'Krieg und Frieden' - Band 3, Teil 2 - Kapitel 25 - 39

  • Jetzt also ein ganzer Abschnitt mit der Schlacht bei Borodino. Tolstoi schafft es, wie ich es noch bei keinem anderen Autoren gefunden habe, eine Schlacht ohne viel Detailschilderungen der Grausamkeiten so zu beschreiben, daß ich mir diese dennoch sehr lebhaft vorstellen kann und ich eher das Gefühl habe, einen Film gesehen, denn ein Buch gelesen zu haben. Insofern ist sein Schreibstil schon als in gewisser Hinsicht genial zu bezeichnen.


    Am Abend vor der Schlacht macht Andrej sich Gedanken und kommt zu dem Schluß (S. 1032, Kapitel XXV):

    „Der Krieg ist keine Liebenswürdigkeit, sondern die abscheulichste Sache, die es gibt.“

    Dem ist eigentlich nichts hinzuzufügen.


    Witzig fand ich im Kapitel XXVI (S. 1037) die Bemerkung über Napoleon:

    „Mit der den Italienern eigenen Fähigkeit, den Gesichtsausdruck nach Belieben zu ändern, nahm er eine Mine gedankenvoller Zärtlichkeit an, während er dicht an das Bild herantrat.“

    Italiener, so so. :grin


    Gegen Beginn des Kapitels XXVII (S. 1039) mußte ich dann wieder grinsen:

    „Napoleon ritt über das Feld, sah sich tiefsinnig die Gegend an, nickte beifällig oder schüttelte den Kopf, und ohne die Generäle seiner Umgebung an den tiefsinnigen Gedankengängen teilnehmen zu lassen, auf Grund deren er endlich zu seinen Entschlüssen gelangte, teilte er ihnen nur die aus diesen Gedankengängen gewonnenen endgültigen Schlußfolgerungen in Form vom Befehlen mit.“

    Da fällt mir eine Szene aus dem Film „Der Brander Kaspar schaut ins Paradies“ mit Gustl Bayrhammer als Portner (= Petrus) ein, als es im Vergleich von Bayern und Preußen heißt (sinngemäß aus dem Gedächtnis zitiert): „Der Preuße spricht den ganzen Gedankengang mit, der Bayer gibt nur das Ergebnis bekannt.“ :chen


    Etwas weiter (S. 1041) die Bemerkung „Wenn es erlaubt ist, Anordnungen Napoleons einmal ohne die vorschriftsmäßige religiöse Scheu vor seinem Genie zu begutachten, (...)“

    Napoleon scheint also gegen Ende der 60er Jahre des 19. Jahrhunderts immer noch vergöttert zu werden.


    Im Kapitel XXVIII (S. 1043) geht mir Tolstoi denn doch etwas zu weit, wenn er schreibt:

    „Es gibt eine andere Antwort auf die Frage nach der Ursache welthistorischer Ereignisse, und das ist die, daß eben der Lauf der Dinge dieser Welt von oben her im voraus bestimmt ist und vom Zusammentreffen aller Willensäußerungen der an den Ereignissen beteiligten Menschen nicht abhängt und daß der Einfluß Napoloeons auf den Gang dieser Ereignisse nur ein ganz äußerlicher, ja nur fiktiver ist.“

    Das würde letztlich bedeuten, alles ist vorbestimmt und der freie Wille des Menschen nicht existent. Unter solchen Voraussetzungen kann es allerdings auch so etwas wie Schuld oder Böses nicht geben, denn alles ist ja vorbestimmt.


    Etwas weiter (S. 1045), kurz vor Ende des Kapitels, stimme ich ihm allerdings tendenziell wieder zu, wenn er schreibt, daß - vereinfacht gesagt - man hinterher immer alles besser weiß, vor allem, wenn man den Ausgang eines Ereignisses kennt.


