Der Sommer ohne Männer - Siri Hustvedt

  • Übersetzt von Uli Aumüller
    Verlag: Rowohlt
    Gebundene Ausgabe, 256 Seiten
    Erschienen im März 2011


    Kurzbeschreibung:
    Die New Yorker Dichterin Mia und der Neurowissenschaftler Boris haben eine Ehekrise. Boris möchte eine «Pause». Mia stellt fest, dass die Pause viel vollere Brüste hat als sie und überdies Boris’ Laborassistentin ist. Nach einer klinischen Depression braucht sie eine Pause, fährt allein in ihre Geburtsstadt in Minnesota und verbringt den Sommer in der Nähe ihrer Mutter, die, mit neunzig noch recht aktiv, im Heim lebt. Ansonsten brütet sie über den untreuen Boris und die Männer im Allgemeinen. Mit Wut im Bauch und dem Herzen auf der Zunge notiert sie zum Thema Liebe, Ehe und Sex, was ihr einfällt. (Und das ist, neben Gedichten und einem erotischen Tagebuch, eine Menge!) Die Kur schlägt an, und siehe da, langsam entdeckt sie sich und das Leben neu. Was für ein Genuss, was für eine Befreiung! Selbst Boris merkt das in der Ferne und schickt zerknirschte Mails. Siri Hustvedts neuer Roman ist ein hinreißendes, blitzgescheites Buch über das Leben von Frauen heute. Von der Geburt über den Sexus bis hin zum Tod, die scharfzüngige Mia nimmt kein Blatt vor den Mund. So erfrischend, so komisch kann Beziehungsanalyse sein – und das ganz ohne Männer!


    Über den Autor:
    Siri Hustvedt wurde 1955 in Northfield, Minnesota, geboren. Sie studierte Literatur an der Columbia University
    und promovierte mit einer Arbeit über Charles Dickens. Sie lebt in Brooklyn und ist mit dem Schriftsteller Paul Auster verheiratet, mit dem sie eine Tochter hat. Bekannt wurde sie mit den Romanen Die unsichtbare Frau, Die Verzauberung der Lily Dahl und vor allem mit den internationalen Bestsellern Was ich liebte, Die Leiden eines Amerikaners und
    Die zitternde Frau.



    Meine Meinung:
    Siri Hustvedt ist die Autorin der erfolgreichen Bücher „Was ich liebte“ und „Die Leiden eines Amerikaners“. Mit diesen Romanen kann „Der Sommer ohne Männer“ nicht so ganz mithalten. Dabei gibt es entscheidende Themen, wie das Fertigwerden mit einer Beziehungskrise.
    Die Erzählperspektive erfolgt im Gegensatz zu den oben erwähnten,vorherigen Roman rein aus weiblicher Sicht.
    Aber leider zündet das Buch nicht so ganz. Die Protagonistin Mia erzählt viel intimes und bewahrt doch eine gewisse Distanz und Kühle. Einen analytischen Blick hat sie auf alle anderen.


    Am besten gefallen mir die Szenen in Minnesota, die Mia mit ihrer 90-jährigen Mutter verbringt sowie den Literaturkurs, den sie für junge Mädchen gibt.
    Literatur durchdringt den Text immer wieder, so startet Mias Mutter z.B. einen Lesezirkel mit Jane Austens Buch Überredung. Selbst anonyme Drohbriefe, die Mia von einem „Mr. Niemand“ erhält, werden auf sprachliche Details abgetastet.


    Eigentlich ist der Roman ziemlich undramatisch.

  • Das ist meine Meinung zu dem Buch:


    Die Geschichte ist nun wirklich nicht neu und ich überlegte lange ob ich das nun lesen will. Frau, 55, wird nach 30 Jahren Ehe wegen einer 20 Jahre jüngeren Frau von ihrem Mann verlassen....
    Alleine der Name Siri Hustvedt hat mich hoffen lassen, dass sich das Buch nicht in Klischees ergeht und ich wurde nicht enttäuscht.


