Die Nachteile des Plebiszits - Schweizer stimmen gegen Minarett-Neubauten

  • Tom : In den meisten Ländern der Welt müssen Ausländer erstens qualifizierte Arbeitskräfte sein, zweitens die Landessprache schon beim Betreten des Landes sprechen (z.B. TOEFL in Australien bei Beantragung des Visas) und drittens keinem Einheimischen den Job wegnehmen (was bedeutet, dass der Arbeitgeber beweisen muss, dass er niemanden im Lande findet). Der Ausländer muss sich dem Gaststaat gegenüber verpflichten, dass er ihm nicht zur Last fällt und es ist ihm auch oft untersagt sich politisch zu betätigen.


    Clio : Es gibt offsichtlich viele Dinge, die ungeschriebene Gesetze sind. Deswegen muss man als Ausländer aus einer anderen Kultur sehr vorsichtig sein, weil man leicht Leute verletzen kann, sei es deren anderes Schamgefühl, deren Art (nicht) direkt auf den Punkt zu kommen, deren Werte und Moralvorstellungen. Am besten mit offenen Augen umher gehen, Fragen stellen, lernen, beobachten und sich in der Öffentlichkeit anpassen. Man darf nicht annehmen, dass für einen Ausländer diesselben Rechte gelten wie für einen Einheimischen.

  • Zitat

    Original von OryxEs gibt offsichtlich viele Dinge, die ungeschriebene Gesetze sind. Deswegen muss man als Ausländer aus einer anderen Kultur sehr vorsichtig sein, weil man leicht Leute verletzen kann, sei es deren anderes Schamgefühl, deren Art (nicht) direkt auf den Punkt zu kommen, deren Werte und Moralvorstellungen. Am besten mit offenen Augen umher gehen, Fragen stellen, lernen, beobachten und sich in der Öffentlichkeit anpassen. Man darf nicht annehmen, dass für einen Ausländer diesselben Rechte gelten wie für einen Einheimischen.


    Da hast du Recht, ich finde aber auch, dass die Einheimischen auf jemanden, der aus einem anderen Land kommt, eingehen sollten. Also der Person eben Fehler auch mal verzeihen bzw. auch erklären und helfen zu verstehen, was an dem neuen Land anders ist. Eben helfen, sich in der neuen Kultur einzuleben. Da kann man nicht die ganze Verantwortung und die ganze Aufgabe der Integration nur auf den Ausländer abschieben...Und damit bei den Ausländern der Wille, sich den neuen Gegebenheiten so weit wie möglich anzupassen, auch entstehen bzw. stärker werden kann, sollten sie auch das Gefühl haben, in dem neuen Land willkommen zu sein. Ein Verbot von Minaretten trägt da nicht wirklich zu bei...

    In der Einsamkeit wird Liebe entstehen.

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  • @Orxy: Ich weiß nicht, wie's in Mexiko ist, aber "den Einheimischen" gibt es zumindest hier - Berlin, Deutschland - überhaupt nicht. Sondern Millionen Individuen, die zuweilen ziemlich originelle Ansichten von der Welt haben. Ich nehme zugunsten der Schweizer an, dass dort wenigstens ähnlich ist.

  • Zitat

    Original von Tom
    Oryx : Ich weiß nicht, wie's in Mexiko ist, aber "den Einheimischen" gibt es zumindest hier - Berlin, Deutschland - überhaupt nicht.


