• Zitat

    Original von magali
    Habe ich je erwähnt, daß ich profesionelle LektorInnen von Herzen bewundere? Ich würde dreimal täglich Amok laufen. :lache


    An dieser Stelle zeige ich - als Beispiel - bewundernd auf die Verlegerin + Lektorin beim Sieben Verlag - die ja, Kleinverlag der sie sind, sehr viele Debütanten verlegen. Denn sobald ihre Autoren mal groß geworden sind, diffundieren sie in Richtung Großverlage, weil sie dort aufgrund höherer Auflagen das Zehn- bis Hundertfache verdienen.
    Diese beiden nervenstarken Damen bringen mit unendlicher Geduld zahlreichen AutorInnen mit Potential, aber vielen Detailmängeln, das Schreiben überhaupt erstmal bei. Die erklären ihnen, wie man eine Erzählperspektive durchhält und was Sauberkeit bei den Zeitformen heißt. Von Figurenentwurf und der Kunst, wirklich romantisch zu schreiben, gar nicht zu reden.
    Ich finde die Aufgabe, der sie sich tagtäglich stellen, herkulisch. Denn das ist kein Spaß...

  • Zitat

    Original von magali


    Aber: Du sprichst als Profi. Wann hattest Du das letzte Mal das MS einer Anfängerin auf dem Schreibtisch?


    Nicht mehr taeglich, aber woechentlich.
    Ich arbeite ja noch als Lektor und Gutachter.
    Creative Writing habe ich auch mal unterrichtet - allerdings fuer nichtmuttersprachliche Deutschstudenten, die damit zufrieden waren, wenn ich deren Grammatik aufpoliert habe. (Dass mein Brotherr dies hier liest, muss ich, hoffe ich, nicht befuerchten ...) Ansonsten haette ich denen womoeglich irgendwann mal gestanden, dass ich das nicht unterrichten kann.
    Denn dazu fuehle ich mich wahrhaftig nicht berufen. Ich kann ein paar Buecher empfehlen, zu denen "Wie man einen ganz supergeilen Roman schreibt" und Konsorten nicht gehoeren. Ich kann auch aus eigener Erfahrung ein paar Schmankerl erzaehlen, wie man's nicht machen sollte (z.B. im Alter von zwanzig Jahren hoffen, den Alfred Doeblin Preis zu gewinnen). Ich kann mich zum Horst machen und zugeben, dass ich als achtzehnjaehriges Hascherl, das schreiben wollte, auf die Idee gekommen bin, Germanistik zu studieren, und dass ich - doof wie ich bin - das noch immer fuer keine ganz schlechte Idee halte.
    Jedenfalls fuer eine bessere, als bei der Deutschdozentin, die ein Haeuflein maessig erfolgreiche Unterhaltungsromane geschreibselt hat, "Creative Writing" zu belegen (wieso wollen das eigentlich so viele? Zu meiner Zeit wolltense alle toepfern. Ich auch, aber irgendwie sahen meine Muttertagsgedichte zumindest potentialversprechender aus als meine Weinkrueglein). Oder in der Autorwerdenundnichtleiden-Fibel "Der Pitch" nachzuschlagen.


    Am liebsten wuerd' ich denen allen "Grapes of Wrath" schenken und sagen: Gehnse mal nach Hause. Lesense mal. Koennse auch nochmal lesen. Und sich noch eins kaufen. Wiederzukommen brauchense erst irgendwann next term.


    Unbelehrbar gruesst Charlie

  • Wöchentlich? Du hast mein Mitgefühl. Für so etwas bin ich einfach zu sensibel.


    Ich kann mich auch nicht erinnern, daß vor dreißig und auch nicht vor zwanzig Jahren alle und jede einen Roman publizieren wollte. Aber damals gab es auch noch keine Maschinen wie PCs und Verwandtes, die so gefällig suggerieren, daß Schreiben leicht ist.
    Und töpfern kann man leider nicht im Internet. Obwohl dort an Matsch kein Mangel herrscht.


    Inwieweit ein literaturwissenschaftliches Studium fürs Schreiben hilfreich ist, ist schwer zu sagen. Ich kenne genug FachwissenschaftlerInnen, die keinen geraden Satz aufs Papier bringen. Wissenschaftliche Texte habe ich auch schon redigiert und auch das ist eine schmerzvolle Erfahrung.


    Es hilft auf jeden Fall beim Schreiben, wenn man viel gelesen hat. Litwiss war nur mein drittes, später zweites Nebenfach und es war wenig 'wissenschaftlich', es ging vor allem ums Lesen von Primärtexten. Und ums darüber Sprechen, das muß man auch lernen. Immerhin habe ich eine solide Kenntnis der englischen Literatur vom Lied des Seafarer bis ca. T.S. Eliot erworben, (ich habe an einer konservativen deutschen Universität studiert, die Literatur nach 1945 war dort in den frühen 1980ern noch kaum entdeckt worden).


    Instant-Schreiben halte ich inzwischen für verbrecherisch. Drei Kniffe, heißes Wasser darüber, umrühren, fertig ist das tolle Buch, ist einfach schändlich.


