Mini-LR d. Querbeet-Lesegruppe: Es geht seinen Gang - Erich Loest (ab 16.9.14)

  • Es geht seinen Gang oder Mühen in unserer Ebene - Erich Loest


    Vor ungefähr einem Jahr haben xexos und ich verabredet, diese Buch mal gemeinsam zu lesen. Nun ist es so weit. Wir freuen uns, dass Herr Palomar auch mitlesen möchte.


    Also auf, lasst uns auf die Reise in die nahe Vergangenheit gehen!


    Inhalt
    Ein Mann verweigert sich dem Leistungsdruck der Gesellschaft und seiner Familie. Früher war er ein Rebell, dem Rockmusik wichtiger war als der Sozialismus.
    (Klappentext)


    Mitleser
    xexos
    Herr Palomar
    Clare


    Einteilung
    1. Kapitel 1-3
    2. Kapitel 4+5
    3. Kapitel 6-8
    4. Kapitel 9-Ende

    Bitte im Beitrag immer vermerken, zu welchem Abschnitt gerade geschrieben wird!!!

    - Freiheit, die den Himmel streift -

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  • Abschnitt 1: Kapitel 1-3

    Zitat

    Zitat: original von xexos


    Kennst Du das Buch auch schon oder liest Du es zum ersten Mal?


    Ja, ich lese das Buch zum ersten Mal, und wenn ich mal ehrlich bin, dann habe ich schon reingelunscht :grin
    Sofort werde ich in DDR-Zeit zurück katapultiert. mal schauen, wie intensiv das Ganze wird.


    Ich habe von Loest bisher nur "Nikolaikirche" gelesen, vor vielen Jahren, und ich fand, dass es unbedingt an der Zeit wäre, noch mehr von ihm zu lesen.
    Und da sind wir nun.
    Morgen geht es richtig los. Ich freu mich!


    Aber du hast es schon mal gelesen, oder?

    - Freiheit, die den Himmel streift -

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  • Ja, ich habe irgendwann 1995 mal "Es geht seinen Gang" in der Uni-Bibliothek gefunden und gelesen. Das hatte mir damals sehr gut gefallen und daher habe ich von Loest anschließend noch Fallhöhe, Katerfrühstück, Zwiebelmuster und Gute Genossen gelesen. Auf dem SUB sind nun noch Bauchschüsse, Die Mäuse des Dr. Ley, Nikolaikirche und Völkerschlachtdenkmal. Ich hoffe, nach unserer Runde mal wieder Lust auf Erich Loests Bücher zu bekommen, um mir dann endlich auch die bislang ungelesenen vorzunehmen.

  • Zitat

    Original von xexos
    Ja, ich habe irgendwann 1995 mal "Es geht seinen Gang" in der Uni-Bibliothek gefunden und gelesen. Das hatte mir damals sehr gut gefallen und daher habe ich von Loest anschließend noch Fallhöhe, Katerfrühstück, Zwiebelmuster und Gute Genossen gelesen.


    Ich habe von Loest auch ein paar Bücher gelesen: Sommergewitter, Jungen, die übrig blieben, Schattenboxen, Nikolaikirche sowie einen seiner Kriminalromane


    Als Experte für Erich Loest und seine Literatur würde ich mich dennoch nie bezeichnen. Die DDR war mir immer fremd.



    Ich blättere mein Buch nur vorsichtig um, da es sich um ein Exemplar handelt, dass mir Erich Loest nach einer Lesung signiert hatte. Das war ungefähr 2003, da las er genau aus diesem Roman, auf den er sichtlich stolz war.


    „Es geht seinen Gang oder Mühen in unserer Ebene“ als etablierte Schul-Lektüre. Das war ihm offensichtlich wichtig.
    Schließlich hatte es der Roman bei seiner Veröffentlichung nicht einfach.


