beziehungsweise liebe - Tania Witte

  • Witziger, spritziger und sehr unterhaltsamer Roman


    Klappentext:


    Eigentlich wäre nichts dabei, dass sich die ebenso erfolgreiche wie egozentrische Geschäftsfrau Johanna in die pin-up-taugliche Tekgül verliebt hätte Tekgül nicht eine Beziehung mit Marte, die fest entschlossen ist, ein Kind zu bekommen. Doch die drei sind in ihrem Freundeskreis nicht die Einzigen, bei denen das komplizierte Beziehungskarussell zu stolpern beginnt. Die Kinderfrage, sexuelle Obsessionen, der Umgang mit einem Übermaß an Glück und die Verweigerung der Volksweisheit, dass es zu jedem Topf einen passenden Deckel gibt, wirbeln die ebenso bunten wie liebenswerten Protagonistinnen in diesem temporeichen Roman durch den queeren Berliner Sommer. In ihrem Debütroman beziehungsweise liebe paart die Berliner Autorin Tania Witte ihre auffallend genaue Beobachtungsgabe mit geistreichem Witz und eindrucksvoller Lebendigkeit. So entsteht eine außergewöhnliche Geschichte, deren Tiefgang mit humorvoller Leichtigkeit zu lesen ist und die nachhaltig Wirkung zeigt.



    Zur Autorin:


    Tanja Witte lebt und schreibt seit 2004 vin Berlin. Sie ist Schriftstellerin, Journalistin und Spoken-Word-Performerin.



    Ihr Romandebüt "beziehungsweise liebe" ist ein Episodenroman, in dem das Leben verschiedener Frauen und eines Mannes der queeren Szene Berlins in kurzen wechselnden Episoden mit all seinen Verwicklungen und Verflechtungen aufgerollt und das komplizierte Gleichgewicht der Beziehungen durch einige Ereignisse völlig auf den Kopf gestellt wird. Ähnlich einer TV-Serie werden die kurzen Episoden in spannenden Momenten unterbrochen und man springt in eine andere Episode hinein, ohne dass ein neues kapitel beginnt. Es entsteht eine permanent anhaltende Spannung, die Wechsel sind schnell, der Roman hat Tempo! Und wie schon im Klappentext beschrieben wurde, schreibt Tania Witte wirklich leicht und witzig. Sie gestaltet ihre Protagonistinnen sehr liebevoll, lebendig und mit einer guten Prise Humor, so dass sie mir immer sympatischer wurden, je weiter ich in den Roman eintauchte. Wer sich in der queren Szene nicht auskennt, wird hier eine Menge gut beobachtete Momente miterleben und feststellen, dass sie/er sich nach einiger Zeit mit den verschiedenen Protagonisten schon ganz vertraut fühlt. Es gibt auch weniger charmante Personen und heftige Konflikte, kurzum: ein turbulentes Lesevergnügen voller überraschender Wendungen.


    Ich fühlte mich hier und da an die Stadtgeschichten von Armistead Maupint erinnert,
    Der gesamte Roman ist im Präsens geschrieben, was ja durchaus zu einem Episodenroman passt, doch mir fiel es anfangs manchmal schwer, mich daran zu gewöhnen. Viele der häufig vorkommenden Verben klingen im Deutschen im Präteritum einfach angenehmer, der Fluss der Sprache ist weicher, doch nach einer Weile hatte ich mich an die Gegenwartsform gewöhnt und konnte mich mit unvermindertem Vergnügen ins Geschehen hineinfallen lassen.


    Fazit: Ein wunderbarer Unterhaltungsroman nicht nur für Menschen, die selbst in der queren Szene leben, sondern ebenso für viele andere, die etwas bürgerlicher sind, aber dennoch witzige, rasante und trotzdem auch tiefgründige Unterhaltung mögen und Einblicke in eine Welt nicht scheuen, die ihnen sonst vielleicht nicht so zugänglich sein mag.


    Ich vergebe 9 Punkte.

  • Unterhaltungsliteratur zu schreiben, ist in Deutschland ja leider immer noch so ein bisschen verpönt. Dabei ist es sehr, sehr schwer, wirklich gute (!) Unterhaltung zu machen. Und diese Trilogie IST gute Unterhaltung.


    Sie ist sprachlich wunderschön gemacht, die Figuren wachsen einem regelrecht ans Herz (ich vermisse sie schon!), die Spannungsbögen sind straff - man freut sich andauernd aufs Weiterlesen.


    Da auf den Covern die Reihenfolge nicht ersichtlich ist, hier die optimale Lesereihenfolge:


    1) beziehungsweise liebe
    2) leben nebenbei
    3) bestenfalls alles


    Ich selbst habe allerdings zufällig mit dem zweiten Buch angefangen, dann das dritte und danach das erste gelesen. Und was völlig chaotisch klingt, war eine höchst interessante Erfahrung: Die Bücher lassen sich super auch durcheinander lesen! „grin“-Emoticon


    Spannender ist es jedoch definitiv, mit dem ersten zu beginnen und sich auf die Geschichten und Charaktere der Figuren einzulassen, vor allem aber auf ihre Geheimnisse, die nach und nach entfaltet werden.


