'Krieg und Frieden' - Band 2, Teil 2 - Kapitel 12 - 21

  • Nun ist also Frieden (von all zu langer Dauer wird der aber bestimmt nicht sein) und es kommt zu einem Treffen von Boris und Nikolaj.
    Es scheint aber, dass ihre Freundschaft den Krieg nicht überstanden hat.


    Boris macht Karriere, wirkt höflich und besonnen. Wobei ich teilweise auch das Gefühl hatte, das Boris auf Nikolaj herabsieht.
    Nikolaj stört mich immer mehr. Er ist jähzornig und seine Liebe zum Kaiser find ich einfach nur merkwürdig. Vielleicht wächst er da aber auch mit der Zeit wieder raus.

  • Ich bin in diesem Abschnitt noch nicht sehr weit. Gestern bin ich nur bis zu der Stelle gekommen, an der Pierre mit Andrej Marja besucht. :lesend


    gefällt dir das Buch bisher, Kassy? :wave

  • Zitat

    Original von Mia08
    gefällt dir das Buch bisher, Katniss? :wave


    Ich nehme mal an du meinst mich. :grin


    Mir gefällts überraschend gut. (Wobei ich diesen Abschnitt jetzt im Verhältnis etwas schwächer fand.)
    Ich bin mittlerweile allerdings auch schon beim Epilog.
    Hab mir halt zu jedem Abschnitt Notizen gemacht, weil ich hier nicht ganz alleine posten wollte und hole das dann entsprechend nach.


    Um so weiter ich lese, desto beeindruckender finde ich es. Allein die Zeit, die für die Recherchen drauf gegangen sein muss.
    Besonders gefällt mir auch die Entwicklung der einzelnen Figuren über einen so langen Zeitraum hinweg mitzuerleben.
    Es lohnt sich meiner Meinung nach auf jeden Fall durchzuhalten!


    Wie gefällts dir bisher, Mia?


    :-)

  • Oh :wow entschuldige bitte, Kassy, das muss passiert sein, weil ich mehrere Tabs offen hatte. Ich Schussel :knuddel1


    Das ist ja schön, dass es dir so gut gefällt.
    Mir gefällt es auch sehr gut, was mich ebenfalls sehr überrascht, da ich mich in den ersten beiden Abschnitten nicht so gut mit dem Buch anfreunden konnte.
    Und beeindruckend, ja das stimmt!
    Allein die einzelnen Begebenheiten aus dem Lagerleben, die vielen Personen, Briefe etc. :anbet
    Ich bin wirklich begeistert. Allerdings werde ich noch eine Weile mit dem Lesen brauchen, mir kommt immer wieder was dazwischen. Du scheinst ja recht schnell zu lesen :-)

  • so, den Abschnitt hab ich nun auch endlich geschafft und muss sagen, dass ich ihn gar nicht so schwach finde.


    Im ganzen Abschnitt, besonders aber bei Rostows Besuch im "Hospital" und auf den letzten Seiten ist deutlich Kritik am Krieg und den Zuständen herauszuhören.

  • Zitat

    Original von Mia08
    so, den Abschnitt hab ich nun auch endlich geschafft und muss sagen, dass ich ihn gar nicht so schwach finde.


    Ich finde ja, dass sich das Buch von Abschnitt zu Abschnitt steigert. Bin gespannt, wie es dir weiterhin gefällt!

  • Diesen Abschnitt fand ich auch wieder sehr gut! Leider ist das Buch wegen Zeitmangel ein echtes Langzeitprojekt, so lange hab ich glaub ich noch nie an einem Buch gelesen. :lache


    Nikolajs Entwicklung finde ich auch sehr negativ. Im zivilen Leben kommt er ja so gar nicht zu Recht (die Spielschulden im letzten Abschnitt) und er freut sich wieder die klaren Strukturen der Armee um sich zu haben, klar, da kann er das selbstständige Denken einstellen. :rolleyes
    Seine Verehrung für den Kaiser finde ich auch sehr seltsam.


    gespannt bin ich, wie es mit Denisow nach dem "Proviantraub" weitergeht. Er scheint ja ziemliche Angst zu haben, da er sich mehr oder weniger freiwillig ins Lazarett legt. Die Zustände da waren der Gesundheit bestimmt nicht zuträglich.