    Ich habe inzwischen viele Lesungen mit vielen Schriftstellern gesehen, aber diese blieb m mir im Gedächtnis. Erich Loest war immerhin eine Persönlichkeit, das kann man ihm bei aller Knarzigkeit nicht absprechen.




    Hinweis für zeitlich und räumlich Entfernte:
    Loest erklärt den Spruch „Es geht seinen Gang“ unter anderen als Kapitulation vor der Robustheit des Schlendrians. Das spricht mich irgendwie an.


    Der Name Wolf Wülff ist ja fast nicht zu glauben. So sprechende Namen hat auch Martin Walser immer gerne verwendet. Vielleicht ist das ein Merkmal von Schriftstellern der damaligen Generation.

  • Zitat

    Original von Herr Palomar
    Als Experte für Erich Loest und seine Literatur würde ich mich dennoch nie bezeichnen. Die DDR war mir immer fremd.


    Eine Expertin für DDR bin ich auch nicht, aber immerhin bin ich mittendrin aufgewachsen. Zur Wende war ich volljährig.


    Zitat


    „Es geht seinen Gang oder Mühen in unserer Ebene“ als etablierte Schul-Lektüre. Das war ihm offensichtlich wichtig.
    Schließlich hatte es der Roman bei seiner Veröffentlichung nicht einfach.


    Soweit ich das recherchieren konnte, hat er den Roman schon in der DDR veröffentlicht, aber die Zensur hat dann dessen Verbreitung gestoppt. Im Westen erschien er dann und erreichte hohe Auflagen, wurde sogar Schullesestoff. Ist das soweit richtig?


    Hat jemand von euch das Buch in der Schule gelesen?
    Mich würde interessieren, wie so ein Roman in der Schule behandelt wurde und ob man ihn als Nicht-DDR-Bürger überhaupt verstehen konnte. :gruebel Vielleicht halt nur anders.


    Zitat

    Hinweis für zeitlich und räumlich Entfernte:
    Loest erklärt den Spruch „Es geht seinen Gang“ unter anderen als Kapitulation vor der Robustheit des Schlendrians. Das spricht mich irgendwie an.


    Interessant fand ich den Nachsatz:
    "Bertolt Brecht gab zu bedenken, im Ablauf der Revolution folgten auf die Mühen der Gebirge die Mühen der Ebenen."
    Das trifft es. "Es geht seinen Gang" sagte man wirklich oft. Irgendwie wird es schon, aber eben ohne viel Enthusiasmus und ohne großen Einsatz. Gegen die "Robustheit des Schlendrians" war wohl schwer anzukommen. Die tägliche Frustration über die kleinen Dinge, die man fast alle nicht ändern konnte, war sicher einer der Gründe dafür.

  • Dann fange ich mal an.


    Wolfgang Wülff hat es zum Ingenieur geschafft, obwohl er nur der viertbeste in der Klasse war. Seine Mutter ist Arbeiterklasse, sein Vater im Westen. Keine Chance und auch keinen Abtrieb zu einer größeren Karriere. Ergeiz hat er nicht wirklich, dafür aber seine Frau.
    In diesen ersten Kapiteln lernen wir sein Leben kennen, seine vergessene, zaghafte Aufsässigkeit in der Jugend, die sofort von der Staatsmacht gedämpft wurde und sein jetztiges Leben im Alltag, im sozialistischen Realismus, eingezwängt zwischen Schrankwand und Wohnzimmertisch und Hemus. Er ist angepasst und verhält sich, wie man sich verhalten sollte, aber ihm fehlt jeglicher Elan und Mum. Fernstudium, aber nur weil es seine Frau will; Seitensprung mit Brischidd, zu dem er aber nicht den Mut hat; Profilierung im Beruf, aber wozu, denn es geht schon alles seinen Gang. Ein langweiliges Leben eines Naiven, der mal mutig anfing und die Beatles verehrte...
    Er kommt mir vor wie einer, der einen Schritt macht und feststellt, dass schon jemand dort war und sofort mit einem "Okay, dann eben nicht!" in sich zusammensackt.
    Dabei hätte seine Entscheidung nur 1 1/2 Jahre zur NVA zu gehen, eine mutige sein können. Schließlich verbaute ihm das so einiges, Karrierechancen etc. Dafür hätte er sich schon zu mindestens 3 Jahren verpflichten müssen. Aber er machte es nur aus Bequemlichkeit und auch Angst (Der Hundebiss).