    Natürlich gibt es zig verschiedene Typen in einer Großstadt. Aber ich finde die Ansicht von Oryx - aus der Sicht des Fremden oder Eingewanderten (ich kenne Oryx Aufenthaltsstatus nicht) - schon interessant. Die eine Frage ist doch, wie Einheimische mit Zugewanderten umgehen. Da sind hier wohl die meisten einig, dass Akzeptanz der kulturellen, ethnischen, sprachlichen Vielfalt Leitgedanke ist.
    Die andere Frage ist, wie der Einwanderer sich verhält. Kann man in ein Land einwandern und erwarten, dass seine Kinder und Enkel immer noch in gleicher Weise den eigenen Traditionen, der Kultur und Sprache anhängen? Oder kann dies auch zum Hindernis werden, heimisch zu werden?
    So vielfältig deutsche Großstädte sind - ich merke durchaus einen deutlichen Unterschied, ob ich am Potsdamer Platz oder in der Sonnenallee bin und merke, dass ich mich anpasse in meiner Reaktion. Sprache, Habitus, Kleidung sind vielleicht sekundäre und auswechselbare Attribute, können aber auch ein Hinweis darauf sein, ob jemand in der neuen Gesellschaft angekommen ist oder nicht. Verordnen kann man das "Angekommensein" nicht. Aber so tun, als wenn alles in Ordnung ist, muss man deswegen auch noch nicht.

  • Tom : Also, wenn ich mir die deutschen Expats ansehe, so erkennt man sie oft als typische Deutsche und nicht etwa als Engländer.
    Berlin, Paris oder NYC sind cosmopolitische Städte. Man kann ein Dorf im Périgord nicht damit vergleichen. Das Dorf hat eine homogene Gruppe von Leuten mit den gleichen Werten, Ideen und auch oft dem gleichen sozioökonomischen Status. Die dörfliche Gemeinschaft ist eher konservativ und beharrt auf ihren Traditionen.
    Das Problem vieler moslemischer Immigranten in Europa ist die Tatsache, dass sie ebenfalls aus einer dörflichen Umgebung kommen und dann aber, statt sich in die neue Umgebung einzubinden, lieber ihr eigenes Dorf nachholten.
    Bei Persern oder Afghanen, die aus der gebildeten Oberschicht und meist aus den Hauptstädten kamen, und die sich wiederum in Stockholm oder Paris oder Wien niederliessen, gibt es diese Probleme nicht. Sie haben oft in die originäre Bevölkerung eingeheiratet und ihre inzwischen erwachsenen Kinder verstehen sich als Schweden, Deutsche, Österreicher oder Franzosen.


    Glass : In vielen Gesellschaften verhalten sich die Menschen abwartend gegenüber Newcomern. Ich musste auf meine Nachbarn zugehen, sonst wäre es beim "Buenos días, buenas tardes" geblieben. Amerikaner sind da neugieriger, Südafrikaner auch - da kann man schon zum Cook out eingeladen werden. Ich bin auch eher extrovertiert und rede fremde Frauen in Supermarktschlangen an und bekomme auf diese Art schnell Anschluss.


    Edit: Vulkan : Noch erneuere ich jedes Jahr meine Arbeitsgenehmigung. Ohne Arbeitsgenehmigung keine Aufenthaltsrecht.

  • Zitat

    Original von magali
    nein, Du mußt nicht dopelt soviel schreiben, Du hast genug geschrieben, ich kenne die Argumentation Deinesgleichen zu Genüge.


    Ich weiß nicht ob „Deinesgleichen“ untergriffig zu verstehen sein soll? Wen, oder besser, welche Geisteshaltung meinst Du mit „Deinesgleichen“?


    Ich werde jetzt in der gebotenen Kürze – obwohl ich es nicht wollte – auf Deine ungenauen und zum Teil sachlich einfach falschen Ausführungen zum Islam, von dessen Lehre Du offenkundig wenig mitbekommen hast, eingehen.


    Zitat

    Den Islam gibt es nicht. Es gab ihn auch nie.


