Arno Strobel - Das Wesen

  • Dann erlaube mir die Frage: Wie charakterisierst Du denn einen Psychothriller?


    würde mich echt interessieren, denn laut der "Standarddefinition" handelt es sich nämlich um einen Lupenreinen Pychothriller.



    doch sehr verwirrte Grüße von Elbereth :wave

    “In my opinion, we don't devote nearly enough scientific research to finding a cure for jerks.”

    ― Bill Watterson

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  • Mir hat "Das Wesen" sogar noch etwas besser gefallen als "Der Trakt" weil es irgendwie "realistischer" war.
    Ich habe das Buch in einem Rutsch durchgelesen, weil es einfach viel zu spannend war, um mitten drin aufzuhören. Ich kann es nur wärmstens empfehlen!

  • Auf Arno Strobels neuen Roman war ich nach der Leseprobe im „Trakt“ wirklich neugierig, sollte doch Kindesentführung ein Thema sein, was mich gewissermaßen nicht ruhig im Sessel sitzen lässt. Die Leseprobe vermittelte einen kurzen, spannenden Eindruck, so dass ich natürlich gern weiterlesen wollte und mich sehr gefreut habe, bei Vorablesen dabei sein zu dürfen.
    Zum Inhalt gibt es kurz gefasst folgendes zu sagen – zu Beginn des Buches spielt er auf zwei Zeitebenen: in der Gegenwart, also 2009, und in der Vergangenheit, 1994. Zu Beginn des Buches geht das Ermittlerduo Menkhoff und Seifert einem anonymen Hinweis auf ein Kindesentführung nach, die sie direkt zu der Tür eines alten Bekannten führt – dem Psychiater Dr. Lichner. Seine Tochter solle entführt worden sein. Beide sind sofort skeptisch, da Lichner vor einigen Jahren für den Mord an einem kleinen Mädchen zu 13 Jahren Haft verurteilt wurde. Nun wird die ganze Sache merkwürdig, denn Lichner behauptet, keine Tochter zu haben...Trotzdem gehen Seifert und Menkhoff, der Lichner als sein persönliches rotes Tuch betrachtet, weiteren Hinweisen nach, um die Geschichte aufzuklären. Dabei wechselt bis zur Mitte des Buches in jedem Kapitel die Zeit und so erfährt der Leser auch die damaligen Geschehnisse, die zu Lichners Verhaftung geführt haben. Aber auch das Privatleben der beiden Beamten trägt so einiges zur Handlung bei...
    Grundsätzlich überzeugt mich Strobels Schreibstil eindeutig wieder. Er ist kurz, prägnant und einprägsam. Was mich am „Wesen“ aber doch störte, waren die viel zu kurz gehaltenen Kapitel, in denen zu Anfang ja auch die Handlungszeit immer wechselt, so, dass ich wirklich Probleme hatte, immer nach einigen Leseminuten wieder in die andere Handlung „umzuschalten“. Zudem muss ich einigen Kritikern Recht geben, was die Protagonisten angeht – Menkhoff blieb für mich ein deutlich unsympathischer und nicht nachvollziehbarer Charakter. Seifert ist etwas schwach und passiv, rettet aber mit seiner Menschlichkeit einiges an Glaubwürdigkeit und Identifikation des Lesers mit der Geschichte. Die Story ist natürlich ausgesprochen spannend und mitreißend – ein ewiges Katz-und-Maus-Spiel für den Leser, der an den Nägeln kaut und immer wieder Verdächtige zu erkennen glaubt und wieder verwerfen muss. Das ist für mich ein großer Pluspunkt des Buches. Trotzdem war ich von dem sich überschlagenden Ende, dessen Erklärung gerade mal anderthalb Seiten ausmacht, doch wieder enttäuscht. Bumm, peng und das war es. Nach einem derartigen Lesemarathon und dem Gefühl, wenn man jetzt nicht sofort eine Erklärung bekommt, platzt man vor Spannung, war die Auflösung einfach zu knapp und fast schon einfach anmutend. Ein wenig schaler Nachgeschmack, der dem Buch überhaupt nicht steht. Meine Empfehlung gibt es aber auf jeden Fall - ´reinlesen, selbst entscheiden und nach dem Kauf einen Tag an den Sessel gefesselt verbringen.

