Alex Capus: Der Fälscher, die Spionin und der Bombenbauer

  • Alex Capus: Der Fälscher, die Spionin und der Bombenbauer
    Carl Hanser Verlag 2013. 288 Seiten
    ISBN-13: 978-3446243279. 19,90€


    Verlagstext
    Von drei Helden wider Willen erzählt Alex Capus in seinem neuen Roman: Vom Pazifisten Felix Bloch, der nach 1933 in den USA beim Bau der Atombombe hilft. Von Laura d’Oriano, die Sängerin werden will und als alliierte Spionin in Italien endet. Und von Emile Gilliéron, der mit Schliemann nach Troja reist und zum größten Kunstfälscher aller Zeiten wird. Nur einmal können die drei einander begegnet sein: im November 1924 am Hauptbahnhof Zürich. Doch ihre Wege bleiben auf eigentümliche Weise miteinander verbunden. Capus treibt seinen Erzählstil des faktentreuen Träumens zu neuer Meisterschaft. Heiter und elegant, lakonisch und zart folgt der Erfolgsautor aus der Schweiz den exakt recherchierten Lebensläufen seiner Helden.


    Webseite zum Buch


    Der Autor
    Alex Capus, geboren 1961 in der Normandie, lebt heute in Olten. 1994 veröffentlichte er seinen ersten Erzählungsband Diese verfluchte Schwerkraft, dem seitdem vierzehn weitere Bücher mit Kurzgeschichten, Romanen und Reportagen folgten.


    Inhalt
    Laura und ihre Familie reisen 1924 im Orientexpress Konstantinopel-Paris. Obwohl der Schaffner ihr das Sitzen in der offenen Zugtür verboten hat, zieht es das Mädchen immer wieder an den Platz zurück, an dem ihr der Fahrtwind ins Gesicht bläst. Das gemächliche Tempo des Zuges und die Unbeschwertheit, die ich mir für Lauras weiteres Leben wünschte, hat mich von der ersten Seite an in das Buch hineingezogen.


    Lauras Mutter tingelte als Bar-Sängerin bis in die Luxus-Hotels von Kairo und Bagdad. Die fünf Kinder sind immer dabei; sie wachsen wie moderne Nomaden in Hotels auf und können sich in zahlreichen Sprachen verständigen. Die Luxusherbergen des vorderen Orients repräsentieren inzwischen eine untergehende Welt; für Lauras Mutter ist nach zwanzig Jahren Herumzigeunern die Zeit für einen neuen Lebensabschnitt gekommen. 1924 ist Laura dreizehn Jahre alt und weiß genau, dass sie ihr Geld, anders als ihre Mutter, nicht verdienen will, indem sie zahlenden Gästen einen Blick auf ihr Strumpfband gewährt. Auch Felix, der am Bahnhof den Zügen nachträumt, entscheidet sich gegen den sicheren, überschaubaren Lebensweg. Felix schätzt zwar die Berechenbarkeit der Naturwissenschaften, aber er will sein Leben mit einer zweckfreien Tätigkeit verbringen, obwohl er dafür kein Vorbild hat. Die dritte Figur, die Lauras und Felix' Weg hätte kreuzen können, lebt nicht mehr. Emile Guilliérons Sohn durchquert mit der Bahn die Schweizer Puppenstubenwelt, um bei Zürich die Asche seines Vaters im See zu bestatten. Vater Guilliéron, ein begabter wie fauler Künstler, hatte eine Generation zuvor seine geordnete Heimat zu verlassen, um ein anderes als das für ihn vorgezeichnete Leben zu leben. Emile machte als wissenschaftlicher Zeichner Schliemanns eine für beide Seiten lukrative Karriere.


    Während der phantasievolle Zeichner Emile als Zeugnis seiner Tätigkeit unzählige Nachbildungen antiker Fundstücke hinterlassen hat und es zu Felix Bloch zahlreiche Quellen gibt, ist über Laura d'Oriano nur wenig zu erfahren. Die Figuren sind authentisch, ihr Lebensweg und der historische Hintergrund wurden von Alex Capus sorgfältig recherchiert. Quellenangaben finden sich auf der Webseite zum Buch. Der Autor weist wiederholt darauf hin, dass seine Ideen seiner Phantasie entsprangen und möglich gewesen w ä r e n. Der durch das Alamo-Projekt der USA bekanntere Felix Bloch und die weniger bekannten Laura und Emile sind für mich durch ihren Mut zu unkonventionellen Entscheidungen und zum Aufbruch ins Unbekannte miteinander verbunden. Mit wachsender Spannung fragte ich mich, ob sie später im Leben diesen Mut noch einmal zeigen oder sich mit den Verhältnissen arrangieren würden. Nachdem ich längst die letzte Seite beendet hatte, beschäftigten mich Alex Capus miteinander verflochtene Romanbiografien der drei gegensätzlichen Personen noch weiter.