    Ich frage mich bei dieser nicht besonders geistreichen, gebetsmühlenartig wiederholten Feststellung („Der Islam ist kein Monolith“) immer wo der Erkenntnisgewinn liegt. Also gibt es wohl auch nicht DAS Christentum oder Judentum, nicht DEN Nationalsozialismus? Es ist eine Binsenweisheit das historische Gebilde dem ständigen Wandel unterworfen sind. Dieser Einwurf dient jedoch einzig dazu, die Diskussion über die koranischen Grundlagen DES Islam zu verhindern. Selbstverständlich gibt es unzählige Geistesschulen von denen die Sch’ia nur die größte Minderheit darstellt. Geeint werden sie jedoch ALLE von der Annahme der Allgültigkeit, Überzeitlichkeit und Unerschaffenheit des Korans (auch hier gab es freilich Häretiker die die Erschaffenheit des Koran annahmen wie die Mu’tazila) und der Ausrichtung des Glaubens an der Sunna, am Hadith – der überlieferten Prophetentradition. Hier gilt es bereits zu unterscheiden, einige Hadith gelten als schwach (d.h. in ihre Aussagen werden in Zweifel gezogen), andere wie etwa die Sammlung von Sahih Al-Buhari als verbindlich. Erst wenn man sich auf den koranisch-dogmatischen Kern der islamischen Lehre verständigt hat, was ohne weiteres möglich ist, tut Differenzierung not. Und wahrlich es gibt genug zu differenzieren.


    Zitat

    Die islamische Gemeinde 'umma' wurde bei den Sunniten traditionell von den Kalifen geleitet (bis 1924, Kalif = Nachfolger des Propheten). Seither gibt es keine mehr.


    Darauf brauche ich eigentlich nicht mehr eingehen, diese Aussage ist schlichtweg falsch und zeugt von einer erschreckenden Ahnungslosigkeit den Islam betreffend. Grundsätzlich gehört ein jeder der umma Muhammadiyya an, der an den einen Gott („Allah“) glaubt und bezeugt das Muhammad sein Gesandter ist (so wie es auch in der Schahada zum Ausruck kommt. Nach muslimischer Auffassung ist die umma ein Symbol für die Einheit Allahs. Der Untergang des Kalifats bzw. des Osmanischen Reiches bedeute keinesfalls das Ende der urislamischen Idee der umma wie sie der Prophet Muhammad im Modell von Medina verwirklicht hat. Ich vermute Dein Einwand zielte auf die Entstehung der Nationalstaaten gegen Ende des 19. Jahrhunderts und dass sich in dieser Folge - oberflächlich betrachtet - verschiebende Loyalitätsgefüge. Die entstandenen Nationalstaaten tangieren dieses Konzept jedoch keinesfalls. Die Vielfalt und Eigenheit dieser Staaten ist nach islamischer Auffassung sogar begrüßenswert, da sie ein wichtiger Schritt auf dem Weg in eine vollkommene islamische Gemeinschaft darstellt. Die Annahme einer staatlichen Superiorität des einen Staats vor einem anderen würde fundamental dem universalen Anspruch des Islam widersprechen, nicht zuletzt deshalb, weil es die Pflicht der gesamten umma ist, für die Ausweitung des dar al-Islam zu sorgen. (Dieses Prinzip wird seit bestehen des Islam insofern verletzt, als die Araber innerhalb der umma immer eine besondere Stellung für sich beanspruchten.)


    Zitat

    Was es gab, war eine deutliche Trennung zwischen Staat und Kirche. Ja so.


    Diese Aussage ist so absurd, da ich bezweifele, dass Du mir auch nur EINEN Islamwissenschaftler nennen kannst, der behauptet, die islamische Dogmatik ließe eine „Trennung von Staat und Kirche (sic!)“ auch nur annährend zu. (wobei Du selbst weisst, dass der Terminus „Kirche“ hier nun gänzlich unpassend ist.) Das ist so abwegig, dass es mir eigentlich um die zwei Minuten leid ist, die es kostet diese Aussage zu widerlegen.
    Eines der islamische Grundprinzipien lautet al-islam din wa-daula (Islam ist Religion und staatliche Macht). Es kann eine solche Trennung nicht geben, da der Islam Diesseits und Jenseits zwingend gemeinsam denkt. Der islamische Staat ist eine gottgewollte Ordnung. Nur als Teil dieser Ordnung kann der Muslim seine Pflichten Gott gegenüber erfüllen und dadurch ins Paradies gelangen. Politik ist für Muslime der Vollzug des göttlichen Auftrages, wobei hier die genauere Ausgestaltung durchaus dem Menschen überlassen bleibt. Es ist islamischer Konsens das jede Form politischer Herrschaft legitim ist, solange sie die Anwendung des (göttlichen) schariatischen Rechts fördert.
    Der zentrale historische Vorgang für diese Frage ist die hidschra im Jahre 622. Muhammad wurde in Medina militärischer UND politischer Führer seiner jungen Gemeinde. Diese Einheit von politischer Führung und religiöser Autorität, die sich im Wirken des Propheten manifestiert (sunna!), gibt keinen sanktionierten dogmatischen Raum für eine Trennung von Religion und Staat.