    Im Kapitel XXXIII, als von der langsamen Kommunikation die Rede war, deren Mitteilungen teilweise schon überholt waren, wenn sie den Empfänger erreichten, mußte ich unwillkürlich an Richard Dübells Buch „Der Jahrhundertsturm“ denken, in dem die Kommunikation per Fernsprecher im Krieg 1866 und 1870/1871 eine entscheidende Rolle spielte und Bismarck bzw. dem deutschen Heer einen Vorteil brachte.


    Kalt erwischt hat mich Tolstoi dann gegen Ende des Abschnitts. Andrej ist doch eine meiner Lieblingsfiguren! :cry Es ist sein Zustand am Ende des Abschnitts zwar nicht klar, aber es hieß zuvor, daß er das nicht überleben würde. :cry :cry :cry


    Und Anatol Kuragin! Dem hätte ich trotz allem dieses Schicksal nicht vergönnt. Ein Bein verloren, aber immerhin scheint er nicht lebensgefährlich verletzt zu sein. Soweit so eine Verletzung damals (es gab noch kein Penicillin) nicht lebensgefährlich sein konnte. Ich vermute, er kommt als ein ganz anderer aus diesem Krieg nach Hause.


    „Was wäre wenn“-Überlegungen schließen diesen Abschnitt ab. Was wäre gewesen wenn nicht... Es ist müßig, darüber nachzudenken. Es kam, wie es kam.



    Ich lese an dem Buch nun länger, als ich ursprünglich geplant hatte. (Für den „Stillen Don“ bei knapp demselben Umfang hatte ich seinerzeit rund vier Wochen gebraucht, das habe ich hier auch kalkuliert.) Es ist seit Jahren das erste Nicht-Weihnachtsbuch, das ich im Dezember lese, ohne daß mich das ärgert oder ich einfach durch sein möchte, um Weihnachtsbücher zu lesen. Tolstoi hat mich - obgleich ich das zu Beginn wirklich nicht erwartet habe - „eingefangen“. Ob ich, obwohl ich das bisher nicht vor hatte, irgendwann doch noch „Anna Karenina“ lesen werde???

    Unter den Büchern finden wir wieder, was uns in der Fremde entschwand, Frieden im Innern und Frieden mit unserer Umgebung.
    (Gustav Freytag, 1816 - 1895, aus "Die verlorene Handschrift")

  • Zitat

    Am Abend vor der Schlacht macht Andrej sich Gedanken und kommt zu dem Schluß (S. 1032, Kapitel XXV):

    „Der Krieg ist keine Liebenswürdigkeit, sondern die abscheulichste Sache, die es gibt.“

    Dem ist eigentlich nichts hinzuzufügen.

    Seine Aussage über die Sinnlosigkeit der Ritterlichkeit im Krieg ist sehr schonungslos, aber ehrlich.

    Zitat

    Gegen Beginn des Kapitels XXVII (S. 1039) mußte ich dann wieder grinsen:

    „Napoleon ritt über das Feld, sah sich tiefsinnig die Gegend an, nickte beifällig oder schüttelte den Kopf, und ohne die Generäle seiner Umgebung an den tiefsinnigen Gedankengängen teilnehmen zu lassen, auf Grund deren er endlich zu seinen Entschlüssen gelangte, teilte er ihnen nur die aus diesen Gedankengängen gewonnenen endgültigen Schlußfolgerungen in Form vom Befehlen mit.“


    Den feinen Humor Tolstoi habe ich in letzter Zeit schon vermisst.

    Allerdings hatte ich in diesem Fall den Eindruck, dass Tolstoi andeuten wollte, dass der Gedankengang einfach leer war.


  • Zum Thema Vorherbestimmung:


    Diese Aussage kommt in dem Buch immer wieder vor. Pierre zeigt gerade am Anfang die Einstellung, dass alles so kommt, wie es kommen muss. Im Verlauf des Kriegs betont Tolstoi immer wieder, dass alles seinen Lauf nehmen muss und dass die Menschen unfreiwillige Werkzeuge der Geschichte sind. Es ist vom unhemmbaren Gang der Ereignisse die Rede.

