'Früchte des Zorns' - Seiten 246 - 302

  • Historisch schließt sich hier in gewisser Weise der Kreis. 300000 Leute aus dem Osten der USA "fallen" in Kalifornien ein. Amerikaner wie die, die das gleiche Land vor Zeiten den Mexikanern, die dort lebten, weggenommen haben, es besetzten, bebauten, für sich beanspruchten.
    Sehr treffend beschrieben fand ich, wie sich die Liebe zum Boden, dem Land und der Natur, der Scholle, zu Gewinn- und Verlustdenken wandelte. Im Roman heißt es, dass die "Liebe vom Geld verdünnt" wurde. Besser kann man das nicht schreiben. :anbet


    In diesem Abschnitt brechen die äußeren Umstände, die die Auswanderer vorfinden, über sie herein. Die größte Gefahr ist wohl die, dass die Familie auseinander bricht. Sie werden alles ertragen können, gemeinsam, nur das nicht. Und es beginnt schon.


    Der Erste, der weg ist, ist ein Bruder von Tommy. Dann rettet der Prediger Tommy, indem er sich verhaften lässt, und ist auch weg. Connie verschwindet auch. Ich denke, dass ihn die Verantwortung, die er für Rose und das Ungeborene hat, niederdrückte. Onkel John(so menschlich, dass er sich besaufen gehen musste) will auch nicht weiter mitkommen. Bei ihm denke ich eher, dass er keine Belastung sein will. Mir scheint, dass er depressiv ist, den Tod seiner Frau, an dem er sich mit schuld glaubt, nie überwinden konnte und daran zerbricht, Stück für Stück.


    Es ist alles so hoffnungslos...
    Aber wer hat versprochen, dass sei ein heiteres Buch.
    Auf jeden Fall ist es großartig!

  • Die Probleme brechen über die Familie herein - Schaden am Auto, Großmutter stirbt, Noah verläßt den Clan und Connie verabschiedet sich still und leise.


    Dem Prediger zolle ich jeden Respekt :anbet Hoffentlich begegnen wir ihm nochmals.
    Connie fühlte sich von seiner jungen Frau vermutlich zu sehr unter Druck gesetzt mit ihren ständigen Zukunftsphantasien. Hat er eigentlich jemals gesagt, daß er abends studieren wollte oder war es IHR Wunschdenken?


    Sehr schlimm habe ich empfunden, als sie nun den ersten Rückkehrern begegnen und unterschwellig die Skepsis an dem Vorhaben wächst. Aber andererseits eine Alternativlösung zu Hause wäre nur die Arbeit mit dem Traktor gewesen :gruebel So kämpfen sie sich weiter als Familie gen Westen vor.

  • Ich will nochmal auf eine Bemerkung im 1. Abschnitt zurückkommen.


    Die Familie betrachte ich immer noch aus einer Distanz, das finde ich aber nicht nachteilig.


    Und Sohn Tom festigt für mich seinen Stand in der Familie. Er ist anerkannt, wird von allen geachtet, respektiert und sie bewundern ihn auch für seine Kenntnisse rund ums Auto, die er sich im Gefängnis angeeignet hat. Für mich hat er "Anführer" Qualitäten.

  • Zitat

    Original von Richie
    Ich will nochmal auf eine Bemerkung im 1. Abschnitt zurückkommen.


    Die Familie betrachte ich immer noch aus einer Distanz, das finde ich aber nicht nachteilig.


    Und Sohn Tom festigt für mich seinen Stand in der Familie. Er ist anerkannt, wird von allen geachtet, respektiert und sie bewundern ihn auch für seine Kenntnisse rund ums Auto, die er sich im Gefängnis angeeignet hat. Für mich hat er "Anführer" Qualitäten.


    Ich finde auch, dass Tommy eine zentrale Rolle hat, für die Familie und für die Geschichte. Er ist ein Macher, einer, der auf die Füße fällt. Ich habe immer noch Sorge, dass ihm das zum Verhängnis werden könnte, dass er eine tragische Rolle zum Ende der Geschichte spielen könnte. Er ist geradezu wie gemacht dafür.

  • Ich habe erst den Anfang des Abschnitts gelesen. Er beschäftigt mich aber so sehr, dass ich gleich meine ersten Eindrücke und Gedanken aufschreiben möchte...


    Da wäre einmal die Schilderung des Alltags der verachteten "Okies": keine Arbeit, kein Haus, kein Essen, Wut und Verzweiflung wachsen. Vor allem, da fruchtbares Land da wäre, aber nicht bebaut werden darf.
    Kein Wunder, dass das Buch seinerzeit einen Aufschrei der Entrüstung unter den Landbesitzern und Reichen hervorgerufen hatte. Steinbeck wurde als Kommunist und Nestbeschmutzer beschimpft. Zu recht?
    Jedenfalls empfinde ich es - zugegebenermaßen aus sicherer Distanz - dass der amerikanischen Scheinheiligkeit und Selbstgefälligkeit ein Spiegel vorgehalten wird. Erst wurde Kalifornien den Mexikanern gestohlen, dann diese vertrieben (wow! diese Parallele zu 2017) und nun verweigert man den eigenen Landsleuten Hilfe und trachtet nur danach, sie gründlich auszubeuten. Von wegen "this land is my land, this land is your land..."


