"Extinction" - Kazuaki Takano

  • Titel der japanischen Originalausgabe: "Jenosaido" (2011)
    Titel der englischen Übersetzung: "Genocide of one" (2014)


    Bei der deutschen Ausgabe handelt es sich um eine Übersetzung der englischsprachigen Fassung.


    Zum Buch (Amazon)


    Ist die nächste Stufe der Evolution das Ende von uns allen?


    Jonathan Yeager wird im Auftrag der amerikanischen Regierung in den Kongo geschickt. Bei einem Pygmäenstamm sei ein tödliches Virus ausgebrochen. Die Verbreitung muss mit allen Mitteln verhindert werden. Doch im Dschungel erkennt Yeager, dass es um etwas ganz anderes geht: Ein kleiner Junge, der über unglaubliche Fähigkeiten und übermenschliche Intelligenz verfügt, ist das eigentliche Ziel der Operation. Kann es sein, dass dieses Geschöpf die Zukunft der Menschheit bedroht? Yeager weigert sich, das Kind zu töten. Er setzt alles daran, den Jungen in Sicherheit zu bringen. Eine gnadenlose Jagd auf die beiden beginnt.


    Über den Autor


    Kazuaki Takano, geb. 1964 in Tokio, arbeitet in Hollywood und Japan als Drehbuchautor. Für seine Romane erhielt er renommierte Preise. »Extinction« stand in Japan monatelang auf den Bestsellerlisten und wurde u.a. als bester Thriller des Jahres ausgezeichnet.


    Meine Meinung


    Gefühlt handelt es sich bei diesem Buch um Science Fiction, aber es läuft überall unter "Thriller" und spielt tatsächlich auch in der Vergangenheit, nämlich 2004, deswegen habe ich es ins Thriller-Forum gesteckt.


    Ich hatte mich auf den japanischen Autor gefreut und war zunächst leicht enttäuscht, dass das Buch doch sehr amerikanisch wirkt. Dies ist im Hinblick auf den Lebenslauf des Autors vielleicht gar nicht so verwunderlich. Einige Teile der Handlung spielen auch in Japan, jedoch hat der Autor es seinen nicht-japanischen Lesern einfach gemacht, indem er eher schlichtere japanische Namen gewählt hat. Der einzige komplizierte Name wird sofort nachdem sich alle Amerikaner die Zunge daran zerbrochen haben, auf "Mick" verkürzt.


    Das Buch wird aus verschiedenen Perspektiven erzählt, wobei der Autor am Ende eines Kapitels gerne einen Cliffhanger einbaut und dann erst mal an einem anderen Ort weitermacht, so dass ich immer noch ein Kapitel weiter lesen musste. Wie die Spannung erzeugt wird, ist also eher routiniert, und das Buch könnte auch gut als Vorlage für einen Hollywood-Film dienen, als Regisseur würde ich James Cameron vorschlagen.


    Das Buch ist allerdings dann wieder auch überraschend böse. Es spielt zur Zeit der "Burns-Administration" und thematisiert Dinge wie den Einmarsch der Amerikaner in Afghanistan und in den Irak, die Rolle der CIA bei der Unterschlagung von Fakten, Kindersoldaten im Kongo, Überwachung durch die NSA auf unerwartet kritische Weise. Der Autor schafft es, Politik, moderne Kriegsführung, Anthropologie, Biologie, Pharmakologie, Psychologie, Linguistik und Geographie in einem Buch unterzubringen und jede Menge wissenschaftliches Hintergrundwissen zu vermitteln, ohne dass ich das Gefühl hatte, dass es sich um Info-Dropping handelt.


    Es gibt viele Handlungsstränge, die natürlich alle irgendwie miteinander zusammenhängen und vermutlich im Sinne der Chaostheorie nicht so einfach zu durchschauen sein sollen. Ich fand die Handlung jedoch häufig eher vorhersehbar, jedoch nicht so, dass ich das Ende hätte vorhersehen können, aber so, dass ich beim Lesen das Gefühl hatte, den Figuren immer schon zwei, drei Schritte voraus zu sei. Ich konnte häufig antizipieren, was als nächstes kommt und wohin etwas führt. Dies liegt vermutlich daran, dass der Autor immer wieder neue Konzepte im Kleinen eingeführt hat, um sie dann später im Großen noch einmal zu verwenden. Dies hat aber meinem Lesevergnügen keinen Abbruch getan, denn ich habe mich immer wieder gefreut, wenn etwas so war, wie ich es vermutet habe. Und spannend blieb es trotzdem.