    Fazit
    Durch den entschlussfreudigen Charakter seiner Figuren und durch die beim Erzählen stets ironisch erhobene Augenbraue hat Capus mich für Belletristik über die Epoche des Nationalsozialismus zurückgewonnen (die in Abständen Ermüdungserscheinungen hervorruft). Seine Verbindung aus Fakten und Fiktion hat meinen Geschmack getroffen.


    -----------
    Zitat
    "Die zwei jüngsten Geschwister [Lauras] Marina und Maria Teresa wiederum wuchsen unter der Obhut eines Kindermädchens auf, das ein einfältiges Ding war, und viel Zeit darauf verwandte, die Mädchen im Umgang mit Mascara und Nagellack zu unterweisen. Abends vor dem Einschlafen erläuterte sie ihnen die verwandtschaftlichen Beziehungen zwischen den europäischen Königshäusern und berichtete von Traumhochzeiten und tragischen Todesfällen. Die Mädchen lauschten, ließen alles in ihre weichen Kinderschädel einsinken und waren schon bald überzeugt, dass es der vornehmste Lebenszweck jedes Mädchens sei, sich von einem russischen Prinzen heiraten zu lassen; so tief sank diese Vorstellung in sie ein, dass die Idee sich später, als ihre Schädel härter geworden waren, nicht mehr verflüchtigen konnte."
    (S. 48)


    9 von 10 Punkten

  • Aufgrund dessen das ich wohl hier falsch war, gelöscht übrigens hättet ihr mich gleich freundlich darauf hinweisen dürfen, anstatt mich anzumotzen :gruebel
    Danke an denjenigen der mir gerade dafür den richtigen Thread gezeigt hat!


    Edit: Fürs löschen wirst du jetzt aber auch angemotzt :grin ;-). Das wird nicht gern gesehen, besonders, wenn es schon Kommentare und Antworten zum Posting gibt. LG JaneDoe


  • Das Buch hat 288 Seiten; du hast es aber bereits nach 100 Seiten abgebrochen und schreibst dann eine Rezi dazu. Das macht wirklich wenig Sinn. Deine "Rezi" verstehe ich so, dass man offensichtlich auf die nicht gelesenen 188 Seiten verzichten kann.


    Unabhängig davon schreibst du, dass du alles "nicht so recht verstanden" hättest. Trotzdem dann aber eine Lobeshymne....... :gruebel


    Irgendwie alles jetzt nicht so recht schlüssig und nachvollziehbar.


    Für abgebrochene Bücher gibt es diesen Fred:
    Ich habe abgebrochen ... Welche Bücher habt ihr weg gelegt? (ab 07.09.2011)

    Ich mag verdammen, was du sagst, aber ich werde mein Leben dafür einsetzen, dass du es sagen darfst. (Evelyn Beatrice Hall)


    Allenfalls bin ich höflich - freundlich bin ich nicht.


    Eigentlich mag ich gar keine Menschen.

  • Zitat

    Original von Herr Palomar
    Ich denke schon, dass man nach 100 Seiten einen schlüssigen Eindruck von diesem Buch haben kann.


    Ich glaube kaum, gerade auch angesichts der Tatsache, dass die Verfasserin darauf hinweist, das Buch nicht so recht verstanden zu haben; trotzdem aber eine ziemlich begeisterte Rezi schreibt.


    Ich erlaube mir das weiterhin für nicht sehr nachvollziehbar zu halten.

    Ich mag verdammen, was du sagst, aber ich werde mein Leben dafür einsetzen, dass du es sagen darfst. (Evelyn Beatrice Hall)


    Allenfalls bin ich höflich - freundlich bin ich nicht.


    Eigentlich mag ich gar keine Menschen.

