Welt in Flammen - Benjamin Monferat

  • Welt in Flammen
    Benjamin Monferat
    Wunderlich/Rowohlt
    ISBN: 380525069X
    768 Seiten, 22,95 Euro



    Über den Autor: Hinter dem Pseudonym Benjamin Monferat verbirgt sich ein erfolgreicher deutscher Autor. Als Schriftsteller und Historiker hat er sich ganz der Geschichte verschrieben – in all ihren Bedeutungen. Neben einem Kleinbahnhof an der innerdeutschen Grenze aufgewachsen, gehört das Schnaufen historischer Dampflokomotiven zu seinen ältesten Erinnerungen. Die Lebensgeschichte seines Großvaters, der im Dritten Reich am Bau luxuriöser Salonwagen beteiligt war und gleichzeitig tätigen Widerstand gegen das Regime übte, war einer der Impulse, aus denen heraus «Welt in Flammen» entstand.


    Buchrückentext: Mai 1940: Deutsche Panzer rollen westwärts. Während in Paris die Angst um sich greift, bricht der Simplon Orient Express ein letztes Mal nach Istanbul auf. An Bord des Zuges eine schicksalhafte Reisegesellschaft. Jeder der Fahrgäste mit einem ganz eigenen Grund, diese letzte Fahrt unter allen Umständen anzutreten: Ein Balkanfürst will die Herrschaft über sein Land zurückfordern. Seine jüdische Geliebte fürchtet um ihre Liebe – und um ihr Leben. Ein deutscher Spion setzt alles daran, sie zu beschützen. Ein russischer Großfürst ist auf der Flucht, die Sowjetmacht ihm längst auf den Fersen. Eine Stummfilmdiva fürchtet das Vergessen werden mehr als den Krieg. Ebenfalls an Bord – Agenten aller kriegführenden Mächte. Was niemand ahnt: Im Zug befindet sich etwas, nach dem Hitler seine Truppen in ganz Europa suchen lässt. Die Fahrt steht von Anfang an unter einem schlechten Stern. Jeder Grenzübertritt kann das Ende bedeuten. Jeder der Passagiere fürchtet den nächsten Tag. Schließlich bricht Feuer aus. Und während Europa in Dunkelheit versinkt, rast der Express als lodernde Fackel durch die Nacht...


    Meine Meinung: Wenn ich an den Orient Express denke, so fällt mir zuerst der Film „Mord im Orient Express“ ein und genau in dieser Tradition ist dieses Buch geschrieben. Der Leser begleitet den Luxuszug auf seiner letzten Fahrt durch ein brennendes Europa – ein Europa, das es später so nie wieder geben wird. Die Reisegesellschaft an Bord des Zuges ist ähnlich wie bei dem Filmklassiker sehr bunt gemischt und auch hier reisen einige Personen mit, deren undurchsichtige Motive lange im Dunkeln bleiben.


    Die Einteilung der Handlung wird nach den aktuellen Streckenabschnitten gegliedert, dazu finden sich viele kurze Blicke auf die einzelnen Reisenden. Sehr geschickt hat der Autor oft am Ende eines kurzen Abschnitts einen Cliffhanger eingebaut und so springt man mit beinahe permanent hoher Spannung von Figur zu Figur, lernt sie ganz allmählich kennen und gewinnt langsam einen Einblick in die vielen unterschiedlichen Gründe für die Anwesenheit im Zug. Leider wirken die meisten Personen wie direkt aus einem Hollywood-Streifen entsprungen und so kommen einem viele Eigenschaften an den Mitgliedern dieser illustren Reisegesellschaft sehr bekannt vor; da ist zum Beispiel die schöne kühle Großherzogin Romanow, die immer noch an ihre Vertreibung aus Russland denkt, eine Stummfilmdiva, die neben einem kühlen Kopf alles hat, was man als Heldin so braucht, alle mit ihren Sprüchen aufmuntert und immer und sofort Herrin in jeder Lage ist, der geheimnisvolle englische Gentleman, der alles und jeden mit seinen Anekdoten aus diversen Kriegen und Aufständen beglückt, oder der aus dem Exil zurück kehrende König Carol, der kein Blut sehen kann. Sie alle kommen einem merkwürdig bekannt vor und das ist ein wenig schade, denn es ist, als habe man sie im Film schon hundert Mal gesehen, man ahnt man im Voraus, wie sie handeln werden und da sie nicht über ihren Schatten springen können, sorgen sie nicht wirklich für Überraschungen. Zum Glück wird das durch die spannende Handlung dann aber mehr als ausgeglichen.


