Schreib-Profis und schreibende Amateure - Zwei Fremde im Zug?

  • Der wieder einmal entfachte Funkenflug mit nachfolgender starker Rauchentwicklung bei der Kommentierung der letztmonatigen Wettbewerbsbeiträge sowie nicht wenige Diskussionen über Beiträge in der AutorInnenecke haben mich zu der Frage gebracht, ob nicht einige grundlegende Überlegungen zu den Begriffen 'Profi' und 'Amateur' die Lage für alle Betroffenen erleichtern könnten.


    Wer ist ein Profi? Eine/r, die/der einen fiktionalen Text veröffentlich hat? Eine/r, die/der viel schreibt?
    Jemand, die/der sich mit Literatur beschäftigt? Liest, auseinandersetzt?


    Was sind Amateure? Unveröffentlichte? AutorInnen von Gelegenheitstexten, Betroffenheitstexten?


    Und: können sie je zusamenkommen? Oder endet jedes Treffen zwangsläufig als eine Folge von Alien vs. Predator?


    Ich deponiere das hier einfach mal so, in schwarzen Buchstaben auf orange-gelb, mit vielen Adjektiven und Inhalten zwischen den Zeilen und weil ich Schreiben schwer finde, weil es so kompliziert ist.



    The mean green mother from Outer Space

    Ich und meine Öffentlichkeit verstehen uns sehr gut: sie hört nicht, was ich sage und ich sage nicht, was sie hören will.
    K. Kraus

  • Huhu, Magali.


    Man könnte die Unterscheidung an vielen Aspekten festmachen, wobei mir die sinnvollste - so man überhaupt unterscheiden will - diese hier zu sein scheint: Der Profi ist sich bewußt, daß er ein marktfähiges Produkt herstellen sollte. Der Amateur lebt seinen Spaß am Erzählen aus. Natürlich gäbe es noch eine Vielzahl anderer Aspekte.


    Beim Sport sind die Profis diejenigen, die für Ihre sportlichen Aktivitäten bezahlt werden, und die Amateure betreiben den Sport un- oder unterbezahlt, häufig aber trotzdem sehr viel intensiver, als man das bei einigen Profis zu erleben meint. Was unterscheidet einen Nachmittagsleichtathleten vom Olympiateilnehmer? Ist es nur der Trainingsaufwand, der persönliche Einsatz? Könnte letztlich aus jedem halbwegs aus der Sportvereinsmenge herausstechenden Hobbysportler ein Olympionike werden? Ich weiß nicht.


    Wenn man für das Schreiben bezahlt wird, mit Verlagsverträgen hantieren muß, den Umgang mit Lektoren, Vertretern, Mitarbeitern der Ausstattungsabteilungen, Redakteuren, Reportern und - nicht zuletzt - Lesern pflegt, ändert sich die Sicht auf das Schreiben. Der Blick reicht von vorneherein über das Wort "Ende" auf der letzten Seite des Manuskriptes hinaus. Man macht sich sehr viel mehr Gedanken über die Rezeption der Texte, über Zielgruppen, Positionierungen, Interessenlagen, Feuilletons, Verkaufsfähigkeit. Dieser Blick hat auch eine handwerkliche Komponente, bezieht sich also auf die Lesbarkeit, den Fluß, die Dramaturgie. Man wird einfach professioneller.


    Gemein haben alle das Handwerkszeug, das Wasser, mit dem alle kochen, und das letztlich auch allen zur Verfügung steht. Gemein haben alle außerdem das Problem, daß es wenig Regeln und keinen goldenen Weg gibt. Was herauskommt beim Schreiben, das liegt in der Phantasie, der Disziplin, der Kritikfähigkeit und im Talent des Autors. Hier gibt es, glaube ich, auch die geringsten Berührungsprobleme. Ein Text ist ein Text; wie und unter welchen Gesichtspunkten er entstanden ist, das spielt zunächst einmal keine Rolle.


    Günstigstenfalls wird aus dem einen das andere. Ich kenne wenige Autoren, die von null auf hundert durchgestartet sind. Die meisten haben mit sehr persönlichen, oft ziemlich kruden Sachen angefangen (so did I), haben dann nach und nach Stil, Sprache, Thematiken verfeinert - und dann die Biege gekriegt, also persönliche Interessenlagen und die Erwartungen des Marktes in Übereinstimmung gebracht. Bei manch einem ist von ersterem wenig übrig geblieben.