  • Ich denke zwar, dass man über ein Buch nach 100 Seiten schon einen guten Eindruck haben kann - wenn man es dann aber abbricht, finde ich eine Rezi ungerechtfertigt, da so manches Buch sich in der zweiten Hälfte noch anders entwickelt, als man am Anfang glaubt. Die Rezi klingt, als hätte Seelensplitter das Buch mitten unterm schreiben der Rezi abgebrochen. (P.S. ich musste leider nach 100 Seiten abbrechen...)

    Hollundergrüße :wave



    :lesend

    T.J. KLune - Mr Parnassus Heim für magisch Begabte


    (Die Freiheit des Menschen liegt nicht darin,

    daß er tun kann, was er will,

    sondern daß er nicht tun muß,

    was er nicht will - Jean Rousseau)

    Dieser Beitrag wurde bereits 1 Mal editiert, zuletzt von hollyhollunder ()

  • Zitat

    Original von Seelensplitter
    Weil wir das so in Deutsch gelernt haben, das wir dennoch eine Rezi schreiben sollen, unsere Meinung sagen sollen.


    Spricht ja auch nichts dagegen.


    Zitat

    Original von Voltaire
    Für abgebrochene Bücher gibt es diesen Fred:
    Ich habe abgebrochen ... Welche Bücher habt ihr weg gelegt? (ab 07.09.2011)


    Aber dann doch bitte in diesem Thread :wave

  • Zitat

    Original von Seelensplitter
    Aufgrund dessen das ich wohl hier falsch war, gelöscht übrigens hättet ihr mich gleich freundlich darauf hinweisen dürfen, anstatt mich anzumotzen :gruebel
    Danke an denjenigen der mir gerade dafür den richtigen Thread gezeigt hat!


    Edit: Fürs löschen wirst du jetzt aber auch angemotzt :grin ;-). Das wird nicht gern gesehen, besonders, wenn es schon Kommentare und Antworten zum Posting gibt. LG JaneDoe


    Ich sehe diese Löschungsaktion erst jetzt. Wie gut, dass ich den entsprechenden Beitrag als Zitat verwendet hatte.


    Niemand hat dich hier angemotzt. Ich hatte lediglich mein Befremden geäußert. Würde ich motzen, dann kannst du sicher sein, dass meine Wortwahl eine völlig andere gewesen wäre. ;-)

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  • Unabhängig von Seelensplitters Löschverhalten und einer zugegeben etwas merkwürdigen Rezi ist mir jetzt neu, dass ich bei den Eulen nicht in ReziThreads schreiben darf/soll, wenn ich Bücher abbrach (so hab ich es nämlich bei JaneDoes Hinweis verstanden). Ich habe selbst schon das eine oder andere Buch abgebrochen und dennoch eine (in diesem Zusammenhang angepasste) Rezi geschrieben. Und ich bin sicher nicht die Einzige. Manches verstehe ich bei den Eulen und ihrem Verhalten nicht mehr ganz.

    With love in your eyes and a flame in your heart you're gonna find yourself some resolution.


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  • Zitat

    Original von Gummibärchen
    Unabhängig von Seelensplitters Löschverhalten und einer zugegeben etwas merkwürdigen Rezi ist mir jetzt neu, dass ich bei den Eulen nicht in ReziThreads schreiben darf/soll, wenn ich Bücher abbrach (so hab ich es nämlich bei JaneDoes Hinweis verstanden). Ich habe selbst schon das eine oder andere Buch abgebrochen und dennoch eine (in diesem Zusammenhang angepasste) Rezi geschrieben. Und ich bin sicher nicht die Einzige. Manches verstehe ich bei den Eulen und ihrem Verhalten nicht mehr ganz.


    Für Bücher die abgebrochen wurden gibt es diesen Thread:


    Ich habe abgebrochen ... Welche Bücher habt ihr weg gelegt? (ab 07.09.2011)


    Und nur weil andere Eulen auch über abgebrochene Bücher in dem eigentlichen Reti-Thread berichtet haben, muss das ja nicht auch richtig sein.


    Alternativ könnte man dann den Abbrech-Thread ja dann in die Tonne treten. Alles in den Rezi-Thread, auch wenn Grundlage der Rezi lediglich einige wenige Textstellen sind.


