'Der Sommer der Freiheit' - Seiten 001 - 089

  • Ihr Lieben,


    ich war einige Tage verreist und außerdem
    lese ich eher langsam :lesend...aber Selma,
    Constanze und ihre Entourage haben mir gute Gesellschaft
    geboten im Hotelzimmer. :-)


    Im Prolog entwickeln sich bereits einige Motive und Grundstimmungen
    der Geschichte:


    Das Hotel Bellevue erscheint wie ein Mikrokosmos, eine hermetische Welt für sich,
    die Selma`s Phantasien und Erinnerungen den perfekten Rahmen geben und ihr einerseits
    einen geschützten Raum aus Reichtum und gesellschaftlichem Ansehen bieten, andererseits
    ihren Widerspruchsgeist und Freiheitsdrang befeuern.
    Sie denkt und handelt aus spontanen Emotionen und plötzlichen Gedankenverbindungen heraus, was sie so unberechenbar und exzentrisch macht - obwohl sie von der klugen und ironischen Weltsicht ihrer Großmutter geistig noch weit entfernt ist -
    nicht nur als sie den armen Käfigvogel in eine trügerische Freiheit schickt, die für ihn tödlich endet -
    sondern auch wenn sie zwischen den Bildern der Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft Fäden spinnt und ihre persönlichen Ideale bebildert.


    Die Szene im Salon (Kap 1) mit Selma, Hedda, Meta und Grischa hat etwas von einer
    Inszenierung, als wären sie alle Schauspieler, die eine zu oft geprobte Szene mehr schlecht
    als recht aufführen.
    Die Geschwister sind typische Vertreter einer "Jeunesse Dorée" , die sich an Statussymbolen, der Unangreifbarkeit ihrer Welt, gewürzt mit
    frivol- unverbindlichen Spielereien , vor allem aber am eigenen Ego berauscht.
    Dazu passt auch der parfümierte Schwulst, den Gero, der Verlobte aus dem Olymp der Schaumschläger und Blender, zu Papier gebracht hat.


    Bis später :wave

  • Selma scheint ihr sorgloses Leben in vollen Zügen zu geniessen. Nachdem Gero sein Kommen aufschiebt, muss der kleine Bruder für ihre emanzipierten Ausflüge mit dem Auto herhalten, der weit weniger schneidig wirkt. Selma scheint da durchaus die Oberhand zu haben, unterstützt von ihrer Oma, die für diese Zeit sehr aufgeschlossen ist.


    Wirklich sympathisch ist mir Selma nicht, aber das stellt für mich bisher kein Problem dar. Im Gegenteil, die Beschreibungen der Charaktere und Orte (wie z.B. dem Bellevue und dem Treiben dort) finde ich absolut gelungen.


  • Ein paar Monate geb ich dir gerne, sogar ein paar mehr, solange ich die Aussicht habe die Geschichte irgendwann lesen zu dürfen :wave :wave

  • Habe den ersten Abschnitt nun auch geschafft.


    Wie allen anderen hier ist Selma mir auch recht unsympathisch. Sie wirkt sehr oberflächlich und arrogant.


    Auf einer ihrer Ausflüge mit ihren kleinen Bruder Grischa lernt sie Constanze und ihren Vater kennen. Sie freundet sich mit Constanze an und nimmt sie unter ihre "Fittiche".


    Selma ist kurzzeitig etwas ernüchtert, als sie erfährt das Constanze vorhat ein Studium zu beginnen und sie im Gegensatz noch keinerlei Vorstellungen über ihre Zukunft hat.


    Die Großmutter Meta finde ich klasse. Sie ist für die damalige Zeit sehr modern eingestellt.


    Ich bin sehr gespannt wie es weitergeht.

  • Vielen Dank, liebe Heidi :knuddel1


    Selma und Constanze verkörpern völlig gegensätzliche
    Frauentypen.
    Selma fühlt sich verunsichert von Constanzes konkreten Zukunftsplänen
    und hinterfragt endlich mal ihr eigenes Lebensmodell, das eher einem goldenen
    Käfig ähnelt als einer selbstbestimmten Planung.
    Doch halten solche Überlegungen bei ihr nie lange an und sie zieht keine Konsequenzen
    daraus. Sie hat im Grunde Angst vor einer ehrlichen Konfrontation mit anderen und auch
    vor einer kritischen Selbstbetrachtung.
    Selma taumelt wie ein Schmetterling von Blüte zu Blüte, von einer Zerstreuung in die
    nächste und vermeidet alles, was ihre selbstgebastelte Idylle stören könnte.
    Unangenehme Beobachtungen werden verdrängt oder umgedeutet zu einer für sie
    schmeichelhaften Interpretation.
    Auch das Geplänkel zwischen ihr, Constanze und Robert wirkt gekünstelt und übertrieben
    theatralisch.
    Die drei steigern sich in eine euphorische Rauschhaftigkeit und Erotik rein, die dennoch
    irgendwie albern, unreif und einstudiert wirkt.
    Constanze scheint bedürftig zu sein nach Nähe und Geborgenheit, dennoch ist sie alles andere
    als ein "Küken". Sie ist wesentlich reifer, klüger und reflektierter als Selma, die sich ihr überlegen
    fühlen will und sie permanent klein macht.