    Es ließe sich noch vieles einwenden, Deine kuriose Lesart der „Islamischen Republik Iran“ bekritteln, näheres über das tatsächlich interessante Verhältnis von Kalifen und Religionsgelehrten darlegen, doch soll es an dieser Stelle reichen. Wenn Du an einer sachlichen Diskussion interessiert sein solltest, bitte ich Dich stichhaltiger zu argumentieren. Denn es gibt bei diesem Thema tatsächlich vieles worüber man geteilter Meinung sein kann.


    Und da wir ja ein Buchforum sind, empfehle ich dringend die hervorragende zweibändige Studie des renommierten Islamwissenschaftlers Tilman Nagel „Staat und Glaubensgemeinschaft im Islam“ (Zürich, 1981)


    :wave

    Im Verhältnis zur Musik ist alle Mitteilung durch Worte von schamloser Art.
    Friedrich Nietzsche

  • Zitat

    Original von Bernard
    In einer Demokratie genießt eine Minderheit dann Schutz, wenn die Mehrheit es will, ansonsten nicht.


    In einer unbeschränkten Demokratie wäre dem so, ja. Deswegen trüge die unbeschränkte Demokratie auch den Keim des Totalitarismus in sich, was wiederum für viele, die sich mit der aktuell herrschenden Mehrheit nicht identifizieren, ein Auswanderungsgrund wäre.


    Ich persönlich halte nichts von einer unbeschränkten Demokratie. Ich bevorzuge eine freiheitlich demokratische Grundordnung, in der nur die Themen zur allgemeinen Abstimmung gestellt werden, die auch alle (oder zumindest eine Mehrheit) unmittelbar betreffen. Steuern beispielsweise oder Versorgungsmonopole. Aber es geht mich in Wuppertal nichts an, ob drüben in Köln auf der anderen Rheinseite die Moschee höher ist als der Dom oder niedriger, es geht die Züricher nichts an, ob in Basel ein Minarett gebaut wird, und es geht mich als glücklich verheirateten Hetero nichts an, ob Homosexuelle ihre Partnerschaft als "Ehe" bezeichnen wollen. Ich möchte zu diesen Themen, die mich "im Grunde nichts angehen" keine landesweit verbindlichen Entscheidungen treffen müssen, weil irgendein Hirni eine landesweite Volksabstimmung angezettelt hat.


    Für mich haben Freiheit und Subsidiarität klar Vorrang vor jeder Mehrheitstyrannei.

  • Zitat

    Original von fabuleuse
    jede Gemeinde muss Baugesuche öffentlich auflegen/ausschreiben und Bürger oder Gruppierungen/Parteien können dagegen Einsprache erheben. Egal, ob es sich um Nachbars Wintergarten handelt (dort kann allerdings der von drei Strassen weiter nichts einwenden) oder um eine Mobilfunkantenne (für die ganze Gemeinde Einsprachemöglichkeit).
    Danach folgen Einspracheverhandlungen und so weiter. Und auch das kann bis vors Bundesgericht führen.


    Wenn dieses Verfahren bei Mobilfunkantennen so wunderbar funktioniert, wie konnte dann überhaupt jemand auf die Idee kommen, daß es für Minarette ungeeignet wäre und stattdessen eine Änderung der Bundesverfassung hermüßte? ?(

  • Huch, das lebt ja immer noch


    Siorac


    gerade erst gesehen.


    Tilman Nagel? Ja, natürlich und Ende 1970er war er noch nicht ganz so undifferenziert, wie es ihm heutzutage in Interviews passiert.