  • Zitat

    Original von endorfinchen


    Alles in allem war es für mich ein netter Krimi – aber wer bitte ist der Meinung, dass es sich hier um einen Psychothriller handelt?! – aber der Hype, der um dieses Buch gemacht wurde, hat den Inhalt nicht gerechtfertigt.


    Was ist denn in deinen Augen sonst ein Psychothriller? Vielleicht solltest du dich einfach mal mit der Begrifflichkeit "Psychothriller" beschäftigen - und spätestens dann wirst du einsehen (müssen!) wie schief du mit deiner obigen Ansicht neben der Spur bist. :wave

    Ich mag verdammen, was du sagst, aber ich werde mein Leben dafür einsetzen, dass du es sagen darfst. (Evelyn Beatrice Hall)


    Allenfalls bin ich höflich - freundlich bin ich nicht.


    Eigentlich mag ich gar keine Menschen.

  • Der Autor erzählt hier sehr gelungen in zwei parallel verlaufenden Handlungssträngen, einmal das Geschehen von vor 15 Jahren und daneben die Ermittlungen zu dem aktuellen Fall. So wird der Leser mit jeder gelesenen Seite schlauer und durchschaut immer besser die Zusammenhänge zwischen den beiden Taten, was die Spannung aber nur erhöht. Mehr möchte ich zum Inhalt gar nicht schreiben, da es fast unmöglich ist ohne etwas zu verraten.


    Ein Problem hatte allerdings ich mit den Personen, weil mir alle aber auch wirklich alle Hauptpersonen vom Anfang bis zum Ende unsympathisch waren. Da ist der arrogante, von sich mehr als überzeugte Psychiater, der auf jeden anderen herabsieht, weil ja keiner so intelligent und schlau ist wie er. Und die Kommissare waren auch nicht besser. Der eine lässt sich nur durch seinen Hass leiten und ist keinem Argument zugänglich, und der andere lässt zu, dass diese Irrationalität die Nachforschungen bestimmt, weile r sich nicht traut seinen Zweifeln Ausdruck zu verleihen. Das klingt jetzt schlimmer als es ist, denn für die Handlung ist das sogar gut und notwendig. Aber mir hat einfach eine Person gefehlt, für die ich Sympathie empfinden konnte und die mir nicht bei jedem Auftritt etwas auf die Nerven ging.


    Aber davon abgesehen, hat der Thriller eine gute, schlüssig durchdachte Handlung mit vielen überraschenden Wendungen. Als Leser rätselt man immer wieder über die Frage, wer denn nun der Kriminelle ist, sowohl bei dem Fall vor 15 Jahren als auch bei dem neuen. Wobei bei letzterem nicht mal fest steht, dass es ein Verbrechen gibt. Oder doch?

  • Mein Mann hat die ersten 20 Seiten gelesen und das Buch mit den Worten weggelegt, dass er das schon kennt. Ich b in mir aber 100 % sicher, dass er das Wesen noch nicht gelesen hat. An welches Buch kann ihn das wohl erinnern? Hat jemand einen Tipp, der ein ähnliches Gefühl hatte?

  • So, dann will ich mal meine Meinung loswerden. :grin


    Ich gebe es zu - ich fand Trakt gut, aber nicht soo gut, dass ich mich nach dem Wesen "gesehnt" hätte und es sofort lesen müsste. Und da mir die letzte LR mit Arno einfach zu groß war, hab ich das Buch auch nicht in einer LR lesen wollen. Keine Ahnung, wie lange ich gewartet hätte, wenn mich am Tag meiner Fahrt zum Eulentreffen nicht der Gedanke gekommen wäre, dass ich mir von Arno ein Buch etwas "persönlicher" signieren lassen möchte (ok, das, was Arno reinschrieb, hab ich ihm ohnehin "nahegelegt" :lache) und dass "Das Wesen" doch dafür geeignet wäre.


