'Aufbruch' - Seiten 109 - 193

  • Wieder nicht ganz sicher, wo genau das Abschnittsende ist, weil ich das eBook lese und die Seitenzahlen nicht stimmen, aber ich gehe mal davon aus, dass es ungefähr hinkommt.


    Godehard hat sich als das dargestellt, was er ist: ein reicher Bengel, der immer bekommen hat, was er wollte. Die vielen Geschenke, die er Hilla gemacht hat, sehen schon fast danach aus, dass er sie zu kaufen versucht. Aber ich will nicht ungerecht sein. Ich denke, dass er wirklich glaubt, sie zu retten, zu retten aus ihrem armen Elternhaus in eine, wie er sicher meint, echte Zukunft.


    Auch wenn es nicht nett für Hilla war: die Party und das Beatles-Fieber, in das die Gäste von Godehard geraten, war schon eine köstliche Einlage. So muss das gewesen sein.


    Hilla hat aber auch Pech. Sie beweist Mut oder auch nur Konsequenz und trennt sich von Godehard, aber sie verliert wieder alles.
    Ein Bisschen Hoffnung hatte ich, als sie die Aushilfsarbeit bei Peter in der Friedhofsgärtnerei annimmt. Wie sie die Natur und die Arbeit ihrer Hände erlebt, so wie wir es in ihren Gedanken hören, das geht schon unter die Haut und ist sehr eindrücklich geschrieben! Und ich hatte auch Hoffnung für eine neue Liebe, die zu Peter, aber es kommt, wie es kommen muss: er ist schon verlobt, mit einer Gärtnerstochter, wahrscheinlich auch Erbin. Schade. Ein bisschen Frieden und Geborgenheit hätte ich Hilla schon gewünscht. Noch hat sie Mut und Elan und will es unbedingt schaffen. Aber schon wird über sie getuschelt im Dorf, über Hochmut und so weiter.
    Gegen den Strom zu schwimmen ist da nicht so einfach.


    Der Vater interessiert sich gar nicht für sie. Er hat seine Arbeit und ernährt die Familie. Damit wird er seiner Rolle voll gerecht. Erziehung und die Lösung von Problemen obliegt den Frauen.

  • Ich bin noch mitten drin in diesem Abschnitt. Seite 151. Godehard soll vorgestellt werden.
    Mir tut er auf der einen Seite leid, er hat sich ja offenbar wirklich in Hilla verliebt. Andererseits könnte er schon sehen, was er da tut. Sie bedrängt und versucht, sie "zu kaufen". Das finde ich einerseits fast zu hart, es so auszudrücken.
    Ich kann kaum verstehen, dass er nicht auf die Idee kommt, dass er sie damit geradezu von sich weg treibt.
    Diese Nachhilfegeschichte berührt mich. Aus einem schlechten Stall kommen - und so arg viel hat sich ja nicht geändert....

  • Mit diesem Abschnitt bin ich fertig. Ich brauche ziemlich lange für das Buch - es hat sicher auch damit zu tun, dass mir immer selbst so viel zu dieser Geschichte einfällt. Manchmal habe ich den Eindruck, mein eigenes Tagebuch zu lesen.
    Das ging mir schon beim ersten Band so und ist hier auch nicht anders.

  • Zitat

    Original von Rumpelstilzchen
    Ich bin noch mitten drin in diesem Abschnitt. Seite 151. Godehard soll vorgestellt werden.
    Mir tut er auf der einen Seite leid, er hat sich ja offenbar wirklich in Hilla verliebt. Andererseits könnte er schon sehen, was er da tut. Sie bedrängt und versucht, sie "zu kaufen". Das finde ich einerseits fast zu hart, es so auszudrücken.
    ...


    Godehard macht ihr Geschenke, die rein schon vom Wert her weit über dem liegen, was zu Anfang einer Beziehung, auch damals, bestimmt schicklich und auch üblich war. So teure Geschenke haben schon etwas von "kaufen", finde ich jedenfalls. Damit vertieft er die Kluft zwischen dem armen Mädchen und dem reichen Mann. Außerdem macht er zeitlich ganz schön Druck. Hilla wird von den Riesenschritte, mit denen er ihr zartes Pflänzchen Beziehung vorantreibt, regelrecht überrannt.

  • Zitat

    Godehard macht ihr Geschenke, die rein schon vom Wert her weit über dem liegen, was zu Anfang einer Beziehung, auch damals, bestimmt schicklich und auch üblich war. So teure Geschenke haben schon etwas von "kaufen", finde ich jedenfalls. Damit vertieft er die Kluft zwischen dem armen Mädchen und dem reichen Mann. Außerdem macht er zeitlich ganz schön Druck. Hilla wird von den Riesenschritte, mit denen er ihr zartes Pflänzchen Beziehung vorantreibt, regelrecht überrannt.



    ich finde das hat so bisschen was von Pygmalion, so als wenn er sie mit den Geschenken kaufen und erziehen will, damit sie später sein kleines Püppchen ist

  • Zitat

    Original von Carlinda



    ich finde das hat so bisschen was von Pygmalion, so als wenn er sie mit den Geschenken kaufen und erziehen will, damit sie später sein kleines Püppchen ist


    Egal zu welcher Zeit, bei einem bestimmten Typ Frau oder auch einfach bei bestimmten Ausgangslagen funktioniert das. Ob Hilla dieser Typ ist, fragt sich. Sie will ja eben raus aus den Abhängigkeiten und sich nicht gerade in eine neue begeben.