    Ansonsten sind Deine Ausführungen eher der Theorie verhaftet sowie einem Mittelalter. Mit den tatsächlichen politischen und sozi-ökonomischen Gegebenheiten seit dem 19. Jh. in den vielen Ländern, in denen sich der Islam als Mehrheits - oder Minderheits-Religion festgesetzt hat, hat das wenig zu tun.
    Und um die tatsächlichen Gegebenheiten geht es, nicht um propagierte Vorstellungen einer 'Einheit'.


    Die 'Einheit' hätte man gerne in interessierten Kreisen, sie diente den islamischen Fundamentalisten ebensogut wie den Fundamnetalisten in westlichen Ländern, die mit Fleiß ein neues Feindbild konstruieren, um ihre Politik der brutalen Ausbeutung zu bemänteln.


    Mit der Schweizer Entscheidung ist das Feindbild wieder um ein beträchtliches Stück gewachsen.
    Darum geht es und deswgen wäre differenziertes Denken angebracht.
    Ich kann nur wiederholen: den Islam gibt es nicht.


    Ich werde das solange gebetsmühlenartiug wiederholen, wie mir ebenso gebetsmühlenartig entgegengehalten wird, daß 'ImIslamReligionundStaateineEinheitsind'.


    Es geht einfach darum, was man will. Einen Feind oder keinen Feind. Und, selbstverständlich, um die alte Frage: cui bono.



    Falls Du Lektüretips suchst:


    Hourani, Arabic Thought in the Liberal Age (1962) ist immer wieder sehr aufschlußreich sowie selbstverständlich die Arbeiten von Friedemann Büttner, der doch ein etwas anderes Bild zeigt als Nagel.



    :wave


    magali

    Ich und meine Öffentlichkeit verstehen uns sehr gut: sie hört nicht, was ich sage und ich sage nicht, was sie hören will.
    K. Kraus

  • Zitat

    Original von Babyjane


    Oder zieht er aus, in eine christliche Wohngemeinschaft, in der er sein Kreuz aufhängen darf wohin er will?


    Was genau ist an einem Land so viel anders, als an einer Wohngemeinschaft im Kleinen?


    Der Unterschied ist, daß es viel leichter ist, in eine andere WG oder in eine benachbarte Stadt zu ziehen, als in ein anderes Land, wo zumeist auch noch eine andere Sprache gesprochen wird.


    Bei Fragen, die auf kommunaler Ebene entschieden werden, halte ich die "Abstimmung mit den Füßen" für zumutbar und angemessen. Bei Fragen, die auf nationaler, europäischer oder gar globaler Ebene zu entscheiden sind, gilt für mich: Ethik vor Populismus, Freiheit für die Schafe statt Mehrheitsentscheid der Wölfe, Diversität vor Konformismus, lieber garkein Gesetz als ein schlechtes.

  • Zitat

    Original von Behrnie


    Der Unterschied ist, daß es viel leichter ist, in eine andere WG oder in eine benachbarte Stadt zu ziehen, als in ein anderes Land, wo zumeist auch noch eine andere Sprache gesprochen wird.


    Bei Fragen, die auf kommunaler Ebene entschieden werden, halte ich die "Abstimmung mit den Füßen" für zumutbar und angemessen. Bei Fragen, die auf nationaler, europäischer oder gar globaler Ebene zu entscheiden sind, gilt für mich: Ethik vor Populismus, Freiheit für die Schafe statt Mehrheitsentscheid der Wölfe, Diversität vor Konformismus, lieber garkein Gesetz als ein schlechtes.


    Deine Argumentation hinkt, denke ich. Glaubst Du nicht, daß "der Islam" eine erobernde, zum Ausbreiten berufene Religion ist? Genau so wie "das Christentum" einmal eine solche war? "Der Islam" versucht, seiner Natur entsprechend, soviel Boden wie nur möglich einzunehmen. Das ist logisch und dennoch nicht einfach so hinzunehmen. Denn: Eine Europäische Religion ist "der Islam" sicher nicht. Er sollte also die Gegebenheiten in Europa akzeptieren und sich im ursprünglichen Wirkungskreis beschränken. Auch "das Christentum" hätte dies wohl besser getan... Aus alten Fehlern kann eine aufstrebende Religion doch Rückschlüsse ziehen. Tut sie das nicht, wird das Pendel, das sich jetzt in Richtung Europa wendet, in absehbarer Zeit wieder zurückschlagen. Was das bedeutet, wage ich mir nicht auszudenken.