    Am gleichen Tag begann ich zu lesen und fand das Buch ziemlich schnell sehr spannend. Die Geschichte hat mir gut gefallen, die Idee dahinter auch und im Gegensatz zu Trakt war dieses Buch meiner Meinung nach nicht so leicht vorhersehbar bzw. war mir persönlich nicht sofort klar, worauf das Ganze hinausläuft, was mir natürlich sehr gut gefallen hat. Auch die zwei Zeitebenen fand ich passend, wobei mir die Sprünge anfangs sehr schnell gingen und ich mir mehr Kapitel bzw. mehr Seiten für eine Zeitebene am Stück gewünscht hätte. Später hat sich dies jedoch ohnehin geändert.


    Allerdings gab es auch ein paar Sachen, die mich etwas gestört haben bzw. die mir nicht so ganz einleuchten.



    Alles in allem hab ich mich aber gut unterhalten gefühlt, die Spannung war die ganze Zeit über da und dieses Buch hat mir auch wesentlich besser gefallen als "Der Trakt". War irgendwie "durchdachter", zumindest in meinen Augen.


    Von mir gibt es 9 von 10 Punkten.

    With love in your eyes and a flame in your heart you're gonna find yourself some resolution.


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  • Alex Seifert und Bernd Menkhoff sind seit vielen Jahren Partner im Kriminalkommisariat. Zum Feierabend werden sie zu einer Adresse gerufen, bei der angeblich ein Kind vermisst wird. Als sie dort auf Dr. J. Lichner treffen, scheint sich der Albtraum aus der Vergangenheit erneut zu wiederholen.


    Intelligent hat der Autor seine Charaktere und deren Verhalten konstruiert. In den sich parallel aufeinander zu bewegenden Erzählsträngen erfüllt dabei jede Figur die ihr zugedachte Rolle und führt den Leser gekonnt in die Irre. Jede gelegte Spur erscheint plausibel bis man an einen erneuten Wendepunkt gelangt und nicht mehr weiß was man glauben soll.


    Überzeugender und spannender Thriller.

  • So, wird jetzt auch mal Zeit das ich hier meinen Senf abgebe.


    Das Wesen ist ohne zu bestreiten, ein sehr spannender und packender Thriller. Es ist kaum möglich das Buch aus der Hand zu legen. Die Handlung und auch die Charas wirken ziemlich realistisch und glaubwürdig.


    Jedoch muss ich an dieser Stelle erwähnen das mir 'Der Trakt' doch etwas besser gefallen hat. Das lag wohl größtenteils am Ende von 'Das Wesen'.


    Naja, alles in allem hat es mich aber gut unterhalten und daher gibt es auch 8,5 von 10 Punkten :wave

    :lesend
    Rachel Aaron - The Spirit Rebellion
    Patrick Rothfuss - Der Name des Windes
    Stefan Zweig - Sternstunden der Menschheit

  • Die Grundidee, eine Geschichte parallel auf zwei Zeitebenen zu erzählen, fand ich auf Anhieb sehr interessant. Die Umsetzung konnte mich aber nicht durchgehend überzeugen, denn da auf beiden Zeitebenen quasi dieselbe Geschichte erzählt wurde, wirkte das Ganze stellenweise etwas ermüdend. Und auch ich empfand die Hauptfiguren als nicht sonderlich sympathisch. Alles in Allem aber ein unterhaltsamer Thriller, der zum Schluss nochmal richtig aufdreht. 7 Punkte!

  • Die Kriminalhauptkommissare Bernd Menkhoff und Alexander Seifert staunen nicht schlecht, als sie nach einem Anruf, dem zu Folge ein Kind spurlos verschwunden ist, plötzlich vor der Wohnungstür des Psychiaters und verurteilten Kindermörders Dr. Joachim Lichner stehen. Diesen kennen sie vom 13 Jahre zurückliegenden Fall nur zu gut. Im Folgenden werden die vergangenen und die aktuellen Geschehnisse parallel erzählt, was für den Leser sehr abwechslungsreich ist. Man muss allerdings konzentriert lesen, um die beiden Handlungsstränge nicht durcheinander zu werfen.


    Nach und nach kommen die beiden Polizisten in ihren Ermittlungen weiter und es tauchen immer neue Fragen auf. Als Leser weiß man irgendwann gar nicht mehr, was man glauben soll und was nicht und eine Erklärung fällt einem sowieso nicht ein. Es bleibt also nichts übrig, als so schnell wie möglich weiter zu lesen. Man kann das Buch ab einem gewissen Punkt kaum mehr aus der Hand legen. Hab es an einem Tag durchgelesen. Am Ende ist natürlich doch alles ganz anders, als es vorher scheint und man ist umso verblüffter über des Rätsels Lösung. Trotzdem wirkt die Auflösung sehr schlüssig und auf keinen Fall an den Haaren herbeigezogen.


