Gibt es Regeln für Übersetzungen?

  • Hallo zusammen,


    ich habe vor kurzem das Buch "Falsetto" (englisch: "Cry to heaven") gelesen, weil mir das ein Arbeitskollege (Tonio) so ans Herz gelegt hat. Ich fand das Buch super klasse. Tonio hat das Buch auch schon mehrmals gelesen, allerdings auf Englisch und liest es jetzt auf Deutsch. Dabei hat er festgestellt, dass in der deutschen Übersetzung einmal direkt mehrere Seiten hintereinander fehlen... Kann denn das? Ich dachte bisher immer, dass Übersetzungen sich dicht ans Original halten müssen. Wie kann es denn dann sein, das komplett mehrere Seiten und Absätze fehlen??? :wow


    Wieviel Freiheiten hat denn überhaupt so ein Übersetzer bei der Übersetzung des Buches? Was kann er anders machen, was nicht?


    Gibt es da überhaupt sowas wie Regeln?

    "Nicht wer Zeit hat, liest Bücher, sondern wer Lust hat, Bücher zu lesen, der liest, ob er viel Zeit hat oder wenig."

    - Ernst Reinhold Hauschka

    Zitat

  • Also in Englisch kriegen wir schon Punktabzug, wenn wir nur Wörter vergessen: Ich übersetzte z.B. "analysing the results of the election" einfach mit "Hochrechnungen" und das war falsch. Daher denke ich, dass das eigentlich nicht sein kann- es geht ja sozusagen auch schriftstellerischer Wert verloren.

  • Genau das hab ich ja auch gedacht. Deshalb konnte ich mir das gar nicht erklären. Aber es stimmt tatsächlich. Wir hatten beide Bücher nebeneinander liegen. In der deutschen Übersetzung fehlen hinter einem Kapitel bestimmt 4 oder 5 komplette Seiten... :wow


    @ MaryRead:
    Du hast doch schon mal ein Buch übersetzt. Was gab es denn da für Auflagen? Wo hast du z.B. diverse Freiheiten? Gibt es da überhaupt 'Regeln' an die man sich halten muss?

    "Nicht wer Zeit hat, liest Bücher, sondern wer Lust hat, Bücher zu lesen, der liest, ob er viel Zeit hat oder wenig."

    - Ernst Reinhold Hauschka

    Zitat

  • Es kommt vor, daß der deutsche Lizenznehmer eine Kürzung des Manuskripts vornehmen lassen will. Dann erhält der Übersetzer oder ein Außenlektor, der danach die Übersetzung bearbeitet, den entsprechenden Auftrag. Das muß allerdings vorher vertraglich mit dem Lizenzgeber vereinbart sein.
    Ansonsten muß ein Übersetzer den Text nach bestem Wissen und Gewissen von der Originalsprache in die Zielsprache übertragen -- andernfalls verstößt er gegen das Urheberrechtsgesetz.


    Okay, wo gearbeitet wird, passieren Fehler (und die werden dann gelegentlich dem eigentlichen Autor angelastet), aber grundsätzlich sind Übersetzer bemüht, sehr gute Arbeit zu leisten. Und das obwohl sie unter erheblichem Zeitdruck arbeiten, da sie zumeist unterbezahlt sind.

  • Mein Thema! *freu* :-)


    Ich habe allerdings nur begrenzte Erfahrung mit Buchübersetzungen - genauer gesagt habe ich ein einziges Buch übersetzt, und da war das Prozedere sehr unüblich, weil die Übersetzung zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses mit dem Verlag nämlich schon fertig war. Vorgaben habe ich insofern keine gehabt, ausser eben, wie Iris schon sagt, das Buch nach bestem Wissen und Gewissen ins Deutsche zu übertragen. Ich konnte also machen, was ich wollte - bzw. das, was mein Berufsethos in Sachen Urheberrecht und mein Anspruch an mich selbst von mir verlangten. Das Buch sollte in der "Zielsprache" (Deutsch) somit denselben Zweck erfüllen wie in der Ausgangssprache (Englisch).