    Fast alle Reisenden haben etwas zu verbergen und nichts ist letztlich so, wie es anfangs scheint. Je mehr man erfährt, umso besser kann man die einzelnen Puzzleteile, die einem vorgesetzt werden, zu einem großen Ganzen zusammensetzen. Handlung und Personen sind fiktiv, die Personen haben aber zum Teil reale Vorbilder, doch die politische Situation, unter denen der Zug seine letzte Reise von Paris bis nach Istanbul antritt, ist leider wahr und da bei den vielen unterschiedlichen Reisestationen auch die dort herrschenden politischen Gegebenheiten eine Rolle spielen, wird beim Lesen erschreckend real das düstere Bild einer untergehenden Welt erweckt. Ganz Europa befindet sich auf einem Pulverfass und es scheint nur noch Sekunden zu dauern, bis jemand die Lunte zünden wird. Dies alles so plastisch und gut recherchiert darzustellen ist dem Autor unglaublich gut gelungen.


    Trotz der etwas stereotypen Figuren hat man mit diesem Buch einen richtig guten Schmöker, der sich auch verfilmt gut machen würde.


    Mein Fazit: Ein spannender und interessanter Abenteuer-Roman der sich allein schon durch sein Thema von den zurzeit aktuellen Romanen abgrenzt und der ein kurzweiliges Lesevergnügen zu bieten hat.

  • Ein wunderbares Historienepos mit Schmalz, Pathos, Liebe, Lust und Hass. Es fehlt nichts, was das Leserherz erfreut.


    Allerdings liegt der Teufel im Detail. Alexej mutiert zu schnell zum Bolschewisten, Katharina lässt sich zu schnell mit ihrem größten Feind ein, Betty hüpft zu schnell mit „Charming Carol“ in die Kiste. Veras wahres Gesicht wirkt zu gekünstelt. Doch die größten Schönheitsfehler liegen woanders.



    Sieht man von diesen Details ab, die ein guter Lektor problemlos eliminiert hätte, ist es ein spannender Geschichtswälzer, der mir sehr gut gefallen hat. Der Zug bildet die Schnittstelle zwischen Untergang und Hoffnung, die alte Welt stößt auf die Moderne und am Ende siegt die Hoffnung.

  • Das meiste von dem, was du nennst, ist mir auch aufgefallen und gerade die Schnelligkeit, mit der manche Dinge geschehen, habe ich mir mit der kurzen Zeit der Reise erklärt. Es musste ja alles irgendwie im Zeitraffer geschehen. Speziell bei Alexej war die schnelle Bekehrung zum Bolschewismus sicherlich mit der Auflehnung gegen seinen Vater denkbar.


    Dass der Agent der Abwehr einer ihm unbekannten Person eine wichtige Nachricht in die Hand drückt, fand ich auch unsinnig - zumal dann genau in dem Moment, als das Ganze entschlüsselt war, das eintritt, vor dem in der Nachricht gewarnt wurde. Es wirkt eben alles, wie für einen Hollywood-Streifen geschrieben, bzw. zumindest davon beeinflusst.