    Insgesamt ein sehr spannender Thriller, der so geschickt konstruiert ist, dass er den Leser ziemlich schnell packt und bis zum Ende nicht mehr loslässt. Bin schon sehr gespannt auf das neue Buch von Arno Strobel. :-)

  • Zitat

    Original von Maryna
    Als Leser weiß man irgendwann gar nicht mehr, was man glauben soll und was nicht und eine Erklärung fällt einem sowieso nicht ein. Es bleibt also nichts übrig, als so schnell wie möglich weiter zu lesen. Man kann das Buch ab einem gewissen Punkt kaum mehr aus der Hand legen ... Am Ende ist natürlich doch alles ganz anders, als es vorher scheint und man ist umso verblüffter über des Rätsels Lösung. Trotzdem wirkt die Auflösung sehr schlüssig und auf keinen Fall an den Haaren herbeigezogen.


    Maryna spricht mir aus der Seele. Mir hat es Spaß gemacht, dieses gut geschriebene Buch zu lesen.
    Bei dem Titel habe ich mir irgendwie etwas Gruseligeres vorgestellt.
    Einen Nachfolgeroman könnte ich mir ziemlich gut vorstellen, vor allem die Figur des jungen Wolfert hat in meinen Augen Potential.


    Absolute Empfehlung!

    "Leben, lesen - lesen, leben - was ist der Unterschied? (...) Eigentlich doch nur ein kleiner Buchstabe, oder?"


    Walter Moers - Die Stadt der träumenden Bücher

  • Ich bin auch restlos begeistert von diesem Buch. Ich habe es an nur einem Tag gelesen, weil es so spannend war. Ich kann das Buch uneingeschränkt weiterempfehlen und ich kann auch nicht sagen, ob mir dieses oder "Der Trakt" beser gefallen hat. Ich fand beide sehr gut.


    10 Punkte von mir.

    Ein Raum ohne Bücher ist ein Körper ohne Seele.
    - Cicero


    :lesend Harlan Coben - Ich vermisse dich

  • Dieser Thriller hat mir besser gefallen als der Trakt, weil die Figuren hier wirklich Tiefe haben. Ja, Menkhoff ist ein komischer Mensch. Aber genau solche findet man auch im wirklichen Leben. Seifert ist einem sofort sympathisch und die Schwierigkeiten mit der Autorität seines Vorgesetzten in den Rückblenden kann ich gut nachvollziehen. Das Rückblenden stört mich nicht, das ist Gewöhnungssache. Die Idee der Story ist gut, die Spannung hält bis zum Schluss und dort wartet sogar noch eine Überraschung. Ich wäre gern direkter Zeuge der Schlussszene in der Hütte gewesen, es im Nachhinein erzählt zu bekommen, fand ich etwas öde. :gruebel
    Alles in allem aber ein unterhaltsamer Thriller!

  • Ich habe mir das Buch vor einiger Zeit in der Bahnhofsbuchhandlung gekauft, da ich meine Lektüre zu Hause vergessen hatte und dringend ein Buch für die Zugfahrt brauchte... Und es war spontan das Einzige, was mir zugesagt hatte.


    Und ich muss sagen, dass Buch hat mich positiv überrascht.
    Ich war restlos begeistert.


    Die beiden Zeitschienen fand ich super und waren auch nicht so verwirrend, wie ich es bei manch anderen Büchern schon erlebt hatte.


    Ich kann das Buch wirklich nur empfehlen - und immer schön dran denken:
    Es ist nicht immer alles so, wie es scheint.

  • Zum Inhalt:


    Vor 15 Jahren wurde ein kleines Mädchen entführt und umgebracht. Die Ermittler Menkhoff und Seifert kamen damals recht schnell auf die Spur des Psychiaters Lichner, der in der Nachbarschaft des Kindes wohnte. Menkhoff war absolut überzeugt von der Schuld Lichners, der sich äußerst merkwürdig verhalten hat und es wurden schließlich auch Beweise gefunden. Seifert hingegen hatte Zweifel, traute sich aber nicht, sich gegen seinen erfahrenen Kollegen zu behaupten. Eine mysteriöse Rolle spielte damals Lichners Lebensgefährtin Nicole, die Lichner erst ein Alibi gab, dann aber ihre Aussage änderte und ihn schwer belastete, was ihn für 13 Jahre hinter Gitter brachte.


