Die Erbin, Charlotte Sandmann, Deutscher Taschenbuch Verlag GmbH & Co. KG, München, 2010, 330 S., ISBN 978-3-423-24782-5
Zur Autorin: (lt. Klappentext)
Charlotte Sandmann, Generation 50+, arbeitet als Schriftstellerin, Ghostwriterin und Übersetzerin. Ihr besonderes Interesse gilt der Medizingeschichte, die in dem Roman „Die Erbin“ eine bedeutende Rolle spielt.
Meine Meinung:
Was gibt es Schöneres als einen regnerischen Tag mit einem kleinen Juwel von Buch gemütlich auf der Couch zu verbringen? Zugegeben, als ich Charlotte Sandmanns Roman „Die Erbin“ in die Hand nahm, ahnte ich noch nicht, als welches Kleinod sich dieses Buch entpuppen würde, zumal mich der Klappentext nicht annähernd erwarten ließ, was ich „erlesen“ durfte.
Die junge Salome Bottacci befindet sich im Mai 1900 noch in Rekonvaleszenz und lebt bei der Familie ihrer Schwester Pauline in Berlin, als sie davon erfährt, dass ihr Jugendfreund Nicholas von Riedenhoff seine Haushälterin im Wahn bestialisch ermordet haben soll und daher in der Münchner Kreisirrenanstalt inhaftiert worden sei. Obwohl sie von ihrer Schwester keine Unterstützung erhält, fühlt sie sich, überzeugt von Nicholas Unschuld, verpflichtet, dem Freund aus Kindertagen zu helfen, und reist trotz ihrer körperlichen Beschwerden nach München, bereit mithilfe ihres beträchtlichen Erbes den wahren Täter zu finden. In München angekommen, findet Salome Nicholas als gebrochenen, hoffnungslosen Mann vor, der offensichtlich von seinen Wärtern schwer misshandelt wurde. Auf der Suche nach dem wahren Täter und bei der Sicherstellung einer besseren Versorgung für Nicholas muss Salome viele Widerstände überwinden. Schnell zeigt sich, dass es Menschen gibt, die offensichtlich daran interessiert sind, dass Nicholas weiterhin als Hauptverdächtiger gilt, und dabei nicht davor zurückschrecken, Salome aus dem Weg zu räumen. Als sich der Verdacht erhärtet, dass der bayerische und der preußische Hof in die Affäre verwickelt sind, überschlagen sich die Ereignisse...
Charlotte Sandmann verquickt in ihrem historischen Roman „Die Erbin“ Kriminalroman und Abenteuergeschichte, Gesellschafts- und Sittenbild der Wende zum 20. Jhdt. mit einem interessanten Ausflug in die Medizingeschichte und führt uns in eine Zeit, zu der es noch nicht selbstverständlich war, dass bei der Behandlung von Geisteskranken auf Zwangsmittel verzichtet wurde. Sie bringt uns damit die Geburtsstunde des modernen Psychiatrischen Krankenhauses, wie es Prof. Ludwig Meyer und Prof. Bernhard von Gudden, bekannt als Leibarzt König Ludwig II., in Deutschland etablierten, näher.
Die Protagonistin Salome gestaltet die Autorin als resolute, starke Frau, die aber durchaus zeitgemäß agiert und die Grenzen der für Frauen damals möglichen Handlungs- und Bewegungsfreiheit zwar strapaziert, aber nicht überschreitet. Die Figur des Nicholas, sein Krankheitsbild und sein Heilungsprozess erscheinen mir sorgfältig recherchiert und glaubwürdig dargestellt.
Fasziniert hat mich die scheinbare Leichtigkeit und der Sprachfluss mit denen Charlotte Sandmann Handlungsstränge und Themen, die sie herausarbeitet, miteinander verbindet, mit überraschenden Wendungen bestückt, die Kriminal- und Abenteuerhandlung zur überraschenden Auflösung führt und alle Stränge zu ihrem Ende führt. Obwohl die Autorin die spannende und verwickelte Geschichte auf nur 330 Seiten erzählt, gelingt es ihr, detaillierte Bilder zu entwerfen, die Zeit und Gesellschaft der Wende zum 20. Jhrdt. lebendig werden lassen.
Charlotte Sandmanns Roman „Die Erbin“ ist ein feines Lesevergnügen für Freunde des historischen Kriminalromans und medizingeschichtlich Interessierte und eignet sich wunderbar, um ein paar Stunden in einer spannenden Geschichte in der Vergangenheit abzutauchen. Eine Warnung muss ich allerdings noch abgeben: "Die Erbin" macht süchtig nach mehr von Charlotte Sandmann...
10 von 10 Punkten
edit: vor lauter Begeisterung die ISBN vergessen... ts