Carmen Korn: Töchter einer neuen Zeit

  • Carmen Korn: Töchter einer neuen Zeit
    Kindler 2016. 560 Seiten
    ISBN-13: 978-3463406824. 19,95€


    Verlagstext
    Vier Frauen – Zwei Weltkriege – Hundert Jahre Deutschland
    Einer neuen – einer friedlichen – Generation auf die Welt helfen, das ist Henny Godhusens Plan, als sie im Frühjahr 1919 die Hebammenausbildung an der Hamburger Frauenklinik Finkenau beginnt. Gerade einmal neunzehn Jahre ist sie alt, doch hinter ihr liegt bereits ein Weltkrieg. Jetzt herrscht endlich Frieden, und Henny verspürt eine große Sehnsucht nach Leben. Drei Frauen begleiten sie auf ihrem Weg: die rebellische Käthe, Ida, Tochter aus wohlhabendem Hause, und die junge Lehrerin Lina. So verschieden die Frauen sind, so eng ist ihre Freundschaft, auch wenn diese in den kommenden Jahrzehnten oft auf die Probe gestellt werden wird. Carmen Korn verwebt deutsche Geschichte mit vier bewegten Frauenleben. Sie erzählt die Geschichte einer Generation, die Geschichte eines Jahrhunderts.


    Die Autorin
    Carmen Korn, Jahrgang 1952, ist die Tochter des Komponisten Heinz Korn. Nach ihrer Ausbildung an der Henri-Nannen-Schule arbeitete sie als Redakteurin für den STERN. Carmen Korn lebt seit vierzig Jahren auf der Uhlenhorst. Sie ist in dem Viertel tief verwurzelt und beschäftigt sich schon seit langem mit dessen Geschichte. Carmen Korn ist verheiratet und hat zwei erwachsene Kinder.


    Inhalt
    Als Henny Godhusen im Jahr 1919 gemeinsam mit ihrer Freundin Käthe die Ausbildung als Hebamme in der Hamburger Frauenklinik Finkenau beginnt, steht ihre Generation noch unter dem Eindruck des Ersten Weltkriegs. Die jungen Frauen sind so alt wie das 20. Jahrhundert. Als Leser im 21. Jahrhundert ahnt man im Gegensatz zu ihnen selbst, was ihrer Generation in den folgenden 25 Jahren bevorsteht. Beide Mädchen sind in einfachen Familien aufgewachsen. Das echte, duftende Stück Seife im ersten Kapitel symbolisiert sehr treffend die Lebensverhältnisse in Mietshäusern zu der Zeit, als die Küche oft der einzige beheizte Raum war, in dem sich deshalb alle Familienmitglieder gewaschen haben. Käthe und Henny werden durch ihren Beruf mit allen Facetten eines Frauenlebens konfrontiert, unterernährten Frauen die nach zu vielen Geburten im Kindbett sterben, ungewollter Kinderlosigkeit und ungeplanten Kindern, die zu Verwandten aufs Land gegeben werden, wo niemand nach dem Vater fragt.


    Weitere handelnde Figuren aus Hennys Generation sind die Kaufmannstochter Ida Bunge aus wohlhabenden Verhältnissen, die elternlosen Geschwister Lina und Lud, sowie Käthes spätere Mann Rudi, der zu Beginn des Romans noch in der Lehre als Schriftsetzer ist. Ida soll möglichst bald einen wohlhabenden Bankier heiraten, um ihrem Vater den geschäftlichen Kontakt zu sichern; Lina wird Lehrerin. Vier junge Frauen, ihre Partner, Kinder, Schwiegerfamilien und Kollegen, das klingt nach einer unübersehbaren Zahl von Personen. Einige lässt Carmen Korn bereits so früh über die Klinge springen, dass ich mich fragte, ob nicht die Erinnerung an diese Figuren im Gespräch genügt hätte. Henny, die ursprünglich Lehrhebamme werden und keine eigenen Kinder haben wollte, landet als berufstätige Mutter in der Zwickmühle, dass sie ihre Kinder von ihrer Mutter betreuen lassen muss, obwohl sie ein kompliziertes Verhältnis zu ihr hat. Henny steht ebenfalls für all die Menschen, die im beginnenden Nationalsozialismus mit dem eigenen Überleben zu stark belastet waren, um sich für Politik zu interessieren. Käthe und Rudi landen als Kommunisten schon früh auf der Fahndungsliste der Gestapo. Nicht nur in der Klinik kann die Frage überlebenswichtig sein, ob man Jude ist, einen jüdischen Elternteil hat oder unter einem Chef arbeitet, der Jude ist.