    Deshalb sehr überraschend für mich, dass er Jutta schließlich belügt über das unmögliche Fernstudium. Mal schauen wie sich das weiter entwickelt. Ich bin gespannt.

  • Ich habe gestern zumindest schon das erste Kapitel lesen können und musste nun erst einmal nach "Hemus" suchen. Vera Lengsfeld beschreibt ihn als "den einzig trinkbaren, trockenen Weißwein".


    Hier "http://www.lyrikwelt.de/rezensionen/esgehtseinengang-r.htm" habe ich gefunden: "Vor fünfundzwanzig Jahren, im Frühjahr 1978, erschien Erich Loests Roman Es geht seinen Gang oder Mühen in unserer Ebene gleichzeitig in der DDR und der Bundesrepublik. Erste freundliche Rezensionen erschienen. Wegen seines zitronengelben Covers trug das (heute im Linden-Verlag vorliegende) Buch im Osten den Spitznamen "Das Gelbe Buch" und avancierte dort binnen Wochen zum Kultbuch. Zweiundzwanzigtausend Nachauflage waren vereinbart."


    Ich hatte es 1995 gelesen, weil ich wissen wollte, wie der Alltag in der DDR wohl war. Wie haben die Menschen empfunden, wie haben sie Diktatur erlebt und kamen damit zurecht? Ich denke, der Roman gibt bei diesen Fragen schon ein wenig Aufschluss.


    Interessant gleich die Szene, in der das Wohnzimmer der Freunde beschrieben wird. Jede Wohnung sah gleich aus und war gleich eingerichtet. Von der Parteiführung war so etwas ja absichtlich gewollt, es drückt aber auch gleich die Bedeutung von "Es geht seinen Gang aus". Man konnte den äußeren Gegebenheiten nicht entfliehen und konnte sich nur in grob vorgeprägten Bahnen bewegen.


    In der Schule habe ich das Buch nicht gelesen. Lesen war aber in meiner Schule eh nicht sehr populär. Leider war ich nur auf einer Gesamtschule, also Fast-DDR in Niedersachsen. ;-)


    Interessant fand ich dann die Jugenderinnerungen vom Leuschnerplatz. Die Liebe zur fremden Musik war schon Revolution und Wolfgang wurde von einem DDR-Hund gebissen, der doch eigentlich die bösen Amerikaner beißen sollte. Kontrolle und Agitation kommt da schon in jeder Zeile durch.

  • Zitat

    Original von xexos
    Ich habe gestern zumindest schon das erste Kapitel lesen können und musste nun erst einmal nach "Hemus" suchen. Vera Lengsfeld beschreibt ihn als "den einzig trinkbaren, trockenen Weißwein".


    Hemus gab es aber nicht überall und immer, wie so vieles. In der Satdt sicher schon, aber im Dorfkonsum...


    Zitat

    Interessant gleich die Szene, in der das Wohnzimmer der Freunde beschrieben wird. Jede Wohnung sah gleich aus und war gleich eingerichtet. Von der Parteiführung war so etwas ja absichtlich gewollt, es drückt aber auch gleich die Bedeutung von "Es geht seinen Gang aus". Man konnte den äußeren Gegebenheiten nicht entfliehen und konnte sich nur in grob vorgeprägten Bahnen bewegen.