    Die alten Regeln sind unverändert gültig. Lesen, probieren, lesen, nachdenken, lesen. Grammatik, Wortschatz, Rechtschreibung, Zeichensetzung beachten. Und um Himmels Willen nicht glauben, daß es einen einfachen Weg gibt.


    Man könnte natürlich böse sagen, solange die Leutchen vor sich hin pitchen, sind sie beschäftigt. :grin



    :wave


    magali

    Ich und meine Öffentlichkeit verstehen uns sehr gut: sie hört nicht, was ich sage und ich sage nicht, was sie hören will.
    K. Kraus

  • Zitat

    Original von magali


    Und töpfern kann man leider nicht im Internet. Obwohl dort an Matsch kein Mangel herrscht.


    Das ist mein Zitat des Tages.
    Schon sehr sehr lange hatte ich nicht mehr vor Lachen meinen Computerscreen bespuckt.


    Foehnen geht Charlie

  • Zitat

    Original von magali
    Man könnte natürlich böse sagen, solange die Leutchen vor sich hin pitchen, sind sie beschäftigt. :grin
    :wave
    magali


    Und bei dem hab ich mich beinahe eingenässt. :lacht
    Aber, um magali ein weiteres Mal zu zitieren (auch wenn ich die Quelle gerade nicht finde, ist aber im SteffiB-harimau-Haushalt bereits ein geflügeltes Wort):
    "Ohne Pitch kein Patsch." Reimt sich auch wunderbar auf Matsch.


    So, ich muss jetzt schreiben. Ich danke euch für die bösen und die erheiternden Worte in diesem Thread.
    Liebe Grüße von
    SteffiB, die "Grapes of Wrath" übrigens für einen der besten Romane aller Zeiten hält. Man kann die Messlatte bekanntlich gar nicht hoch genug hängen. Immer schön recken und strecken, dass hält Glieder und Gedanken geschmeidig, auch wenn sie (die Messlatte) ein Leben lang unerreichbar bleibt. (Bei mir zumindest. Charlie hat da eine ganz andere Sprungkraft.)

    Ship me somewhere's east of Suez,
    where the best is like the worst,
    where there aren't no ten commandments
    an' a man can raise a thirst


    Kipling

  • Ich streck mich nicht nach Grapes of Wrath.
    Ich lieb ihn faul und froehlich vor mich hin.
    Davon, dass ich die schoensten Trauben nicht erreichen kann, werden die mir noch lange nicht sauer.


    (Die eigene Messlatte hoch zu haengen, mag ja sinnvoll sein. Aber ich moecht' sie noch sehen koennen. Leide zwar schon an Altersweitsicht, aber so weit reicht's denn doch nicht. Und im Alter soll man ja auch anfangen, zu schrumpeln.)


    Herzliche Gruesse von Charlie

  • Auch wieder wahr, Charlie, diese speziellen Trauben gedeihen in sehr hohen Höhenlagen – und da ist die Luft dünn.
    Aber was das Schrumpeln anbelangt, mag ich dir nur in Bezug auf die Physis Recht geben (außerdem gleicht die behämmerte Altersweitsichtigkeit, die mich auch ereilt hat, die paar Zentimeter locker aus).
    Wie dem auch sei: Die Bücher einer gewissen Frau Lyne, ich glaube, du kennst sie, sind auch ziemlich weit oben angesiedelt. Finde ich. Widerspruch zwecklos!
    Liebe Grüße von einem Fan :-]

    Ship me somewhere's east of Suez,
    where the best is like the worst,
    where there aren't no ten commandments
    an' a man can raise a thirst


    Kipling

  • Deariedear me!
    Ich muß aufpassen, was ich hier sage, jemand schreibt mit.
    :lache


    Pitschpatsch hatte ich ganz vergessen. Danke für die Erinnerung.


    Was die Trauben angeht: ich kenne nur den Film. ;-)




    :wave


    magali

    Ich und meine Öffentlichkeit verstehen uns sehr gut: sie hört nicht, was ich sage und ich sage nicht, was sie hören will.
    K. Kraus

  • Nee, ich schreibe nicht mit, magali. Aber der Pitch-Patsch war zu gut, ihn zu vergessen. :grin


    @ hef: Das ist eine tolle Nachricht! Da muss ich gleich mal das Käferchen suchen!

    Ship me somewhere's east of Suez,
    where the best is like the worst,
    where there aren't no ten commandments
    an' a man can raise a thirst


    Kipling

  • Die Diskussion um Begriffe, die sich als "must have" im Vokabular von Schreibenden eingebürgert haben, fand ich jetzt ganz witzig.