  • Ich habe das Buch auch gelesen und habe mich gut unterhalten gefühlt. Sehr gut haben mir die fließenden Übergänge von den einzelnen Personengruppen gefallen, man hatte nie das Gefühl etwas zu verpassen sondern war sofort wieder in der nächsten "Geschichte" gefangen genommen. Mir persönlich hat jedoch eine Person gefehlt, die mich ans Buch "fesselt". Ich mag es, wenn ich mit jemand mitleide, mich mitfreue etc. Das kam mir in diesem Buch zu kurz, wird aber wahrscheinlich viele nicht stören, im Gegenteil - so ist es ein Buch für Männer und Frauen, für jung und alt. Ein ideales Geschenkbuch, weil es meines Erachtens sehr "massentauglich" ist. Mit anderen Worten ein Gewinn für den Buchhandel. :wave



    Hallo beisswenger,
    bitte setz einen Spoiler, wo der Schatz versteckt ist. Es ist wesentlicher Bestandteil des Buches und du verrätst hier zu viel. Danke :wave

  • Liebe Eskalina,


    da bin ich nicht so nachsichtig wie du. Ich ärgere mich nicht nur über Bücher, sondern auch über Filme, in denen wichtige Details unlogisch verknüpft werden, nur weil man anscheinend denkt, die Zuschauer/Leser wären so blöd und würden es eh nicht merken.


    Mit ein wenig Sorgfalt wären die Fehler leicht abzustellen. Gut, falls Heyne, Goldmann & Co. das nicht hinbekommen, dann hätte ich ja noch Verständnis. Aber es ist schon sehr schade, wenn in einem renommierten Verlag ein Buch veröffentlicht wird, in dem zwar nur ein Rechtschreibfehler steckt, aber doch so einige logische Mängel enthalten sind.

  • Nach längerer Diskussion mit einer Person, die sich mit dem Buch sehr intensiv beschäftigt hat, möchte ich die halbe Strecke zurückrudern und zugeben, dass ich in meiner Kritik übers Ziel hinausgeschossen bin. Dafür entschuldige ich mich gerne. Ich stelle die Diskussion in den Spoiler, falls es jemanden interessiert, der sich gerne seine eigene Meinung dazu bilden möchte:


    1. Kritikpunkt: Schatz der Zarin



    Beisswenger:
    Ich gebe zu, deine Erklärung hebt einige Widersprüche auf, aber nicht alles. Wäre Elenas Vater wirklich das Risiko eingegangen, die Steine in der Puppe zu verstecken? Eine Puppe, die plötzlich viel schwerer geworden ist, muss zwangsläufig auffallen, nicht nur der kleinen Elena. Hätte die Kleine die Puppe nicht untersucht? Oder womöglich irgendwo liegengelassen? Also ich wäre dieses Risiko nicht eingegangen.


    Unbekannte Person:
    Ist es nicht so, dass Elena und ihre Puppe schlicht unzertrennlich sind? Offenbar hat sie sie ständig dabei. Scheint es nicht schwer vorstellbar, dass sie sie irgendwo liegenlassen würde? Und ist es nicht so, dass wir von der Szene, in der Constantin die Steine in der Puppe verstaut, keine Schilderung besitzen? Wir wissen also nicht, wie das genau ausgesehen hat. Auf jeden Fall aber muss er die Puppe dazu in die Hand bekommen haben. In Elenas Gegenwart? Hat er ihr bei dieser Gelegenheit etwas eingeschärft? Die Puppe nicht aus der Hand zu geben? All das könnte sein oder auch nicht sein. Wir wissen lediglich, dass sein Plan offenbar gelingt - zumindest bis zu dem Augenblick, in dem die Kleine ihre Puppe an Xenia übergibt. Und da wäre - mit gutem Willen - ein Gedanke zu konstruieren. "Ninotschka soll auf euch aufpassen", sagt die kleine Elena in diesem Moment (S. 524). Wäre es nicht möglich, dass sie hier etwas wiedergibt? Dass sich Constantin der Kleinen gegenüber ähnlich geäußert hat: Ninotschka ist jetzt unser Schutzengel. Pass gut auf sie auf. Wie gesagt: Das steht so nicht expressis verbis im Buch. Es kann dort auch nicht stehen, weil wir keine entsprechende Perspektive besitzen. Und bedenken wir auf jeden Fall eines: Constantin ist - anders als Canaris und seine Mitstreiter - kein Nachrichtenoffizier. Im Gegenteil: Graf Béla scheint nicht sonderlich große Stücke auf ihn zu halten: "'Wenn der Mann auch nur einen Zoll über die eigene Stiefelspitze hinwegdenken könnte!'" (Constantin hat nicht realisiert, wer dafür verantwortlich war, dass die Attentäterin Zugang zu Carol bekommen hatte.) (S. 674 f.) Vielleicht könnten wir also einfach im Hinterkopf haben, dass der Großfürst nicht der hellste Buntstift in der Schachtel ist.