    Wenn ich mir aber vorstelle, wie die Zahl der Vertriebenen und Arbeitssuchenden täglich wächst und wächst, und damit auch die Gewaltbereitschaft, dann verstehe ich schon auch die Angst der Kalifornier.


    Herzzerreißend, wie die Ärmsten der Armen Münzen zusammenlegen, um einem Kind ein Begräbnis zu finanzieren. Großmutter Joad erhält dagegen ein Armenbegräbnis, weil es nicht nicht anders geht.


    Ich frage mich wirklich, was noch passieren muss, um die Familie Joad endlich aus ihren romantischen und naiven Träumen herauszureißen.

    Kinder lieben zunächst ihre Eltern blind, später fangen sie an, diese zu beurteilen, manchmal verzeihen sie ihnen sogar. Oscar Wilde

  • Zitat

    Original von Alice
    ...
    Ich frage mich wirklich, was noch passieren muss, um die Familie Joad endlich aus ihren romantischen und naiven Träumen herauszureißen.


    Ich glaube, tief in sich drin, wissen die Joads genau, dass ihre Träume nicht real werden. Was sollten sie denn machen? Ich finde es nur menschlich, immer weiter an dieser schwachen Hoffnung festzuhalten, wenn sie das einzige ist, was man noch hat und nicht zurück kann.
    Was wäre denn die Alternative?

  • Zitat

    Original von Clare


    Ich glaube, tief in sich drin, wissen die Joads genau, dass ihre Träume nicht real werden. Was sollten sie denn machen? Ich finde es nur menschlich, immer weiter an dieser schwachen Hoffnung festzuhalten, wenn sie das einzige ist, was man noch hat und nicht zurück kann.
    Was wäre denn die Alternative?



    Ich glaube auch, daß sie um die schlechten Aussichten wissen bzw. befürchten, aber zurück können sie nicht mehr - also Zähne zusammenbeißen und vorwärts :-(

  • Zitat

    Original von Clare


    Ich glaube, tief in sich drin, wissen die Joads genau, dass ihre Träume nicht real werden. Was sollten sie denn machen? Ich finde es nur menschlich, immer weiter an dieser schwachen Hoffnung festzuhalten, wenn sie das einzige ist, was man noch hat und nicht zurück kann.
    Was wäre denn die Alternative?


    Ja, das ist die große Frage...


    Sie könnten das tun, was Richie sagt:


    Zitat

    Original von Richie
    Ich glaube auch, daß sie um die schlechten Aussichten wissen bzw. befürchten, aber zurück können sie nicht mehr - also Zähne zusammenbeißen und vorwärts :-(


    oder vielleicht irgendeine Initiative ergreifen, um aus der Opferrolle herauszukommen. Aber was? Ich habe keine Ahnung. Unvorstellbar, in solch einer aussichtslosen Lage zu sein. Man kann völlig resignieren und aufgeben, man kann seiner Wut freien Lauf lassen, sich betrinken wie Onkel John - aber nichts davon ist konstruktiv.


    Mir fällt auf, dass sich die beiden Kinder noch am besten zurechtfinden. Und Mutter Joad, aber sie habe ich immer schon für eine starke Frau gehalten, die die Ärmel hochkrempelt und tut, was zu tun ist.


    Die Eskalation, als der Kontraktor und die Polizei erscheinen, wurde von diesen provoziert. Und Floyd und Tom regieren wie von denen gewünscht: mit Gewalt.

    Kinder lieben zunächst ihre Eltern blind, später fangen sie an, diese zu beurteilen, manchmal verzeihen sie ihnen sogar. Oscar Wilde



  • Das stimmt, die beiden Geschwister haben einander und das genügt ihnen, sowohl zum Spielen oder auch Auskundschaften.


    Edit: habe glaube ich was vorweggenommen und daher wieder gelöscht :chen

  • Die Kinder sind gedankenlos und tragen keine Verantwortung, das hat nicht viel mit zurechtkommen zu tun. John ist depressiv, das empfinde ich auch so. Und die Hoffnung dürfen sie niemals aufgeben, sonst enden sie wie John im stillen Suff oder wie Noah und Connie, die sich einfach aus dem Staub gemacht haben.


    Der Fehler war wohl schon zu Beginn der Reise. Als alle Richtung Westen zogen, wären sie besser gen Osten gefahren und der Masse nicht gefolgt. Aber woher sollten sie das wissen?