    Die Figuren sind geschickt gewählt und glaubwürdig angelegt, als Hebammen, Lehrerin, Buchhändler, Importkaufmann oder Pensionsbesitzerin kommen sie mit vielen Menschen in Kontakt, die ihnen – und damit auch den Lesern – den Blick öffnen für die Entstehung des Nationalsozialismus. Beinahe zu viele authentische und wichtige Figuren tauchen auf (Juwelier Jaffe mit dem Eisernen Kreuz z. B.). Mehrere Handlungsfäden verweisen auf private und geschäftliche Kontakte, die evtl. im Folgeband noch ausgebaut werden könnten. Da ich noch nicht weiß, ob mich der Folgeband interessieren wird, führten diese Fäden für mich zu weit vom Jetzt und Hier weg. Die Lebensbedingungen von Hennys Generation wirken sehr authentisch und sorgfältig recherchiert, weit glaubwürdiger, als in vielen anderen Romanen über den Beginn des vorigen Jahrhunderts. Für die einfachen Verhältnisse, aus denen die meisten Figuren stammen, klang die Erzählerstimme stellenweise zu gewählt und das Straßennamen-Dropping wäre nicht nötig gewesen. Neben dem vorhandenen Stadtplanausschnitt hätte ich gern ein Diagramm der Familienbeziehungen gehabt und eine optisch klarere Trennung der Handlungsabschnitte. Einige Male habe ich den Faden verloren und mich z. B. gefragt, wer Fritz ist und ob Claas nun der Bruder oder Neffe ist.


    Fazit
    Für Hamburger Leser hat Carmen Korns Trilogie sicher einen besonderen Reiz. Mich lässt die Lektüre des ersten von drei Bänden leicht atemlos zurück nach der Fülle verschiedener Personen.


    8 von 10 Punkten

  • Der zweite Band steckt schon in den Startlöchern.


    Wirtschaftswunder, Rock ‘n‘ Roll, Cocktailpartys – der zweite Teil der Jahrhundert-Trilogie


    Der Zweite Weltkrieg ist vorbei, das Naziregime zerschlagen. Hamburg liegt wie so viele andere Städte in Trümmern. Auch Henny und ihre Familie gehören zu den Ausgebombten, doch sie finden Obdach bei Hennys Mutter. Und endlich scheint es aufwärts zu gehen. Die Fünfziger Jahre beginnen und mit ihnen das deutsche Wirtschaftswunder, die Jahre des Schlagers und des Rock ‘n‘ Roll. Hennys Tochter Marike erwartet ihr erstes Kind. Und Henny könnte nicht stolzer auf ihre Tochter sein. Nachdem sie selbst damals, im Frühling 1919, den ersten Schritt wagte und die Hebammenausbildung begann, ist Marike den nächsten Schritt gegangen und hat Medizin studiert. Marikes Mann Thies bekommt eine Stelle beim neu gegründeten Nordwestdeutschen Rundfunk. Lina, die während der Nazizeit ihre Stellung als Lehrerin verlor, wagt den Neuanfang und gründet eine Buchhandlung. Und Ida hat endlich den Mut, ihr Schicksal selbst in die Hand zu nehmen. Aufbruch überall. Nur wohin die Schreckenszeit Käthe verschlagen hat, wissen die Freundinnen nicht. Immer drängender wird die Frage: Ist Käthe überhaupt noch am Leben?


    Im zweiten Teil ihrer Jahrhundert-Trilogie begleiten wir Hebamme Henny, ihre Freundinnen, Kinder und Enkelkinder durch die Jahre des Wiederaufbaus bis in die Umbruchszeit der 1960er Jahre mit Studentenunruhen und Vietnamkrieg. Der dritte und abschließende Band der Trilogie wird voraussichtlich im Winter 2017/2018 erscheinen und die Zeit des Deutschen Herbst und der Wiedervereinigung umfassen.

  • :danke für die Rezi


    Ich hatte vom Verlag schon eine Ankündigung der Bücher gelesen und bin prinzipiell interessiert. Kann es sein, daß aktuell überproportional viele Bücher, die von dieser Zeit angesiedelt sind, auf dem Markt sind oder kommt es mir nur so vor? :gruebel

  • Mir kommt es auch so vor. Einmal ist es das "100. Jubiläum" des ersten Weltkriegs, aber diese Bücher müssen auch jetzt geschrieben werden, weil bald niemand mehr lebt, der persönlich noch Zeitzeugen gekannt hat. Eine besondere Qualität dieses Buches ist, dass diese Autorin sich in die Lebensbedingungen einfühlen kann. Es fällt mir zwar schwer zu sagen, dass manche Autoren dafür einfach zu jung sind, aber die wenigsten können sich noch vorstellen, wie man sich von Kopf bis Fuß in 2 Litern warmem Wasser in einer Schüssel wäscht. Und so fallen ihre Romane dann aus.