    Denn der ist wichtig: der Zweck der Übersetzung. Für das Buch allgemein (soll "David Copperfield" als Kinderbuch übersetzt werden?) ebenso wie auf Textebene. Dazu habe ich mich in der Leserunde zu Sarah Dreher schon mal ausgelassen, als es um ein "selleriegrünes Kunstledersofa" ging, auf dem die Heldin sich niederliess, während sie auf ein Gespräch mit ihrem Chef wartete:


    ... beim Übersetzen geht es eigentlich nicht um "Freiheiten" bzw. um die Entscheidung zwischen einer "wörtlichen" und einer "freien" Übersetzung. Es kommt darauf an, welchem Zweck die Übersetzung dient und ob der erfüllt wird. Bei den meisten Übersetzungen ist es so, dass der so genannte "Zieltext" den gleichen Zweck erfüllen soll wie der Ausgangstext. Das heisst im Falle von "celery green Naugahyde sofa": der Leser soll sich ein typisches miefiges Vorzimmer jener Zeit vorstellen können. Statt des selleriegrünen Kunstledersofas hätte ich also auch einen "klapprigen Nierentisch" oder sowas in der Art nehmen können. Allerdings erfüllte das Sofa in diesem Fall noch einen zweiten Zweck, nämlich den eines Sitzplatzes für Shelby, und da ist die Sofavariante - zumal problemlos möglich - doch angebrachter. Aber "ein selleriegrünes Naugahyde-Sofa" hätte beim typischen Leser wohl Ratlosigkeit oder zumindest ein Stutzen hervorgerufen - nicht einfach das gewünschte Bild des miefigen Büros.


    Auch zum Thema "Wie übersetze ich Wortspiele?" habe ich da schon mal was geschrieben:


    Manchmal kann man auch ein so genanntes "versetztes Äquivalent" finden, d.h. wenn einem an einer Stelle kein passendes Wortspiel einfällt, dafür aber an einer anderen, ähnlichen, wo im Original gar keins ist, dann bleibt beim Leser/Zuschauer trotzdem der Gesamteindruck "da hat's so schöne Wortspiele drin", und der Zweck ist erreicht.


    Im Zweifel ist es sicher klüger, ein Wortspiel nicht um jeden Preis erhalten zu wollen - das muss schon gut sein, damit es klappt. Wichtigstes Kriterium für mich ist immer, nicht nur bei Wortspielen: "Bleibt der Leser hängen und wundert sich - bewusst oder unbewusst - über die Formulierung?" Wenn ja, lieber eine neutralere ("unmarkierte") Variante wählen, über die der Leser hinwegliest.


    Was die fehlenden Seiten in deinem Buch betrifft, Morgana - das ist natürlich schwer zu sagen, ohne das Buch zu kennen. Vielleicht ist es einfach ein Fehler. Wenn gleich mehrere Seiten fehlen, scheint mir das die wahrscheinlichste Antwort... Vielleicht handelt es sich auch um eine kritische Stelle (die z.B. den Jugendschutz auf den Plan gerufen hätte), die mit Absicht weggelassen wurde. Vielleicht hat - wie Iris sagt - der Verlag die Kürzung aus anderen Gründen gefordert.