    Wie gesagt, es ist ein Weg, der ziemlich unterschiedlich sein kann, den aber alle mehr oder weniger gemein haben - und der dann auch einend wirkt. Ich freue mich über jeden, der sich dem Schreiben zuwendet, und ich lese wirklich gerne alle Sorten von Texten. Kritikfähigkeit erwarte ich allerdings von allen Seiten, sowohl bei den "Amateuren", als auch bei den "Profis". Das nämlich ist eine zwingende Grundvoraussetzung - immer.

  • Ich versuche keine umfassende Antwort zu geben, füge nur einen Aspekt hinzu, der mir beim Lesen von Toms Beitrag gerade eingefallen ist (Achtung, Verallgemeinerung):


    Profis haben eine Sprache, um über Texte zu sprechen. Sie haben das Werkzeug, um Texte auseinanderzupflücken. Vermutlich nicht zuletzt deshalb, weil sie oft genug von anderen Profis zu hören bekommen haben: "der Text funktioniert nicht, weil..." ... "hier ist die Perspektive falsch" ... "hier sind zu viele Adjektive" ( ;-) ) Diese Sprache und dieses Handwerkszeug machen es vermutlich auch leichter für sie, ihren Text mit etwas Distanz zu betrachten, weil sie ihn objektiv beschreiben können.


    Amateuren ist diese Metaebene oft (noch) nicht zugänglich. Sie schreiben aus dem Gefühl heraus, sie wissen (wie ich beim Wein) höchstens, ob ihnen etwas gefällt oder nicht, aber nicht, weshalb, und es beschreiben können sie schon gar nicht.


    Kein Wunder, dass das Kommunizieren über Texte zwischen den beiden schwierig ist, wenn die Herangehensweise so anders ist und noch dazu die gemeinsame Sprache fehlt.

    Surround yourself with human beings, my dear James. They are easier to fight for than principles. (Ian Fleming, Casino Royale)

  • Huhu, MaryRead.


    :write


    Oder, vereinfacht gesagt: Man nimmt die eigenen Texte nicht mehr ganz so persönlich, ist stärker dazu in der Lage, zwischen sich selbst und dem eigenen Text (und der Kritik daran) zu trennen. Was erstens natürlich auch nicht für jeden gilt. Und zweitens nicht heißt, daß die Kritik nicht mehr schmerzt. Das tut sie nämlich, vielleicht in mancherlei Hinsicht viel mehr als beim "Amateur" - glaubt man doch von sich, es (jetzt) zu können. :grin

  • Erstmal Entschuldigung, daß ich eine Diskussion angeregt habe und mich gleich verzogen. Die facts des RL sind zuweilen überwältigend :grin



    Zitat

    Original von Tom
    Huhu, Magali.


    Tom, Dein Huhu überzeugt jede Eule ;-)



    Zitat

    Man könnte die Unterscheidung an vielen Aspekten festmachen, wobei mir die sinnvollste - so man überhaupt unterscheiden will - diese hier zu sein scheint: Der Profi ist sich bewußt, daß er ein marktfähiges Produkt herstellen sollte. Der Amateur lebt seinen Spaß am Erzählen aus.


    Ja, ich sehe den Aspekt des 'marktfähigen Produkts' vs. 'Spaß'. Aber ich gestehe ihm in der Beurteilung von Texten nicht den Stellenwert zu, den Du ihm zuzuweisen scheinst.
    Mir scheint die Ernsthaftigkeit wichtiger, mit der Schreiben betrieben wird. Und zwar nicht nur in der Frage der Außenwirkung des enstehenden oder enstandenen Texts, sondern bezüglich der Rolle dieses Texts im Kontext dessen, was wir Literatur nennen.
    Daher meine (als These!!) Koppelung des Amateur-Status mit den Betroffenheitstexten. Nämlich Äußerungen einer rein persönlichen Gefühlslage, ohne Regeln zu berücksichtige, die de facto für Schreiben bestehen.
    Von daher ist in meinen Augen nicht Text gleich Text.
    Das Problem für mich besteht darin, daß die reine Fähigkeit, mit einem Stift Buchstaben zu formen, für alle erwerbbar ist und vom Besitz dieser Grundfähigkeit, die noch dazu als Kulturtechnik hohen Rang hat, abgeleitet wird, daß das Produkt etwas Besonderes ist.
    Das ist für mich ein Irrglaube, der in meinen Augen eine/n AmateurIn kennzeichnet.
    Und das scheint für mich dann eines der Probleme bei der Beurteilung von Texten zu sein, daß nämlich Profis immer auf das Gesamtsystem Literatur bezogen urteilen und Amateure damit Schwierigkeiten bekommen, da sie auf einer persönlichen-emotionalen Ebene arbeiten.


