Runa - Vera Buck

  • Paris im ausgehenden 19. Jahrhundert. Etwas morbide Stimmung in einer der bekanntesten psychatrischen und neurologischen Kliniken. Vera Buck lässt sehr viele wahre Begebenheiten und Persönlichkeiten in die Geschichte einfließen und verbindet sehr geschickt die historischen Ereignisse mit der fiktiven Handlung. Von Sprache, Handlung und Stimmung des Buches war ich schlicht gefangen genommen und hätte davon locker noch tausend Seiten lesen mögen. Der Zeitgeist wird sehr authentisch und in sehr schöner Sprache eingefangen und wiedergegeben. Mir hat das Buch rundherum gefallen.


    Vera Buck beschreibt das Treiben an der Salpêtrière und der dortigen Professoren. Diese sind mehr an ihrem persönlichen Fortkommen interessiert als an der Genesung der ihnen anvertrauten Patienten. Jori, ein schweizer Doktorand an dieser Klinik, erleidet fast das gleiche Schicksal, indem er bei einer Patientin ebenfalls vor die Wahl gestellt wird: wissenschaftliche Lorbeeren oder aber Mitgefühl und Heilung einer sehr schwierigen Patientin. Selbst wollte ich weder in dieser Zeit gelebt haben, noch an dieser Klinik Patient sein. Die als medizinischer Fortschritt getarnten Maßnahme würde man heute eher als Folter bezeichnen.


    Ich bin jetzt schon auf das nächste Buch von Vera Buck gespannt, das ich sicher lesen werde. "Runa" erhält von mir tolle 10 Punkte.

  • Auch ich hatte das Glück, in der Leserunde zu diesem Buch mitmachen zu können.


    Paris, Ende des 19. Jahrhunderts. Psychologie und vor allem Psychochirurgie stecken noch in den Kinderschuhen. Während es bislang Usus war, Männer und Frauen mit (vermeintlichen) Geisteskrankheiten wegzusperren, wird an der Salpertière geforscht. Jori, ein schweizer Student, hetzt seinem Doktortitel hinterher, um irgendwann die Frau zu heilen, die er liebt. Doch um diesem Traum näher zu kommen, meldet sich Jori für eine Operation freiwillig - nicht wissend, in welche Abgründe ihn dies führt. Und nicht wissend, dass seine Patientin mehr über seine dunkelsten Geheimnisse weiß, als er ahnt.


    "Runa" ist ein mehr als beeindruckendes Debüt. Die schwierige Thematik wird von der Autorin verständlich und dennoch fordernd aufbereitet. Überhaupt verlangt "Runa" einen aufmerksamen Leser - nebenbei lesen kann man dieses Buch nicht. Wechselnde Perspektiven, Zeitsprünge, verschiedene Fäden, die erst gegen Ende zusammenlaufen - ein wahrhaft anspruchsvolles Buch.


    Die große Kunst der Autorin ist es indes, die Geschichte trotz der bedrückenden Thematik so spannend zu erzählen, dass man regelrecht am Buch klebt und sich dieser düsteren Atmospäre nicht entziehen kann. Daneben beeindruckt die Autorin durch ihren erwachsenen und sehr ausgereiften Stil - beileibe keine Selbstverständlichkeit beim Debüt einer so jungen Autorin. Bleibt zu hoffen, dass uns Vera Buck noch mit weiteren Meisterwerken beeindrucken wird.