    Wenn ein Minarett in Deiner Nachbarschaft errichtet wird, dann stört es Dich eventuell und du ziehst um. Wie oft willst Du umziehen, um das Zusammentreffen von Dir und einem Minarett zu verhindern???


    Der Klügere gibt immer solange nach, bis er der Dumme ist.

  • Zitat

    Original von Bernard


    Du scheinst sehr liberal zu sein. Nur: Muss man das sein, um politisch mündig zu sein? Gibt es einen Zwang zur Liberalität?


    Ich bin nicht Wiebke, aber ich antworte trotzdem mal:


    JA, Liberalismus ist notwendig! Liberalismus ist die notwendige Vorraussetzung, damit aus einer Demokratie keine Mehrheits-Tyrannei wird.


    Zu Deinen Beispielen:
    Beschneidung von Mädchen?
    - das Wort "Mädchen" impliziert, daß die jungen Damen noch minderjährig sind. Die Entscheidung, sich selbst verstümmeln zu lassen, kann nur ein erwachsener Mensch treffen. Ich bin da absolut liberal: wer sich als Erwachsener im vollen Bewußtsein der Konsequenzen verstümmeln will (wie jener Kirchenvater, der sich selbst entmannt hat) bnitte, seine eigene Entscheidung. Daß in dem Moment, wo eine Frau das "volle Bewußtsein der Konsequenzen" einer Genitalbeschneidung erlangt hat, der ursprüngliche "Zweck" derselben (Erhaltung der Jungfräulichkeit) ohnehin nicht mehr zu erreichen ist - geschenkt.


    Burka tragen?
    - ist solange nichts anderes als die Freiheit des anders angezogenen, wie diese Maskerade nicht zur Vertuschunbg von Verbrechen mißbraucht wird. Mir ist bisher kein Beispiel bekannt, daß ein Bankräuber mit einer Burka maskiert war.


    Ehebrecherinnen steinigen?
    - ist eine Frage des Strafrechts. Bei uns gibt es weder die Todesstrafe, noch ist Ehebruch überhaupt strafbar. Da ich nicht Anarchist genug bin, das staatliche Gewaltmonopol insgesamt abzulehnen, ist jede Verhängung der Todesstrafe durch ein "nicht-staatliches Gericht" schlicht Mord.


    Sich freiwillig mitverbrennen, wenn der Ehemann stirbt?
    - wenn es wirklich freiwillig geschieht - wie willst Du Selbstmörder bestrafen?


    Sex mit Tieren (hier gibt es inzwischen wohl eine recht große Anzahl Psychologen, die diese Neigung nicht mehr als krankhaft einstuft)? Wenn das Tier der "aktive" Part ist, also augenscheinlich einverstanden mit der Handlung?
    - für mich persönlich wäre das nichts (auch aus religiösen Gründen, Gott hat gesagt, das ist abscheulich) aber solange es dem Tier nicht schadet...


    Hartpornos auf Großbildleinwänden in den Innenstädten, zum Beispiel im Rahmen von Werbemaßnahmen?
    - in Wuppertal haben wir genau eine einzige (in Zahlen: 1) Videowand, die dafür überhaupt technisch geeignet wäre (gegenüber dem Hauptbahnhof). Das wäre verdammt teure Werbung. Ich denke, das kann man getrost dem freien Markt überlassen.


    Arabisch als Amtssprache in der EU?
    - Du weißt schon, wieviele Amtssprachen die EU jetzt schon hat? Polnisch und Rumänisch gehören heute schon dazu, auf eine mehr kommt es echt nicht mehr an.


    Hakenkreuzflaggen im Vorgarten?
    - sind in den USA erlaubt, ist trotzdem noch eine Demokratie.