    Nun ist Lichner seit einiger Zeit wieder auf freiem Fuß. Ein anonymer Anrufer meldet sich bei Menkhoff und behauptet, ein Kind sei entführt worden – als die Kommissare vor der angegebenen Adresse stehen, öffnet ihnen… Lichner! Dieser streitet jedoch ab, überhaupt ein Kind zu haben. Was für ein Spiel wird hier gespielt? Und wer führt die Regie?



    Meine Meinung:


    Die Geschichte wechselt anfangs immer zwischen der Handlung in der Vergangenheit und der Gegenwart, die kurzen Kapitel lassen sich schnell lesen und enden jeweils immer mit einem kleinen Cliffhanger, der den Leser geradezu zwingt, immer weiter zu blättern!


    Geschickt führt der Autor den Leser immer wieder auf neue Fährten, nie kann man sich sicher sein, wer nun der Täter gewesen ist und was richtig und was falsch ist.

  • Normalerweise stehen fünf Sterne bei mir schon für eine schlechte Bewertung. Doch hier sollen sie Neutralität ausdrücken - und Respekt vor dem durchaus soliden Handwerk, das der Autor hier abliefert. Doch für mehr Sterne reicht es bei mir beim besten Willen nicht, leider. Fast tut es mir selber leid. Doch im Vergleich zu den wirklichen Stars der Szene (wozu bei mir beispielsweise Zoran Drvenkar oder Andrea Maria Schenkel gehören) kann der Autor noch deutlich aufholen.


    Immer wieder ist in Rezensionen von der unglaublichen Spannung die Rede, die dieses Buch ausstrahlt. Ja und Nein! Sicher, auch ich habe es innerhalb von zwei Tagen gelesen.Doch finde ich, dass diese "Spannung" eher ein Nebenprodukt der Konstruktion dieses Buches war, und nicht etwa aus der eigentlichen Handlung resultierte. Genauer erklärt: wir haben hier zwei Handlungsebenen, eine spielt 1994, eine 2009. Beide werden nun, völlig regelmäßig und unspannend, nahezu mathematisch, abwechselnd erzählt. Das System kennt man! Sicher kommt dadurch ein Lese-Sog zustande. Aber: ich habe mir mal die Mühe gemacht, mehrere Abschnitte aus der älteren Handlung hintereinander weg zu lesen. Und heraus kam: ein höchst normales Produkt. Schon tausendfach so gelesen.


    Mein zweiter Kritikpunkt betrifft die Dialoge. Das kenne ich nun wirklich besser! ich konnte mir oft einfach nicht vorstellen, dass Menschen so reden, auch noch in hoch emotionalen Momenten. wiederum verstehe man mich bitte nicht falsch: sicher, das, WAS die Kommissare dachten und fühlten, war durchaus nachvollziehbar. Aber wie sie es *ausdrückten*, wirkte auf mich einfach nur hölzern.


    In einem Interview sagte der Autor, er habe sich eigens für diesen Zeitabstand von 15 Jahren zwischen den zwei Handlungsebenen entschieden, weil er die Entwicklung der Figuren von damals zu heute zeigen wollte. Nur leider ist mir das nicht aufgefallen. Der Ich-Erzähler Alex Seifert ist für mich im "heute" genau derselbe wie damals. Mir ist nicht ersichtlich, inwiefern er gereift oder verändert sein sollte.Im Gegenteil, in stressigen Momenten knickt er ein, und erzählt Details aus der laufenden Ermittlung weinerlich seiner Frau...