    Meine Erfahrung aus meinen knapp vier Monaten Eulen - Forum würde ich dahingehend formulieren, daß Amateure vielfach Schreibende sind, die sich in einem Raum außerhalb der eigentlichen Literatur äußern und dann heftige Probleme bekommen, wenn sie mit ihr zusammenstoßen.
    Wie Menschen, die vom Fliegen träumen, aber nicht fliegen, wenn sie die Arme ausstrecken, weil eben die Naturgesetze gelten, sobald sie aufwachen.

    Ich und meine Öffentlichkeit verstehen uns sehr gut: sie hört nicht, was ich sage und ich sage nicht, was sie hören will.
    K. Kraus

  • Hallo, Magali.


    Wenn ich Dich also richtig verstehe, beginnt bei Dir der Profistatus mit dem Loslösen von der Betroffenheitsschreiberei, so diese jemals stattgefunden hat. Unter letzterer würde ich all jene Texte kategorisieren, die sehr persönliche Gefühlswelten zu transportieren versuchen (meist jedoch nicht sehr weit :grin), ohne eine Abstraktionsebene einzuflechten, und/oder sich plakativ mit Themen befassen, die hohe emotionale Fracht mit sich führen (wie Kindesmißbrauch beispielsweise), wobei explizit Verzicht auf Diskurs und wieder auf die Abstraktion geübt wird. Schlichte Stellungnahmen, meistens. Soweit richtig?


    Nun, diese Unterscheidung mag ihre Gültigkeit haben. Aber diese Leute (nicht (ab-)wertend gemeint) würde ich mit Amateuren nicht in einen Topf werfen. Um beim Sport als Beispielebene zu bleiben - das sind Leute, die sich mit der Schönheit eines Tennisschlägers befassen, um danach mit diesem Schläger eine Grabstelle für das Hauskarnickel auszuheben (statt den Ball über das Netz zu schlagen). :grin Sie spielen (noch) kein Tennis, und erst recht kein großes. Ein "Amateur" bezogen auf das Schreiben ist für mich jemand, der sich dem Handwerk weitgehend genähert hat (oder aktiv nähert), aber die Kurve zum publikumswirksamen erzählenden Schreiben noch nicht gekriegt hat.

  • Zitat

    Original von Tom
    Ein "Amateur" bezogen auf das Schreiben ist für mich jemand, der sich dem Handwerk weitgehend genähert hat (oder aktiv nähert), aber die Kurve zum publikumswirksamen erzählenden Schreiben noch nicht gekriegt hat.


    Und wie bezeichnest du diejenigen, die sich dem "Handwerk" regelrecht verweigern, weil das nur was für Leute ist, die keine Inspiration, keine Themen etc. haben, also m.a.W. nicht "genial" sind (<- meine Umschreibung)?


    Das Argument kam ja schließlich auf ...

  • Moin!


    Also, nur ganz kurz - denn ich schreibe ja nur, wenn ich dafür bezahlt werde :lache


    Als ich meinen ersten Roman "Männer bevorzugt" schrieb, war ich noch Studentin und hatte einfach Lust dazu. Ich hatte keine Ahnung, ob ich einen Verlag finden würde, beim Schreiben habe ich darüber genau genommen noch nicht einmal nachgedacht ---> da war ich also AMATEURIN


    Andererseits habe ich mit 17 angefangen, für die Tageszeitung zu schreiben. Meine Artikel bekam ich natürlich bezahlt ---> Profi


    Das Manuskript, das ich im Studium geschrieben hatte, wurde dann schließlich bei Rowohlt/Wunderlich veröffentlicht ---> Wurde damit aus einer Amateurgeschichte eine Profigeschichte?