    Ich fand, es ist dem Autor nur teilweise gelungen, die Denkprozesse des kleinen Jungen zu beschreiben. Dies liegt vermutlich daran, dass es tatsächlich nicht möglich ist, Denkprozesse zu beschreiben, die das eigene Denkvermögen überschreiten. Man kann sich ja nicht intelligenter darstellen als man ist und es wäre ein bisschen so als würde ein Schimpanse ein Buch darüber schreiben wie Menschen denken. Insgesamt fand ich aber die Überlegung, wie es eigentlich wäre, wenn wir, also Homo sapiens, nicht mehr die "Krone der Schöpfung" wären, sondern sich eine neue Art Mensch entwickeln würde, ganz interessant.


    Ich fand das Buch hin und wieder ein Tickchen zu pathetisch und die Botschaften hier und da plakativ. Insbesondere das Loblied auf die Wissenschaft im Allgemeinen und die Pharmakologie im Besonderen waren mir zu viel des Guten (und wenn ich das schon sage... :lache).


    Trotzdem war es das ein sehr spannendes Buch mit Figuren, denen ich gerne gefolgt bin, daher ist der Pathos verziehen, und auch, wenn es noch früh im Jahr ist, glaube ich, dass es eines meiner Highlights dieses Jahres wird.


    Ich habe die englische Ausgabe gelesen, weil ich keine deutsche Übersetzung einer englischen Übersetzung lesen wollte. Bei jeder Übersetzung geht ja doch einiges verloren. Allerdings habe ich in der englischen Übersetzung ein paar kleine Fehler gefunden (fehlende Worte zum Beispiel).


    4.5 von 5 Sternen = 9 von 10 Eulenpunkten


    [edit] Satz beendet... :grin
    .

  • Inhalt
    Als Kento Kogas Vater plötzlich an einem Aneurysma stirbt, war der junge Japaner bis dahin ein noch unreifer, antriebsloser Pharmakologie-Student ohne Leidenschaft für sein Fachgebiet. Möglicherweise hat Kento das Studium nur deshalb aufgenommen, um sich nicht mit seinem Vater auseinandersetzen zu müssen. Kento erhält nach dem Tod des Vaters eine Mail, die Seiji Koga für den Fall verfasst hat, dass er ein geheimes Projekt nicht überleben wird, von dem seine Familie nichts ahnte. Der überaus bescheiden lebende Virologe führte als Forscher ein Doppelleben und arbeitete in einem geheim gehaltenen privaten Labor an einem Medikament gegen eine seltene Lungenkrankheit. Kentos Aufgabe ist nun, das Projekt zügig unter größter Geheimhaltung fortzuführen. Mit einem jungen Mann, der in Tokio spurlos untertauchen und gleichzeitig unter Termindruck weiter forschen soll, liefert Takano bereits ein vielversprechendes Ausgangsszenario.


    Währenddessen wird der Mitarbeiter einer privaten amerikanischen Sicherheitsfirma im Irak, Jonathan Yeager, zu einer verdeckten Operation im Kongo in Marsch gesetzt. In Zentralafrika soll in einem Pygmäen-Stamm ein ungewöhnlich begabtes Lebewesen einer bisher unbekannten Art geboren worden sein, das in einer vierten Dimension denken kann und dessen Sprache ebenfalls eine weitere Dimension umfasst. Nicht weiter überraschend sieht die amerikanische Regierung darin eine Bedrohung ihres Machtanspruchs, fürchtet die Ausrottung der gesamten Menschheit und hat deshalb die Liquidierung des ganzen Stammes angeordnet. Der Thriller spielt unverkennbar um 2004, in der Amtszeit George Dubbeljuh Bushs; der amerikanische Präsident wird im Buch Gregory Burns genannt. Yeagers Team besteht aus Männern, die nie zuvor miteinander gearbeitet haben und deren Tauglichkeit für den Dschungeleinsatz er nicht überprüfen kann. Die Dynamik innerhalb der Spezialtruppe lässt ebenfalls Hochspannung erwarten.