  • Mich rührt dieses Buch ungemein. Ich habe heute Nacht bis halb drei gelesen.


    Zitat

    Sich schuldig sprechen war beinahe wie sich frei sprechen.

    S. 143
    Das ist ein Satz, der noch in mir nachklingt. Hilla befreit sich von der überheblichen Dienstherrin und es schwingt im Unterton mit, dass sie sich vorwirft, nicht durchgehalten zu haben. Eine Schuld eingestehen kann manchmal auch Befreiung sein. Ein wichtiger Gedanke.


    Zitat

    Du bist deine Geschichte.


    Oh wie recht Hilla da hat! Es ist das eigene Leben, das man lebt, nur man selbst schreibt seine eigene Geschichte. Gut, daran gerade in diesen Tagen erinnert zu werden.


    Mich berührt, dass Hilla um alles, was eigentlich selbstverständlich sein sollte, kämpfen muss, zum Beispiel etwas Geld oder Bildung und damit verbundene Anerkennung. Ich erlebe das auch heute noch in meinem Beruf, dass es Familien gibt, in denen Bildung nichts zählt, einfach, weil diese Familien sie nicht kennen. So auch bei Hillas Vater. Er ist so abweisend, weil Lernen und Sprachen in seinem Alltag keine Rolle spielen. Auch keine Rolle spielen können, weil der Kampf um das alltägliche Leben einfach die ganze Kraft bestimmt.


    Wie gut, dass sie sich von Godehard getrennt hat. Ich denke, das war richtig, das hat Hilla ja auch schon länger gespürt.

    Die eigentliche Geschichte aber bleibt unerzählt, denn ihre wahre Sprache könnte nur die Sprachlosigkeit sein. Natascha Wodin

  • Zitat

    Original von Clare
    ...
    Ein Bisschen Hoffnung hatte ich, als sie die Aushilfsarbeit bei Peter in der Friedhofsgärtnerei annimmt. Wie sie die Natur und die Arbeit ihrer Hände erlebt, so wie wir es in ihren Gedanken hören, das geht schon unter die Haut und ist sehr eindrücklich geschrieben!
    ....


    :write
    Das finde ich auch. Ich mag Ulla Hahns Sprache.

    Die eigentliche Geschichte aber bleibt unerzählt, denn ihre wahre Sprache könnte nur die Sprachlosigkeit sein. Natascha Wodin

  • Zitat

    Original von Rumpelstilzchen
    Ulla Hahn ist es wirklich wunderschön gelungen, die Entwicklung dieser jungen Frau zu schildern. Es erinnert mich manchmal fast an ein Tagebuch - obwohl es natürlich aus einer anderen Perspektive geschrieben ist.


    Irgendwo habe ich gelesen, dass das Buch autobiografische Züge hat. Weißt du etwas darüber?


  • Sie ist immer etwas auf Distanz geblieben, und wirklich tiefe Gefühle waren auch nicht im Spiel. Da war sie immer sehr ehrlich sich selbst gegenüber.

  • Auch ich habe diesen Abschnitt nun durch.


    Godehard ist mir doch so was von unsympathisch. Er denkt wohl er kann Hilla kaufen mit den vielen Geschenken die er ihr macht.


    Mit Hilla habe ich Mitleid. Sie verliert wieder alles und auch Ihr Vater scheint kein Interesse an ihr zu haben. Er denkt wenn er die Familie ernährt, dann hat er seinen Anteil geleistet.


    Viele Grüße
    :wave


  • Der Vater ist KInd seiner Zeit, seiner Geschichte und seiner Erziehung, womit ich ihn nicht in allen Punkten verteidigen möchte. Aber ich kann im Groben nachvollziehen, warum er so wurde wie er ist.


    Ich finde, dass die Mutter zu wenig bedacht wird. Auch sie hat Kritik verdient, steht nicht hinter Hilla. Zum großen Teil kann das einfach Unverständnis des so anders geratenen Kindes sein.


  • Der Vater ist KInd seiner Zeit, seiner Geschichte und seiner Erziehung, womit ich ihn nicht in allen Punkten verteidigen möchte. Aber ich kann im Groben nachvollziehen, warum er so wurde wie er ist.


    Ich finde, dass die Mutter zu wenig bedacht wird. Auch sie hat Kritik verdient, steht nicht hinter Hilla. Zum großen Teil kann das einfach Unverständnis des so anders geratenen Kindes sein.[/Quote




    Clare Du hast natürlich recht. Aus der Sicht auf die Erziehung des Vaters kann er in gewisser Weise nichts dafür. Damals war es eben noch so, dass der Vater das Geld verdiente und die Mutter für den Rest verantwortlich war. Aber Du hast auch damit recht, dass Hillas Mutter zu Recht auch Kritik verdient.


    Viele Grüße :wave