    Letztendlich hat die Internationale Filmschule in Köln meiner Meinung nach sehr viel dazu beigetragen, um meine Schreiben zu PROFESSIONALISIEREN. Denn: Hier habe ich überhaupt erst einmal gelernt, was man unter Dramaturgie versteht, wie man Konflikte und Figuren entwickelt - da ging mir ein Kronleuchter nach dem nächsten auf! Allerdings habe ich auch erfreulicherweise gemerkt, dass ich bei meinem ersten Roman (also bei dem, den ich als Amateurin geschrieben hatte), aus dem Bauch heraus schon eine ganze Menge richtig gemacht hatte - aber eben noch nicht alles (womit ich nicht behaupten will, dass ich heute immer alles richtig mache). Aber nach diesem Aufbaustudium und nach meinem Volontariat, nach zahlreichen Gesprächen und Diskussionen mit Lektoren, Redakteuren und anderen Autoren, habe ich mehr und mehr dazu gelernt, so dass die Texte, die ich heute schreibe, nicht mehr nur "aus dem Bauch heraus" sind (wobei Intuition immer wichtig bleiben wird!) sondern auch von einem gewissen Handwerk geprägt sind.


    Ich kann nur festhalten: "Was? Wäre? Wenn?" (Leserunde startet ja bald) hätte ich als "Amateur" nicht schreiben können. Ich hätte das, was ich ausdrücken wollte, nicht so zu Papier bringen können, wenn ich mich nicht mit dem Thema "Handwerk" wieder und wieder auseinandergesetzt hätte.


    Aber: Es gibt auch Autoren, die sind schlicht und ergreifend so große Talente, dass sie wunderbare Geschichten schreiben, ohne sich jemals mit dem Thema Dramaturgie bechäftigt zu haben. Vielleicht spricht man da von Genies.


    Meiner Meinung nach gehören zum professionellen Schreiben also in erster Linie Talent, in zweiter Linie - wie bei jedem anderen Beruf auch - Handwerk.


    Hupsa, ist doch länger geworden :grin

  • Hallo, Iris.


    Zitat

    Und wie bezeichnest du diejenigen, die sich dem "Handwerk" regelrecht verweigern, weil das nur was für Leute ist, die keine Inspiration, keine Themen etc. haben, also m.a.W. nicht "genial" sind (<- meine Umschreibung)?


    Vorsicht - nicht ich habe diese Unterscheidungsfrage aufgebracht, das war Magali. Ich versuche nur, mich einer Definition zu nähern, etwas halbwegs Allgemeingültiges zu finden. Und dabei bleiben immer alle Ausnahmen auf der Strecke, auch die Leute, die noch nie etwas davon gehört haben, daß es Schreibtechniken, Stilmittel, Dramaturgie gibt, an zwei Wochenenden ihre Lebensgeschichte herunterklopfen und einen Megaseller landen. So what?


    Zurück zur Ausgangsfrage: Irgendwie ist es das Bewußtsein um den Leser, glaube ich, das ist m.E. der zentrale Aspekt. Für wen man schreibt. Das tut man natürlich immer irgendwo für sich, aber ab einem bestimmten Punkt außerhalb des Textes.

  • Zitat

    Original von Tom
    Ich versuche nur, mich einer Definition zu nähern, etwas halbwegs Allgemeingültiges zu finden. Und dabei bleiben immer alle Ausnahmen auf der Strecke, auch die Leute, die noch nie etwas davon gehört haben, daß es Schreibtechniken, Stilmittel, Dramaturgie gibt, an zwei Wochenenden ihre Lebensgeschichte herunterklopfen und einen Megaseller landen. So what?


    Genau diese Extremausnahmen habe ich eigentlich nicht gemeint, sondern die Hobby- bzw. Nachwuchsautoren, die sich bewußt jeder "Technisierung" und zugleich auch der Außensicht auf seinen Text verweigern und Kritik an ihrem Schreiben oder am Schreiben anderer geradezu als Todsünnde bezeichnen, indem sie die Kritiker der Überheblichkeit bezichtigen.


    Diese Gruppe ist keine Ausnahme, sondern eigentlich ziemlich verbeitet.


    Zitat

    Irgendwie ist es das Bewußtsein um den Leser, glaube ich, das ist m.E. der zentrale Aspekt. Für wen man schreibt. Das tut man natürlich immer irgendwo für sich, aber ab einem bestimmten Punkt außerhalb des Textes.