  • ja, ich glaube so lange hab ich auch noch nie für ein Buch gebraucht, Zwergin. Ich muss mich erst einmal dazu aufraffen, weiter zu lesen, nehme mir das jetzt mal fest vor.

  • Ich gehe einfach mal davon aus, dass das hierher gehört.


    Das ist schon verrückt. Zuerst bringen sich Franzosen und Russen zu Zehntausenden gegenseitig um und dann verbrüdern sie sich. Napoleon verleiht dem tapfersten Russen einen Orden. Was ist das für eine Show!


    Die geschilderten Zustände im Krieg, in den Lagern und Krankenhäusern sind zutiefst unmenschlich. Ich frage mich, wieviel die Soldaten ihren Angehörigen und Freunden zu Hause erzählen. Einem, der es selbst erlebt hat, braucht man nichts zu erzählen, die anderen können es sich sowieso nicht vorstellen. Außerdem würde es das Bild des edlen Soldaten, der für eine höhere Sache sein Leben riskiert, zerstören. Ich kann mir vorstellen, dass es als Untergrabung der Moral gesehen wurde, wenn jemand über die wahren Zustände berichtet hatte.


    Und dennoch hätten sich viele die Fortsetzung des Krieges gewünscht. Bei mir heißt es: "Die Offiziere, Rostows Kameraden, wie der größte Teil der Armee waren unzufrieden darüber, daß nach der Schlacht bei Friedland Friede geschlossen wurde, sie meinten, man hätte noch standhalten sollen, Napoleon wäre verloren gewesen, seine Truppen hätten weder Proviant noch Munition mehr."


    Nikolai hingegen stellt den Sinn des Krieges in Frage. "Dann dachte er wieder an diesen selbstzufriedenen Bonaparte mit seinen weißen Händchen, welcher jetzt Kaiser war, und vom Kaiser Alexander geliebt und verehrt wurde. Wozu nun die abgeschnittenen Arme und Beine und die Menge der getöteten Menschen? Dann fiel ihm ein, wie Basarew belohnt, Denissow aber bestraft wurde, und ertappte sich selbst auf so schrecklichen Gedanken, daß er davor erschrak."

    Was für Gedanken?


    Wie Nikolai den Zaren verehrt, ja vergöttert, finde ich schrecklich. Vermutlich wäre es anders gewesen, wenn es damals Popstars gegeben hätte.

  • Wie Nikolai den Zaren verehrt, ja vergöttert, finde ich schrecklich. Vermutlich wäre es anders gewesen, wenn es damals Popstars gegeben hätte.

    Also schrecklich fand ich das nicht, nur etwas übertrieben.


    Und ich denke, es ist heute eher noch stärker von offizieller Seite gewünscht, daß niemand so genau weiß, was in einem Krieg vor sich geht. Sonst dürften Journalisten ja frei berichten - dürfen sie aber nicht. Alles wird zensiert. Damals wie heute.


    Zuhause wird wohl niemand so genau wissen wollen, wie es an der Front wirklich zuging. Vor allem nicht jene Kreise, die munter Bälle feierten, während auf dem Feld gestorben wurde.


    Welche Gedanken Nikolai hatte, habe ich mich auch gefragt. Ob er die Autorität bzw. Urteilsfähigkeit des Kaisers infrage gestellt hat? Oder ob er beiden Kaisern Übles gewünscht hat?