    Figurenarbeit ist übrigens die große Stärke der Autorin. Sie schafft es, mit liebevoller Hand plastische Charaktere zu schaffen, die uns aus den Seiten herauswinken – und sie macht mit jeder einzelnen eine echte (und manchmal höchst überraschende!) Entwicklung durch.


    Warum geht’s eigentlich?


    In „beziehungsweise liebe“, „leben nebenbei“ und „bestenfalls alles“ wird ein herrlich queerer Kosmos an Beziehungsgeschichten entworfen.
    Man verfolgt – wie in einer süchtig machenden Soap – verschiedenste Lebensgeschichten, die alle lose oder fester miteinander verschränkt sind, und die natürlich immer an besonders spannenden Stellen abbrechen, während dann eine der anderen Geschichten weitergeführt wird. Die Autorin erzeugt damit einen Lesesog, dem man schwer entkommt. (Und es auch gar nicht möchte.)


    Die Stimmungen, die wir Leser/-innen in der Trilogie durchlaufen, sind vielfältig: von brüllend komisch, über mystisch-geheimnisvoll, bis kriminalistisch-detektivisch und zum Schluchzen – alles ist dabei. Und alles passt.
    Der dritte Teil ist merklich ernster als die ersten beiden, trotzdem – und das ist eine Stärke! – ist er nicht weniger unterhaltsam als die ersten beiden. Er schenkt uns einfach noch ein weiteres Gefühl, traut sich, emotionaler werden.


    Und das Tolle: Die Autorin hat nicht nur interessante Themen, sie kann v.a. schreiben! Oh ja. Immer werden da mit leichter Hand kleine sprachliche Perlen ausgeworfen. So kommen auch sprachaffine Leser und Leserinnen auf ihre Kosten!


    Tania Wittes unterhaltsame Trilogie ist ein Lesevergnügen in der Manier der Maupin'schen Stadtgeschichten. Gefühlvoll, witzig, farbig – und manchmal sogar richtig herzzerreißend.


    Tania Witte hat hier etwas ganz Wunderbares geschaffen: eine große, kleine Serie, der ich viele Leser/-innen wünsche!

  • Meine Meinung:


    Beim Lesen bin ich immer auf der Suche nach starken Protagonisten und in diesem Buch wurde ich damit reichlich beschenkt. Der Autorin ist es auf hervorragende Weise gelungen, plastische und interessante Charaktere zu entwerfen, deren Lebensweg man unbedingt folgen möchte, egal ob man sie mag oder nicht. Auch das ist eine Kunst, Interesse am Leben zu halten bei Figuren, die unsympathisch sind. Gleichzeitig macht diese bunte Mischung das Buch zu einem lebendigen Stück Leben, das garantiert fernab von Klischees und Schönfärberei Einblicke gewährt.


    Einblicke in eine queere Welt, die uns zeigt, dass das Leben eben doch nicht nur aus Schwarz- und Weiß-Tönen besteht.


    Sprachlich ist der Roman wunderbar gearbeitet, eine Wohltat. In Verbindung mit der beinahe süchtig machenden Thematik ein gelungener Wurf. Ich werde mir umgehend Teil zwei besorgen, weil ich wissen MUSS, wie es mit den Protagonisten weitergeht. Sie sind mir regelrecht ans Herz gewachsen.


    Ich gebe 10 von 10 Eulenpunkten, weil ich mich bestens unterhalten fühlte und das auf hohem Niveau.

  • Liebe Rosha,


    wie schön, dass du mein Buch mochtest! Hab Dank für deine Rezension, die macht mich froh. Und warte ruhig mit Kaufen, wenn "beziehungsweise liebe" durch ist und andere Eulen Lust haben, werf ich (wenn der Verlag mitspielt) auch noch "leben nebenbei" in den Ring. ;)
    Genieß die Buchmesse, zu schade, dass ich nicht dabei sein kann in diesem Jahr.


    Liebe Grüße von
    Tania

  • Hola ginger ale,


    ich entdecke deine Rezension zu "beziehungsweise liebe" erst jetzt, wo das Buch bereits am Wandern ist. Und freu mich natürlich sehr drüber. Danke, dass du dir die Zeit genommen hast. :)


    Liebe Grüße von
    Tania

  • Eigene Meinung


    Dieses Buch ist ebenfalls bei mir als Wanderbuch gelandet. Vielen Dank dafür :-).
    Bisher habe ich noch nichts aus dem Querverlag oä gelesen, das war also eine neue Erfahrung für mich.
    Auch kenn ich mich in der Berliner Queerszene überhaupt nicht aus, deshalb weiß ich nicht, wie realistisch das Buch ist.
    Charaktere und Inhalt sind sehr bunt, es kommt quasi alles vor, was man sich so vorstellen kann. Sexparties, Drogen, Transfrauen, "offene" Beziehung, treues Paar, Leihvater, SM ....
    und das alles in einer kleinen Gruppe von nur 8 Leutchen...langweilig wird es jedenfalls nicht.