    Volle 10/10 Punkte! :wave

    SUB 220 (Start-SUB 2020: 215)


    :lesend Susanne Michl u. a. - Zwangsversetzt. Vom Elsass an die Berliner Charité. Die Aufzeichnungen des Chirurgen Adolphe Jung (1940 - 1945)

    :lesend Antonio Iturbe - Die Bibliothekarin von Auschwitz

    :lesend Anthony Doerr - Alles Licht das wir nicht sehen (Hörbuch)

  • Jori Hell studiert 1884 in Paris an der Salpêtrière-Klinik und bewundert Dr. Charcots Vorlesungen und Experimente mit hysterischen Patientinnen. Er hat diese medizinische Fachrichtung nicht ganz uneigennützig gewählt, denn zu Hause in der Schweiz leidet seine große Liebe Paula ebenfalls an einer Nervenkrankheit. Die neuesten medizinischen Thesen gehen davon aus, dass man bestimmte Krankheitsbilder heilen kann, indem man den vermuteten Auslöser, sprich das befallene Hirnareal entfernt. Um Die Aufmerksamkeit von Dr. Charcot zu gewinnen, bietet Jori an, diese OP an Runa, einem besonders schweren Fall, durchzuführen. Das Mädchen ist unberechenbar und gefährlich und wird Jori an seine Grenzen bringen.


    Im Nachhinein muss ich sagen, hätte es gar keinen Jori und gar keine Runa gebraucht, um diesem Buch Spannung zu verleihen. Allein die geschilderten Fälle und Behandlungsmethoden der damaligen Zeit verursachen Gänsehaut und rufen Entsetzen hervor. Der Umgang mit seelisch kranken Patienten, der sich noch bis weit in das letzte Jahrhundert gehalten hat, ist unglaublich erschreckend und beängstigend. Diejenigen, die sich mit der „Heilung“ von neurologischen und psychiatrischen Krankheiten beschäftigten, ließen teilweise jegliche Menschlichkeit im Umgang mit ihren Patienten vermissen. Die Menschen wurden als Forschungsobjekte betrachtet und ähnlich gefühllos, wie heute noch bei Tierversuchen, behandelt.


    Dieses Vorgehen wird auch bei „Runa“ sehr deutlich. Neben den interessanten und erschreckenden Berichten über die medizinische Seite, hat die Autorin Vera Buck einen hoch spannenden und düsteren Plot entwickelt. Sie erweckt in ihrem Buch die dunkle Seite von Paris zum Leben, erschafft Figuren, die unheimlich und skurril sind und steigert die Spannung von Seite zu Seite.


    Ich war begeistert von diesem Buch und konnte nicht mehr mit dem Lesen aufhören.Hier passt einfach alles. Eine spannende Handlung, gut gemischt mit historischen Tatsachen und interesanten Figuren. „Runa“ ist für mich eines meiner Jahreshighlights und ich schenke ihr alle 10 Eulenpünktchen.

  • "Runa" habe ich von einer lieben Mit-Eule bekommen und in einem Rutsch durchgelesen. Da es sich um eine Leserunden-Exemplar handelte gibt es nun auch von mir eine Rezension.


    Vorab: Mir hat das Buch sehr gut gefallen!


    Der Erzählstil in dem Buch ist ganz wunderbar, die Story hat mich gleich gepackt und ich kann gar nicht glauben, dass es sich um ein Debut handelt.
    Die Handlung ist spannend und faszinierend, die Stimmung ist düster und bedrückend. Wie gesagt, hat mich das Buch gleich gepackt: Zum einen fiebert man mit den Hauptfiguren Jori und Runa mit, will deren Geheimnis ergründen und zum anderen reichen schon die Beschreibungen der damaligen Behandlungen dazu um mich in den Bann zu ziehen.
    Die Beschreibungen machen sehr nachdenklich, und besonders die folgenden Gedanken haben mich dabei fasziniert:


    - Wo wäre die heutige Medizin und Psychiatrie, wenn man damals nicht so (aus der heutigen Sicht) menschenverachtend vorgegangen wäre?
    - Welche Gedanken haben die damaligen Ärzte angetrieben? War es ein rein wissenschaflticher Ansatz, oder doch auch Sensationsgier oder Profilierungssucht?
    - Die Idee psychische Krankheiten ("Geisteskrankheiten" im Buch) durch Operationen zu "heilen" oder zu lindern, also eine physische Ursache anzunehmen


    Der Roman bietet also eine Menge Ansätze zum Nachdenken und auch zum Nachlesen, da viele Personen auftreten, die wirklich gelebt haben. Das Buch strotzt vor Details und man merkt wie gut die Autorin recherchiert hat. Toll!
    Der Stil ist fesseln und dabei aber witzig. Tolle Wortwahl und originelle Beschreibungen, ein wunderbar hintergründiger Humor.