    Mia, 55 Jahre, Dichterin mit einem Lehrstuhl an einer angesehenen Universtiät, erleidet, nachdem sie von ihrem Mann Boris verlassen wurde, einen Nervenzusammenbruch und findet sich in der Psychiatrie wieder. Nach der Entlassung beschließt sie eine Auszeit von ihrem Job zu nehmen und kehrt zurück nach Minnesota in ihre Geburtsstadt.


    Sie mietet sich für den Sommer in einem kleinen Haus ein und besucht wieder regelmäßig ihre schon über 90 Jahre alte Mutter und deren Freundinnen, die sie liebevoll die Schwäne nennt, im Altenheim. Zusammen mit den Frauen besucht sie deren Literaturkreis und diskutiert mit ihnen über Jane Austen. Außerdem beschließt sie einen Lyrik-Kurs ins Leben zu rufen und wundert sich auch nicht, dass nur Mädchen teilnehmen. Einmal wöchentlich telefoniert sie mir ihrer Therapeutin, freundet sich mit der jungen Frau vom Nachbarhaus an die ganz offensichtlich sowohl als Ehefrau und auch als Mutter von zwei kleinen Kindern überfordert ist.


    Als in der Lyrik-Gruppe ein Mädchen gemobbt wird stellt sie sich auch dieser Herausforderung...


    Natürlich leidet sie unter der Trennung ihres Mannes - und genau hier unterscheidet sich das Buch von anderen - aber niemals driftet sie ins Melodramatische ab. Sie versucht darüber hinwegzukommen und wirft dabei sehr gescheite Überlegungen in den Raum...


    Eine kluge Schriftstellerin, ein sensibles Buch mit feinem Humor genau an den richtigen Stellen! Für mich ein Leckerbissen und die Feststellung "DAS ist Frauenliteratur vom Feinsten"

    Herzlichst, FrauWilli
    ___________________________________________________
    Ich habe mich entschieden glücklich zu sein, das ist besser für die Gesundheit. - Voltaire

  • Zitat

    Original von FrauWilli
    Eine kluge Schriftstellerin, ein sensibles Buch mit feinem Humor genau an den richtigen Stellen! Für mich ein Leckerbissen und die Feststellung "DAS ist Frauenliteratur vom Feinsten"


    :gruebel


    Das hört sich ja eigentlich wirklich super und sehr verlockend auch - auch wenn ich kein großer Fan von so etwas wie "Frauenliteratur" bin. Ich glaube ich werde mir das Buch wohl auch kaufen müssen, schon alleine aus dem Grund, dass der Name Siri Hustvedt vorne drauf steht.

  • Zitat

    Original von buzzaldrin


    :gruebel


    Das hört sich ja eigentlich wirklich super und sehr verlockend auch - auch wenn ich kein großer Fan von so etwas wie "Frauenliteratur" bin. Ich glaube ich werde mir das Buch wohl auch kaufen müssen, schon alleine aus dem Grund, dass der Name Siri Hustvedt vorne drauf steht.



    Hallo buzz :wave
    ich habe das ganz bewußt so geschrieben, weil der Begriff Frauenbuch ja mittlerweile mit ganz anderen Büchern/Autorinnen in Verbindung gebracht wird als es z.b. sagen wir mal in den 1980er Jahren der Fall war.
    Früher ;-) waren das Leute wie Alice Walker, Carson McCullers, Simone de Beauvoir, Benoite Groult u.a. die man mit diesem Begriff in Zusammenhang gebracht hat.
    Wenn ich heute in eine große Buchhandlung gehe und vor dem Regal mit Frauenbüchern stehe ist damit chick-lit gemeint.
    So ändern sich die Begriffe und deswegen ist Siri Husvedt meiner Meinung nach ein Buch gelungen von dem ich sagen kann: DAS ist Frauenliteratur!