    Ich hatte bei "Solitaire und Brahms" auch zwei oder drei Stellen, wo ich ernsthaft überlegt habe, den Text aus rein übersetzerischen Überlegungen heraus stark zu kürzen. Die eine Stelle war ungefähr eine Seite lang, die anderen jeweils nur ein oder zwei Absätze. Und zwar wurden dort anhand der Spielzüge in einem Bridge-Spiel, das die Heldinnen spielten, des Langen und des Breiten die Beziehungen zwischen den Heldinnen aufgedröselt. Sehr aufschlussreich, wenn man Bridge kann und weiss, was mit "eine Finesse auf die Dame" und "Kleinschlemm" gemeint ist - aber sehr verwirrend, wenn, wie in Deutschland, eigentlich kein Mensch die "Bridge-Sprache" versteht. Mithilfe eines sehr netten Menschen vom deutschen Bridge-Verband hatte ich schliesslich zumindest eine "richtige" Übersetzung auf dem Papier stehen, und so habe ich mich dafür entschieden, den Text drinzulassen. Aber er bringt eigentlich nichts. Die Leserunde hat mir bestätigt, dass es genauso richtig gewesen wäre, diese Stellen einfach zu kappen. (Höchstens vielleicht die entsprechenden Hinweise dann an anderer Stelle einzufügen, wo es sich gerade anbietet - ohne die verwirrende Terminologie.)


    hinterwäldlerin
    "analysing the results of the election" sind vermutlich keine Hochrechnungen (es sei denn, der Kontext gibt es eindeutig her), sondern Wahlanalysen (wer hat wie warum gewählt, wer hat jetzt anders gewählt als vor vier Jahren etc.). Da geht es also nicht darum, dass du zu Unrecht etwas weggelassen hast, sondern dass die Übersetzung (vermutlich) falsch war.
    Ich sage "vermutlich", weil es praktisch unmöglich ist, die Übersetzung einzelner Ausdrücke zu beurteilen. Siehe oben "Nierentisch" für "sofa" steht bestimmt nicht so im Wörterbuch, wäre aber möglicherweise durchaus eine richtige (weil zweckerfüllende) Übersetzung gewesen.

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  • Die Lehrerin hat dann noch gesagt ich hätte "Hochrechnungen der Ergebnisse der Wahl" sagen müssen...:rolleyes
    Edit: Ich meine, was macht man denn nach einer Wahl (Kontext!) sonst für Hochrechnungen? Die Verkaufsrate von alabamanischem Ziegenkäse? :lache

  • Weißt du, hinterwäldlerin, dann kann deine Lehrerin aber kein Englisch.
    'Analyse' ist auf keinen Fall bloß 'Hochrechnung'. Sondern wirklich Analyse der verschiedenen Faktoren.
    À propos Ziegenkäse, du machst mir Appetit. Muß mal in den Kühlschrank gucken ;-)
    magali

    Ich und meine Öffentlichkeit verstehen uns sehr gut: sie hört nicht, was ich sage und ich sage nicht, was sie hören will.
    K. Kraus

  • Zitat

    Original von magali
    Weißt du, hinterwäldlerin, dann kann deine Lehrerin aber kein Englisch.


    und kein Deutsch! "Hochrechnung DER Ergebnisse DER Wahl" - klingt ja wie eine direkte Übersetzung aus dem Französischen *grusel*

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  • Stimmt!
    Hast du zufällig Ziegenkäse? Ich glaub, meiner ist alle.
    *magali im Kühlschrank kramt und zwischendurch an den PC rennt*

    Ich und meine Öffentlichkeit verstehen uns sehr gut: sie hört nicht, was ich sage und ich sage nicht, was sie hören will.
    K. Kraus

  • @ MaryRead: Danke, für die ausführliche Erklärung. Um eine kritische Stelle handelt es sich in meinem Buch eigentlich nicht, deshalb war ich ja so erstaunt, dass sie weggefallen ist. Außerdem war es genau die Stelle, die zum Titel des Originals ("Cry to heaven") geführt hat. Und das ausgerechnet die wegfällt, fand ich schon komisch... :gruebel


    Erklären können wir es uns eigentlich nur damit, dass die Seiten inhaltlich eigentlich eine Wiederholung von Szenen sind, die vorher und auch nachher noch kommen. Ich persönlich hab das englische Original ja nicht gelesen, aber so sagt Tonio...