    Es kommt doch stark darauf an, wie die/der Einzelne mit solchen "Regeln" umgeht. Das fiel mir auf, als mir das Thema "Adjektive" kürzlich über den Weg lief.
    Ich selbst besuche keine Schreibkurse (fände ich spannend, habe aber keine Zeit), aber kenne Einzelne, die das tun und durfte bei einer Zusammenkunft dabei sein.
    Nun wurden also Texte gegengelesen und von anderen beurteilt, und da fielen natürlich all die Begriffe, die Charlie erwähnte :grin


    Besonders die Adjektive.
    "Vorsicht vor dem übermäßigen Gebrauch von Adjektiven." Das war das, was im Kurs gelehrt wurde, alles schön und gut.
    Aber was die fleißigen Schüler und Schülerinnen draus machten, ging dann in folgende Richtung: "Tod den Adjektiven!", und in den Texten wurde danach gesucht wie nach Sprengminen in der Landschaft.
    Eine Schülerin wurde wegen ihrer Adjektive so klein gemacht, dass sie ihren Text, den ich eigentlich recht gut fand, hastig von den meisten Adjektiven befreite, und umschrieb, bis nur noch ein Skelett übrigblieb - das ich dann zu lesen bekam. Die Stimmung war dahin, der Charakter dahin, die Einzigartigkeit dahin.
    Manche übertreiben's halt mit den Glaubenssätzen.

  • (Von alledem hab' ich jetzt aber nichts gesagt, gell?
    Bin staatlich ungepruefter Hemingway-Anbeter und habe ein haemmerndes Herz fuer Kollegen, die moralfrei und moerderisch Adjektiven den Garaus machen. Fuer Texte, von denen nur noch das Skelett uebrig ist, sowieso.)

  • Werfe mal eben meine Meinung in diese lustige Diskussion. Es gibt nach meinem Gefühl zwei Sorten von Autoren, die quasi an der Schwelle zum Sorichtigschriftstellersein stehen. Die einen schreiben "einfach" ihre Geschichten, versuchen, sich zu verbessern, fahnden nach ihren Themen, ihrem Stil, ihrer Perspektive, arbeiten hieran unermüdlich. Die anderen bemühen sich in erster Linie darum, ihre Tätigkeit scheinbar zu professionalisieren, indem sie sie "verwissenschaftlichen". Da werden Begriffe wie Plot, Pitch, Treatment, Prämisse, Cliffhanger, Exposé, Vita usw. usf. inhaliert, und man versucht händeringend, sie alle zu verstehen und möglichst intensiv auszufüllen. Dabei gerät nicht selten in Vergessenheit, dass es in der Hauptsache darum geht, gute Geschichten gut zu erzählen.


    Seit dem Erscheinen meines ersten Romans sind inzwischen fast zehn Jahre vergangen, insgesamt mit professioneller - also bezahlter - Autorentätigkeit bin ich seit über zwanzig befasst. Der Begriff "Pitch" ist mir in dieser Zeit noch nie zugetragen worden, weder von einem Lektor, noch von irgendeinem anderen Verlagsmitarbeiter, und auch nicht von einem Agenten. Solche Termini - wie auch die von mir leidenschaftlich gehasste "Prämisse", mit der James N. Frey ("Wie man einen verdammt guten Roman schreibt") die Nachwuchsautoren verulkt - werden nach meiner Beobachtung nur von Leuten benutzt (und auszufüllen versucht), die (noch) keine Ahnung haben. Meine Agentur will ein Exposé und manchmal eine Leseprobe, aber beide Begriffe werden nie in einem normativen Sinn benutzt, also bestimmte Formen und Inhalte verlangend. Es geht in erster Linie darum, dass jemand, der ich nicht selbst bin, versteht, was ich in Romanform zu gießen gedenke. Wie ich das genau mache, ist weitgehend mir überlassen. Und es muss auch nicht als "Normseite" formatiert sein. ;-)


    Das bedeutet natürlich nicht, dass man sich keine Gedanken über Dinge machen muss, die man beispielsweise "Pitch" nennen könnte. Oder Plot. Oder Prämisse. Meistens hat man das tatsächlich längst getan, ohne diese Begriffe zu nutzen. Aber, wie gesagt. Wichtig ist nur - und zwar ausschließlich - eine gute Geschichte gut zu erzählen.

  • Von Tom


    Wichtig ist nur - und zwar ausschließlich - eine gute Geschichte gut zu erzählen.


    Stimmt. Nur ist das Problem...die Doppelung von 2x gut


    Erst muss ich mal eine gute story haben, oder mir ausdenken, und dann soll ich sie auch noch gut erzählen.


    Damit ist die Masse der Schreiber überfordert.


    Was mich allein hier aus dem Forum an Pitch-Versuchen erreicht, lässt mich den Kopf schütteln. Die Schreiber haben meist keine Ahnung, was der Inhalt ihrer Geschichte ist. Sie bringen sie einfach nicht auf den Punkt. Demnach alles Bauchschreiber, ohne die geringste Ahnung von Spannungsaufbau, Logik, Wahrscheinlichkeit. Kurz Schrott, für den sich ein Lektorat nach dem Exposee schon keine Zeit mehr nimmt.


    Also, völlig egal, wie das Ding heißt, ein paar wichtige Grundregeln sollte man schon beherrschen. Und eines der Dinge heißt nunmal PITCH. Es könnte auch Popo o.ä heißen. Der Sinn bleibt gleich


    euer hef