    Und so wie du schon sagtest, alleine dass der Name Siri Hustvedt vorne drauf steht hat mich das Buch lesen lassen

    Herzlichst, FrauWilli
    ___________________________________________________
    Ich habe mich entschieden glücklich zu sein, das ist besser für die Gesundheit. - Voltaire

  • In der Nacht zu heute (00.15 - 01.00 Uhr) lief auf WDR die sehr interessante Reportage "Mein Leben - Siri Hustvedt", in der man sehr interessante und persönliche Einblicke in das Leben von Siri Hustvedt und ihrem Mann Paul Auster gewinnen konnte. Leider habe ich den Beitrag noch nicht in der Mediathek gefunden ... das würde sich wirklich lohnen für jeden Hustvedt-Fan :wave

  • Nicht lustig genug für eine Satire

    Mia, die vom Ehemann Boris für eine dreißig Jahre jüngere und auch noch französische „Pause“ verlassene Bildungsbürgerin, kehrt nach einem Aufenthalt in der psychiatrischen Klinik in die Provinz ihrer Kindheit zurück, wo ihre Mutter im Altenheim lebt. Die männerfreien Wochen in Minnesota versprechen, zur Katharis zu werden, aber das Versprechen hält Hustvedt nicht ein.


    Die Autorin, so meint man, ist eigentlich zu schlau, um nur die lahme Nabelschau einer mittelmäßigen Poetin (Mia hat ein paar Gedichtbände veröffentlicht) abzuliefern, die sich offenbar berufen fühlt, auf altruistisch-gelehrige Weise bei allen möglichen Konflikte mitzumischen, aber genau das und kein bisschen mehr bleibt am Ende: Mia reißt eine Schneise poetisch-überklug-liebevoller, mit geborgten Erkenntnissen durchsetzter Gutmenschelei in das Sammelsurium mehr oder weniger abseitiger - und ausschließlich weiblicher - Existenzen, die ihr übrigens allesamt gnadenlos unterlegen sind, vielleicht abgesehen von einem anonymen Schmähmailschreiber, mit dem sie in einen existentialistischen Diskurs eintritt. Nebenher kittet sie die Krise zwischen einigen Teenagerinnen, für die sie ein Lyrik-Workshop veranstaltet, verhilft einer künstlerisch ambitionierten Altenheimbewohnerin zu etwas später Anerkennung, freundet sich mit der misshandelten Nachbarsfrau an - und schwadroniert zwischendrin über Kunst, Lyrik und Philosophie, wenn sie nicht gerade Boris nachtrauert oder an einem obskuren Sextagebuch arbeitet.


    „Kunst darf alles“, erklärt Mia irgendwo im letzten Drittel, womit sie fraglos Recht hat, und sie liefert damit die Begründung für das stilistische und dramaturgische Durcheinander, das Hustvedt hier vorgelegt hat: Ein gleichsam zerrissenes, aber äußerst braves Buch über eine nur scheinbar schlaue, unterm Strich abstoßend konfliktunfähige Frau, die Intellekt mit Wissen verwechselt, Lyrik für eine Therapie und Geschlecht für eine Seinsform hält - und Problemlösungen an der falschen Stelle sucht. Fast schon widerwillig folgt der Leser Mias Nicht-Entwicklung, an deren Ende weder Erkenntnis, noch eine Wandlung steht, sondern höchstens die oxymorotische Feststellung, dass Klugheit nicht vor Dummheit schützt.


    Bleibt die Frage, was „Der Sommer ohne Männer“ eigentlich sein soll oder will. Hin und wieder beschlich mich das Gefühl, eine Satire auf den Feminismus der Siebziger Jahre zu lesen (worauf die Abhandlungen über die Klitoris ein Indiz sind), aber dafür ist das Buch nicht lustig genug - es ist nämlich überhaupt nicht lustig. Aber auch nicht spannend, ergreifend, erhellend oder mit irgendeiner anderen Qualität ausgestattet, sondern auf dumpfe Weise reduziert, peinlich intim, linear, nichtssagend und alles andere als kämpferisch. Einer unbekannten Autorin würde man zurufen: Das wäre besser ein Tagebuch geblieben!