    In den Plattenbauwohnungen konnte man die Möbel gar nicht anders stellen als wie von Loest beschrieben. Es gab unterschiedliche Typen der Neubauten. So wusste man bei der Nennung des Bautyps schon, wie die Wohnung aussah, ohne da gewesen zu sein. Viel Individualität war da nicht möglich und wohl auch nicht gewollt.


    Zitat

    Interessant fand ich dann die Jugenderinnerungen vom Leuschnerplatz. Die Liebe zur fremden Musik war schon Revolution und Wolfgang wurde von einem DDR-Hund gebissen, der doch eigentlich die bösen Amerikaner beißen sollte. Kontrolle und Agitation kommt da schon in jeder Zeile durch.


    Unruhestifter wurden präventiv rausgesiebt und hatten dann auch schon ihren Stempel weg. Machtdemonstration als vorsorgliche Maßnahme - bei den Meisten reichte das schon aus.

  • WBS 70 war wohl die gebräuchliste Form, oder? http://de.wikipedia.org/wiki/WBS_70 und http://de.wikipedia.org/wiki/P…he_Demokratische_Republik


    In Marzahn war ich in so einer Plattenbauwohnung mal drinnen. Es hieß ja auch noch Wohnscheibe oder auch Neubauwohnung und waren gesuchte bzw. beliebte Wohnungen, was nun nicht gerade ein Kompliment für den Zustand der Altbauten in der DDR war. Ende der 90er wohnte ich einige Jahre in Erfurt. Allerdings im modern sanierten Altbau. Da waren die Plattenbauten in der Innenstadt aber alle schon wieder aufwendig saniert und sehr beliebt. Die Namensschilder an den Klingeln waren dort alle elektronisch. Zuvor - Mitte der 90er - hatte ich mal ein Praktikum bei einer Wirtschaftsprüfungsgesellschaft gemacht. Wir prüften in der Zeit ein Wohnungsbauunternehmen in Bad Doberan und ich durfte mal in alten Mieterakten aus der DDR-Zeit blättern und lesen. Das war dann teilweise schon erschreckend, wenn die Mieter das fließende Wasser lobten - an den Wänden. Balkone durften teilweise nicht mehr betreten werden und die Geräusche der Nachbarn hörte man alle sehr intensiv durch die dünnen Wände. Aber dies ertrage ich derzeit leider auch in Hannover. :-(

  • Zitat

    Original von Clare


    Hat jemand von euch das Buch in der Schule gelesen?
    Mich würde interessieren, wie so ein Roman in der Schule behandelt wurde und ob man ihn als Nicht-DDR-Bürger überhaupt verstehen konnte. :gruebel Vielleicht halt nur anders.


    Ich habe das Buch nicht in der Schule gelesen.
    Zu meiner Zeit war die DDR für uns so weit weg!
    DDR-Autoren wurden bei uns nicht gelesen, höchsten ein so großer Name wie Christa Wolf war mal im Gespräch. Auch die Autoren, die übersiedelten, waren nicht automatisch bekannt.
    Erich Loest kannte ich damals nicht.


    Aber das Buch wurde 1980 auch verfilmt. Sogar mit Drehbuchfassung von Ulrich Plenzdorf.
    Den hätten sie in der Schule eigentlich mal zeigen können, aber da wurden dann doch lieber Western aus Hollywood gezeigt.
    Meine Schulzeit war in der Hinsicht doch recht armselig, im Rückblick betrachtet.

  • Zitat

    Original von Herr Palomar
    ...
    Aber das Buch wurde 1980 auch verfilmt. Sogar mit Drehbuchfassung von Ulrich Plenzdorf.
    Den hätten sie in der Schule eigentlich mal zeigen können, aber da wurden dann doch lieber Western aus Hollywood gezeigt.
    Meine Schulzeit war in der Hinsicht doch recht armselig, im Rückblick betrachtet.