  • Vielen Dank, liebe Emmy,
    auch hier hast Du es wieder genau auf den Punkt getroffen. Selma als ein unsteter, schöner Schmetterling, der dennoch ratlos von Blüte zu Blüte fliegt - das ist ein sehr schönes Bild.
    Und ja, das Küken ist eigentlich weniger Constanze. Aber Selma muss sie genau deshalb Küken nennen. Sie hat Angst, dass sie gegen sie nicht erwachsen wirkt, was sie ja wirklich nicht ist.
    Die Dreierkonstellation Selma - Constanze - Robert ist sicher in gewisser Hinsicht unreif, in anderer Hinsicht aber auch für alle drei eine Möglichkeit, sich in einer Welt, der sie beileibe noch nicht so ganz gewachsen sind (am ehesten vielleicht wirklich Constanze) gegenseitig Halt zu geben. Genau deshalb beschwören sie diesen Bund ja auch so. :-]

  • Guten Abend zusammen,


    auch ich bin nun dabei und habe dieses schöne Buch heute in die Hand nehmen können, um darin zu lesen. Der 1. Abschnitt las sich sehr gut und stimmungsvoll, es läuft vor meinen Augen der Film dazu ab. Das Schöne dabei ist, ich kenne all die schönen beschriebenen Orte. Ich habe lange in Baden-Baden gewohnt und komme aus der Ecke. Nun hat es mich ins schöne Ladenburg verschlagen, wo ja auch bekanntlich das Benz-Museum steht und die Bertha-Ben-Route führt quasi an meinem Fenster vorbei. Ein bisschen fühle ich mich gerade, als würde meine Umgebung gerade in der Zeit zurückspringen. Ich muss ständig kucken und mir auch die Plätze in Baden-Baden alle vorstellen. Toll :)
    Obwohl, wenn Selma mit ihrem Bruder im Audi durch die Stadt fährt, könnte man meinen, die Stadt wäre riesig. Aber auch, wenn man gemächlich durch die Stadt fährt, ist man gleich durch mit dem Auto :)) obwohl zu der Zeit gab es ja den Tunnel unter der Stadt noch nicht.


    Im Gegensatz zu den meisten hier mag ich Selma. Sie ist jung, lebendig und lebenshungrig. Natürlich ist sie naiv, kokett, großschnäuzig (nur nach außen - innerlich zweifelt sie ja selbst ein wenig). Sie ist behütet und in einem wohlhabenden Haus aufgewachsen. Sie ist dem jugendlichen Zauber verfallen, dass ihr die ganze Welt gehört und zu Füßen liegt.
    Anders als Constanze, der das Schicksal schon einmal eine schwere Aufgabe hinterlassen hat. Der Verlust des Bruders hat Constanze natürlich schon etwas von der naiven Art zu glauben, alles sei unvergänglich, geraubt. Constanze ist damit Selma in der Reife ein paar Schritte voraus.


    Ich befürchte, angesichts der Zeiten - kurz vor Ausbruch des 1. Weltkrieges - wird auch Selma schneller den Ernst des Lebens kennenlernen, als es sein sollte in dem Alter.


    Noch genieße ich diese pralle, schöne Zeit, in der so viel in Bewegung war und im Aufbruch war, sehr.
    Ich denke das bleibt bestimmt nicht so...
    Selma wird nie mehr so jung und unbefangen bleiben, wie genau auf diesen ersten Kapiteln.
    Und dass Gero ein Schaumschläger ist, wird wahrscheinlich das 1. sein, was sie verkraften wird ;)


    Hach wie ist das nett :))


    Bin gespannt, wie es weitergeht!!!


    Danke an Heidi, Die Du die Runde hier so toll begleitest und so viel kommentierst und von Dir preisgibst.

