Frank Goldammer - Vergessene Seelen

  • Kurzbeschreibung (Quelle: Verlagsseite)

    Der dritte Fall für Max Heller – und sein ganz persönlicher Alptraum

    Dresden 1948: Ein heißer Sommer, drei Jahre nach Kriegsende. Die große Währungsreform stürzt das besetzte und aufgeteilte Nachkriegsdeutschland in eine Krise. Inmitten der mühsamen Wiederaufbauarbeiten bekommt es Oberkommissar Max Heller mit dem Fall eines 14-jährigen Jungen zu tun, dessen Todesursache völlig unklar ist. War es ein Unfall, Mord oder sogar Selbstmord? Heller stößt bei seinen Ermittlungen auf eine Wand des Schweigens und wird dabei mit seinem ganz persönlichen Albtraum konfrontiert, den er längst vergessen geglaubt hatte.


    Autor (Quelle: Verlagsseite)

    Frank Goldammer wurde 1975 in Dresden geboren und ist gelernter Maler- und Lackierermeister. Neben seinem Beruf begann er mit Anfang zwanzig zu schreiben, verlegte seine ersten Romane im Eigenverlag. Mit ›Der Angstmann‹, Band 1 der Krimiserie mit Max Heller, gelangte er sofort auf die Bestsellerlisten. Er ist alleinerziehender Vater von Zwillingen und lebt mit seiner Familie in seiner Heimatstadt.


    Allgemeines

    Dritter Band der Reihe um den Dresdener Oberkommissar Max Heller

    Erschienen am 22.06.2018 bei der dtv Verlagsgesellschaft als broschiertes TB mit 384 Seiten
    Gliederung: Kapitel ohne Nummerierung mit Angabe des Datums und der Tageszeit - Glossar

    Erzählung in der dritten Person aus der Perspektive von Max Heller

    Handlungsort und -zeit: Dresden, im Juni 1948


    Zum Inhalt

    Inzwischen sind seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs drei Jahre vergangen, doch den Menschen in Dresden in der sowjetischen Besatzungszone geht es nicht wesentlich besser als zuvor. Noch immer liegt ein Großteil der Stadt in Schutt und Asche, die sogenannten Trümmerfrauen versuchen, Steine abzutragen, damit diese für den Wiederaufbau genutzt werden können und für Lebensmittel gibt es immer noch Lebensmittelkarten und Rationierung. Familien haben ein hartes Leben, die Familienväter sind teilweise im Krieg gefallen, andere sind zwar zurückgekommen, sind aber schwer traumatisiert und deshalb nicht mehr die liebevollen Männer, die sie vor dem Krieg einmal waren. Ein solcher Fall ist Karl Utmann, der seit der Heimkehr aus dem Krieg seine Frau Alma und seine Kinder in alkoholisiertem Zustand regelmäßig schwer misshandelt. Als sein ältester Sohn, der vierzehnjährige Albert, tot aufgefunden wird, können Max Heller und seine Kollegen einen Suizid nicht ausschließen. Konnte der Junge das von Gewalt geprägte Familienleben nicht mehr ertragen?

    Andererseits ergeben die Ermittlungen Hinweise darauf, dass Albert einer Bande von Jugendlichen angehörte, die - möglicherweise unter Anleitung erwachsener Straftäter – einen Handel mit gestohlenen Lebensmittelkarten und Medikamenten betrieben. Als zwei weitere Jugendliche bei der absichtlich herbeigeführten Detonation eines Blindgängers ums Leben kommen, wird die Theorie von der kriminellen Jugendbande relevanter, doch der Fall wird noch komplizierter, als sich herausstellt, dass es auch beim Unfalltod des Vaters eines der Jugendlichen nicht mit rechten Dingen zugegangen sein kann.


    Beurteilung

    Der Fall um die „Vergessenen Seelen“ wird in stetig verlaufenden, logisch aufgebauten Ermittlungsschritten dargestellt, der Roman ist nicht von hoher Spannung gekennzeichnet, aber in der Schilderung des Lebens im Dresden der Nachkriegszeit äußerst atmosphärisch und eindrücklich. Die Charakterausarbeitung des Protagonisten ist gut differenziert, Heller ist ein integrer Mann, aber nicht ohne Schwächen; auch in seiner Vergangenheit gibt es einen dunklen Fleck, der ihm durch die gegenwärtigen Ermittlungen wieder verstärkt ins Bewusstsein rückt. Sein berufliches Leben ist in gewisser Weise mit seiner Familiengeschichte verknüpft, er gerät bei diesem Fall in Konflikt mit seinem Sohn Klaus, der glühender Sozialist und quasi ein Kollege seines Vaters ist. Sein älterer Sohn Erwin lebt in Köln und schickt seinen Eltern Geld und Lebensmittel, besonders Hellers Frau Karin vermisst ihn und ist beunruhigt über die Gerüchte, dass der Ost- und der Westsektor Deutschlands getrennt werden könnten. Außerdem fürchtet Karin, dass die Behörden ihnen die kleine Anni wegnehmen könnten, die sie und Max drei Jahre zuvor als Pflegekind angenommen haben, denn es melden sich immer wieder Menschen beim Jugendamt, die während der Flucht kurz vor Kriegsende von ihren Kindern getrennt worden waren und die nun auf der Suche nach diesen sind.