    Wo kann man hier unterschreiben? :write

  • Hallo, Iris.


    Ups, da habe ich Dich gründlich falsch verstanden - ich habe die letzten Postings im "Seelensee"-Thread auch gerade erst entdeckt, u.a. auch die Meldungen von Smarana. :grin


    Nunwohl. Wer die Notwendigkeit handwerklicher Fundamente verneint, sich jeder Kritik verweigert/verweigern kann, keine Meinungen - vor allem keine auf die technische Umsetzung bezogenen - hören will (bzw. zuläßt), den ersten Entwurf als statische Endfassung betrachtet, sich jeder Rückfrage entzieht, Kategorisierbarkeit verweigert usw. usf. - der ist natürlich ein Profi. Ich denke, in dieser Frage gibt es keine Grauzonen. :lache

  • Ja, die Unterscheidung kam von mir und war eine Hilfskonstruktion, weil ich selber noch nach Begriffen suche, um die verschiedenartigen Herangehensweisen ans Schreiben zu benennen.
    Die Ebene des 'Profi-ist-wenn-man-bezahlt-wird' gehört ganz sicher dazu, aber auch der bewußte Umgang mit den Techniken.
    Ich glaube, daß man in puncto *bezahlt werden* aufpassen muß, daß man nicht zur Gleichung 'verkaufte Texte sind gute Texte' kommt. Weil es immer AutorInnen und Autoren gegeben hat und geben wird, die schriftstellerisch 'gut' sind, aber zu Lebzeiten nicht oder erst spät Anerkennung finden.
    Prominentes Beispiel natürlich Schiller, aber auch Goethe landete bloß einen Bestseller (Werther) und det war's. Gelebt hat er von seinem Beamtengehalt.


    Wiebke : AutorInnen, die 'natürliche' Talente sind? Ich weiß nicht... Ausnahmen gibt es immer, klar.
    Meine Erfahrung aber ist es nach jahrelanger (hobbymäßiger) Beschäftigung mit Äußerungen von SchriftstellerInnen über das Schreiben und zwar über Jahrhunderte hinweg, daß sie sich alle, jede auf ihre und jeder auf seiner Art, mit dem Handwerk auseinandergesetzt haben. Und zwar intensiv, ständig.


    Und von daher komme ich zur Frage der Kritikfähigkeit. Ich meine, daß eben die bewußte Auseinandersetzung mit Schreiben dazu beiträgt, daß man die eigenen Produkte 'von außen' betrachten kann und betrachten lassen kann.
    Die enge Bindung an den Text, die sich so äußert, daß einem objektive Kritik nicht objektiv, sondern als persönlicher Angriff erscheint, ist für mich ein Kennzeichen für eine nicht-professionelle Haltung. Das enthält jetzt keine Wertung, auch wenn die Begriffe es nahelegen.
    Immer das Problem mit den Wörtern! Kreisch!!
    Die Frage ist dann, wie man mit solchen Texten umgeht, wenn sie öffentlich präsentiert werden. Soll man sich nur damit beschäftigen, wenn man die Gefühlslage teilt?
    Ich finde das legitim, weil, wie am Anfang geschrieben, Schreiben viele Funktionen hat.
    Oder ist ein Text erst dann ein *echter* Text, wenn man die geltenden Regeln anwenden kann? Gibt es also wirklich keinen Raum für sie, so wie es keinen Ort gibt, an dem die Naturgesetze nicht in Kraft sind?


    Hat mal jemand von den Schreibenden hier, die weniger oder anders schreiben, Lust sich zu äußern, wo sie/er sich einordnen?

    Ich und meine Öffentlichkeit verstehen uns sehr gut: sie hört nicht, was ich sage und ich sage nicht, was sie hören will.
    K. Kraus

  • Zitat

    Original von magali
    Oder ist ein Text erst dann ein *echter* Text, wenn man die geltenden Regeln anwenden kann?


    Ein Text ist ein Text ist ein Text.


    Es stellt sich allerdings die Frage, wozu er dient und zu welchem Zweck er in welchem Medium dargestellt wird.


