Baba Dunjas letzte Liebe - Alina Bronsky

  • Ihr habt mich jetzt richtig neugierig auf die Hörbuch-Fassung gemacht - das Buch habe ich letzte Nacht durchgelesen. Mich störte irgendwie die Kürze, jetzt nicht für das Buch, da passte es perfekt, aber ich hätte diesen Schreibstil noch ewig so weiterlesen wollen.


    Mir gefällt diese Mischung von Dunja Baba aus Altersweisheit, Altersabgeklärtheit, einem Misstrauen gegenüber vielen Neuerungen ("tragbares Telefon mit Bildschirm") - ohne dabei irgendwie zu vermitteln, dass sie jetzt einen Hauch dumm wäre, weil sie ja alt ist oder "nur" aus dem Dorf kommt. Ich mag, wie die Autorin den Personen Würde verleiht, wie sie auch untereinander würdevoll miteinander umgehen.


    Wer hier schon etwas anderes von Alina Bronsky empfohlen hat - was würdet ihr empfehlen? Sonst gehe ich wohl chronologisch 'ran :grin

  • Ich habe erst ein wenig gefremdelt mit diesem wundervollen Buch…


    "Auf kleinem Raum gelingt ihr [der Autorin Alina Bronsky] eine märchenhafte und zugleich fesselnd gegenwärtige Geschichte." so heißt es auf dem Klappentext des Schutzumschlages zu diesem ganz besonderen Büchlein. Man kann es eigentlich nicht besser zusammenfassen, es passiert gleichzeitig wenig und sehr viel im Leben der Baba Dunja. Im Alter ist die frühere medizinische Hilfsschwester in ihr Dorf zurückgekehrt, das in der sogenannten Todeszone nach dem Reaktorunfall von Tschernobyl liegt. Außer ihr leben dort noch weitere Alte, manchmal nebeneinander, manchmal mit- oder sogar füreinander. In Ichform berichtet sie über dieses Leben unter mehr oder weniger skurrilen Persönlichkeiten.
    So erscheint eines Tages ein Nachbar bei ihr:
    „‘Ich werde dir was sagen‘, warnte er mich.
    ‚Ich bin ganz Ohr.‘
    ‚Du bist eine Frau.‘
    ‚Stimmt.‘
    ‚Und ich ein Mann.‘
    ‚Wenn du es sagst.‘
    ‚Lass uns heiraten, Dunja.‘

    Ich kann mir genau vorstellen, was ihn auf Hochzeitsgedanken bringt. Er ist ein Mann und wäscht seine Sachen, wenn sie vor Schmutz steif sind, in einer Schüssel mit Haushaltsseife, um sie dann unausgespült im Garten zum Trocknen aufzuhängen. Zum Essen weicht er sich zweimal am Tag Haferflocken ein, mit verdünnter H-Milch, wenn er welche hat, und mit Brunnenwasser, wenn die Milch alle ist. …“ S. 37ff


    Baba Dunja verfügt über Lebens- und Altersweisheit, viele Errungenschaften der Neuzeit hingegen interessieren sie nicht („tragbares Telefon mit Bildschirm“) – sie nützen nichts in diesem Dorf ohne fließendes Wasser, in dem alles angebaut oder umständlich herangeholt werden muss.


    Der Schreibstil von Alina Bronsky ist wunderbar leicht zu lesen, oft mit leiser Ironie, liebevoll und stets voller Würde für ihre Figuren.
    Ich war traurig, als die Geschichte, eher eine Novelle, zu Ende war; ungeachtet dessen habe ich doch ein klein wenig gefremdelt mit der Geschichte, weil mir nach der Lektüre noch etwas fehlte, mehr so ein Gefühl als etwas großartig greifbares: Letztendlich stellte ich fest, dass ich den Entschluss einer so klugen und zutiefst lebensbejahenden Frau, in diese Todeszone zu ziehen, nie ganz nachvollziehen kann – ich muss mich da wirklich zwingen, an ihr hohes Alter zu denken und mit zu bedenken, wie entsetzt sie auf junge, gesunde Neuzugänge im Dorf reagiert: Baba Dunjas Tschernowo ist ein Ort derer, denen die Strahlung keinen Schaden mehr zufügen kann, weil sie so alt sind oder bereits vorher krank waren, und es ist auch der Ort derer, denen die Stadt zu laut ist, zu teuer, zu eng, zu schnell und zu wenig selbstbestimmt. Baba Dunja benötigt keinen Aufbruch mehr. Sie ist angekommen.

  • Eigentlich wollte ich nur mal in das Buch reinschnuppern und bin sofort hängengeblieben.


    Es ist ein kleines aber feines Büchlein.
    Leise, aber umso eindringlicher wird die Geschichte einer ehemaligen Hilfskrankenschwester, von allen nur Baba Dunja genannt, erzählt, die Jahre „nach dem Reaktor“ in ihr Heimatdorf Tschernowo, mitten in die Todeszone, zurückgekehrt ist. Einige Menschen folgen ihrem Beispiel. Für die sehr überschaubare Dorfgemeinschaft ist Baba Dunja so etwas wie ein Oberhaupt.


    Diese leise, manchmal melancholische, oft aber auch mit einem ironischen Augenzwinkern versehene Geschichte hat mich sehr beeindruckt und berührt. Die aussergewöhnliche, hochbetagte Hauptperson konnte ich nur bewundern. Genau wie die anderen Personen, die dem mehr als einfachen Leben immer etwas Positives abgewinnen konnten.


    Eigentlich ist es eine weise Geschichte über die Liebe zum Leben!


    Definitiv mein Monatshighlight – 10 Punkte