    Nach rund 200 Seiten hat Kazuaki Takano seine Protagonisten vorgestellt und eine Fülle von Informationen aufgeführt, die politisch interessierte Leser zum Verständnis der Handlung in diesem Umfang nicht benötigen und die andere Leser vermutlich einfach nur ermüden. Im mittleren Teil werden weitere Personen eingeführt und die Handlung kommt schließlich doch noch in Gang. Die Dschungelszenen im Kongo im Kampf gegen Rebellenarmee und Kindersoldaten haben mich leider emotional nicht erreicht und hatten auch sprachlich kaum etwas zu bieten. Spannend bleibt der Handlungsfaden in Tokio, wo Kento Koga inzwischen Polizei und Geheimdienst auf der Spur sind. Ohne die Informationen eines anonymen Unterstützers wäre Kento vermutlich längst aufgeflogen.


    Fazit
    Kazuaki Takano hat für seinen in Japan ausgezeichneten Thriller eine Vielzahl von höchst interessanten Personen geschaffen, von denen ich Kento und den amerikanischen Mathematiker Rubens am gelungensten finde. Speziell die Entwicklung Kentos habe ich mit großem Interesse gelesen. Der Autor spricht fast schon zu viele Problemkreise an, von der Privatisierung des Krieges, der Manipulation der Weltöffentlichkeit durch die amerikanische Kriegsberichterstattung, über Kindersoldaten, bedrohte Naturvölker und moderne Kommunikationstechnologien. Die über weite Strecken reine Wissensvermittlung finde ich für einen Thriller zu intellektuell, zu kühl, um mit den Protagonisten mit fiebern zu können und sich z. B. im Dschungel mit ihnen so richtig zu ekeln oder zu fürchten. Mag sein, dass Takanos "thrilling Infotainment" für den japanischen Markt ideal zugeschnitten ist, aber selbst für einen Polit- und Wissenschaftsthriller finde ich aus meiner europäischen Sicht "Extinction" im Ganzen zu überladen mit Sachinformationen.


    7 von 10 Punkten

  • Ich kann mich in weiten Teilen Delphin und Buchdoktor anschließen.


    Ich fand das Buch über weite Teile schon recht interessant. Die kühle Schreibweise, die Buchdoktor anspricht, ist mir auch aufgefallen. Sie ist für mich irgendwie das "japanische" an dem Buch. Auch finde ich sie ganz passend, denn es wird schon eine sci-fi Geschichte erzählt, die aber so recht plausibel rüberkommt.


    Mir haben die philosphischen Überlegungen über die Art des Mensch recht gut gefallen. Das Buch ist schon sehr gradlinig und verfolgt seine Storyline konsequent. Problematisch ist in der Tat die Sache mit diesen fast unmenschlich intelligenten Kinder. Da war dann auch oft die Erklärungsnot bzw. die -versuche recht holprig bzw. steif. Da wird vieles angenommen und impliziert, was in der Handlung keine Spiegelung erfährt. Auch fand ich den Zeitwettlauf gegen die Lungenkrankheit sehr unrealistisch. Bei Menschen läuft doch keine Uhr ab, wann die Krankheit zum Tode führt. Wenn ein Arzt schätzt, das noch ein Monat zum Leben bleibt, dann bedeutet das doch nicht, das genau 30 Tage später Punkt Mitternacht der Tod eintritt. Das hat mich doch dann sehr gestört.


    Insgesamt ist das Buch aber doch unterhaltsam. Auf relativ hohen Niveau sogar, da es viele ernste Themen anspricht und auch ernst nimmt und behandelt. Die Umsetzung ist manchmal etwas steif. Aber man kann diesen Wissenschafts- Sci-Fi-Thriller runterlesen und sich gut unterhalten fühlen. Anstrengend fand ich es aber nicht.