  • The Summer without Men - Siri Hustvedt


    Mia ist fünfundfünfzig, von Beruf mittelmäßige Lyrikerin und solide Literaturwissenschaftlerin. Sie hat eine Tochter, Daisy, von Anfang zwanzig, die gerade dabei ist, als Schauspielerin im Fach ‚Komödie’ Karriere zu machen. Sie hat einen Mann, Boris, Anfang sechzig, ein berühmter Neurowissenschaftler. Und sie hat ein Problem. Das Problem ist Boris, besser gesagt, die Ehepause, die er einlegen will. Die Pause ist seine Assistentin, gute zwanzig Jahre jünger als Mia.
    Von diesem altbekannten Ausgangspunkt aus spinnt Hustvedt eine originelle Geschichte über das Nachdenken über Frauen und Männer, das Werden und Sein des ‚Ich’, über die Wechselbeziehung von Kunst und das Leben.


    Als Mia von Boris’ Plänen hört, gerät sie außer sich, im Wortsinn. Alles, was sie ausmachte, zerfällt in Scherben. Ihre Welt ist zerstört, sie selbst gibt es nicht mehr. In der Psychiatrie wird sie einigermaßen zusammengesetzt, so weit, daß sie die folgenden Sommermonate dort verbringen kann, wo sie aufgewachsen ist, einer Kleinstadt in Minnesota. Ihre Mutter lebt dort in einem Altersheim. Mia mietet ein Haus und übernimmt, um sich zu beschäftigen, einen Ferienschreibkurs ‚Lyrik’ für Jugendliche.


    Ungeplant, aber heilsam, findet sich Mia in einer fast ausschließlich weiblichen Umgebung wieder. Im Altersheim lernt sie Freundinnen ihrer Mutter kennen, vier alte und sehr alte Frauen. Sie tauft sie ‚Schwäne’, nach der Legende, daß Schwäne einmal im Leben singen und zwar kurz bevor sie sterben. Der Tod ist immer nahe in dieser Geschichte, nicht nur der Tod von Beziehungen oder der Liebe.
    Auch die Teilnehmer ihres Schreibkurses sind ausschließlich weiblich, sieben Dreizehnjährige. Wer sich noch erinnern kann, daß es Zeiten gab, in denen pubertierende Jungen Gedichte schrieben, kommt sich alt vor. Gedichte sind etwas für Mädchen, ausschließlich, heutzutage.
    Dann gibt es noch Mias Nachbarn, die ihr zuallererst in Gestalt einer eigenwilligen Vierjährigen begegnen, deren Mutter und das Baby, Simon.


    Mia, immer noch unglücklich und durcheinander, lebt zunächst eine Art Doppelleben. Sie ist nach außen die weltgewandte, neugierige, offene, höfliche und gebildete Großstädterin und Intellektuelle. Innerhalb der vier Wände des gemieteten Hauses ist sie die verlassene Ehefrau, die Unglückliche, Ausgestoßenen, die tobt und weint und unfähig scheint, ein eigenes Leben zu führen. Sie braucht die Telefonbeziehung zu ihrer Therapeutin und die Briefe ihre Tochter, die auf ihrer Seite steht. In diese Situation drängt sich via Email, aggressiv, fordernd, unverschämt eine unbekannte Stimme, die sich Mr. Nobody nennt. Seine Beschimpfungen wecken Mias Widerspruchsgeist. Sie läßt sich auf eine Diskussion mit ihm ein.