    Unabhängig davon ist es natürlich jeder/jedem unbenommen Zweifel am Eulen-Verhalten zu äußern. :wave

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  • Und wenn ich mir über ein Buch eine Meinung bilden möchte und wissen will, was andere Eulen von dem Buch halten, durchsuche ich erstmal dem Thread mit abgebrochenen Büchern.... :pille
    Man kann sehr wohl beide Threads sinnvoll nutzen. Aber rumstänkern macht mehr Spaß. Das war's von mir. Wer was will, bitte PN. Thread zerschießen will ich nicht, ist mir einfach so sauer aufgestoßen, dass ich mich nicht zurückhalten konnte.

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  • Gummibärchen ,
    die Betonung liegt auf "in diesem Zusammenhang angepassten Rezi". Es geht nicht um kurze Kommentare in den Rezi-Threads, dass man abgebrochen hat und warum. Sondern hier darum, dass eine Rezi geschrieben wurde, die den Eindruck vermittelt, als sei das Buch gelesen worden und erst am Ende kommt etwas von nach 100 Seiten Abbruch. Daher einfach nur der Hinweis, dass es einen Thread für abgebrochene Bücher gibt.


    Abgesehen davon gibt es bei den Eulen keine Direktive, was man worein schreiben "darf". Höchstens hier mal den sanften Hinweis, dass das off topic ist. ;-) Ich möchte jetzt hier keine Diskussion darüber führen, was in einen Rezensionsthread gehört und was nicht.

  • Titel: Der Fälscher, die Spionin und der Bombenbauer
    Autor: Alex Capus
    ISBN: 9783446243279
    Originalausgabe Juli 2013
    Verlag: Carl Hanser Verlag
    Seiten: 282


    Klappentext:
    Felix, Laura und Emilie:
    Ein Jüngling träumt vom Weltfrieden und wird zum Bombenbauer. Ein Mädchen will Sängerin werden und endet als Spionin. Ein Kunststudent geht nach Troja und wird zum größten Fälscher aller Zeiten. Drei Helden wider Willen, die in ihren Niederlagen triumphieren und auf Abwegen das Glück finden.



    Meine Meinung:
    Ein echter Capus. Der Schreibstil gefällt mir ausnehmend. Vor allem der Capus-Stil, zu schreiben, wenn er den genauen Hergang in der Vergangenheit nicht weiß, „ich weiß nicht ob - es könnte aber sein.“. Zum Beispiel gleich am sinngemäß Anfang: Der Orientexpress fährt am Bahnhof raus, ob Felix Laura sieht wie sie hinten auf den Podest singt , weiß ich nicht – es könnte aber so sein.
    Der Nobelpreisträger Felix Bloch ist zwar allen bekannt aber hier lernen wir noch viel aus seinem Leben, z.B. seine Studienkollegen. Auch das sind alles durch die Bank weg Bekanntheiten. Aber die Namen so im Zusammenhang zu lesen – das hat war.
    Das Schicksal von Laura und Emilie und deren Familien berühren.


    Das Cover ist wunderbar gelungen. So stelle ich mir Laura auf dem Weg nach Marseille vor.


    Fazit:
    Ein Buch was ich jeden empfehlen kann.
    Volle Punktzahl

    Don't live down to expectations. Go out there and do something remarkable.
    Wendy Wasserstein