    Soll das Buch zu dir wandern? :wave

  • Ich habe es auch gelesen und fand es Fantastisch, sie hat alles sehr Authentisch geschildert.
    Meine Oma wurde 1900 geboren, und sie hat uns viel aus der Zeit erzählt. leider starb mein Opa schon 1933 . Meine Eltern sind Jahrgang 1927 , nur mein Vater lebt noch, meine Mutter starb 2014, sie hätte dieses Buch bestimmt auch sehr gerne gelesen.


    Jedenfalls freue ich mich auf die Fortsetzung im Juni 2017
    Gut das noch einige Zeitzeugen leben, die man noch befragen kann. Ich finde solche Bücher sind sehr wichtig, so können wir doch in die vergangene Zeit unserer Vorfahren eintauchen.
    Wirklich keine leichte Zeit damals, was die Menschen alles leisten mussten. Ich bin 1952 geboren, und ich muss sagen in diesen 64 Jahren hat die Welt rasante Fortschritte gemacht.

  • Zitat

    Original von Buchdoktor
    Mir kommt es auch so vor. Einmal ist es das "100. Jubiläum" des ersten Weltkriegs, aber diese Bücher müssen auch jetzt geschrieben werden, weil bald niemand mehr lebt, der persönlich noch Zeitzeugen gekannt hat. Eine besondere Qualität dieses Buches ist, dass diese Autorin sich in die Lebensbedingungen einfühlen kann. Es fällt mir zwar schwer zu sagen, dass manche Autoren dafür einfach zu jung sind, aber die wenigsten können sich noch vorstellen, wie man sich von Kopf bis Fuß in 2 Litern warmem Wasser in einer Schüssel wäscht. Und so fallen ihre Romane dann aus.


    Soll das Buch zu dir wandern? :wave


    *rotwerd* ich trau mich schon bald nicht mehr, jaaa ich würde es gerne lesen

  • Carmen Korns Trilogie um die „Töchter einer neuen Zeit“ beschreibt im ersten Band die Zeit von 1919 bis 1948. Sie hat gut recherchiert und beschreibt diese Zeit zwischen den zwei Kriegen authentisch und lebendig. Im Vordergrund steht das Schicksal der im Jahr 1900 geborenen Henny, ihrer Freundin Käthe, sowie Lina und Ida.


    Henny und Käthe kennen sich schon seit ihrer Kindheit, sie sind in einfachen Verhältnissen aufgewachsen und lassen sich zu Hebammen in einer Hamburger Klinik ausbilden. Sie sehen dabei viele Frauenschicksale und ihr Kinderwunsch bzw. Verhütung werden dadurch geprägt.
    Henny findet in Lud einen guten Ehemann, bekommt ein Kind, aber er kehrt aus dem Krieg nicht mehr zurück, so daß sie auf die Hilfe ihrer dominanten Mutter bei der Kinderbetreuung angewiesen ist. Käthe und Rud engagieren sich politisch, was vor allem Rud zum Verhängnis wird. Außerdem ist Rud immer noch auf der Suche nach seinen Wurzeln bzw. seinem Vater. Lina möchte Lehrerin werden und fühlt sich für ihren kleineren Bruder verantwortlich, da sie ihre Eltern bereits verloren haben. Sie führt ein etwas ungewöhnliches Leben mit Louise. Und Ida ist sehr wohlbehütet aufgewachsen. Wegen eines finanziellen Engpasses bzw. erhaltenen Kredits nötigt ihr Vater sie, einen für ihn vorteilhaften Kandidaten zu heiraten. Daß es sich um keine Liebesheirat handelt, spürt der Leser von Beginn an. Es fehlt schlichtweg die Basis einer Ehe, das Vertrauen. Das führt im Laufe der Zeit dazu, daß jeder sein eigenes Leben mit einem anderen Partner führt.


    Die Autorin hat die Figuren sehr gut charakterisiert. Es tauchen außerdem noch viele kleine Nebenfiguren auf, die die Geschichte abrunden und lebensnah gestalten. Im Verlauf der Geschichte spielt natürlich die Politik und der 2. Weltkrieg eine sehr große Rolle und bestimmen das Leben.


    Den 2. Band werde ich bestimmt lesen, denn das weitere Schicksal der Figuren interessiert mich schon sehr.


    Von mir 9 Eulenpunkte

  • Ich durfte dieses Buch als Wanderbuch lesen. Danke dafür nochmals, Buchdoktor!