    Unter den Büchern finden wir wieder, was uns in der Fremde entschwand, Frieden im Innern und Frieden mit unserer Umgebung.
    (Gustav Freytag, 1816 - 1895, aus "Die verlorene Handschrift")

  • Welche Gedanken Nikolai hatte, habe ich mich auch gefragt. Ob er die Autorität bzw. Urteilsfähigkeit des Kaisers infrage gestellt hat? Oder ob er beiden Kaisern Übles gewünscht hat?

    Ich glaube nicht einmal, dass er ihnen Übles gewünscht hat. Allerdings kann ich mir vorstellen, dass Zweifel am Kaiser für Nikolai so etwas Unerhörtes ist, dass er tatsächlich erschrickt, wenn er sie bei sich entdecken sollte.

  • Allerdings kann ich mir vorstellen, dass Zweifel am Kaiser für Nikolai so etwas Unerhörtes ist, dass er tatsächlich erschrickt, wenn er sie bei sich entdecken sollte.

    Stimmt, das macht Sinn.

    Unter den Büchern finden wir wieder, was uns in der Fremde entschwand, Frieden im Innern und Frieden mit unserer Umgebung.
    (Gustav Freytag, 1816 - 1895, aus "Die verlorene Handschrift")

  • In meiner Ausgabe, die ich bis vor kurzem gelesen habe, wurde das Gespräch zwischen Andrej und Pierre, also Kapitel 11 - 14, weggelassen. Weil aber in Band 3, Teil 1 dieses Gespräch noch einmal erwähnt wird, habe ich es nun gesucht und gefunden.

    Ich wundere mich, dass bisher niemand dieses Gespräch erwähnt hat, da es doch sehr wichtig für Andrej war. Plötzlich kam ihm ein Leben nach dem Tod nicht mehr ganz abwegig vor. Auf diese Weise kann er Lisas Tod besser verwinden. Es hat bei Andrej einen Neuanfang in seinem Seelenleben bewirkt. Sein Gefühl auf dem Schlachtfeld von Austerlitz, als er den Himmel gesehen hatte, ist wieder da.



  • Das ist schon verrückt. Zuerst bringen sich Franzosen und Russen zu Zehntausenden gegenseitig um und dann verbrüdern sie sich. Napoleon verleiht dem tapfersten Russen einen Orden. Was ist das für eine Show!


    Die geschilderten Zustände im Krieg, in den Lagern und Krankenhäusern sind zutiefst unmenschlich.


    Wie Nikolai den Zaren verehrt, ja vergöttert, finde ich schrecklich. Vermutlich wäre es anders gewesen, wenn es damals Popstars gegeben hätte.


    :write


    Ich fand Nikolais "Liebe" zum Kaiser auch übertrieben. Dein Vergleich mit einem Popstar scheint mir eine passende Erklärung. Vielleicht muss man es so ähnlich sehen.


    Über die Zustände in den Lagern und Spitälern sagen die folgenden zwei Sätze alles:


    "Die Verluste des Pawlowgradschen Regiments hatten in den Gefechten, ..., nur zwei Verwundete betragen, aber infolge von Hunger und Krankheiten hatte es fasst die Hälfte seiner Mannschaft eingebüßt. Wer ins Spital eingeliefert wurde, dem war der Tod sicher, ..." (Bergengruen, dtv 19932, S.522.)



    Zuhause wird wohl niemand so genau wissen wollen, wie es an der Front wirklich zuging. Vor allem nicht jene Kreise, die munter Bälle feierten, während auf dem Feld gestorben wurde.


    Welche Gedanken Nikolai hatte, habe ich mich auch gefragt. Ob er die Autorität bzw. Urteilsfähigkeit des Kaisers infrage gestellt hat? Oder ob er beiden Kaisern Übles gewünscht hat?