    Es hat mich von Anfang an gestört, dass Tolstoi diesen abstrakte Begriff „Geschichte“ als Gestalter der Abläufe gesehen hat.

    Da hat mir Andrejs Erklärung für die Abläufe im Krieg besser gefallen: dass es von der inneren Einstellung der am Krieg beteiligten abhängt, ob er gewonnen wird, also nicht vom Schicksal vorher bestimmt.

  • Dieser Abschnitt enthält noch so vieles, was erwähnenswert ist. Ich muss mich wirklich zurückhalten, sonst schreibe ich hier Romane.


    1.

    Die Stimmung, wie Tolstoi sie zu Beginn der Schlacht beschreibt, hat so etwas Heiteres an sich, dass bei mir fast Bilder wie bei einem Volksfest entstehen, wenn die Menschen mit Böllerschüssen belustigt werden. Ich habe gedanklich eine Verbindung zu Goethes Osterspaziergang hergestellt. Schon makaber. Ist es das, was im 25. Kap. als „latente Wärme der Vaterlandsliebe“ bezeichnet wurde?

    2.

    Pierre ist mitten im Krieg und ist sich der Realität nicht bewusst. Fast wie ein Maskotchen wird er von den Soldaten aufgenommen. Mit einem (Kanonen-)Schlag wacht er auf und begreift.

    3.

    Andrejs Regiment hat eine fast unmenschliche Aufgabe: einfach nur untätig rumsitzen und warten, ob eine Kugel einen trifft.

    Es ist ja so furchtbar tragisch, dass Andrej in vermutlich einem Bruchteil einer Sekunde mitten in der Todesgefahr, spürt, wie schön das Leben ist. Ich habe es so verstanden, dass genau diese Erkenntnis die winzige Verzögerung bedeutet, die ihn lebensgefährlich verletzt.

    Und dann begreift er, was Liebe ist. Zu spät, denkt er. Das klingt alles so sinnlos. Wieso gibt er sich jetzt verloren? Vielleicht ist es ja im Überlebenskampf genauso wie in einer Schlacht, dass es auf die innere Einstellung ankommt, ob man gewinnt.

    4.

    Tolstoi zeichnet ein Bild von Napoleon als ein gefühlloser, vom Streben nach Ruhm und Ehre getriebener Mensch, bei dem nur einmal für einen kurzen Moment menschliche Regungen aufblitzen. Seine Rechtfertigung für sein Handeln ist unfassbar zynisch. Sein vereinigtes Europa wäre zum Wohl aller Europäer.

  • Ein toller Abschnitt. Ich hatte parallel zum Lesen die Wikipediaseite dazu offen, bin den Beschreibungen auf der Landkarte gefolgt und habe noch ein paar biografische Daten der handelnden Personen nachgelesen. Kutusow wird ja fast als Greis dargestellt, war aber gerade 67 Jahre alt. Heutzutage ist man da ja noch fast jung.

  • Kutusow wird ja fast als Greis dargestellt, war aber gerade 67 Jahre alt. Heutzutage ist man da ja noch fast jung.

    Eines der erfolgreichsten Bücher der zweiten Hälfte des 19. jahrhunderts lautete "Jugenderinnerungen eines alten Mannes" (1870 posthum veröffentlicht, habe ich schon mehrfach mit großer Begeisterung gelesen). Der Autor Wilhelm von Kügelgen ist im Alter von 67 Jahren verstorben. Wenn ich mich recht entsinne, begann er mit etwa 62 Jahren zu schreiben. "Greis" und "alter Mann" sind offensichtlich relative Begriffe, die sich im Laufe der Zeiten ändern.