    2. Kritikpunkt: Verschlüsselte Information



    Beisswenger:
    Der Agent, der die Nachricht überbringt, muss ein Trottel sein. Gut, die Einschätzung wird ja von den Russen geteilt. Aber der Chef bleibt immer noch Canaris. Und wir wissen, Canaris war Profi. Und er hatte seine Abteilung im Griff. Trottel wären nicht lange in der Abwehr geblieben. Also, ich war nicht beim MAD. Aber ich bin 100%ig überzeugt, man hätte dem Trottel ein Foto mitgegeben, damit er die wichtige Botschaft auch dem Richtigen aushändigt.


    Unbekannte Person:
    Hm, ein Foto. Zugegeben: Das wäre nicht dumm gewesen. Oder jemanden zu schicken, der die beiden tatsächlich kennt (was unter Umständen schwierig hätte werden können, da ja nur einige wenige Angehörige des Dienstens auf Canaris' Seite stehen).

  • Ein Gruß in die Runde.


    Ich bin besagte von beisswenger angeführte Person und kann auch offen anfügen: Ich bin Benjamin Monferat. :-)


    Nachdem ich gestern beisswengers Beitrag gesehen hatte, wollte ich meine Anmerkungen zunächst offen posten, was aber durch Einstellungen des Profils verhindert hat. Wolke hat das aber flugs wieder hinbekommen. Ganz herzlichen Dank dafür!


    Was ich an dieser Stelle noch anfügen möchte, weil es mir sehr wichtig ist und mein Ausgangspunkt, den ich beisswenger auch mitgeteilt hatte:


    Ein Autor sollte den Mund halten, wenn seine Veröffentlichung kritisiert wird. Wenn ein Leser den Eindruck hat, irgendetwas gehe zu schnell, sei nicht richtig motiviert oder einfach nicht gelungen, Personen seien nicht überzeugend gezeichnet oder was auch immer: All das hat der Autor nicht zu kommentieren. Und daran halte ich mich auch und werde mich auch unter dem Pseudonym Benjamin Monferat daran halten


    Was mich in diesem Fall bewegt hat, dennoch einzugreifen, war ausschließlich beisswengers Verweis auf das Lektorat, das nicht gut oder nicht sorgfältig gearbeitet hätte. Ich möchte mich hier vor meine Lektorinnen stellen, weil ich der Auffassung bin, dass sie tatsächlich sehr gute Arbeit geleistet haben. Und hier war es mir wichtig, dass die scheinbaren Widersprüche und Fehler, die beisswenger angeführt hat, nicht oder doch nicht in dem von ihm angeführten Maße im Buch zu finden sind und also auch von meinen Lektorinnen nicht zu finden waren.


    Es geht also nicht darum, mich zu verteidigen oder das Buch zu "erklären". Alles, was zum Verständnis wichtig ist, muss auf den Seiten des Buches zu finden sein; sonst hätte ich schlecht gearbeitet.