    Und trotzdem ist so ein großer und der Vielfalt verhafteter Lese aus dir geworden! :-]


    Plenzdorf hat das Drehbuch geschrieben? Ich kenne die Verfilmung nicht, leider.
    Aber gelesen habe ich Plenzdorf, vor 23 Jahren, nämlich "Die neuen Leiden des jungen W.". Eigentlich müsste ich das auch mal wieder lesen, vielleicht im Anschluss an dieses Buch hier.

  • Ich muss mal noch etwas präzisieren:


    Ich habe mir meine Beiträge noch mal durchgelesen, und es könnte der Eindruck entstehen, dass ich Wülff für einen angepassten, naiven, langweiligen Mitläufer halte.
    Er ist Mensch, hat Schwächen und ist angepasst, ja. Ich denke, dass er das verloren hat, was er ansatzweise einmal hatte. Zu einem frühen Punkt in seiner Jugend ist ihm kräftig Angst gemacht und klar gemacht worden, dass er auf dem Weg zur eigenen Idividualität ist, die in diesem Fall nicht systemkonform war. Ihm wurde Angst eingejagt, und er hat sich geduckt. Menschlich. Vielleicht nicht mutig, aber einfach menschlich. Ich vermute, dass er sich wieder finden wird. Das verrät ein wenig der Klappentext. Ich bin gespannt, welchen Weg er gehen wird.

  • Zitat

    Original von xexos
    ...Zuvor - Mitte der 90er - hatte ich mal ein Praktikum bei einer Wirtschaftsprüfungsgesellschaft gemacht. Wir prüften in der Zeit ein Wohnungsbauunternehmen in Bad Doberan und ich durfte mal in alten Mieterakten aus der DDR-Zeit blättern und lesen. Das war dann teilweise schon erschreckend, wenn die Mieter das fließende Wasser lobten - an den Wänden. Balkone durften teilweise nicht mehr betreten werden und die Geräusche der Nachbarn hörte man alle sehr intensiv durch die dünnen Wände. Aber dies ertrage ich derzeit leider auch in Hannover. :-(


    Die Altbausubstanz ließ man zu DDR-Zeiten großzügig verfallen. Neue Platt bauen ging schneller.
    Und im Neubau gab es Heizung, Warmwasser aus der Wand, WC in der Wohnung...
    Bei uns in der Stadt fing man Ende der 80er Jahre, vor der Wende, gerade an, die brüchigsten Altbauten abzureißen.
    Meine erste Wohnung war eine Teilwohnung im Altbau, also gemeinsamer Flur mit einer weiteren Mieterin hinter unserer Wohnungstür, der einzige Wasseranschluss im Flur mit der anderen Mietpartei zusammen, Klo halbe Treppe, Kochnische ohne Wasser, Ofen sowieso und nur in einem Zimmer...aber ich war glücklich, die überhaupt zu bekommen.

  • Zitat

    Original von Clare
    , aber ihm fehlt jeglicher Elan und Mum. Fernstudium, aber nur weil es seine Frau will;


    Wenn Wolfgang das Fernstudium selbst innerlich nicht will, würde ich ihm tatsächlich abraten. Die Jahre würden nur anstrengend und wenig ergiebig, denn bei einem Fernstudium muss man sich selbst motivieren.


    Zitat

    Original von xexos
    @ Herr Palomar: Aus welcher Region Deutschlands kommst Du?


    Früher Niedersachsen und Bremen, seit 17 Jahren aber in Baden Württemberg.


    Zitat

    Original von Clare
    Plenzdorf hat das Drehbuch geschrieben?


    Ja, er hat dafür sogar den Jacob Kaiser-Preis gewonnen, zusammen mit Erich Loest, glaube ich.

  • Zitat

    Original von Herr Palomar


    Wenn Wolfgang das Fernstudium selbst innerlich nicht will, würde ich ihm tatsächlich abraten. Die Jahre würden nur anstrengend und wenig ergiebig, denn bei einem Fernstudium muss man sich selbst motivieren.