    OT

    Äußerst interessant auch das (vergriffene) Buch "Bürgerleben. Die Briefe an den Bruder Gerhard 1840-1867". Der Briefwechsel zwischen Wilhelm von Kügelgen und seinem Bruder, über mehrere Jahrzehnte. Der einzige Briefband, den ich je gelesen habe (über 1.000 Seiten; Verlag C. H. Beck, München 1990, ISBN 9783406342103).

    Unter den Büchern finden wir wieder, was uns in der Fremde entschwand, Frieden im Innern und Frieden mit unserer Umgebung.
    (Gustav Freytag, 1816 - 1895, aus "Die verlorene Handschrift")

  • Kutusow wird ja fast als Greis dargestellt, war aber gerade 67 Jahre alt. Heutzutage ist man da ja noch fast jung.

    Er hatte aber auch einen ausschweifenden Lebenswandel. So ganz ohne Cholesterin- und Blutdrucksenker etc. würde mancher 67-jähriger heute auch alt aussehen. ;)

    Ich habe mich auch die ganze Zeit gefragt, wie alt Andrejs Vater ist. Man könnte meinen, er wäre gut über 70. Aber möglicherweise ist er sogar jünger als Kutusow. Seine Kinder sind ja noch jung.

  • Die haben ja alle früh Kinder bekommen. Nataschas Mutter war ja auch schon mit 14 verheiratet. Andrej ist 31, älter als 30 war sein Vater sicher nicht bei Andrejs Geburt, eher viel jünger. Allerdings war er auch mit Kutusow beim Militär.


    Ich vermute mal, dass Tolstoj das an dieser Stelle nicht hundertprozentig genau ausgewogen hatte.


  • Zum Thema Vorherbestimmung:

    Sagt uns Tolstoj eventuell “Geschichte ereignet sich“?

    Es war nicht einzig von Napoleon, Lenin, Hitler usw. abhängig, sondern deren Handlungen passten zum Zeitgeist? Wären es nicht diese Personen gewesen, hätten sich halt andere gefunden, die in diesem Moment ähnliches gemacht hätten. Einfach, weil die grundsätzliche Stimmung in der Gesellschaft so war?

    Das entbindet natürlich den einzelnen nicht von seiner Verantwortung und Schuld, sondern bietet nur eine zusätzliche Erklärung.

  • So kann ich das auch sehen.


    Tolstoi hört sich für mich aber so an, als ob es einen konkrete Plan gäbe, der sich unabhängig von den beteiligten Personen verwirklichen würde.


    Klar hat der Zeitgeist einen Hitler möglich gemacht. Wenn Menschen es verhindert hätten, dass er an die Macht kommt, hätte es einen anderen Diktator gegeben. Und Antisemitismus, denn die Stimmung war eben so. Doch die Geschichte wäre anders verlaufen, vielleicht nicht ganz so krass.


    Und sicher steht der Ausgang einer Schlacht nicht von vornherein fest, weil die Vorsehung es so will.

  • Tolstoi äußert sich sehr kritisch zu den Schlachten und der Berichterstattung. Und wieder ein entlarvendes Bild des Krieges und der russischen Gesellschaft.


    Die Schlacht von Borodino, zumindest gehört hat davon sicher jeder.


    Peter will also dabei sein, wie naiv das ist. Ich erinnere mich an Bulls Run, da hatten sich Zivilisten auch zu einem Picknick versammelt, um die Schlacht zu verfolgen, von der man annahm, sie schnell zugewinnen, am Ende wurden mussten sie zusehen fortzukommen und nicht überrannt zu werden.


    Andree ist ebenfalls vor Ort, er erkennt die Möglichkeit seines Todes und dass alles von vielen Zufälligkeiten abhängt. Tatsächlich wird er verletzt.