    Schreibstil ist teilweise recht anspruchsvoll, kein Buch was man einfach mal eben so wegliest. Man muss sich schon drauf einlassen.
    Punktabzug gibt es von mir, weil ich es nicht so gern mag, wenn es einerseits anspruchsvoll ist, andererseits aber auch viel "Gossensprache" benutzt wird
    . Ich hasse das F-Wort ;-)


    Insgesamt hat mir das Buch trotzdem ganz gut gefallen. Es war mal was anderes , neues und auch überraschendes für mich


    8/10 Eulenpunkten

  • Ich durfte das Buch auch als Wanderbuch lesen und so mal einen Blick durch das Schlüsselloch in die Berliner Queerszene werfen.


    Das war mein erstes Buch mit solch einer Thematik.
    Mir ging es oftmals ein bisschen zu schnell und ich hätte mich mehr für die Gefühle der Protagonisten interessiert. Aber auf den knapp über 200 Seiten die ein dreiviertel Jahr beinhalten ist das nur begrenzt möglich.
    So blieben mir manche Personen etwas fern, andererseits hatte ich total oft das Gefühl mitten im Roman zu sein und mit in Nicolettas Küche zu sitzen.
    Nach dem Beenden des Buches bin ich aber doch froh, so ein "normales" & langweiliges Leben zu haben wie Sandunmanu :lache


    Von mir gibt es 7 von 10 Punkten,

    Wenn du den roten Faden verloren hast, halte nach einem anderem ausschau, vielleicht ist deiner BUNT
    (Das Leben ist (k)ein Ponyhof - Britta Sabbag)

  • Marte wünscht sich ein Kind, ihre Partnerin Tekgül wünscht sich keins, aber eine feste Beziehung zu Marte – Clemens, Martes Samenspender und WG-Mitbewohner, wünscht sich ein Kind, aber keine Beziehung. Zumindest glauben die Beteiligten das im Moment. Bisher hatte Tekgül, Street-Art-Künstlerin und der Leuchtturm der Berliner Lesben-Szene, stets ihre Abneigung gegen jede feste Bindung betont. Die Dritte WG-Bewohnerin ist Nicoletta, rund 10 Jahre älter als Marte. Diverse Ex-Liebhaberinnen sind dem ungewöhnlichen Vierergespann in wechselnder Intensität zugetan. Alle Beteiligten mühen sich, ihre sexuelle Identität, den Feminismus und ihre frei flottierenden Vorstellungen von Nähe zur Deckung zu bringen. Nähe und Distanz zwischen Partnern könnte - Börsenkursen ähnlich – täglich neu definiert werden. Ein fließender Kinderwunsch macht die Sache komplizierter. Als Marte tatsächlich schwanger wird, kann man sich die Komplikationen in dieser spritzigen Lesben-Soap unschwer ausmalen. Clemens Eltern, die noch immer von einer Freundin für ihren Sohn träumen und es gern weniger kompliziert hätten, sind dabei noch das geringste Problem.


    Tanja Witte erzählt mit Focus auf die in den 70ern aufgewachsene Generation und mit gnadenloser Direktheit aus Berlins Lesben-Szene. Aus der konsumverwöhnten Generation Golf wird bei ihr die in der Kindheit haften gebliebene Generation Überraschungsei. Clemens muss in Wittes Plot die undankbare Rolle des Produkt-Nostalgikers vertreten, den das Verschwinden seiner Lieblingseismarke vom Markt ebenso stark betrübt wie Kinder der Generation vor ihm der Verlust eines Lieblingsspielzeugs. Clemens' erster Versuch, an sein werdendes Kind zu schreiben, lässt Schlimmes befürchten. Außer dem Jonglieren mit Markennamen hat er seinem Nachwuchs offenbar nichts von sich zu erzählen. Meine Fernsehserien, meine Schokoriegel, ... keine Träume, keine Abenteuer. Auch Marte vertritt ihre Altersgruppe pointiert. Als Entwicklerin von PC-Spielen ist Realität für sie eine verhandelbare Größe. Wer gerade Hauptfigur und wer Nebenfigur ist, ist in der Vielfalt sexueller Identitäten nicht einfach zu durchschauen. Tanja Witte erzählt spritzig und schlagfertig von ungewöhnlichen Paaren und deren noch ungewöhnlicheren Träumen. Dass ihre Soap sich um Varianten von Kinderwunsch dreht, war für mich der eigentliche Reiz des Buches.


    7 von 10 Punkten