    Die Handlung und Mias Reflexionen über ihr Leben mit Boris, das Leben von Frauen ihrer Gesellschaftsschicht am Beispiel der Schwäne, und die theoretischen, philosophisch wie naturwissenschaftlichen Überlegungen, die zu Konstruktion dieses Lebens herhalten müssen, mischen sich zu einem großen Ganzen, in dem sich Mias Ansichten über die Sommermonate hinweg aus dem Schutzraum der Theorien heraus in den Alltag ihres Lebens verlagert. Es gibt nie einen Zweifel daran, daß sich Theorie und Praxis, Schreiben und Leben, grundsätzlich gegenseitig beeinflussen, und zwar zum Vorteil beider Seiten. Mias neues Leben beginnt dennoch erst in dem Augenblick, als sie sich endlich grundsätzliche Fragen zu ihrem Zusammenleben mit Boris stellt. Das größte Glaubensbekenntnis einer Künstlerin/eines Künstlers - und Mia ist Künstlerin - , nämlich daß Kunst alles darf, bleibt dementsprechend ungesagt. Es steht nur auf dem Papier, hören will ihn keine mehr, der Literaturkurs ist zuende und die Teilnehmerinnen haben sich schon mit ihrem Rollator auf den Heimweg gemacht. Austens Roman ist literarisch gesehen ohnehin der Pragmatik einer Gruppe Achtzigjähriger zum Opfer gefallen - eine der vielen äußerst komischen Szenen zum Thema’ Literatur und vor allem Literaturwissenschaft, die dieser kleine Roman aufzuweisen hat.


    Mit ihrem Zusammentreffen mit Kinder, Jugendlichen und alten Frauen und der Beschäftigung mit den damit zusammenhängenden Problemen durchläuft Mia alle Stadien ihres eigenen Lebens bis zu ihrer Gegenwart. Die Ausblicke auf das Alter und Sterben sind krude, man kann sie nur akzeptieren. Sie gehören zu den dunklen Seiten des Romans, viel dunkler, als die zentrale Ehediskussion. Am Ende hat sich Mia selbst zusammengesetzt, die Scherben gekittet. Sie kennt ihre Bestandteile, die Lyrikerin, die Mutter, die Tochter, die Wissenschaftlerin - sie hat Mr. Nobody längst gezähmt, der wissenschaftliche Geist ist äußerst bestechlich - , die Nachbarin, Lehrerin. Sie heilt andere und sich.


    Feministisch ist das Buch an keiner Stelle, auch wenn Mias sich heftig an den Konstruktionen von Geschlecht und Körpern, vornehmlich Frauenkörpern, über die Jahrhunderte hinweg abarbeitet. Sie müht sich an den Denkweisen der männlichen Geistesgrößen ab, sinnvoll insofern, als diese immer noch ihre, Mias, Welt gestalten und ihre Werte vorgeben. Sinnlos, weil sie sich an keiner Stelle um weibliches denkerisches Erbe bemüht. Um andere Werte. In der höchst amüsant zu lesenden und von Hustvedt auch herrlich ironisierten Aufzählung der unterschiedlichen Richtungen, die die Literaturwissenschaft in den letzten dreißig Jahren hinter sich gebracht hat, fehlt dementsprechende die entscheidende: der gender turn.
    Nie hinterfragt werden Mutter-Tochter-Beziehungen, sie sind grundsätzlich harmonisch. Auch die Teenager, die einer aus ihrer Gruppe einen üblen Streich spielen, lassen sich beim Eingreifen ältere Frauen umgehend disziplinieren. Unbefriedigend ist die Rolle Daisys, die sich wie ein dummer Teenager in die Beziehung ihrer Eltern mischt und überhaupt zu gut ist, um wahr zu sein.
    Witzig sind die vier kleinen Zeichnungen der Autorin, die Mias Weg zu ihrem neuen Selbst zeigen. Witzig auch die Verwendung so mancher Stilmittel aus der älteren Literatur, etwa, wenn Mia die LeserInnen in der klassischen Pose der allwissenden Erzählerin direkt anspricht.


    Das Ganze ist eine feine, ironische, sorgfältigst formulierte Komödie, über Frauen und Männer, über die Differenz, die bestehende und die behauptete. Das einleitende Motto, ein Dialog aus der Schlußsequenz der klassischen scrweball comedy ‚The Awful Truth’ von 1937, ist wörtlich zu nehmen, in jeder Hinsicht. Die heile bürgerliche Welt siegt, unter leicht veränderte Bedingungen. Die Grenzpfosten, die den Blick auf neue Einsichten und Welten versperren, werden allerdings nicht um einen Millimeter verrückt. Schließlich wollen sie normal bleiben, die Personen dieses Buchs, nicht aus dem Geleise geraten.