    Ich bin überzeugt, dass er es wirklich nicht will, und je weiter ich im Buch komme, um so sicherer bin ich. Ihm reicht das, was er erreicht hat. Er will einfach nur leben, mit seiner Familie glücklich sein, vielleicht auch wieder mit seinen Händen arbeiten, aber er will nicht noch weiter auf der Karriereleiter klettern. Möglicherweise scheut er die größere Verantwortung, die Verantwortlichkeit für Prozesse, die er wegen mangelnder Ressourcen nicht beherrschen kann.

  • Zitat

    Original von Clare
    Ihm reicht das, was er erreicht hat. Er will einfach nur leben, mit seiner Familie glücklich sein, vielleicht auch wieder mit seinen Händen arbeiten, aber er will nicht noch weiter auf der Karriereleiter klettern. Möglicherweise scheut er die größere Verantwortung, die Verantwortlichkeit für Prozesse, die er wegen mangelnder Ressourcen nicht beherrschen kann.


    Zudem die Szene mit dem Zusammenbruch des Leiters auch zeigt, wie stressig eine leitende Funktion sein kann. (Das war sicherlich keine Szene, die den Zensor erfreut hatte)


    Obwohl Wolfgang beruflich Ahnung hat, zum Beispiel als Spezialist für Korrossion, fehlt ihm auch das Durchsetzungsvermögen, das man braucht, um seine Interessen durchzusetzen.
    Jutta hingegen würde ich das schon zutrauen, aber sie sagt ja selbst, das sie als Unternehmertochter keine Chance auf berufliche Karriere bekommen hat. Ungerecht, aber durch eigenen Erfolg wäre sie nicht auf den von Wolfgang angewiesen.

  • DDR-Alltag pur.
    Die Formulierungen wie "Das Waschen des älteren Säuglings" erinnerten mich an ein Buch über Kindererziehung und Pflege, das meine Mutter im Regal hatte.
    Abhärtung und Ertüchtigung waren zentrale Themen in der Erziehung der sozialistischen Jugend. "Nur in einem gesunden Körper wohnt auch ein gesunder Geist!" war auch so ein Satz. Interessanterweise waren die Klassenbesten oft die Sportnieten, nach meiner Erfahrung.
    Biancas Schwimmtraining ist vielleicht so etwas wie ein Auslöser für Wolfi Wülff. Wenn es um ihn geht, ist er recht lethargisch, aber hier geht es um seine Tochter, die er liebt und beschützen will. Jutta ist ihm keine Hilfe. Sie ist voller Ehrgeiz, und ich unterstelle ihr trotzdem mal, dass sie nur die besten Absichten hat und den besten Start für ihre Tochter will. Dass sie dabei Mitgefühl unterdrückt, muss man ihr aber auf jeden Fall vorwerfen.
    Die Ehe der Beiden wackelt mächtig. Für Jutta ist Wülff der Versager, der Bequeme, die sie alles allein schultern lässt und sich treiben lässt. Er selber seht sich vielleicht nur nach der "heilen Welt".


    Die Geschichten, die er als Vater seiner Tochter als Lehrstücke erzählt, sind einfach schlimm. Man denke an den Frosch mit dem Sand... :yikes


    Dann die Silvester-Reise in den Winterwald. Mit Erschrecken musste ich feststellen, dass in der DDR wirklich enorm viel Alkohol getrunken wurde. Loest hat nicht übertrieben. Besonders Schnaps wurde viel getrunken, und das nicht nur bei den Einfachsten der Einfachen sondern quer durch alle Bildungsschichten. Dabei waren alkoholische Getränke nicht mal billig. Eine Flasche Doppelkorn kostete 17,50 Mark. Das Habe ich recherchiert, weil ich für Schnaps zu jung war. Aber eine Flasche Wein kostete so um die 12 Mark. Alkohol als Fluchtmittel aus der Realität - wäre ja nicht das erste Mal.