    Man merkt von Anfang an, das die Geschichte sehr groß angelegt ist. Es sind viele handelnde Personen, die sich um die 4 Hauptpersonen Henny, Lina, Käthe und Ida bewegen. Es fällt auch nicht schwer sich von der Geschichte mitziehen zu lassen. Zum einen Henny als (meine) Hauptperson, die gemäßigt versucht das beste für sich und ihre Familie aus der jeweiligen Situation zu machen, die radikale Käthe, Lina, die ruhige Lehrerin die für mich bis zum Ende etwas blass bleibt, und Ida, das verzogene Gör, bei der ich überhaupt nicht wusste was ich mit dieser Figur anfangen soll, aber da Ina ja auch oft selbst nicht weiß was sie eigentlich will, ist das wohl okay so....
    Wir erleben in diesem ersten Band die Jahre nach dem großen Krieg, die Jugendjahre unserer Personen, über die goldenen Zwanziger Jahre in denen wirklich alles möglich war, bis hin zum Ende des Nazi-Regime 1948. Manchmal ging es mir im Buch etwas zu schnell, plötzlich waren wieder 5 Jahre vergangen, plötzlich war Hitler halt nun doch an der Macht obwohl sich die Protagonisten 2 Seiten vorher noch einig waren das das nie passieren würde... da ging mir vieles zu schnell, ich hätte gerne ausführlicheres gelesen. Wie sich vor allem das dritte Reich auf die Leben der 4 Frauen auswirkt ist gut beschrieben. Sie alle haben jüdische Freunde/Freundinnen um die gebangt werden muss....


    Gesamtfazit: Ich lese gerne historisches, aber eigentlich ist nach dem 1 WK bei mir Schluß, in die Zeit danach wage ich mich nur höchst-selten. Dieser Ausflug hat mir allerdings gut gefallen, und ich bin mir sicher das ich auch die nächsten 2 Teile lesen werde!

  • Ich habe das Buch gerade beendet und bin noch ganz hingerissen.
    Ich habe Henny, Käthe, Lina und Ida wirklich gerne begleitet durch die zwanziger und dreißiger Jahre, sowie durch den Krieg.
    Manchmal hätte ich die eine oder andere auch schütteln mögen, auf Grund ihrer Entscheidungen.
    Viele aus den Familien sind mir nach und nach ans Herz gewachsen und so musste ich auch ein paar Tränchen verdrücken, als so manch einer gehen musste.
    Was mir gut gefallen hat, waren die Schilderungen aus den Dreißigern, das eigentlich normale Leben mit der andauernden Anspannung dahinter. Die kleinen Gemeinheiten, die einen immer wieder daran erinnern, wie fragil das Leben doch damals teilweise war.


    Mich wird das Buch sicher noch eine Weile beschäftigen. Den Nachfolge-Band habe ich mir gleich geholt und auch gleich begonnen. Ich wollte doch zu gerne wissen wie die Hamburger den nun die Nachkriegszeit meistern.

  • Interview mit Carmen Korn


    Zitat

    Ein Interview mit der Hamburger Bestsellerautorin

    Mit den ersten beiden Bänden ihrer Jahrhundert-Trilogie stürmte Carmen Korn die

    Bestsellerlisten: «Töchter einer neuen Zeit» und «Zeiten des Aufbruchs» – von der Presse hochgelobt, von den Leserinnen geliebt. Mit «Zeitenwende», dem am 25. September 2018 erscheinenden Band 3, findet das mitreißende und bewegende Epos seinen Abschluss.

    In einem großen biografischen Interview spricht Carmen Korn über ihren berühmten Vater, den Komponisten und Schlagertexter Heinz Korn (und ihren noch berühmteren Schwiegervater, den Schauspieler Paul Hubschmid); über ihre Kindheit und Jugend in den Rundfunk- und Aufnahmestudios; über Paul McCartney, Hanna Schygulla und andere unvergessliche Begegnungen während ihrer Zeit als Stern-Journalistin; über ihre Liebe zu Hamburg, den unerwarteten späten Ruhm als Autorin – und den bittersüßen Abschmiedsschmerz von den Protagonisten der drei Romane …

  • Ich fand es zum Teil sehr verwirrend die ganzen Namen. Man muss schon dran bleiben, wenn man eine Woche nicht liest hat Probleme wieder rein zu kommen.


    Mir hat es trotzdem gut gefallen und mich ziemlich bedrückt zurück gelassen. Umso mehr freue ich mich auf den nächsten Band. Ich habe tatsächlich sehr mitgelitten und konnte mich gut einfühlen.


    Von mir 8 Punkte