  • Ein Buch über drei besondere Menschen: Felix Bloch, der unter der Herrschaft Hitlers in die USA emigrieren muss und dort beim Bau der Atombombe hilft. Laura d’Oriano, die als Sängerin alles anders machen will als ihre Mutter und als alliierte Spionin tätig wird. Und Emile Gilliéron junior, dessen Vater gleichen Namens mit Schliemann nach Troja reist und mit Arthur Evans Knossos entdeckt und in die Fußstapfen des Vaters Emile zu treten bestimmt ist.
    Der Einstieg in Alex Capus’ neuestes Buch „Der Fälscher, die Spionin und der Bombenbauer“ fiel mir etwas schwer, da die Handlung sehr distanziert geschildert wird und besonders das Übermaß an Atomphysik, Relativitätstheorie und Neutronen bereitete mir etwas Kopfzerbrechen.
    Wenn man aber die ca. ersten 70 Seiten geschafft hat, entwickelt sich die Geschichte zu einem mitreißenden, hoch interessanten Einblick in das Leben von drei historischen Persönlichkeiten, die alle vor und während des zweiten Weltkrieges mehr oder weniger aktiv waren.
    Laura d’Oriano, Sängerin und Freigeist, Felix Bloch, Physiker und Emile Gilliéron, Künstler.
    Bis auf Emile, dessen Geschichte eher die seines Vaters Emile Gilliéron senior ist, haben alle Protagonisten einen direkten Bezug zum zweiten Weltkrieg und gerade das hat mich dann etwas enttäuscht, da man vom Titel soweit in die Irre geführt wird, dass man denkt, dass alle drei einen Bezug zueinander haben oder zumindest eine (größere) Rolle im Krieg spielten.
    Dennoch konnte das Buch mich mitreißen. Capus’ Erzählstil war flüssig, wenn auch oberflächlich was die einzelnen Personen betrifft. Hier hätte ich mir mehr Tiefe und Ausarbeitung der verschiedenen Charaktere gewünscht, gerne auch mit künstlerischer Freiheit und weniger autobiographischen Fakten oder einfach mit einer guten Mischung aus beidem.
    Die vielen gut recherchierten historischen Details haben „Der Fälscher, die Spionin und der Bombenbauer“ zusätzlich zu einem besonderen Leseerlebnis werden lassen.
    Man lernt unglaublich viel aus diesem Buch, seien es nun spezielle Physikkenntnisse, archäologische Hintergründe oder geschichtliche Informationen. Für mich waren dann die geschichtlichen und archäologischen Aspekte über Troja, Knossos und den zweiten Weltkrieg lesenswerter als die detaillierten Ausführungen über Neutronen & Co. Trotzdem hat Capus es geschafft, mich trotz meiner Abneigung für Physik mich für seine Ausführungen zu interessieren und ich habe in meiner ganzen Schulzeit bei weitem nicht mit so großem Interesse über physikalische Themen gelesen. Alles in allem hat mir das Buch gut gefallen, Thematik und Sprache haben es mir sehr angetan, nur führen sowohl Buchtitel als auch der Satz „Doch ihre Wege bleiben auf eigentümliche Weise miteinander verbunden.“ aus der Buchbeschreibung in die Irre.


    8 von 10 Punkten!

  • Da ich den Autor bereits auf einer Lesung erleben durfte und auch zwei seiner Romane gelesen hatte, war diese Neuerscheinung ein MUSS für mich. Bereits nach dem Lesen des Klappentextes war klar erkennbar, daß dieses Buch wieder ganz anders sein wird.


    Es beginnt damit, daß Anfang November 1924 am Züricher Hauptbahnhof sich folgende Personen hätten treffen können. Zum einen ein 13-jähriges Mädchen, das mit ihren Eltern aus Konstantinopel kommt und auf dem Weg nach Marseille ist. Ihre Eltern wollen sich nach einem bewegten Leben zur Ruhe setzen und eine Musikalienhandlung übernehmen. Felix, ein junger Bursche sitzt am Bahnhof und denkt über seine Zukunft nach. Er ist klug, gut aussehend, Jude und Sohn eines Getreidehändlers. Sein Vater will nur das Beste für ihn und rät ihm wegen der guten Zukunftsaussichten, Maschinenbau zu studieren. Das ist zwar nicht sein Wille, aber um den Vater nicht zu grämen, wird er diesem Wunsch nachgeben. Und in einem Zugabteil der ersten Klasse sitzt der Kunstmaler Emile Gilléron. Er kommt gerade aus Griechenland und will die Asche seines Vaters in dessen alter Heimat am Genfer See bestatten. Sein Vater war ebenfalls Maler und kam einst mit Heinrich Schliemann nach Griechenland, um als wissenschaftlicher Zeichner für ihn zu arbeiten.


    Nach dieser Einführung beleuchtet der Autor jede einzelne Persönlichkeit für sich, was waren die Träume, Sehnsüchte, Zukunftsvorstellungen und was wurde daraus. Wie konnte es passieren, daß aus der Sängerin Laura d’Oriano eine Spionin wurde, aus dem Studenten Felix Bloch ein Bombenbauer und aus dem Kunstmaler Emile Gilliéron ein Fälscher. Sehr akribisch hat der Autor recherchiert, um so detailliert die Figuren vorstellen zu können. Eigentlich haben die Personen überhaupt nichts miteinander zu tun, sie hätten sich nur begegnet sein können.


    Im Gegensatz zu Léon und Louise liest sich dieser Roman nicht so zügig. Als Leser musste ich mich durch manche Passagen auch durchbeißen, wenn es z. B. um physikalische Details bei Felix Bloch oder auch um griechische Ausgrabungen bei Emile ging. Die Ausführungen zu Laura waren flüssiger und für mich mit mehr Gefühl geschrieben. Schlußendlich aber wie immer ein wundervoller Schreibstil. Das Cover finde ich auch ausgesprochen gut gelungen und passend!