    Ich allein, und nicht meine Lektorinnen. Nicht ihre Namen stehen auf dem Umschlag, sondern der meine (oder doch mein Pseudonym). Für alle Fehler, Schwächen und Missverständnisse trage ich allein die Verantwortung. In dem Moment, in dem ich die Druckfreigabe erteilt habe, habe ich diese Verantwortung übernommen, und ich konnte das guten Gewissens tun, weil es sich um sehr gute und professionelle Lektorinnen handelt.


    Das und nichts anderes sollen meine Anmerkungen zum Ausdruck bringen.


    Dennoch möchte ich auch beisswenger danken, für unseren Austausch, der mir noch einmal einen neuen Blick auf das eigene Buch gegeben hat und die Möglichkeit, die eine oder andere Sache noch einmal zu überdenken. Wie das eigentlich bei jeder Reaktion der Fall ist. Und damit habe ich Euch und Ihnen allen zu danken.


    Ergänzen darf ich vielleicht noch, dass ich mich sehr über die insgesamt doch sehr freundliche Aufnahme des Titels freue und allen aktuellen und künftigen Lesern viel Freude bei der Lektüre wünsche.


    Benjamin Monferat

    "Ich bin nicht der Meinung, dass jemand, der eine andere Meinung hat als ich, nur deswegen kritisiert werden muss. Er muss dann kritisiert werden, wenn er etwas vertritt, was nicht echt ist." (Helmut Schmidt)

  • Ich interessiere mich auch für dieses Buch, habe an euch Leser aber eine Frage.
    Mich stören in solchen Thrillern (mit solchem oder ähnlichem Hintergrund) immer ausschweifende Sexszenen.


    Diese sind leider auch der Grund gewesen, weshalb ich mich von Ken Follett verabschiedet habe. Wie sieht es in diesem Buch damit aus?

  • Zitat

    Original von rombie
    Mich stören in solchen Thrillern (mit solchem oder ähnlichem Hintergrund) immer ausschweifende Sexszenen.
    Wie sieht es in diesem Buch damit aus?


    Hallo rombie,
    im Buch "Welt in Flammen" gibt es solche Szenen nicht. Es passiert zwar 2 x zwischen zwei Personen etwas, allerdings wird das Thema nicht groß erörtert. Du dürftest dich also nicht daran stören und damit wünsche ich dir viel Spaß mit dem Buch. :wave

  • Wolke


    Danke für deine schnelle Antwort. Das beruhigt mich ungemein. Bei KF hat es mich dann nur noch genervt. Wer solche Szenen haben will, greife doch gleich zu einschlägiger Litertur (Andresky...).


    In vielen Büchern passt das halt für mich nicht rein. Wie steht ihr eigentlich dazu?

  • Zitat

    Original von rombie
    Wolke


    Danke für deine schnelle Antwort. Das beruhigt mich ungemein. Bei KF hat es mich dann nur noch genervt. Wer solche Szenen haben will, greife doch gleich zu einschlägiger Litertur (Andresky...).


    In vielen Büchern passt das halt für mich nicht rein. Wie steht ihr eigentlich dazu?


    Hallo rombie,
    bitte mach doch zu dem Thema (in der Rubrik "Allerlei Buch") einen gesonderten Thread auf. :wave

  • Der Autor: Der Name Benjamin Monferat ist ein Pseudonym, und damit ebenso erfunden wie die Namen der handelnden Personen,was mir für den Erzähler einer fiktiven Geschichte durchaus passend erscheint.


    Das Buch: Die Deutschen stehen kurz vor Paris, und das die französische Hauptstadt fallen wird ist nur noch eine Frage der Zeit. Und für viele Menschen ist es höchste Zeit, die Stadt zu verlassen, aus den unterschiedlichsten Gründen.
    Eine Möglichkeit bietet der Simplon Orient Express, welcher ein letztes mal Richtung Istanbul aufbrechen wird.