    Für mich hat hier alles gepasst - Von mir gibts glatte 10 Punkte.

    "Show me a girl with her feet planted firmly on the ground and I'll show you a girl who can't put her pants on." (Annik Marchand)

  • Ich durfte das Buch hier im Rahmen einer Leserunde lesen.


    Es ist ein sehr realistischer Roman über die Medizin und Psychologie in Paris 1884. Ich fand das Buch beeindruckend und verstörend zu gleich. Obwohl mir bereits bekannt war, welche Praktiken in der frühen Medizin genuzt wurden.


    Für mich waren die verschiedenen Handlungsstränge etwas unübersichtlich, da man manchmal auch nicht direkt wusste bei wem, wo oder wann man gerade war. Gleichzeitig fand ich einige Stelle doch sehr langatmig.


    Insgesamt konnte ich mich sehr gut in die Handlung hineinversetzen und gerade das gruselige und merkwürdige an Runa ist sehr zu mir durchgedrungen. Die ganze Handlung wird durch eine düstere und dunkle Aura umgeben.


    Insgesamt kann ich das Buch empfehlen, man sollte aber doch starke Nerven und an der ein oder anderen Stelle ausdauer mitbringen. Es sollte auch ein Interesse am Themengebiet Medizin/Psychologie vorhanden sein um das Buch voll zu genießen.


    Von mir gibt es 7 Punkte

    Das Buch ist wie eine Rose, beim Betrachten der Blätter öffnet sich dem Leser das Herz.


    (Sprichwort aus Persien)


    LG büchervamp :flowers


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  • Auch ich habe das Buch für eine Leserunde geschickt bekommen, nochmals vielen Dank an alle daran Beteiligten!


    Der Roman packt einen, schüttelt einen durch und lässt einen gar nicht mehr los. Auch nicht, wenn er längst zu Ende gelesen ist.


    Sprachlich und von den Spannungsbögen eine fantastisch ausgearbeitete Geschichte, allerdings von den Figuren her ein bisschen schwierig. Mit Jori und Lequoc, den beiden Protagonisten, wurde ich sehr lange nicht warm, aber es gab ein paar Nebenfiguren, die mir gut gefallen gaben. Ein Stückchen kürzer hätte es gerne sein dürfen, aber ich habe die kleinen Längen zwischendurch dann als Verschaufpause aufgefasst.


    Von der Thematik her war es ein sehr schwieriges Buch in dem Sinne, dass man es nicht einfach abends im Bett lesen kann. Eine Gute-Nacht-Lektüre ist das nicht, da bekäme man Albträume, was mir nicht bei Büchern aus dem Hororgenre passiert. Es beleuchtet die Geschichte der Psychologie auf eine Weise, die einem gerade aufgrund der Authentizität unter die Haut geht.


    Die Autorin werde ich mir definitiv merken.

  • Ich habe das Buch ebenfalls im Rahmen der Leserunde lesen dürfen und muss zur Rezension erwähnen, dass ich den letzten Abschnitt erst mit längerer Unterbrechung lesen konnte. Dennoch war mir ein Einstieg nach dieser Zeit gut möglich.


    Mich hat dieses Buch äußerst begeistert zurückgelassen. Ich habe im Rahmen meiner Schwangerschaft oft einige Abschnitte in der Nacht gelesen und muss sagen, dass diese düstere Atmosphäre der Autorin sehr geungen ist. Das Thema an sich ist meines Erachtens gut gewählt, hat mich sehr interessiert, da ich beruflich viel damit zu tun habe. Als Leser hat man dennoch so manches mal entsetzt weitergelesen, weil man nicht glauben konnte, was für grausame Dinge geschehen.