  • Vielen Dank, liebe Heidi für deine ausführliche Antwort. :-)


    Das Kleeblatt Selma, Constanze und Robert hat durchaus seine
    reizvollen Aspekte - gerade weil Robert in seinen Photographien
    die Persönlichkeiten der Mädchen festhält und sie dadurch immer freier
    und tabuloser vor der Kamera agieren.
    Der Blick der Kamera bringt ihre verborgenen Sehnsüchte ans Licht und
    erhöht die erotische Spannung zwischen den drei jungen Leuten.


    Ich hatte nur manchmal das Gefühl, dass Constanze in eine Welt gezogen wird, die
    nicht zu ihr passt und von Selma zu sehr fremdbestimmt und manipuliert wird.
    Constanze ist einerseits fasziniert von Selma`s Sorglosigkeit, andererseits aber
    auch irritiert durch ihre flapsigen Reden und
    Bemerkungen über die Männer und die Art, wie sie über die Liebe spricht und die Männer
    in ihrem Dunstkreis hin - und herschiebt wie Schachfiguren.


    Ich bin mal gespannt, wie sich dieses erotische Spannungsfeld verdichtet, bzw.
    verkompliziert im weiteren Verlauf der Handlung.
    :wave

  • pinky75 , wie toll, dass der Roman also quasi vor Deiner Haustür spielt. Baden-Baden ist einfach klasse und da man damals weitaus langsamer gefahren ist, hat man ein bisschen mehr davon gehabt beim Durchbrausen als heute. :grin Ladenburg kenne ich auch. Die Hälfte meiner Schwiegerfamilie stammte aus der Pfalz. Wir waren früher oft dort. Und überhaupt ist diese ganze Ecke eine herrliche Gegend!


    Stimmt, Selma lebt - noch - auf einer Insel der Glückseligen. Sie ist eben mit dem goldenen Löffel im Mund geboren. Gelegentlich hat sie schon eine Ahnung (und das unterscheidet sie doch von so manchen ihresgleichen), dass da noch was anderes sein könnte. Aber noch ist das nur eine Ahnung. Trotzdem langweilt sie dieses ewige schöne Leben auch irgendwie. Constanze bringt da noch eine ganz neue Welt herein. Es tut beiden sehr gut, dass sie sich begegnet sind. Auch wenn es so manche neue Schwierigkeit aufwerfen wird....


    Gero ist einfach ein "Gentleman" :grin. Es gibt da so ein wunderbares Buch von F.W. Koebner "Der Gentleman. Ein Brevier für den Herrn von Welt", erstmals erschienen 1913. Das hatte ich zufällig antiquarisch gefunden und das wurde mein Brevier, um Gero angemessen auszustatten und sein Gebaren zu schildern. Auch er ist einfach ein Kind seiner Zeit. Letztlich sind wir das doch alle..... :lache

  • Emmy : Ja, das Kleeblatt hat es in sich...


    Constanze ist in gewisser Hinsicht von Selmas Welt, die ihr so fremd ist, fasziniert. Gerade weil sie eine vergleichsweise traurige Jugend durch den Tod des Bruders hat. Selma besitzt die Leichtigkeit, die ihr fehlt. Zugleich ist ihr klar, dass Selma das auch nicht glücklich macht. Beide ergänzen sich ein wenig, weil die eine das hat, was die andere sucht. Aber Constanze ist schneller klar als Selma, dass es nicht reicht, der anderen einfach nachzueifern. Jeder hat da seine ganz eigene Mischung, um glücklich zu werden....

  • Liebe Heidi,


    die beiden ergänzen sich schon in gewisser Weise, nur kann Selma nicht von
    Constanze`s Weltsicht profitieren, die wesentlich realistischer und klarer ist als die ihre.
    Dazu ist Selma zu sehr von sich überzeugt.

  • Emmy : die könnte schon sehr viel von Constanzes Weltsicht profitieren, wenn sie nur wirklich wollte. Aber das würde ihr zu der eigenen zu viele Fragen aufbürden. Eigentlich merkt sie das gleich im Café in Karlsruhe, als sie sich kaum erst ein, zwei Stunden kennen. Und sofort schließt sie diese Tür, weil ihr klar wird: Constanze hat ein klares Ziel vor Augen, durch den Tod des Bruders hat sie auch schon die bitteren Seiten des Lebens kennengelernt und darauf aufbauend ihr Leben neu ausgerichtet. Selma hat - glückerlicherweise - einen solchen Schicksalsschlag noch nicht verdauen müssen, aber ihr wird klar, dass das Leben nicht allein aus schönnen Kleidern, Festen und Vergnügungen besteht....

