, als die Cousine und ihr Ehemann abends noch zum Essen ins Dorf gehen, aber als sie am nächsten Morgen erwacht, sind die beiden immer noch nicht zurück. Die Frau macht sich mit dem ebenfalls zurückgebliebenen Jagdhund „Luchs“ auf den Weg ins Dorf, doch mitten auf dem Weg knallt sie plötzlich gegen eine massive, transparente Wand. Sie ist offenbar eingeschlossen, hat zwar eine mehrere Quadratkilometer große Fläche um sich herum zur Verfügung, ist aber augenscheinlich weit und breit der einzige noch lebende Mensch. Einen Bauern und dessen Hund kann sie in einiger Entfernung hinter der Mauer sehen, beide wie versteinert mitten in der Bewegung erstarrt, doch hinter der Wand, auf der Seite der Frau, ist alles noch am Leben, zwitschern die Vögel und summen die Insekten. Nach einigen schockerfüllten und verzweifelten Tagen macht sich die Frau daran, ihr Überleben zu organisieren, und dasjenige von Luchs, ihrem Hund, zu dem sich später noch eine trächtige Katze und eine Kuh gesellen. Die Frau wird zur Tierhalterin, Viehhirtin und Bäuerin, und sie verändert sich. Im Moment der Niederschrift dauert die Alpenrobinsonade bereits zwei Jahre.


    Ich habe keine Ahnung, wie gut oder schlecht der Film ist, der da im Jahr 2012 gedreht wurde, aber ich würde ihn mir nicht anschauen, denn was in einem Film im Vordergrund steht, nämlich Handlung und „Action“, spielt in diesem Roman nur die Rolle eines Transportmittels für sehr bemerkenswerte Gedanken und Betrachtungen, für kleinschrittige Veränderungen und kluge Reflexionen. Die Frau, die mit sich und ihren Tieren klarkommen muss, die diese unfreiwillige Eremitage erlebt, ohne dass sich übrigens je klärt, was es mit dieser Wand genau auf sich hat, was sie verursacht und ob sie je verschwinden wird, setzt sich mit ihrer eigenen Anpassung und der veränderten Welt um sie herum intensiv auseinander. Was weitgehend ausbleibt, das ist verblüffenderweise Einsamkeit. Ja, sie ist oft geängstigt und in Sorge, vor allem aber um ihre Gefährten, die Tiere, doch nur am Rande, eher indirekt und diffus bezogen auf die Menschen auf der Welt im Allgemeinen und die ihren im Speziellen. Sie denkt durchaus an ihre Kinder und an den Mann, aber sie bleibt dabei unkonkret - es scheint jedoch hindurch, dass sie wirklich glücklich nicht war, bevor die Wand in ihr Leben trat. Die Welt, in der sie jetzt ist, so schwer sich das Dasein auch darstellt, macht es ihr leichter. Bei allen Schwierigkeiten ist sie jetzt freier, die Bindungen zu den Tieren sind direkter, instinktiver und natürlicher als die, die sie vorher zu Menschen hatte - aber die Tiere sind auch schutzbedürftiger. Die schlimmste Situation des ganzen Romans wird folgerichtig auch von einem anderen Menschen ausgelöst, der kurz vor dem - übrigens offenen - Ende seinen Auftritt hat.


    Man kann in „Die Wand“ sehr viel hineininterpretieren, Autobiografisches und Philosophisches, Metaphorisches und Gleichnishaftes. Man kann dieses unglaubliche Buch aber auch einfach auf sich wirken lassen und mit seiner Heldin fühlen, die Situation in sich selbst zu spiegeln versuchen, und sich mit dem Gedanken auseinandersetzen, ob stimmt, was Marlen Haushofer da zwischen den Zeilen behauptet, dass nämlich das Leben nur deshalb für viele von uns so schwierig ist, weil wir mit anderen Menschen auskommen müssen.


    Ein großes, großartiges Buch, zeitlos und schlau, traurig und spannend, mitreißend und ernüchternd.