    Schön geschriebene, ziemlich gescheite und oft sehr lustige Lektüre, über die Befindlichkeiten braver weiblicher Intellektueller, die den Stürmen eines Lebens ausgesetzt sind, dessen Grundbedingungen sie lieber nicht ändern wollen.


    Gelesen habe ich die die US-Taschenbuchausgabe, die ich nur empfehlen kann, weil das Buch voller Wortwitz und Anspielungen steckt.

    Ich und meine Öffentlichkeit verstehen uns sehr gut: sie hört nicht, was ich sage und ich sage nicht, was sie hören will.
    K. Kraus

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  • Mir hat der "Sommer ohne Männer" sehr gut gefallen. Zum Inhalt ist ja schon ausreichendes geschrieben worden.


    Mir ist, einige Tagen seit Beenden des Buches, vor allem sehr deutlich in Erinnerung, dass die Protagonistin nach dem (vorläufigen?) Scheitern ihrer Ehe (und ihrem eigenen Zusammenbruch) Weiterentwicklung und psychische Genesung durch und im Erleben von Beziehungen erfährt. In diesem Fall nicht in der Beziehung zu Männern sondern in der Beziehung zur Mutter, deren Freundinnen, den Mädchen die am Literaturkurs teilnehmen und der Nachbarin mit Tochter und Säugling.


    Sich-Einlassen und Geben und Nehmen in diesen neuen Beziehungen führt letztlich dazu, dass sich Mia stabilisiert und weiterentwickelt und einen Weg findet, mit der Kränkung umzugehen, die am Ende des Buches zwar nicht überwunden ist, aber nicht mehr die selbstzerstörerische Kraft besitzt, mit der sie zunächst Mia den Boden unter den Füssen weggezogen hatte; vielleicht auch deshalb, weil dieser bis zur "Pause" vor allem auf den Säulen der Beziehung zu ihrem Mann ruhte und nach dem Sommer ohne Männer jetzt auf vielen anderen neu dazugekommen Säulen wieder ausreichend Tragfähigkeit besitzt.


    An die Komplexität und Klasse von "Was ich liebte" reicht der "Sommer ohne Männer" nicht heran, aber es ist trotzdem ein gute Buch. Ich vergebe 9 von 10 Punkten.

  • Eine Frau wird nach 30 Jahren von ihrem Mann Boris und Vater ihres Kindes wegen einer anderen verlassen. Sie erleidet eine Psychose und erholt sich. Dann zieht sie in die Nähe ihrer Mutter, die in einem Altenheim ihre Tage verbringt. In ihrer Freizeit gibt Mia einen Schreibkurs für junge Mädchen. Mit der Zeit geht es ihr besser und Boris schlechter.


    Dass es sich um unterschiedliche Schauplätze ( Psychiatrie, Altersheim, Kurs für die Mädchen, Mails zum Ex, Treffen mit der Tochter,... handelt, war m.M.n. gelungen. Allerdings fand ich nur zu den Szenen im Altersheim so richtig Zugang und konnte mich über die Bewohner amüsieren bzw. diese auch bewundern.


    Die Gedichte der Hauptperson perlten bei mir ab. Als ich die Ausschweifungen über Sex und Erotik las, langweilte mich das eher.


    Auch die Form des Buches traf nicht ganz meinen Geschmack, die ultrakurzen Kapitel erschwerten das Identifizieren mit den Personen.


    Schade eigentlich, letzten Sommer las ich "Was ich liebte" von dieser Autorin und das hat wirklich einen bleibenden Eindruck hinterlassen, was ich von diesem Buch bisher nicht behaupten kann. Somit bekommt es 5 Punkte.

  • Die Meinungen zu diesem Buch gehen auseinander, aber es macht dennoch einen interessanten Eindruck.


    Ein Hustvedt-Roman, der mir bisher doch glatt entwischt ist. Aber das wird sich bald ändern.

    :flowersIf you don't succeed at first - try, try again.



    “I wasn't born a fool. It took work to get this way.”
    (Danny Kaye) :flowers

  • Ich bin gespannt auf deine Meinung, Alice Thierry.