  • Der Einstieg in das Buch fällt leicht: eine flüssig, leichte Sprache, ausführliche Beschreibungen lassen die Stimmung der Sommerfrischler greifbar werden. Allerding bin ich da auch ein wenig beeinflusst, da meine Vorfahren aus dieser Gegend kommen und ich auch heute in der Nähe von Karlsruhe lebe.


    Gleichzeitig macht mich das aber auch nachdenklich. Meine Vorfahren haben in der Nähe von Baden-Baden gelebt und nicht in der komfortablen Situation der Sommerfrischler gelebt. Ganz im Gegenteil. Ihr Leben war gekennzeichnet von Armut und harter Arbeit (Bergwerk, Landwirtschaft, etc.). Wie seltsam müssen Ihnen die Sommerfrischler in der Region erschienen sein.

  • Pelican : Das ist wirklich eine völlig andere Welt, in der die Romanfiguren da unterwegs sind. Und anders als in anderen Büchern, in denen ich mich oft mit sehr einfachen Verhältnissen beschäftigt habe ("Blutige Hände" geht um den Streik der Münchner Schneider 1870, eine der ärmsten Schichten der Stadt; "Tod im Englischen Garten" erzählt von den einfachen Dienstboten und Handwerkern und ihrem Traum vom großen Geld & Glück; "Die Wundärztin" spiegelt das Schicksal der einfachen Söldner und ihrer Familien im Tross des 30jährigen Krieges), bleibe ich dieses Mal ganz in dieser "upper class" der gut Betuchten, die mit dem goldenen Löffel im Mund geboren wurden. Das nur vorweg, denn natürlich ist mir klar, dass das nur einen ganz bestimmten Kreis Leute umfasst, der vermutlich keinen einzigen Gedanken an die Welt der anderen verschwendet. :grin

  • So heute habe dann auch ich mit diesem wundervollen Roman begonnen. Bereits die ersten Seiten haben mich schon verzaubert und ließen mich gut in die Geschichte einsteigen.


    Wir schreiben das Jahr 1913 und Familie Rosenbaum genießt den Sommer wie immer in Bade-Baden. Die 21 Jährige Selma wartet sehnsüchtig auf ihren Verlobten Gero von Sudloff, der jedoch nicht kommt und nur seinen roten Audi schickt. Ich hatte den Eindruck, dass Selma zwar schon etwas traurig war, aber da sie sich so gut mit ihrem Bruder versteht, kann sie sich auch gut ohne Verlobten beschäftigen. Ihr Leben scheint bisher recht sorglos verlaufen zu sein und das in betuchten Kreisen. Trotzdem empfinde ich sie als sehr mutige Frau, die sich leicht gegen die Konventionen ihrer Gesellschaft auflehnt. Warum sonst sollte sie als Frau das Autofahren lernen wollen?


    Total gefallen hat mir Großmutter Meta, eine wirklich sympathische Frau, die immer mit Rat und Tat zur Seite steht.


    Besonders spannend fand ich das Kennenlernen der Rosenbaums mit den Weißkirchners, denn hier erlebt Selma zum ersten Mal, dass das Leben nicht immer nur glücklich ist, denn Constanze wuchs ohne Mutter auf und ihr älterer Bruder ist ertrunken. Aber Selma sorgt mit ihrem freudigen Gemüt dafür, dass Constanze mit ihrem Vater nicht allein sein muss. Zudem denke ich, dass die jungen Frauen sich gegenseitig ein Vorbild sein können, denn Selma kann Constanze mehr in die Gesellschaft einführen und Constanze kann ihr etwas über Motoren beibringen und klar machen, dass es mehr gibt als nur die Frau von ... zu sein. Wirklich toll, dass Otto Weißkirchner seine Tochter dazu ermuntert zu studieren. Vielleicht zieht Selma da noch nach?!


    Die Erwähnung, dass Bruder Grischa zum Militär gehen will, beunruhigt mich ein wenig, denn wir als Leser wissen ja bereits was ein Jahr später passieren wird...


    Benzin und Öl gab es früher in Apotheken und nicht in Tankstellen? Das war mir bisher nicht bekannt, da habe ich wieder etwas dazu gelernt.


    Hoppla, dieser Robert Beck scheint ja wirklich ein interessanter Kerl zu sein, wenn Selma da mal nicht mit dem Feuer spielt.


    Völlig unerwartet kamen für mich übrigens die Fantasien, die Selma so über ihren Gero hegt und was sie gern mit ihm anstellt. Durchaus interessant, wenn solche Szenen nicht überhand nehmen.

  • nicigirl85 : Wie schön, dass Du auch wieder mitliest! Und gleich hast Du so einen erfreulichen Zugang zu Selma und den anderen gefunden. Auch das freut mich sehr!