    Durch diesen gründlich ausgestalteten zeitgeschichtlichen Hintergrund könnte man das Buch ebenso gut unter „Romane/Erzählungen“ einsortieren wie unter „Kriminalromane“, auch wenn zum Ende hin durch eine ergänzende Wende im Handlungsverlauf noch einige Spannung aufkommt.

    Ein Glossar im Anhang gibt Erläuterungen zu Abkürzungen und einigen russischen Ausdrücken.


    Fazit

    Eine gelungene Fortsetzung der Reihe um Max Heller, die erneut durch eine ebenso anschauliche wie eindrucksvolle Schilderung der Nachkriegsjahre in Dresden überzeugt!

    8 Punkte

  • Dresden, 17. Juni 1948. Kriminaloberkommissar Max Heller wird zu einer Baustelle gerufen. Nicht ungewöhnlich, denn drei Jahre nach Kriegsende ist die Stadt im Grunde eine einzige Baustelle, auch wenn unermüdlich am Wiederaufbau gearbeitet wird. Auch Hellers Frau Karin arbeitet als Trümmerfrau. In einer Baugrube wird ein vierzehnjähriger Junge tot aufgefunden. War es ein Unfall oder musst der Junge sterben? Als Heller die Nachricht vom Tod ihres Sohnes seiner Mutter überbringt, reagiert diese ziemlich gleichgültig. Und die anderen kleineren Kinder sind total verängstigt. Der Vater ist erst vor kurzem traumatisiert aus der Kriegsgefangenschaft gekommen und dem Alkohol verfallen und tyrannisiert anscheinend seine Familie. Hat er etwas mit dem Tod des Jungen zu tun?
    Die Ermittlungen werden nicht einfach und es gibt noch einen Toten. Erschwert wird Heller die Arbeit auch durch andere Behörden. Hinzu kommt die Sorge um die Zukunft, politisch und persönlich. Zusammen mit seinem loyalen Mitarbeiter Oldenbusch setzt er alles dran, den Tod des Jungen aufzuklären.

    Nach "Der Angstmann" und "Tausend Teufel" ist "Vergessene Seelen" der dritte Fall für den Dresdner Polizisten Max Heller. Und auch dieser hat mir wieder sehr gut gefallen. Frank Goldammer gelingt es wie auch schon vorher, die damalige Zeit wieder lebendig werden zu lassen. Mit atmosphärischen Bildern lässt er Heller durch die immer noch zerstörte Stadt laufen und ich sah alles beim Lesen ganz klar vor mir, als wäre ich dabei gewesen. Max Heller ist kein Superheld, er versucht nur irgendwie ein halbwegs normales Leben zu führen und einen guten Job zu machen, wünscht sich ein bisschen Normalität für sich und seine Familie. Auch wenn es nicht einfach ist, bemüht er sich soweit wie möglich politisch neutral zu sein.


    Die Geschichte ist spannend und es gibt immer wieder neue Wendungen, so dass bis zum Schluss nicht klar ist, wie alles zusammenhängt. Die Auflösung war dann für mich schlüssig und nachvollziehbar.


    Insgesamt kann ich auch diesen Krimi wieder empfehlen, denn er ist sehr gut geschrieben, bietet Spannung von Anfang bis Ende und hat neben emotionalen Szenen auch ein paar Situationen zum Schmunzeln. Und man taucht ein in eine Zeit, die nicht in Vergessenheit geraten sollte.