    Mir jedenfalls sagt dieser Roman nicht zu, auch im zweiten Versuch habe ich ihn nach 100 Seiten zur Seite gelegt - ich denke, einen dritten Anlauf wird es nicht geben. Zum einen stören mich die extrem kurzen Kapitel ungemein, zu keiner Zeit hatte ich das Gefühl, einen Roman zu lesen; zum anderen ist es wohl tatsächlich - wie FrauWilli konstatierte - Frauenliteratur.
    In meinen Augen Hustvedts schwächster Roman, wobei ich "Die Verzauberung der Lily Dahl" noch nicht gelesen habe.

  • Tja, ich kann es mir einfach machen, da hier schon sehr viel Gehaltvolles über das Buch geschrieben wurde.


    Ich fand das Buch sehr schön und die Autorin, von der ich vorher nur "Die unsichtbare Frau" gelesen hatte (gefiel mir gut, war aber nicht ganz überzeugend), hat sich mit diesem Roman in mein Herz geschrieben, wenn ich das mal so schmalzig ausdrücken darf.


    Vieles von dem, was Siri Hustvedt hier schreibt, spricht etwas in meiner "Seele" an. Ich war oft berührt und auch dankbar dafür, dass sie Dinge ans Tageslicht holt und so präzise benennt. Der Aufbau des Buches hat auch einiges zum Lesevergnügen beigetragen, er ist erfrischend locker.


    Ich hoffe übrigens, dass dies nicht nur Frauenliteratur ist, sondern dass es auch Männer gibt, die sich mittels dieses Romans ins andere Geschlecht einfühlen wollen und können.


    9/10


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    Es gibt das Buch gerade für ca. 6 Euro als Weltbildausgabe, in schönem Flexcover. Diese Ausgabe gibt es aber nicht nur dort, ich habe sie bei Jokers gefunden.


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  • Ein belesener Freund meinte, die Autorin sei die bessere Auster. Wäre der Roman repräsentativ, dann würde ich das verneinen. Allerdings erscheinen mir Siri und Paul komplementär: die eine immanent, der andere transzendent.


    Zweites allerdings: Ich finde, es gibt bessere Frauenliteratur. Gewiss, die Dame kann mit Worten umgehen; klasse der Brief auf Seite 232 f. (TB) mit ihrer eingefügten explication de texte. Eineinhalb Seiten reichen, um den Kampf der Geschlechter zu illustrieren, da hätte sie auf die Seiten 210 bis 219 (TB) besser verzichtet. Dort schlüpft sie in die Schuhe de Beauvoirs (Le Deuxième Sexe) und kämpft fanatisch gegen Windmühlen, was redundant und unprofessionell wirkt. Ihr Mann hätte sie an dieser Stelle besser beraten (sollen).


    Überflüssig sind die vielen Anspielungen und Zitate aus der Philosophie und aus der Literatur. Auch das hätte sie sich sparen können. Dennoch ein lesenswertes Buch, das viel besser wäre, wenn nicht die vielen Ärgernisse wären.

  • Ich hab das Buch beim Büchereulentreffen im Frühjahr 2014 mitgenommen. Das war mein erstes Buch dieser Autorin und es war mir dem Titel nach bekannt, weil es mal in einem Lesekreis vorgeschlagen wurde.


    Von der Beschreibung her dachte ich mir, dass es interessant werden könnte, wie eine Frau die Zeit nach der katastrophalen Nachricht weitermacht, dass ihr Mann nach über 30 Jahren Beziehung eine Pause braucht und diese Pause dann auch noch einen Seitensprung bedeutet.


    Die Abschnitte, in denen die Gegenwart behandelt wird, sei es im Altersheim mit ihrer Mutter und ihren Freundinnen oder mit dem Lyrikkreis der sieben Teenagerinnen oder aber mit der Nachbarin und ihren zwei Kindern, waren für mich unterhaltsam geschrieben.