    Tankstellen gibt es erst seit den 20er Jahren. Davor wurde Benzin tatsächlich in Apotheken verkauft. Leider habe ich das nirgendwo auf Fotos gefunden, sondern im Deutschen Museum in der Abteilung Auto erfahren sowie in diversen Büchern gelesen. Es muss seltsam gewesen sein, denn die Autos damals waren ja alles andere als sparsam. Wo haben die Apotheker das aufbewahrt? Falls ich da mal was finde, poste ich es (aber bislang suche ich noch vergeblich...)


    Mit dem Wissen von heute lesen wir Grischas Fliegerträume tatsächlich anders, wie uns so manches deshalb merkwürdig erscheint. Aber das macht meiner Meinung nach auch einen Großteil dieser "nahen" Geschichte aus: es ist uns irgendwie vertraut und dann doch wieder fremd und anders. :-)


    Dank Constanze wird Selma tatsächlich darauf gestoßen, wie behütet und glücklich ihr Dasein bislang ist. Die Weißkirchners entstammen ja derselben Schicht. Selma begreift also, dass man nicht arm und minderbemittelt sein muss, um ein Schicksal zu haben. Zugleich erkennt sie, dass Constanze ein Ziel hat und sich nicht einfach treiben lässt. Das macht ihr noch viel mehr zu schaffen.....

  • Ich habe jetzt auch den ersten Abschnitt beendet.


    Selma ist mir nicht richtig sympathisch, sie ist nur an ihrem Spass interessiert und schert sich nicht darum, was andere davon halten, oder ob sie damit einverstanden sind. Ich glaube, sie hat immer bekommen, was sie wollte. Irgendwann sollte ihr jemand mal verwehren ihren Willen zu bekommen.


    Gero wird zwar nur durch seine Briefe und Selmas Gedanken vorgestellt, aber ich mag ihn nicht. Er ist irgendwie so schwülstig...


    Die Grossmutter, Meta, find ich super. Schreibt unter einem Pseudonym auch noch Frauenromane. :grin Nur Hedda sollte das wohl nicht mitbekommen...


    Über den Rest der Familie Rosenbaum (ausser Grischa, den ich nicht so richtig einschätzen konnte) kann ich noch nicht so viel sagen. Bei dem Vater habe ich das Gefühl, dass er mit seinem Verlag verheiratet ist und ihn gar nicht so recht interessiert, was während des Urlaubes so um ihn herum passiert, hauptsache er hat seine Zeitung. Hedda ist für mich auch noch ein wenig "gestrig" in ihrem Auftreten und auch in ihrer Verhaltensweise.


    Die Zeit in der das Buch spielt ist gerade mal 100 Jahre her und doch kommt mir einiges so seltsam vor. Frauen, die den Führerschein machen sind heute normal. Und dass sie Hosen tragen ist noch normaler. Auch, dass Briefe noch versiegelt waren. (nebenbei gefragt, sagt man das wirklich so, ein Siegel erbrechen? Das hat mich ein bisschen stutzen lassen)


    Die Begegnung mit Constanze und ihrem Vater fand ich sehr nett. Die beiden könnten mir auch gefallen.


    Als die beiden Mädels in Belfort unterwegs sind und Selma einfach so über den Kopf der Freundin hinweg entscheidet, dort zu bleiben und den Abend mit dem Fremden Robert zu verbringen, da hätt ich ihr am liebsten eine geklebt. Sie geht ja nicht mal auf die Proteste von Constanze ein.


    Ausserdem kommt sie mir ein bisschen überheblich vor, nur weil sie und Gero nicht mehr nur Händchen halten... Der Rest der Welt muss doch nicht so sein wie sie.

  • mazian : Selma ist, wie gesagt, nicht einfach. Sie lebt in ihrer Welt, nutzt aber schon jede Gelegenheit, daraus auszubrechen, und merkt damit unbewusst, dass es nicht auf ewig so weitergehen wird.
    Hedda dagegen klammert sich an diese alte Welt, die ihr Sicherheit gibt, einen festen Platz und ganz genaue Vorstellungen davon, was richtig ist und was nicht.
    Meta ist da viel weiter als ihre Tochter, aber sicher genau deshalb über ihre Tochter verwundert.


    Diese Welt ist uns wirklich sehr fremd, aber doch auch sehr nah. Mich berührt die Vorstellung, dass meine Großeltern in dieser Welt aufwuchsen und ich Fotos kenne, die aus dieser Zeit stammen. Das macht für mich auch die besondere Anziehungskraft aus.