    EDIT:
    Im Grunde finde ich es eigentlich nicht so gut, wenn sich bei Übersetzungen nicht genau die Vorlage gehalten wird. So ist das doch dann eigentlich eher ein anderes Buch. Der Autor hat sich bei seinem Buch, den Absätzen und den einzelnen Teilen ja was gedacht und wenn das dann geändert wird, ist es doch eigentlich nicht mehr das, was es mal war.. Was meint Ihr dazu?

    "Nicht wer Zeit hat, liest Bücher, sondern wer Lust hat, Bücher zu lesen, der liest, ob er viel Zeit hat oder wenig."

    - Ernst Reinhold Hauschka

    Zitat

  • Zitat

    Original von Morgana
    Im Grunde finde ich es eigentlich nicht so gut, wenn sich bei Übersetzungen nicht genau die Vorlage gehalten wird. So ist das doch dann eigentlich eher ein anderes Buch. Der Autor hat sich bei seinem Buch, den Absätzen und den einzelnen Teilen ja was gedacht und wenn das dann geändert wird, ist es doch eigentlich nicht mehr das, was es mal war.. Was meint Ihr dazu?


    Kommt drauf an, was es für ein Buch ist.


    Nehmen wir zum Beispiel..... einen Ratgeber. "Wieder single - was tun?" Der (amerikanische) Autor lässt sich darin ausführlich über die psychischen Folgen einer Trennung, die "Trauer"arbeit, die potenziellen Möglichkeiten der neuen Partnersuche aus. Soweit kein Problem für den Übersetzer. Ein Kapitel beschäftigt sich aber besonders mit der amerikanischen Rechtslage. "Welche finanziellen Rechte/Pflichten habe ich gegenüber meinem Ex-Partner? Was muss ich beachten, wenn ich mich neu verheirate?" Das Kapitel ist in einer deutschen Ausgabe wertlos, weil die US-Gesetze bei uns nicht gelten. Dann kann man das entweder weglassen und das Buch als reinen Psycho-Ratgeber verkaufen, oder man kann die deutsche Rechtslage dazurecherchieren und ein eigenes Kapitel schreiben. Eine völlig legitime "Übersetzung", die den gleichen Zweck erfüllt wie das Original: den Betroffenen Hilfe in verschiedenen Lebensbereichen geben, psychisch wie juristisch.


    Nehmen wir zum Beispiel... "Solitaire und Brahms" und die beschriebenen Bridge-Szenen. Von der Autorin gewünschter Effekt beim US-Leser: "Ja, Bridge, kenne ich, die Fachausdrücke sagen mir was. Aha - benutzt die Autorin etwa das Bridge-Spiel, um die Figuren zu charakterisieren? Interessant... also die eine kann gut verlieren, die andere mogelt gerne mal.... da bin ich ja gespannt, ob sich das im weiteren Verlauf der Handlung bewahrheitet."
    Nehmen wir an, die Übersetzerin behält die Bridge-Szenen in der gleichen Weise bei. Schliesslich gibt es durchaus deutsche Bridge-Fachausdrücke. Effekt beim durchschnittlichen deutschen Leser: "Ach je, ich verstehe doch nichts von Bridge - was soll denn das heissen, "Kleinschlemm"? So ein langweiliger Absatz. Hoffentlich geht das Buch nicht so weiter. *blätter*"
    Und schon sind wir bei dem, was du oben anprangerst, Morgana - das Buch ist nicht mehr das, "was es mal war". Denn es "ist" ja eigentlich gar nichts - es wird das, was der Leser beim Verstehen draus macht.


    "Die Bedeutung des Wortes ist sein Gebrauch", hab ich an der Uni gelernt. Wisst ihr, wer das gesagt hat? Wittgenstein... ( :wave an die Lycidas-Leser ;-) )


    Grundsätzlich stimme ich dir zu, dass beim Übersetzen eines Romans die Struktur des Textes wohl meistens erhalten bleiben muss. Absätze, Teile etc. Aber auf Satzebene muss man alle Augenblicke solche Entscheidungen treffen - "was steht eigentlich wirklich im Original? was macht das da?". Wenn man da immer "das übersetzen würde, was da steht", also möglichst wörtlich, dann käme ein unlesbarer Text heraus, und das wäre dann ganz sicher nicht mehr im Sinne des Autors.