    Ja, das Buch ist tief kommunistisch. Es zeigt rigoros die Fehler des Kapitalismus auf. Es stellt zu großen Landbesitz in Privathänden als großen Fehler dar und vieles mehr. Der Mensch ist grundsätzlich hierarchisch und hat kein unbegrenztes Empathievermögen. In Kapitel 21 wird das alles wundervoll dargestellt. Das System, dass sich selbst zerstört und kanibalisiert.


  • Jeder Versuch der "Oakies" sich zu wehren wird ja direkt im Keim erstickt. Wenn es wirklich mal einer versucht, die Menschen zu organisieren, damit sie sich wehren könnten, wird er direkt verhaftet und seine Familie muss dann erst recht verhungern.
    Das Vorgehen der Landbesitzer, immer gleich ganze Massen von Arbeitern anzulocken, um sie die Löhne ins Bodenlose drücken zu können ist aber auch verdammt clever. Und einfach nur widerlich!


    Zitat

    Original von Alice
    Mir fällt auf, dass sich die beiden Kinder noch am besten zurechtfinden. Und Mutter Joad, aber sie habe ich immer schon für eine starke Frau gehalten, die die Ärmel hochkrempelt und tut, was zu tun ist.


    Klar ist die Mutter eine starke und bewunderswerte Frau, ich finde aber auch, dass immer deutlicher wird, wie nahe auch sie am Zummenbruch steht, sie tut was getan werden muss, aber das ist das einzige, was ihr noch Halt gibt und sie nicht angesichts der Aussichtslosigkeit der Lage verzweifeln lässt.

  • Puh! Die Stimmung wird immer aggressiver. Es erinnert mich immer mehr an unsere aktuelle Situation, nur dass die Zuwanderer keine Einheimischen sind, sondern zu allem Übel auch noch Menschen, die unserer Sprache oft nicht verstehen. Wie gut, dass das Buch aus der Sicht der flüchtenden Familie geschrieben ist, so dass man sich so gut rein versetzen kann.,
    Das sollten einige Menschen heutzutage mal lesen. Vielleicht verstehen sie dann die Lage der Flüchtlinge.


    Connie ist mir nie wirklich aufgefallen. Ich fand den eh komisch. Ich glaube aber nicht, dass er faul ist, sondern eher, dass er einfach nicht weiß, was er tun soll. Die beiden sind ja auch noch ziemlich jung. Ich finde es aber eher nicht so gut, dass Rosasharn jetzt ohne Connie weiter reisen sollte. Onkel John haben sie immerhin auch gesucht. Die Arme. Ob sie es besser hat ohne ihn? Aber als alleinerziehende Mutter in dieser Zeit? Sie wird sicher tatsächlich erzählen müssen, Connie wäre gestorben.


    Onkel John hat ja mal ne richtige Depression, oder sehe ich das falsch? Der arme Mann gibt sich nach so vielen Jahren die Schuld am Tod seiner Frau, obwohl er sicher überhaupt nichts dazu konnte. Er hat ja nicht absichtlich keinen Arzt geholt. Armer Kerl.


    Ich finde den Zusammenhalt zwischen den Reisenden ganz toll. Ich würde mir wünschen, dass es sowas im realen Leben auch öfter gibt. Oft gibt es nur Neid und Hass und Habgier.
    Mutter finde ich übrigens immer noch toll. Ich hätte an ihrer Stelle auch nicht gewusst, was ich tun soll, wenn die Kinder alle hungrig vor mir stehen und alles genau beobachten. Was für eine gruselige Situation.


    Zitat

    Original von Richie


    Und Sohn Tom festigt für mich seinen Stand in der Familie. Er ist anerkannt, wird von allen geachtet, respektiert und sie bewundern ihn auch für seine Kenntnisse rund ums Auto, die er sich im Gefängnis angeeignet hat. Für mich hat er "Anführer" Qualitäten.


    In diesem Abschnitt habe ich mir das erste Mal gedacht, wie toll ich Tom doch finde. Er ist irgendwie so echt und macht sich sehr viele Gedanken um alle und wie es weiter gehen soll.


    Zitat

    Original von Clare


    Ich glaube, tief in sich drin, wissen die Joads genau, dass ihre Träume nicht real werden. Was sollten sie denn machen? Ich finde es nur menschlich, immer weiter an dieser schwachen Hoffnung festzuhalten, wenn sie das einzige ist, was man noch hat und nicht zurück kann.
    Was wäre denn die Alternative?


    Ich sehe das auch so. Die Alternative wäre, einfach irgendwo zu bleiben, zu verhungern oder bei einem der Brände ums Leben zu kommen. Sie versuchen ihr Schicksal in die Hand zu nehmen.


    Mir gefällt das Buch immer noch sehr gut, obwohl ich schon fast einen Monat dran herum lese. Es ist nichts für mal eben nebenbei...