    Ich denke, viele waren auch gar nicht in der Lage, über das Erlebte zu sprechen. Der Kontrast zwischen Kriegsschauplatz und dem "normalen" Leben war zu groß. Zudem würde dies das Bild vom Heldentum zerstören! ;)



  • Nikolai hingegen stellt den Sinn des Krieges in Frage. "Dann dachte er wieder an diesen selbstzufriedenen Bonaparte mit seinen weißen Händchen, welcher jetzt Kaiser war, und vom Kaiser Alexander geliebt und verehrt wurde. Wozu nun die abgeschnittenen Arme und Beine und die Menge der getöteten Menschen? Dann fiel ihm ein, wie Basarew belohnt, Denissow aber bestraft wurde, und ertappte sich selbst auf so schrecklichen Gedanken, daß er davor erschrak."

    Was für Gedanken?

    Ich glaube nicht einmal, dass er ihnen Übles gewünscht hat. Allerdings kann ich mir vorstellen, dass Zweifel am Kaiser für Nikolai so etwas Unerhörtes ist, dass er tatsächlich erschrickt, wenn er sie bei sich entdecken sollte.

    Ich glaube, Du denkst hier zu kompliziert, made. Im Prinzip hast Du meiner Meinung nach die Antwort schon vor Deiner Frage selbst gegeben.


    "Nikolai hingegen stellt den Sinn des Krieges in Frage." "Wozu nun die abgeschnittenen Arme und Beine und die Menge der getöteten Menschen?"


    Das muss ihn als Soldaten erschrecken. Wofür das alles? Wieso setzt er sein eigenes Leben aufs Spiel?

    "In seiner Seele hatten sich quälende Zweifel herhoben." (Bergengruen, dtv 19932, S.548.)

  • Wenn Tolstoi schreibt:

    Zitat

    ertappte sich selbst auf so schrecklichen Gedanken, daß er davor erschrak."

    dann hört sich das für mich nach sehr konkreten Gedanken an, während das Wort "Zweifel" eher vage ist.


    Wobei natürlich die Folgen des Krieges so furchtbar sind, dass man wirklich erschrecken kann, wenn man erkennt, dass das alles sinnlos ist. Und deshalb schreit Rostow diese Zweifel am Ende des Abschnitts nieder.

  • Rostows Zarenliebe ist übertrieben, aber auch notwendig oder hilfreich, um sich auf dem Schlachtfeld emotional zu pushen. Er kämpft dadurch für höhere Ziele und erniedrigt sich und sein Leben selbst. Sein potentieller Tod ist unwichtig, wenn dadurch dem großen Ganzen gedient werden kann.

  • Die Verhältnisse waren für die einfachen Soldaten wohl auch in Friedenszeiten kaum besser. Sie wurden ja aus dem einfachen Volk rekrutiert und waren dort wohl auch nur Bauern, Diener oder Leibeigene - Kanonenfutter halt.

    Der Adel stellte die Offiziere und die haben sich doch meist geschickt durchlavieren können - oder waren heißblütig und blind wie Rostow oder ruhmsüchtig und überheblich wie Andrej.

  • Nikolai hingegen stellt den Sinn des Krieges in Frage. "Dann dachte er wieder an diesen selbstzufriedenen Bonaparte mit seinen weißen Händchen, welcher jetzt Kaiser war, und vom Kaiser Alexander geliebt und verehrt wurde. Wozu nun die abgeschnittenen Arme und Beine und die Menge der getöteten Menschen? Dann fiel ihm ein, wie Basarew belohnt, Denissow aber bestraft wurde, und ertappte sich selbst auf so schrecklichen Gedanken, daß er davor erschrak."

    Was für Gedanken?

    Rostow zerstört sich mit diesen Gedanken seine eigene Motivation, die er auf dem Schlachtfeld dringend braucht. Er schreit das ja auch später in der Kneipe den anderen beiden Offizieren zu. Der Soldat führt aus und denkt nicht.


    Ähnliches sagte doch auch Dolochow vor dem Duell. Wer rührselig wird, kann nicht erfolgreich kämpfen.