    An Bord des Zuges versammelt sich eine illustre Gesellschaft von Reisenden, die das Glück oder das Geld hatten eine Fahrkarte zu ergattern. Geld wie die Romanows zum Beispiel, oder der abgesetzte König Carparthiens, welcher in sein Land zurückzukehren gedenkt.


    Oder Glück wie die junge Eva, die eigentlich hinter ihrem Ex-Geliebten her reist und es mit der Hilfe eines jungen Deutschamerikaners tatsächlich in den Zug schafft.


    Der texanische Ölmillionär und seine Frau unternehmen die Reise allerdings zum bloßen Vergnügen, nicht ahnend das es die Reise ihres Lebens werden wird......


    Das Buch: Der erste Gedanke geht vermutlich nicht nur bei mir sofort zu "Mord im Orientexpress", was allerdings vermutlich nur dem Namen des Zuges geschuldet ist. Aber auch Bujkos "Der goldene Zug" - der ab jetzt nur noch zweitbeste Zug-Roman - fällt mir ein, sowie Fords "Stagecoach". Auch dort begeben sich einige Personen auf eine gefährlich Reise, aus den unterschiedlichsten Gründen, und unterwegs offenbaren die Reisenden ihr wahres Gesicht. Auch in unserem Zug hat manch einer etwas zu verbergen, einige der anderen werden im Verlauf der Reise über sich hinauswachsen müssen.
    Nur Indianer kommen keine, dafür aber.... Aber ich will nicht vorgreifen....


    Wir haben es hier mit einer mehr oder weniger konstanten Gruppe zu tun, welche wir die ganze Fahrt über begleiten, eingeschlossen in dem Zug, dessen Aussenwände auch den Handlungsspielraum eingrenzen.
    Der Roman kommt dabei ohne eine eigentliche Hauptfigur aus, das Kunststück besteht für den Autor unter anderem darin, beinahe jede auftretende Figur für ihren jeweiligen Auftritt zur Hauptfigur zu machen und ausserdem dafür zu sorgen, das der Leser nicht der gerade verlassenen Person hinterher trauert und vielleicht sogar vorblättert, um deren Handlungsstrang zu folgen.


    Nun, in diesem Fall besteht die Gefahr nicht!


    Um die Personen vorzustellen setzt uns der Autor nicht einfach eine Liste mit Namen, Funktion und Wagennummer vor (Eine solche Liste befindet sich, ebenso wie eine Zeichnung des Zuges, ganz hinten im Buch), er schildert einfach wie sie sich im Zug untereinander begegnen. Sie treffen aufeinander und trennen sich wieder, in einzelnen Kapiteln, denen Ort und Zeit der Handlung vorangestellt sind. Jedes Kapitel widmet sich einer anderen Gruppe, und diese Gruppen setzen sich immer wieder aus anderen Personen zusammen, immer wieder zeigt das Kaleidoskop des Zuges ein anderes buntes Bild. Und zwar ebenso bunt und abwechslungsreich wie die Handlung, welche durch die Passagiere vorangetrieben wird. Dabei ist es gar nicht nötig das ständig irgendetwas spektakuläres passiert um die Spannung zu erhalten, die Verknüpfung der verschiedenen Handlungsstränge allein sorgt schon dafür das der Leser mit glühenden Ohren Seite um Seite verschlingt.
    Die gesamte Handlung entwickelt von der Abfahrt des Zuges an eine gewissermaßen gelassene Rasanz. Sie bewegt sich ebenso unaufhaltsam und ruhig vorwärts wie der Zug, ohne jemals hektisch oder überfrachtet zu sein. Ein Ereignis folgt dem Nächsten, die logische Konsequenz aus dem Naturgesetz das auf jede Aktion eine Reaktion erfolgt, allerdings wirkt das ganze keinesfalls konstruiert, die Verzweigungen der Handlung wachsen ganz natürlich - allein für die Planung dessen verdient der Autor unseren Respekt, und mehr noch für die interessante und spannende Art wie er es tut.