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  • Hm, leuchtet ein, Mary Read's Beispiel mit dem Bridge-Spiel... aber der Text, der mich (und Morgana) auf die Frage gestoßen hat, war nicht derart... Da hätten eher manche Passagen über die Musik gekürzt werden können, die von Fachbegriffen wimmeln.


    Es ärgert mich einfach, wenn "willkürlich" das Original gekürzt oder geändert wird. Lieber lese ich Fußnoten, die solche Feinheiten wie bei dem von Mary Read beschriebenen Bridge-Spiel erläutern, als dass ich weiß, daß der Text nicht dem Original entspricht. Aber das ist wahrscheinlich Geschmackssache...


    Besonders ärgerlich fand ich gerade diese Kürzung, weil dort im Original der Bezug zum Buchtitel hergestellt wird. Aber das fällt jemandem, der nur die Übersetzung kennt, nicht auf, da der deutsche Titel ganz anders lautet.


    Na ja, wenn ich "Falsetto" gelesen habe, werde ich einfach noch mal "Cry to Heaven" lesen, und es stimmt wieder...

    ToniO



    Betrachte nicht den Krug, sondern dessen Inhalt.
    Rabbi Me'ir


    Coincidence is God's way of remaining anonymous.
    Albert Einstein

  • Zitat

    Original von tonio_treschi
    Lieber lese ich Fußnoten, die solche Feinheiten wie bei dem von Mary Read beschriebenen Bridge-Spiel erläutern, als dass ich weiß, daß der Text nicht dem Original entspricht. Aber das ist wahrscheinlich Geschmackssache...


    Kommt wiederum drauf an - bei einem "einfachen Roman" sind Fussnoten nicht das Wahre. Diese "A.d.Ü."s ("Anmerkungen des Übersetzers/der Übersetzerin") wirken schnell mal übermässig gelehrt, so nach dem Motto "Herr Lehrer, ich weiss was". Wer einen "einfachen Roman" lesen will, fühlt sich durch Fussnoten eher abgeschreckt (vor allem, wenn sie häufig vorkommen).


    In einem Anne-Holt-Roman stand mal eine A.d.Ü. vorne drin, dass sich die Personen in dem Buch duzen, weil das auf Norwegisch so üblich sei. Das war für mich die Grenze des Zulässigen. Eine einfachere Methode wäre gewesen, bei der ersten Duzerei (die dem deutschen Leser aufgefallen wäre oder auch nicht) einen Satz einzufügen wie "Sie nannte ihren Chef wie in Norwegen üblich beim Vornamen" oder "dass sie ihren Chef duzte, war nichts Besonderes - das taten in norwegischen Behörden alle". Irgendwas, worüber der Leser hinwegliest - neutral, "unmarkiert".


    Denn das Wichtige ist dabei:

    Zitat

    als dass ich weiß, daß der Text nicht dem Original entspricht.


    Du weisst es ja normalerweise nicht. Dass ihr zwei jetzt eure Bücher englisch und deutsch nebeneinander legt, ist die grosse Ausnahme. Der typische Romanleser liest entweder das Original oder die Übersetzung, und zwar zur Unterhaltung. Nicht, um auseinanderzuklamüsern, wie gut die Übersetzung ist. Der Zweck der Übersetzung ist es gerade nicht, den Leser mit der Nase drauf zu stossen, dass der Übersetzer sich an einer bestimmten Stelle Gedanken gemacht hat.


    Bei eurem "Cry to heaven" glaube ich allmählich, dass da einfach beim Übersetzen oder beim Setzen etwas schiefgegangen ist...