    Unkommentierte Ausstrahlung von Hitler-Reden im öffentlichen Rundfunk?
    - kommt drauf an, ob mit "öffentlich" an dieser Stelle "gebührenfinanziert" oder nur "frei empfangbar" gemeint ist. Die GEZ gehört so oder so abgeschafft, weil man sich nicht frei dafür oder dagegen entscheiden kann.


    Besitz automatischer Schusswaffen?
    - ist in der Schweiz der Normalfall.


    Liberalitätstest bestanden ? :grin

  • Zitat

    Original von Behrnie


    Besitz automatischer Schusswaffen?
    - ist in der Schweiz der Normalfall.


    Liberalitätstest bestanden ? :grin


    Nein, ist nicht der Normalfall. Wer eine Waffe haben will, braucht einen Waffenerwerbs-, resp. einen Waffentragschein.
    Vor einem Jahr trat zudem ein verschärftes Waffengesetz in Kraft.


    Militärangehörige (wir haben eine Milizarmee), die bewaffnet Dienst leisten, haben wahlweise eine Pistole oder das Sturmgewehr daheim. Dies war aber nicht immer schon so und soll - auch wieder mittels Abstimmung - rückgängig gemacht werden.
    Es nehmen auch immer mehr AdA die Möglichkeit wahr, ihre Waffen in den Zeughäusern zu lassen.


    [edit] Nachtrag: AdA sind Angehörige der Armee


  • "Man" könnte auch argumentieren, die Burka verstosse gegen das Vermummungsverbot...


    Wie freiwillig ist denn freiwillig? Wer von Kindsbeinen eingetrichtert bekommt, dass eine Beschneidung oder die Mitverbrennung normal ist, dann sieht die Frau sich quasi "zwangsfreiwillig" verpflichtet, so zu handeln, weil sie das so gelernt hat. Freiwilligkeit kann breit ausgelegt werden.


    Die USA tun sich sehr wohl schwer mit dem Hakenkreuz. Dabei ist die Swastika ein uraltes Symbol, welches zu anderen Zwecken missbraucht wurden.
    Ein Militärgebäude in San Diego und ein Altersheim in Alabama, deren Grundriss aus der Vogelperspektive als Hakenkreuz erkennbar sind, werden mit baulichen Massnahmen neue "Formen" bekommen.

  • Zitat

    Original von fabuleuse


    Militärangehörige (wir haben eine Milizarmee), die bewaffnet Dienst leisten, haben wahlweise eine Pistole oder das Sturmgewehr daheim.


    Genau das meinte ich. Eine Milizarmee beinhaltet, daß quasi jeder Familienvater im Falle eines Angriffs eine zum Selbstschutz geeignete Waffe griffbereit hat. Auch der Verfassungszusatz der USA, der das Tragen von Waffen legalisiert, kennt die Zweckbindung, daß die einzelnen Bundesstaaten jederzeit in der Lage sein sollen, bei Bedrohung der inneren oder äußeren Sicherheit eine Miliz aufzustellen.


    Wie oft sind Ordonanzwaffen der AdA bei Schulhof-Massakern zum Einsatz gekommen? Ich will der Schweiz keine Vorschriften machen, aber wenn sich Euer "unverkrampftes" Verhältnis zu Schußwaffen bewährt hat, wäre es dumm, das deutsche Waffenrecht nachzuäffen und damit die hiesigen Probleme zu importieren.


    Seit ab 1972 in der Bundesrepublik immer schärfere Waffengesetze verabschiedet wurden, hat die Frequenz von Schulmassakern hierzulande nicht ab- sondern zugenommen. Kann sich jeder selber einen Reim drauf machen.

  • Zitat

    Original von fabuleuse


    Wie freiwillig ist denn freiwillig?


    Das ist immer eine Frage der Mündigkeit. Eine allgemeingültige Antwort kann es nicht geben, aber wenn man den Verdacht hat, daß Leute absichtlich dumm und unmündig gehalten werden, hilft eigentlich nur: Aufklärung, Aufklärung, und noch mehr Aufklärung.