    Fazit: Stephan M. Rother - er steckt hinter dem Pseudonym - hat einen überaus spannenden, gut recherchierten und ausgesprochen lesenswerten historischen Abenteuerthriller geschrieben, dessen Qualität so manchem auf diesem Gebiet etablierten Autor zumindest erreicht, in vielen Fällen sogar überflügelt. Deren Glück das sich auf dem Buchmarkt nicht nur Qualität verkauft - denn dann wären sie jetzt arbeitslos....

  • Bodo Mr. Minton, I presume. :-)


    Starker Avatar! :frech

    "Ich bin nicht der Meinung, dass jemand, der eine andere Meinung hat als ich, nur deswegen kritisiert werden muss. Er muss dann kritisiert werden, wenn er etwas vertritt, was nicht echt ist." (Helmut Schmidt)

  • Ich hab's erst letzte Woche gesichtet und sofort gedacht: Dieser Mann MUSS das Buch lesen :-)

    "Ich bin nicht der Meinung, dass jemand, der eine andere Meinung hat als ich, nur deswegen kritisiert werden muss. Er muss dann kritisiert werden, wenn er etwas vertritt, was nicht echt ist." (Helmut Schmidt)

  • Titel: Welt in Flammen
    Autor: Benjamin Monferat
    Verlag: Wunderlich
    Erschienen: August 2014
    Seitenzahl: 767
    ISBN-10: 380525069X
    ISBN-13: 978-3805250696
    Preis: 22.95 EUR


    Das sagt der Klappentext:
    Mai 1940: Deutsche Panzer rollen westwärts. Während in Paris die Angst um sich greift, bricht der Simplon Orient Express ein letztes Mal nach Istanbul auf. An Bord des Zuges eine schicksalhafte Reisegesellschaft. Jeder der Fahrgäste mit einem ganz eigenen Grund, diese letzte Fahrt unter allen Umständen anzutreten: Ein Balkanfürst will die Herrschaft über sein Land zurückfordern. Seine jüdische Geliebte fürchtet um ihre Liebe und um ihr Leben. Ein deutscher Spion setzt alles daran, sie zu beschützen. Ein russischer Großfürst ist auf der Flucht, die Sowjetmacht ihm längst auf den Fersen. Eine Stummfilmdiva fürchtet das Vergessenwerden mehr als den Krieg. Ebenfalls an Bord Agenten aller kriegführenden Mächte. Was niemand ahnt: Im Zug befindet sich etwas, nach dem Hitler seine Truppen in ganz Europa suchen lässt. Die Fahrt steht von Anfang an unter einem schlechten Stern. Jeder Grenzübertritt kann das Ende bedeuten. Jeder der Passagiere fürchtet den nächsten Tag. Schließlich bricht Feuer aus.


    Der Autor:
    Hinter dem Pseudonym Benjamin Monfert verbirgt sich ein bekannter deutscher Autor.