    Aber das Buch hat natürlich auch gute Seiten! Der Plot ist, an und für sich, schlüssig und intelligent durchdacht. Auch fand ich es durchaus erholsam, dass ab der Mitte des Buches die ständigen Sprünge zurück in die Vergangenheit aufhörten. Ab diesem Zeitpunkt ging es nur noch "vorwärts", und das tat dem Buch gut! Allerdings fand ich es dann manchmal ein klein wenig albern, extra ein neues Kapitel anfangen zu lassen, wenn nur wenige Stunden vergangen waren (die Uhrzeiten standen nämlich immer dabei). Aber das kann auch eine Entscheidung des Lektors gewesen sein, ich weiß es nicht.


    Arno Strobel hat ein recht gutes Händchen dafür, liebenswert-schrullige Nebenfiguren zu "erdenken". Das hat mir gut gefallen! Die Nachbarin mit den roten Haaren, sowie die einsame Oma, hätte ich gerne öfter getroffen. Auch die Empfangsdame in der Praxis hatte es in sich...! Weiter so, Arno Strobel!


    Die Entscheidung für die Ich-Perspektive, erzählt aus der Sicht vom Assistenten des Kommissars, war eine weise Entscheidung. So konnte ein größtmögliches Maß an Objektivität sowie dezent gestreutem Zweifel gewahrt werden. Das kennt man ja schon von Conan Doyle: dort ist auch Dr. Watson der Erzähler, und eben nicht Sherlock Holmes.


    Vielleicht, nur vielleicht, hat Herr Strobel es in den letzten Kapiteln mit "Cliffhangern" ein wenig übertrieben. manches wurde angedeutet, nur damit der Leser das Buch auch ja nicht mehr aus der Hand legt. Aber schließlich ist das Buch als "Thriller" auf den Markt gebracht worden, und da erwartet man das.


    Sehr gut fand ich auch den Einfall, der (vermuteten) Missbrauchs-Ursache ganz zum Schluss noch einen Dreh zu geben, so dass letztlich doch alles anders war als gedacht - aus Gründen der Fairness neuen Lesern gegenüber werde ich das nicht näher erläutern. Und auch die Gegenüberstellung von zwei Sturköpfen, einerseits dem Kommissar, und dem schmierigen Hauptverdächtigen, fand ich als Idee ziemlich gelungen. Es hätte allerdings noch besser wirken können, wenn, ja wenn das Charakter-Duell weniger über die Dialoge stattgefunden hätte.


    Ist dies nun ein Verriss? Nein, den Eindruck möchte ich auch wieder nicht entstehen lassen. Eine enthusiastische Lobeshymne ist es aber auch nicht. Sagen wir so: es ist das Protokoll einer Lese-Erfahrung, von der ich mir eigentlich (noch) mehr erhofft hätte.

  • Zitat

    Original von rumble-bee
    Immer wieder ist in Rezensionen von der unglaublichen Spannung die Rede, die dieses Buch ausstrahlt. Ja und Nein! Sicher, auch ich habe es innerhalb von zwei Tagen gelesen.Doch finde ich, dass diese "Spannung" eher ein Nebenprodukt der Konstruktion dieses Buches war, und nicht etwa aus der eigentlichen Handlung resultierte. Genauer erklärt: wir haben hier zwei Handlungsebenen, eine spielt 1994, eine 2009. Beide werden nun, völlig regelmäßig und unspannend, nahezu mathematisch, abwechselnd erzählt. Das System kennt man! Sicher kommt dadurch ein Lese-Sog zustande. Aber: ich habe mir mal die Mühe gemacht, mehrere Abschnitte aus der älteren Handlung hintereinander weg zu lesen. Und heraus kam: ein höchst normales Produkt. Schon tausendfach so gelesen.


    Es wird ja schon seinen Grund haben, warum Arno die Geschichte eben in zwei Zeitsträngen schrieb. Weil es - wie dein "Lesestilversuch" zeigt - in anderer Weise eben nicht so spannend wäre. Den Kritikpunkt verstehe ich nicht so ganz. Man kann ja höchstens sagen, dass die Sache mit den zwei Zeitebenen nicht seine neuartige Idee war, aber dann kann ich ja auch bei jedem Buch mit einem Zeitstrang bemängeln, dass es ja nichts Neues ist. Versteh ich jetzt nicht so ganz. :gruebel


    Und warum Cliffhanger in einem Thriller jetzt als Kritik aufgefasst werden, leuchtet mir auch nicht ganz ein. Ich find es toll, wenn ich ein Buch nicht aus der Hand legen kann.

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