    Von mir auch 9 Punkte

  • Für mich kein Roman, sondern vielmehr ein Biografie bzw. die Teilbiografie dreier (eigentlich vierer, da auch Emile Gilliéron sen. großen Raum einnimmt) interessanter Persönlichkeiten in den unruhigen Zeiten des 2. Weltkrieges. Da wäre Emilie Gilliéron jun. und sein gleichnamiger Vater, die die archäologischen Funde in Griechenland „kreativ“ rekonstruieren, die Künstlertochter Laura d’Oriano, die statt Sängerin schließlich zur Spionin wird und der Schweizer Felix Boch, der eigentlich ein ganz und gar unpraktisches Berufsleben als Atomphysiker führen will und letztendlich beim Bau der Atombombe mitwirkt. Drei/Vier ganz unterschiedliche Persönlichkeiten, deren Wege sich wohl nie gekreuzt haben, die aber gemeinsam in diesem sehr einzigartigen Buch ihren Platz finden.


    Capus erzählt in der dritten Erzählperspektive, lässt aber immer wieder eigene Gedanken in der Ich-Form miteinfließen. Es ist ein sehr eigenwilliger Stil zwischen Nähe und Distanz, den er so zu seinen Protagonisten schafft. Zum einen erzählt er sehr detailliert aus deren Leben wie es war bzw. wie es gewesen sein könnte, zum anderen lässt er wichtige Gefühle oder Gedanken außen vor, wenn sie historisch nicht nachweisbar sind. Diese Lücken muss man als Leser einfach aushalten und akzeptieren, dass es hier um historische Menschen geht, denen man nicht einfach Gedanken und Gefühle unterschieben kann. Ich hatte gerade am Ende den Eindruck, wir schauen von außen auf das Leben der Protagonisten, ihr Innerstes bleibt uns aber verborgen. Bis zum Ende des Buches konnte ich deswegen auch keine gefühlte Verbindung zu ihnen aufbauen, emotional blieben sie mir fremd. Allerdings ist das für eine Art Sachbuch auch angemessen.


    Der gesamte Aufbau des Buches ist ungewöhnlich. Die Stränge laufen parallel, nur mit losen Verbindungen wie ein mögliches zufälliges Aufeinandertreffen. Vor allem gibt es keinen klassischen Spannungsbogen, sondern die Lebensgeschichten werden linear erzählt – mit Höhen und Tiefen in den jeweiligen Biografien. Das kann mancher Leser als langatmig empfinden, für mich war es ein ruhiges und entspanntes Dahinplätschern, das mir gefallen hat. Was Felix Bloch in seinem Laboren und Kellern konstruierte und welche Gedankengänge hinter der Jagd nach den Neutronen steckten, habe ich zwar nicht verstanden, dies aber auch nicht als störend empfunden.


    Anhand der sehr unterschiedlichen Lebensentwürfe werden unterschiedlichste Themen und Fragestellungen angesprochen, über die es sich nachzudenken und zu diskutieren lohnt. Ist es richtig, archäologische Fundstücke durch die eigene Phantasie so zu ergänzen, wie es gewesen sein könnte (aber auch nicht)? Ist es richtig, eine vernichtende Bombe zu bauen, nur um schneller als der Gegner zu sein? Ist es richtig, seine Kinder in der liebenden Obhut des Vaters und der Großeltern zurückzulassen, um seinen eigenen Weg zu gehen?


    Fazit: Ein ganz und gar ungewöhnliches Buch, eine Mischung aus Biografie und Roman vier unterschiedlicher Personen in den bewegten Zeiten des 2. Weltkrieges. Mir hat dieses ruhige Buch gut gefallen, aber um wirklich Eindruck zu hinterlassen, fehlte mir die emotionale Bindung. 8 Punkte für ein überdurchschnittliches Buch.