    Meine Meinung:
    Um gleich mal mit der Tür ins Haus zu fallen: Vom Sitz gerissen hat mich dieses Buch absolut nicht. Vielmehr lässt es mich einigermaßen enttäuscht zurück. Die handelnden Personen bedienen sich fast jedes Klischees; Nazis und Kommunisten sind genauso wie Lieschen Müller sie sich vorstellt. Und auch die Großfürstenfamilie aus dem ehemals zaristischen Russland handelt und benimmt sich so, wie man es schon in unzähligen C-Filmen gesehen hat. Da hätte man sich ein wenig mehr Individualität der Protagonisten gewünscht. Leider bietet das Buch auch wenig erzählerische Höhepunkte. Die Geschichte wird in einem fast gleichförmigen „Singsang“ erzählt. Der Spannungsbogen wird zwar konsequent auf einem Level gehalten, nur bewegt sich dieses Level sehr knapp über dem Boden.
    Was mir so gut wie nie passiert: Wenn ich vor dem Einschlafen noch etwas lese, dann fallen mir beim Lesen so gut wie nie die Augen zu. Bei diesem Buch sind sie mir zugefallen.
    Sicher aber wird es Leserinnen und Leser geben, die diesen „Schinken“ verschlingen und ihn als Meisterwerk bezeichnen. Sollen sie – zeigt es doch auch, wie verschieden eben die Geschmäcker sind.
    Zu diesem Buch werde ich weder eine Leseempfehlung noch eine Nichtlesempfehlung abgeben. Jede/jeder sollte selbst die Möglichkeit haben, sich unbeeinflusst ein Urteil zu bilden.
    Fazit: Für mich eine Leseenttäuschung, das mag vielleicht auch daran liegen, dass ich etwas in der Art von Hermann Wouks „Feuersturm“ erwartet hatte. Das ist mein Fehler und darf natürlich dem Autor nicht angelastet werden.
    Ich werde diese Enttäuschung aber verkraften und vergebe 5 von 10 Eulenpunkten.

    Ich mag verdammen, was du sagst, aber ich werde mein Leben dafür einsetzen, dass du es sagen darfst. (Evelyn Beatrice Hall)


    Allenfalls bin ich höflich - freundlich bin ich nicht.


    Eigentlich mag ich gar keine Menschen.

  • Also wenn ich gekonnt hätte, hätte ich das Buch in einem Rutsch durchgelesen, die Geschichte hat mich richtig gefesselt! :-]


    Meine Meinung:


    Seit jeher heizt der Orient Express die Fantasie der Menschen an und spätestens seit Agatha Christies legendärem "Mord im Orient Express" steht der einzigartige Zug für einen Mikrokosmos, der die reale Welt bis ins Detail widerspiegelt. Genauso ist es auch in dem prall gefüllten Roman "Welt in Flammen" von Stephan M. Rother alias Benjamin Monferat, der hier abseits seines gewohnten Terrains wandelt und den Ausflug vom Krimi/Thriller-Genre in das historische Setting mit Bravour meistert. Nicht nur, dass der Leser von der ersten Seite an förmlich ins Geschehen hineingezogen wird, der Spannungsbogen wird durch die ständig wechselnden Erzählperspektiven auch bis zuletzt aufrechterhalten.


    Besonders gelungen ist die dichte Atmosphäre an Bord des Simplon Orient Express, die wunderbar authentisch wirkt. Auch ohne weitschweifige Beschreibungen technischer Details meint man beim Lesen den Dampf der Lok zu riechen, die prunkvolle Inneneinrichtung zu sehen, die im Speisewagen servierten Gerichte zu schmecken und die holprigen Streckenabschnitte zu spüren.


    Sämtliche Figuren, so unterschiedlich sie in ihrer Herkunft, ihrem Wesen und ihrem Zweck der Reise nach auch sind, sind sehr lebendig gezeichnet und angesichts der Tatsache, dass sie mit dem Zug soeben einem gigantischen Pulverfass entfliehen, mag man ihnen ihr manchmal vielleicht etwas stereotypes Verhalten nicht übelnehmen. Dennoch halten sie so manche Überraschung bereit und nehmen den Leser mit ihren kleinen und großen Geheimnissen und ihrem persönlichen Schicksal gefangen. Mit den Zwischensequenzen, die außerhalb des Zuges spielen, werden die Ereignisse im Zug in eine ebenso stimmige wie beängstigende Außenkulisse gesetzt und dem Leser eindringlich vor Augen geführt, in welcher brisanten Situation sich der Zug mit all seinen Insassen auf den Weg gemacht hat.


    Ein wunderbarer Abenteuerroman - bestens geeignet, um dem Alltag für einige Zeit zu entfliehen und einzutauchen in eine längst vergangene Welt zwischen Prunk und Politik, die nur einen Schritt vom Abgrund entfernt ist, auf den sie unaufhaltsam zusteuert.