    Tom , dein Vergleich mit dem Automechaniker drüben im anderen Thread hat mir gefallen. Allerdings fängt das schon mit der Erkenntnis an: "Ich habe keine Ahnung von Kfz-Technik, und ich bringe mein Auto in deine Werkstatt, weil ich dir zutraue, es so hinzukriegen, dass es nachher wieder heile ist. Ich selbst - auch wenn ich grosse Reden über Unterlegscheiben schwinge - bin da nämlich überfordert; das Auto fährt zwar, aber es verliert Öl."
    Ein weiterer Unterschied ist, dass du nachher sehr gut selbst nachprüfen kannst, ob das Auto noch Öl verliert oder nicht. Ob ein Text besser ist oder nicht... das zu beweisen, dafür brauchst du Messgeräte, die der Laie wiederum nicht bedienen kann, bzw. es ist ihm zu anstrengend, es zu lernen.

    Surround yourself with human beings, my dear James. They are easier to fight for than principles. (Ian Fleming, Casino Royale)

  • magali
    Ich finde Deinen Gedankenansatz (der Vergleich mit den Naturgesetzen) hoch interessant und durch und durch einleuchtend.


    Ein hier oder anderswo öffentlich präsentierter Text muß sich immmer der Kritik stellen. Einen Text anders zu beurteilen, nur weil er unter einer anderen Prämisse verfasst wurde, halte ich persönlich für falsch. Es gibt nun mal Elemente, die einen gelungenen Text ausmachen. Dieser Maßstab, so wenig objektiv der vielleicht manchmal empfunden werden mag, muß für alle Texte gelten. Ein Text, den der Autor jeglichen kritischen Kommentars entziehen möchte, gehört in die Schublade, aber bestimmt nicht in die Öffentlichkeit.


    Ich selbst schätze mich durchaus als Amateur ein. Außer bei einer zurückliegenden nebenberuflichen Tätigkeit als freier Redakteur wurde ich bisher nie für's Schreiben bezahlt. Und die damaligen Fachartikel bedurften eher einer wenig kritischen Auseinandersetzung mit Schreibstil, etc. wie das im Fall von "literarischen" Texten der Fall ist.


    Mir hat die professionelle Kritik von Iris, Tom, Ines, etc. (auch die Fragen, die z. B. magali zu den Texten stellt) sehr viel gebracht, da ich jetzt viel mehr auf bestimmte Dinge in meinen (aber natürlich jetzt auch in anderen) Texten achte und erst durch dieses Wissen auch achten kann. Das Kritik manchmal auch weh tun kann ist eigentlich klar. Es gehört m. E. nach aber auch zu einem Entwicklungsprozess, daß man lernt sich selbst zurücknehmen und den Willen zu einem gelungenen Text den Vorrang vor dem eigenen Ego einzuräumen. Ich erinnere mich mit Grausen an den ersten Text, den ich von Iris zurückbekam. Ein Albtraum. :-)


    Gruss,


    Doc

  • Ich bin gerade über den Thread zur Story "Freier Fall" von Dagmar Vogelmann a.k.a. "powerpoesie" gestolpert. In diesem Thread schrieb diese Autorin (es juckt mich in den Fingern, das Wort in Anführungszeichen zu setzen), daß sie gerne ihre Kenntnisse usw. zur Verfügung stellt, auf daß andere etwas von ihr lernen könnten. Sie sprach vom "Abschauen". Ihre eigenen Werke stünden natürlich nicht zur Disposition. Kritik an ihren Geschichten war nicht zulässig.


    Das ist eindeutig ein Amateur. Sie erkennt nicht, daß sie selbst schlecht schreibt (ich erlaube mir, über sie zu reden, obwohl sie nicht anwesend ist, weil es veröffentlichte Bücher von ihr gibt), sehr schlecht sogar - vor allem in technischer Hinsicht -, und sie hat ihre eigene Laufbahn vorläufig mit einem selbstverlegten Buch gekrönt. Seitdem scheint sie anzunehmen, vom Olymp des Schriftstellerseins herabzublicken auf das Kroppzeug derjenigen, die sich die Fingernägel beim Versuch abschaben, den Hang hinauf Ihr zu Füßen zu kriechen - bitte um Vergebung für die leichte Übertreibung. Das Schreiben wird als Weihe betrachtet, als Seinszustand. Dabei ist es schlicht und ergreifend Arbeit. Eine, die großen Spaß machen kann und enorme Befriedigung. Aber es ist Arbeit.


    Wenn ich jetzt ein bißchen off topic war (glaub' ich allerdings nicht) - macht ja nix, oder? :-)