  • Die Schlacht von Borodino hatte ich auch schon im Voraus gelesen. Von der atmosphärischen Stimmung her fand ich die Beschreibung von Austerlitz noch etwas besser, aber sehr interessant finde ich die geschichtlichen und strategischen Überlegungen im Vorfeld und nach der Schlacht. Und ja, Pierre als Katastrophentourist ist wirklich sehr leichtsinnig.

    Witzig fand ich im Kapitel XXVI (S. 1037) die Bemerkung über Napoleon:

    „Mit der den Italienern eigenen Fähigkeit, den Gesichtsausdruck nach Belieben zu ändern, nahm er eine Miene gedankenvoller Zärtlichkeit an, während er dicht an das Bild herantrat.“

    Italiener, so so. :grin

    Bei Wikipedia steht dazu: "He was born Napoleone di Buonaparte (...) in Corsica to a relatively modest family of Italian origin from minor nobility."; "Napoleon I, the son of Genoese nobleman Carlo Buonaparte." In Russland wurde er anscheinend auch oft Buonaparte genannt, mit 'u'.

    „Napoleon ritt über das Feld, sah sich tiefsinnig die Gegend an, nickte beifällig oder schüttelte den Kopf, und ohne die Generäle seiner Umgebung an den tiefsinnigen Gedankengängen teilnehmen zu lassen, auf Grund deren er endlich zu seinen Entschlüssen gelangte, teilte er ihnen nur die aus diesen Gedankengängen gewonnenen endgültigen Schlußfolgerungen in Form vom Befehlen mit.“

    (...) als es im Vergleich von Bayern und Preußen heißt (sinngemäß aus dem Gedächtnis zitiert): „Der Preuße spricht den ganzen Gedankengang mit, der Bayer gibt nur das Ergebnis bekannt.“ :chen

    ... aber sicherlich hatte er auch bairische Vorfahren. Mia san mia!

  • Ben


    Das habe ich damals sicherlich ironisch gemeint, denn ich wußte, daß Korsika erst relativ kurz vor Napoleons Geburt an Frankreich kam, zuvor war es italienisch. Ein paar Jahre verschoben, hätte er wohl nicht französischer Kaiser werden können. Wer weiß, wie die Geschichte dann verlaufen wäre...

    Unter den Büchern finden wir wieder, was uns in der Fremde entschwand, Frieden im Innern und Frieden mit unserer Umgebung.
    (Gustav Freytag, 1816 - 1895, aus "Die verlorene Handschrift")

  • Ah OK, dann hatte ich das Zitat falsch verstanden. Ich selber hatte das bisher gar nicht gewusst, dass Napoleon italienische Vorfahren hatte und dass sogar sein Vater mit den Genuesern gegen die Franzosen gekämpft hatte.

    Ja richtig, die Geschichte wäre dann vielleicht ganz anders verlaufen. Tolstoi würde zwar wahrscheinlich argumentieren, dass dann wohl ein ähnlicher Feldherr wie Napoleon gekommen wäre. Das mag sein, aber ich denke, dass es manchmal auch Scheidepunkte in der Geschichte gibt, von wo aus sie dann tatsächlich ganz anders verläuft.

  • Wenn Andrej an Natascha denkt, fällt mir auf, dass er gar nicht an seinen Sohn denkt. Oder ich habe es überlesen.

    Ich habe den Eindruck gewonnen, dass Andrej sich in Natascha verliebt hat, weil er wieder so fröhlich und glücklich wie ein Kind sein kann. Oder er zumindest diese Fröhlichkeit in ihr sehen kann. Und er fühlt sich möglicherweise wieder jung. Hmm... wenn er Zeit mit seinem Sohn verbracht hätte, hätte er dieses Gefühl doch auch haben können. So mein Gedanke.

    Ich weiß nicht, ob es richtig gewesen wäre, hätte er Natascha doch geheiratet.


    Die Überlegungen in Kapitel XXVIII, ob Napoleon alleine Schuld an der Schlacht hat, waren schon interessant zu lesen. Das Thema ist wirklich sehr komplex.