    "Alles vergeht. Wer klug ist, weiß das von Anfang an, und er bereut nichts." Olga Tokarczuk (übersetzt von Doreen Daume), Gesang der Fledermäuse, Kampa 2021

  • In dem Buch von Alex Capus geht es um drei historische Persönlichkeiten des zwanzigsten Jahrhunderts, die sich wohl niemals begegnet sind. Emile Gilliéron ist ein begnadeter Zeichner, der mit Schliemann nach Griechenland reist und später für den kurzsichtigsten aller Briten Arthur Evans sensationsarme Ausgrabungen in archäologische Wundertüten verwandelt. Emiles Fähigkeiten prädestinieren ihn förmlich für diese Aufgabe. Er dehnt die Wahrheit, um seine prestigeversessen Auftraggeber zufriedenzustellen und seine Kassen zu füllen. Capus erzählt augenzwinkernd und bravourös vor mediterraner Kulisse ein Schelmenstück, das in der nüchternen Aufklärung der Neuzeit endet.


    Die Spionin Laura d’Oriano will eigentlich Sängerin werden, nicht so eine halbseidene Chanson Interpretin, wie die strumpfbandzeigende Mutter, nein, eine richtig ernst zunehmende Sangeskünstlerin, aber ach, am Konservatorium stellen die Lehrer fest, ihr fehlt es an einer herausragenden Stimme. Für eine Sängerin kein ganz unwichtiges Detail gibt Laura ihren Jugendtraum auf. Andere Talente bringen unsere Protagonistin durchaus erfolgreich durch das Leben, bis sie an Mann und Kinder gerät und fast der spießbürgerlichen Provinz an heim fiel. Der Weg bis zur Spionin ist dann nur noch kurz, der 2. Weltkrieg schreibt schließlich die sonderbarsten Lebensläufe und so wird aus Laura eine Spionin im Kampf gegen den Mussolini Faschismus. Laura d’Orianos Leben wird von Capus in einer typischen „Frau krempelt die Ärmel auf“ Manier erzählt, das liest sich gefällig, ziemlich spannungsarm und routiniert. An zwei Stellen leuchtet mir die Motivation der Protagonistin nicht ein. Nun denn. Die Unannehmlichkeiten ihrer letzten Tage spart Alex Capus aus, vermutlich, um den Rahmen eines Unterhaltungsromans nicht gänzlich zu sprengen. Alex Capus gibt Laura d’Oriano ein Gesicht, tiefer lässt er nicht blicken.


    Bei weitem interessanter erzählt ist das Leben des Bombenbauers Felix Bloch, als junger Mann ein überzeugter Pazifist wird er Atomphysiker, weil ihm der Beruf ausreichend sinnlos erscheint, um nicht der Kriegsmaschinerie dienen zu müssen. Schließlich landet er in Los Alamos, wo er an der ersten Atombombe arbeitet. Eine faszinierende Persönlickkeit, ebenso faszinierend erzählt. Alex Capus hat die Lebensläufe seiner Protagonisten recherchiert und die Leerstellen mit seiner Fantasie gefüllt. Wenn mich „Der Fälscher, die Spionin und der Bombenbauer“ auch nicht vollends überzeugt hat muss ich doch sagen mich über weite Strecken des Buches einfach gut unterhalten zu haben. Alex Capus hat eine Art Geschichten zu erzählen, vor der man sich gern verneigen möchte. Quasi sofort entsteht ein Lesesog, alles ist klug ausformuliert, kein Wort zu viel oder zu wenig und immer pulsierend voller Leben. Vermutlich ist der Mann in der Lage Telefonbücher und Gebrauchsanweisungen unterhaltsam zu schreiben. Das Buch ist lustig, wenn es nach Kreta geht und geschichtliche Ereignisse und Ausgrabungsstätten nach Gutdünken gestaltet und uminterpretiert werden. Es macht nachdenklich und traurig, als Felix Bloch unter die Uni Nazis gerät und wird tiefsinnig in seiner Wandlung, die vielleicht gar keine ist. Einzig mit Laura wurde ich nicht besonders warm. Alex Capus ist ein Autor von dem ich gerne mehr lesen werde!


    8 von 10 Punkten.

  • In seinem neuesten Roman erzählt Alex Capus eigentlich drei Geschichten. Die von Felix Bloch, Laura d’Oriano und Emile Gliiéron. Alle drei sind reale Persönlichkeiten, aus deren Leben man gewisse Eckdaten kennt. Die Zwischenräume füllt Capus in seiner gewohnt brillanten Schreibweise auf.
    Ausgehend von einem Tag im November 1924, an dem alle drei Personen erwiesenermaßen in Zürich waren oder wenigstens durchreisten, spinnt der Autor das Netz der drei Lebensgeschichten. Begegnet sind sie sich nie, weder an diesem Tag noch später, warum Capus gerade diese drei Figuren auswählt, bleibt ungeklärt. Aber wenn man aufhört, sich nach dem Grund dafür zu fragen und einfach das Buch genießt, erwartet einen ein höchst interessantes Leseerlebnis.