    Doch alles Drumherum, diese philosophischen Ausflüge oder das Sextagebuch, haben mich eher genervt oder gelangweilt und ich habe sie schließlich überflogen. Die Mails von "Niemand" waren meiner Meinung nach überflüssig, ebenso die wiederholte Feststellung einer "Existenz" bevor sie das gemietete Haus betrat.


    Mir hat es nicht sonderlich gefallen, zu ausschweifend und zu viel Gefasel.


    4 Punkte

  • S. 211 „Mia, sagen Sie, komm zur Sache.“


    Nach dreißig Ehejahren wünscht sich Boris eine Pause von Ehefrau Mia – die „Pause“ ist zwanzig Jahre jünger als letztere und eine kultivierte Neurowissenschaftlerin, seine Kollegin. Die prämierte Dichterin Mia dreht durch, landet für eineinhalb Wochen in der Psychiatrie und zieht sich danach für den Sommer in die Nähe ihrer Mutter, 90, zurück in die Kleinstadt ihrer Jugend.


    Mia kommt gefühlt nicht wirklich zu Sache, auch wenn die Ich-Erzählerin den Leser teils direkt anspricht wie eingangs zitiert – der Roman plätschert so dahin mit seinen verschiedenen Themen – von Mias Kindheit (distanzierter Vater, liebende Mutter), über Ehemann Boris (vöööööllig überraschend: ebenfalls distanziert; Mia scheint dabei dummerweise überspannt), zu den alternden Freundinnen der Mutter in diesem sehr speziellen Mikrokosmos eines Seniorenwohnheims, über das temporäre Domizil Mias in einem gemieteten Haus mit jungen Nachbarn (in der Krise, seinetwegen, natürlich), inklusive der Ränkespiele der frühpubertierenden Mädchen in dem Kurs, den Mia abhält…. .


    Das alles wirkt auf mich in den besten Momenten wie einer der kopflastigsten Filme Woody Allens, am ehesten aus der Perspektive Diane Keatons – auch wenn die erklärte New Yorkerin Siri Hustvedt die erklärte New Yorkerin Mia früh nach Minnesota schickt, an die Stätte beider Jugend. Phasenweise nervt das: da werden nacheinander genannt Filme mit Cary Grant, Jane Austen, Heisenberg und Leibniz‘ Monadologie – und das ist nur eines von vielen vielen vielen Beispielen, die ich häufig als bloße Phrasen und aufgesetzt empfand, von den vielen Text-Fetzen aus Lyrik und Prosa zu schweigen oder seitenweise Geschlechtertheorien zitiert durch alle Jahrhunderte.


    Wäre das Buch denn nicht so beruhigend kurz gewesen, ich hätte wohl abgebrochen, wenn, ja wenn es nicht gleichzeitig mit so wunderschönen Aphorismen gespickt gewesen wäre.
    S. 61 „Zeit ist nicht außerhalb von uns, sondern in uns. Nur leben wir mit Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft, und die Gegenwart ist zu kurz, um überhaupt erfahren zu werden; sie wird nachher behalten, und dann ist sie entweder kodifiziert oder fällt der Amnesie anheim.“


    Dummerweise reicht mir das nicht, wenn es mich schwer nervt, wie Mia „ihrem“ (ja, das ist -leider – wörtlich, ihrem) Boris mangelnde Dankbarkeit vorwirft, manifestiert im Ehebruch – ernsthaft? Und das neben der ganzen pseudofeministischen Phrasendrescherei und dem mir seltsam verklemmt anmutenden Darstellen eigener Lust-Erfahrungen? Das reißen dann leider auch die an sich schönen Nebengeschichten zu Abigails verborgenen Stickereien oder dem Trick, eine jugendliche Mobbingerfahrung aus mehreren Perspektiven zu erleben zu lassen, nicht mehr heraus.


    S. 248 "Ein Buch ist eine Zusammenarbeit von demjenigen, der liest, und dem, was gelesen wird, und bestenfalls ist dieses Zusammentreffen eine Liebesgeschichte wie jede andere."


    Ich habe mich nicht verliebt. Ich habe nicht einmal geflirtet.



    Folgebuch: Jane Austen. Überredung (Persuasion)


    5 von 10 Punkten