    Wobei es immer Leute gibt, bei denen Hopfen und Malz verloren sind, weil sie sich bereits für aufgeklärt halten und trotzdem - in bestimmten Bereichen - doch nur ihre Vorurteile pflegen.

  • Zitat

    Original von Behrnie
    JA, Liberalismus ist notwendig! Liberalismus ist die notwendige Vorraussetzung, damit aus einer Demokratie keine Mehrheits-Tyrannei wird.


    Das ist eine reine Wortspielerei, denn Demokratie ist Mehrheits-Tyrannei. Das kann man gut oder schlecht finden. Wenn man es schlecht findet, ist man eben gegen Demokratie und für etwas Anderes. Dieses Andere könnte darin bestehen, die Bevölkerung eines Landes solange einer Gehirnwäsche auszusetzen, bis alle liberal geworden sind, und den Ausnahmen, die noch immer eine abweichende = nicht-liberale Haltung haben, das Wahlrecht zu entziehen. Wobei fraglich wäre, ob man überhaupt noch Wahlen bräuchte - die liberalste Position wäre ja immer diejenige, die umzusetzen wäre.


    Zitat

    Original von Behrnie
    Aufklärung, Aufklärung, und noch mehr Aufklärung.


    Mich gruselt bei der Vorstellung, wie wohl die Leute ausgewählt werden, die diese Aufklärung betreiben. Wer entscheidet, was (moralisch) wahr ist? Endet das nicht zwangsläufig in Propaganda, Propaganda und noch mehr Propaganda?


    Die Subsidiarität in allen Ehren, aber ein Volk hat das Recht, seinen Staat zu gestalten. Wenn die Mehrheit nicht will, dass Hartpornos auf Großbildleinwänden übertragen werden, dann darf sie das verbieten. Die totale Toleranz ist auch der totale Identitätsverlust.

  • Zitat

    Original von Wiebke
    Wehret den Anfängen!


    Der Beitrag ist schon recht alt, aber da der Fred ja wieder lebt ...
    Ist "Wehret den Anfängen!" nicht auch das Argument derjenigen gewesen, die für das Minarett-Verbot gestimmt haben?
    Sie haben wohl nur eine andere Kausalkette gesehen als "Minarettverbot führt zu Massenmorden an Muslimen". Sie haben sich vielleicht gedacht:
    - Minarette erlaubt
    - Die Schweiz ist attraktiv für Muslime
    - Mehr Muslime kommen in die Schweiz
    - Unter dem Deckmantel der 99% anständiger Muslime reisen auch 1% radikale und gewaltbereite ein
    - Anschläge nehmen zu


    ==> Wehret den Anfängen! Verbietet Minarette!


    Ich finde diese "Wehret den Anfängen"-Sprüche ziemlich daneben. Letztlich beschneiden sie den Freiraum, der der eigenen Gestaltung überlassen bleiben sollte, und tragen damit den Keim des Totalitarismus in sich.

  • Zitat

    Original von Bernard


    Das ist eine reine Wortspielerei, denn Demokratie ist Mehrheits-Tyrannei.


    Das kommt darauf an, welchem antiken Philosophen man folgt. Nach der von mir bevorzugten Systematik nennt man die Mehrheitstyrannei "Ochlokratie", die Minderheitstyrannei "Oligarchie" und die Tyrannei eines einzelnen einfach nur Tyrannis - im Gegensatz zur eher rechtsstaatlich konstituierten Demokratie, Aristokratie und Monarchie.


    Warum eine möglicherweise jahrhundertealte Verfassung Vorrang haben soll vor einer spontanen, augenblicklich aktuellen Mehrheitsentscheidung? Weil Menschenrechte zeitlos sind. Das Recht auf Leben und Eigentum ist schon in den Biblischen Geboten "du sollst nicht töten" und "du sollst nicht stehlen" angelegt.


    Zitat

    Original von Bernard


    Mich gruselt bei der Vorstellung, wie wohl die Leute ausgewählt werden, die diese Aufklärung betreiben.


    Da darf sich jeder freiwillig melden. Je mehr Leute "ihre" Wahrheit propagieren, desto stärker wird der Leser zum selber denken angeregt.