    Ich habe bei der Lektüre des Buches einiges gelernt. Von den drei Charakteren war mir nur Felix Bloch ein wenig bekannt, aber auch nur vage hatte ich ihn im Zusammenhang mit dem Bau der Atombombe in Erinnerung. Wie es dazu kam, dass der junge Schweizer ein berühmter Physiker wurde, später in die USA emigrierte und gemeinsam mit Oppenheimer und anderen die schrecklichste Waffe der Menschheit schuf, entfaltet sich hier nach und nach in leisen Tönen, die umso betroffener machen. Gerade in den Felix Bloch-Abschnitten des Buches lief es mir desöfteren kalt den Rücken hinunter.


    Eine ganz andere Geschichte ist die der Laura d’Oriano, die in einer reisenden Künstlerfamilie aufwächst. Die Eltern lassen sich schließlich in Marseille nieder und Laura geht nach Paris, um eine Gesangsausbildung zu machen. Doch auch wenn ihr Weg sie später noch auf die eine oder andere kleine Bühne führen wird, hat das Schicksal offensichtlich anderes mit ihr vor und so spielt sie in ihrem Leben viele verschiedene Rollen, bis hin zu der letzten, die sie das Leben kosten wird, als alliierte Spionin in Italien.


    Die dritte Lebensgeschichte ist eigentlich eine zweigeteilte, nämlich die von Emile Gilliéron und seinem gleichnamigen Sohn. Der Vater arbeitet mit Schliemann an der Ausgrabung Trojas und füllt die Lücken in den gefunden Bruchstücken. Sein Sohn tritt später in seine Fußstapfen und perfektioniert diese Form der Archäologie, wobei sein Ort des Wirkens im Gefolge von Arthur Evans ist, der auf Kreta die erste Hochkultur Europas ausgräbt und der Welt die Stadt Knossos und den Palast des Minos zeigt, wie sie einmal ausgesehen haben könnten.


    Emile Gilliéron Senior und Junior könnten auch als Sinnbild für diesen Roman stehen. Um ein paar wenige Fakten herum wird eine Geschichte aufgefüllt und mit so vielen Details angereichert, dass sie dem Betrachter, in diesem Fall dem Leser, völlig schlüssig erscheint – aber sie hätte sich auch völlig anders abgespielt haben können. Das wissen wir nicht, denn der Autor hat für seine Figuren diese Wege ausgesucht und dem Leser bleibt damit nur, dieser Auslegung und Interpretation der drei Schicksale zu folgen.


    Obwohl ich mich nach der Lektüre zuerst damit schwergetan habe, dass sich in meinen Augen so gar kein Zusammenhang, kein Sinn ergibt, hat mir das Buch letztlich doch gefallen. Capus‘ Schreibstil mag ich persönlich sehr und so habe ich mich einfach den Erzählungen hingegeben – das Hinterfragen überlasse ich anderen.

  • Alex Capus hat wieder einen wunderbaren, flüssig zu lesenden, (historischen) Roman geschrieben, der mir wirklich viel Spaß bei Lesen bereitet hat. Dabei fehlen bei ihm oft Spannungsbogen und Überraschungen. Der hintergründige Humor kommt nicht zu kurz. Doch gerade das macht seinen Erzählstil aus. Es ist wie seichtes Wellenrauschen, das entspannt, warm und fast lieblich klingt.
    Die einzige Spannung, die er erzeugt ist, ob sich die drei Hauptdarsteller später in ihren Lebenslinien vielleicht noch mal hätten treffen können. Er lässt es offen und wählt ein „es könnte sein“. Besonders fand ich, dass es alle drei Personen historisch belegt gegeben hat. Sie sind nur in ihrer Bewertung nicht so bekannt.
    Nachdem ich den Autor bei einer Lesung in Hannover live erleben durfte, bin ich von dem Buch und dem Autor noch mehr begeistert. Capus erzählt in seinen Auftritten frei und fast so als ob er das Buch vorliest. Dabei liest er fast gar nicht aus seinem Roman. Und trotzdem bewahrt der auch beim freien Sprechen seine interessante Erzählweise.
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