    Als ich die Kriegsszenen gelesen habe, die Pierre begleitet, und dann auch noch die Art, wie der Autor darüber schreibt, musste ich schon fast lachen. Krieg ist einfach nur absurd. Das ganze ist so absurd. Das hat der Autor gut darstellen können.


    Andrej wird von einer Granate erfasst. Kurz davor stellt er fest, dass er das Leben liebt. (Im Film hat das übrigens ganz anders auf mich gewirkt. Er sieht die Granate nur so an, als ob er dich ganze Zeit nur auf diesen Moment gewartet hätte, dass er sein Leben lassen kann. Das muss ich mir wohl nochmal anschauen.)

    Der Satz: "Irgend etwas war in diesem Leben, was ich nicht begriff und auch jetzt noch nicht begreife." (Kap.36, S. 1080) Da bin ich neugierig, ob er es herausfinden wird und was es denn ist. Ich selbst habe keine Idee, was es sein könnte.


    Und dann Kapitel XXXVII die Antwort? Ganz am Ende des Kapitels der letzte Absatz. Konnte er die Welt noch nicht verlassen, weil er Natascha und Anatol noch nicht verziehen hat? Bzw. hätte er ihnen schon längst verziehen, hätte er sein Glück im Leben schon längst gefunden?

    Auf jeden Fall hat mich die Stelle dann sehr berührt.


    Und dann der Satz in Kapitel XXXIX: "[...]und immer noch nahm das grauenvolle Geschehen seinen Fortgang, das nicht nach menschlichen Willen geschieht, sondern nach dem Willen dessen, der Menschen und Welt lenkt."

    Da habe ich mich gefragt, wer mit "der Menschen und Welt lenkt" gemeint ist: Napoleon oder eine höhere Macht. Nachdem ich eure Beträge gelesen habe, ist vermutlich eine höhere Macht gemeint.

    Aber das ist dann eingentlich genau das Gegenteil zum Thema am Anfang dieses Abschnittes, wer eigentlich Schuld an der Schlacht hat (nur Napoleon oder auch die, die Kämpfen, so hatte ich es aufgefasst).


    Das alles waren so meine Gedanken, während ich in diesem Abschnitt des Buches las.

    Sasaornifee :eiskristall



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    "Wer seid ihr und was wollt ihr?" - Die unendliche Geschichte - Michael Ende


  • Hmm... wenn er Zeit mit seinem Sohn verbracht hätte, hätte er dieses Gefühl doch auch haben können. So mein Gedanke.

    Es gab und gibt Zeiten und Kulturen, in denen Väter sich erst mit ihren Kindern beschäftigen, wenn sie ein bestimmtes Alter haben. Vorher waren die Mütter und ev. Kindermädchen und Lehrer zuständig.


    Da habe ich mich gefragt, wer mit "der Menschen und Welt lenkt" gemeint ist: Napoleon oder eine höhere Macht. Nachdem ich eure Beträge gelesen habe, ist vermutlich eine höhere Macht gemeint.

    Aber das ist dann eingentlich genau das Gegenteil zum Thema am Anfang dieses Abschnittes, wer eigentlich Schuld an der Schlacht hat (nur Napoleon oder auch die, die Kämpfen, so hatte ich es aufgefasst).

    Ja, das hört sich gegensätzlich an.

    Ich denke aber, es ist so gemeint, dass Tolstoi die Menschen als Werkzeug eines höheren (göttlichen) Planes sieht, auf dessen Erfüllung alles hinausläuft. Sicher stellt sich dann die Frage, wie weit ein Mensch ein Schuldiger ist oder einfach nur ein Verursacher. Aber aus dem Blickwinkel eines "normalen" Menschen sind meistens Menschen die Schuldigen an den Ereignissen.

    Überhaupt ist ja "Schuld" ein schwieriges Thema.