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  • Ich hab ein Stück von dem griechischen Komödiendichter Aristophanes :anbet - Die Wolken, da hab ich mich bei den Anmerkungen des Übersetzers ständig am Boden gerollt. An einer Stelle schreibt er:


    "Dieser ganze Passus bringt jeden Übersetzer zur Verzweiflung, weil es sch um ein Spiel mit griechischen Wortformen handelt, von dem nichts übrigbleibt, wenn man deutsche Wörter dafür setzt, und überdies um Probleme, deren grammatisch-sprachgeschichtliche Voraussetzungen falsch sind."


    :lache


    Der Mann tat mir manchmal richtig leid, wenn er darum gerungen hat, die Wortspiele verständlich zu machen...


    lg Iris

  • *grins*
    sehr sympathisch, dein Übersetzer :-)


    dazu kenne ich zwei Dolmetscher-Anekdoten - ich weiss nicht, ob sie stimmen


    die erste:
    Dolmetscher in seiner Kabine hat einen Blackout, verliert den Faden. Was tun? Dolmetscher stürzt aus der Kabine, ruft in den Sitzungssaal: "Moment, noch mal auf Anfang, die Dolmetscher haben keinen Ton!"


    die zweite:
    Redner erzählt einen Witz, Dolmetscher versteht ihn nicht. Dolmetscher "dolmetscht": "Der Redner hat gerade einen Witz gemacht. Bitte lachen." Saal lacht. Witz erfolgreich "gedolmetscht". ;-)



    Eine tolle Wortspiel-Übersetzung (aus dem hervorragenden, lehrreichen, unterhaltsamen Buch "Zielsprache" von Fritz Güttinger, das es leider nicht mehr gibt):
    "Svartjukkan er en svart jukkan" (wörtlich: "Eifersucht [= schwarze Krankheit] ist eine schwarze Krankheit" - eventuelle Fehler im Schwedischen bitte übersehen, ich kann kein Schwedisch)
    zu Deutsch: "Eifersucht ist eine Leidenschaft, die mit Eifer sucht, was Leiden schafft")

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  • Zitat

    Original von MaryRead
    Der typische Romanleser liest entweder das Original oder die Übersetzung, und zwar zur Unterhaltung. Nicht, um auseinanderzuklamüsern, wie gut die Übersetzung ist. Der Zweck der Übersetzung ist es gerade nicht, den Leser mit der Nase drauf zu stossen, dass der Übersetzer sich an einer bestimmten Stelle Gedanken gemacht hat.


    Na ja, sollte 'Zweck der Übersetzung' nicht sein, dass Buch zu übersetzen? Wenn da ganze Passagen fehlen oder geändert werden, ist es ja nun nicht mehr das Buch, welches es ursprünglich war. Tonio hat heute Mittag in der Pause was sehr richtiges gesagt: Wenn ich mich entschließe eine deutsche Übersetzung zu lesen, dann doch meist aus dem Grund, dass ich sprachlich nicht in der Lage bin das anders sprachige Original zu lesen. Und dann will ich doch wirklich eine Übersetzung lesen und nicht eine abgeänderte Fassung der Geschichte... Bei manchen Ausnahmen, z.B. wie Du das mit dem Ratgeber und den amerikanischen Rechten etc. erklärt hast oder mit der Erklärung zum Duzen in Norwegen, finde ich das ja in Ordnung, aber bei Romanen?


    Aber um was es mir eigentlich ging war, ob es generell Regeln für Übersetzungen gibt und das hat mir Iris Beitrag eigentlich sehr gut erklärt. Was mich hier nur noch interessieren würde ist, ob der 'deutsche Lizenznehmer' irgendwo darauf hinweisen muss, wenn das Buch an manchen Stellen gekürzt ist. Ist das so?

    "Nicht wer Zeit hat, liest Bücher, sondern wer Lust hat, Bücher zu lesen, der liest, ob er viel Zeit hat oder wenig."

    - Ernst Reinhold Hauschka

    Zitat