    Es ist also definitiv kein Buch, was man mal eben so weglesen kann. Ich brauchte immer mal wieder meine Pausen, es kann durchaus auch als Thriller durchgehen. Der Stil ist passend gewählt, nicht zu verschachtelt sondern genau passend.


    Ich vergebe 10 von 10 Punkten.

  • Für mich wird es Zeit für ein Zwischenfazit.
    Ich bin ca. in der Mitte des Buches angelangt..........und möchte es auf jeden Fall auch noch beenden.
    Denn mir gefällt das Thema und auch die Umsetzung desselben.
    Zudem finde ich den Schreibstil richtig gut.
    Weshalb ich es nicht leider nicht schaffe, das Buch so "richtig am Stück" zu lesen, kann ich eigentlich gar nicht so genau sagen........
    Sind es vielleicht die doch oft sehr krassen Beschreibungen der Behandlungen von Patienten, über die man lieber nicht länger nachdenken möchte. :gruebel


    Ich werde das Buch auf jeden Fall beenden und dann auch hier berichten.
    Zum jetztigen Zeitpunkt würde ich 8 von 10 Punkten vergeben.

  • Runa dürfte zweifelsohne zu den ungewöhnlichsten Büchern gehören, die ich in 2015 gelesen habe. Ich war sehr überrascht, dass es sich hierbei um das Debüt einer jungen Autorin handelt.


    Was im 19. Jahrhundert in der Pariser Nervenheilanstalt Hôpital de la Salpêtrière geschieht, ist aus heutiger Sicht ungeheuerlich. Jeder gruselige und barbarische Horrorfilm wirkt harmlos dagegen, denn hier handelt es sich nicht um Fiktion, sondern um von der Autorin penibel recherchierte Historie. An Frauen, die der Diagnose „Hysterie“ zum Opfer fielen, wurden Operationen und Experimente durchgeführt, die den Begriff Folter verdienen. Die damaligen Ärzte schien es wenig zu interessieren, ob die Patientinnen wirklich krank waren und ob am Ende des öffentlichen Spektakels ein Heilerfolg stand. Es ging mehr um das Zurschaustellen der Frauen und des eigenen Könnens. Und es ging auch darum, den Wettlauf gegen die Konkurrenz aus dem Ausland zu gewinnen.
    Einer der Protagonisten ist der junge ehrgeizige Student Jori, der in Paris seinen Doktortitel machen möchte. Ihm wird Runa als Forschungsobjekt zugeteilt, das junge Mädchen, das gerade erst in die Anstalt eingeliefert wurde und einen apathischen, unzugänglichen Eindruck macht.


    Vera Buck schildert in sehr bildhafter und eindringlicher Sprache ihre aus drei verschiedenen Perspektiven erzählte Geschichte. Ein bisschen schwer durchschaubar fand ich am Anfang die zeitliche Einordnung der einzelnen Szenen, das legt sich aber im Verlauf der Handlung. Die Geschichte entwickelt sich schließlich spannend und die einzelnen Fäden laufen im letzten Drittel sauber zusammen. Man wird dafür belohnt, dass man den trockenen und nicht leicht zu verfolgenden Einstieg ins Buch überwunden hat.


    Mir hat das Buch sprachlich und inhaltlich gut gefallen, seine düstere Atmosphäre nahm mich gefangen. Es war lange interessant und informativ, bevor es im letzten Drittel dazu noch richtig spannend wurde, woran auch der geschickt in die Handlung eingeflochtene mysteriöse Kriminalfall seinen Anteil hat. Ich mag es auch sehr gern, wenn in Bücher, die in der Vergangenheit spielen, historische Personen eingeflochten sind.


    Rosenstolz ,
    bist du inzwischen durch mit dem Buch? :-)