  • Kriege hinterlassen kaputte Seelen, die nicht so schnell heilen


    "In seiner eigenen Seele trägt der Mensch die Saat, daraus er all sein Frohes und sein Leides zieht." (Sophokles)
    Dresden 1948: Drei Jahre nach Kriegsende Deutschland inzwischen in Sektoren eingeteilt und der Aufbau der Stadt geht nur sehr langsam voran. In mitten dieses langsamen Aufbaus findet man die Leiche eines 14- jährigen Jungen, dessen Todesursache total unklar ist. Auffällig ist lediglich eine kleine braune Flasche, die er bei sich führte. Hat man den Jungen ermordet, ist er beim Schmuggeln verunglückt oder hat er gar Selbstmord begangen, weil sein Vater ihn ständig schlägt? Max Heller findet keine Antworten, den die Kinder und Lehrer in seiner Schule, seine Familie alle schweigen beharrlich. Lediglich das der aus dem Krieg zurückgekehrte Vater die ganze Familie misshandelt gefällt Max gar nicht. Dazu tauchen durch den Fall Max eigene Dämonen und Alpträume aus seiner Vergangenheit wieder auf. Auch der Hunger bestimmt noch immer das Leben der Menschen in Dresden, zu allem muss man anstehen und dann kommt noch die Währungsreform. Und Sohn Klaus, der in die SED eingetreten ist, wird zu Max größtem Rivalen, den sie sehen in dem Fall eine große Verschwörung des Westens.


    Meine Meinung:
    Dies war nun mein dritter Fall den ich von Frank Goldammer gehört oder gelesen habe. Wieder einmal bin ich eingetaucht in die Zeit nach dem Krieg und war genauso begeistert wie schon bei den zwei Büchern davor. Der Schreibstil ist sehr gut und eingeteilt in Tage und Uhrzeit. Der Plot ist historisch bestens recherchiert, aufwühlend, wieder einmal grandios dargestellt, verwirrend ließ es mich bis zum Ende im Unklaren was passiert war. Selten habe ich eine so gute Darstellung gelesen die, die Ängste und Sorgen der Menschen von damals widerspiegelt. Aufgewühlt hat mich vor allem, das Kinder sich in dieser Zeit mit Pervitin vollgepumpt haben, um alles besser zu ertragen. Und das Väter ihre Kinder und Frauen verprügeln, weil sie mit den Ereignissen des Krieges nicht klarkommen. Auch hier stellt der Autor wieder gut dar, unter was für Bedingungen die Kriminalpolizei in dieser Zeit arbeiten musste. Waren es letztes Mal die Russen die Max seine Arbeit erschwerten, ist es diesmal die SED, die ihm Schwierigkeiten macht. Erneut konnte mich der Autor mit seinen Charakteren überzeugen, allen voran Kommissar Max Heller und seine Frau Karin. Frank Goldammer nimmt uns in seinen Büchern mit auf die Reise in historischen Ermittlungen, aber auch in das Privatleben eines Ermittlers mit all seinem Kummer, Sorgen aber auch schönen Seiten. Auch hier musste ich erkennen, dass es überhaupt keine leichte Zeit war, die unsere Mütter und Großmütter erlebt haben. Man merkt, das nach dem Krieg noch lange nicht alles vorbei war, den Hunger, Schmuggel, Flucht, Blindgänger und Tod waren allgegenwärtig im Dresden 1948. Ein Buch, das man nicht nur wegen seines Kriminalfalls gelesen haben sollte, sondern vor allem wegen seinem historisch wertvollem Inhalt. Dank des unfassbaren Talents des Autors habe ich das Gefühl, das er von Buch zu Buch immer besser wird und ich Dresden immer besser kennenlerne. Ich jedenfalls freue mich schon auf Band 4 und danke dem Autor für seine brillante Arbeit mit 10 Eulen.

    "Lebe jeden Tag so, als ob du dein ganzes Leben lang nur für diesen einen Tag gelebt hättest."

  • Hast du sicher nicht. Kennst du denn die beiden ersten Bücher der Reihe?

    Ja, die beiden Vorgänger kenne ich, aber mir ist stellenweise ein wenig die Spannung zu kurz gekommen, deshalb hatte ich auch kurz gezögert, aber letztendlich mich doch entschiede, auch den dritten Teil wieder zu lesen, da beiden Vorgängern der Rest ja gepasst hat, also die Figuren, die gut getroffen worden und die Beschreibung der Umstände während und nach des Krieges.

  • Zum Inhalt


    "Dresden 1948: Ein heißer Sommer, drei Jahre nach Kriegsende. Die große Währungsreform stürzt das besetzte und aufgeteilte Nachkriegsdeutschland in eine Krise. Inmitten der mühsamen Wiederaufbauarbeiten bekommt es Oberkommissar Max Heller mit dem Fall eines 14-jährigen Jungen zu tun, dessen Todesursache völlig unklar ist. War es ein Unfall, Mord oder sogar Selbstmord? Heller stößt bei seinen Ermittlungen auf eine Wand des Schweigens und wird dabei mit seinem ganz persönlichen Albtraum konfrontiert, den er längst vergessen geglaubt hatte."


    Meine Meinung


    Drei Jahre sind nun bereits seit Kriegsende vergangen und noch immer ist das Leid und die Zerstörung, die der Krieg verursacht hat sicht- und spürbar. Frank Goldammer konnte in seinem dritten Max-Heller-Krimi wieder diese eindrücklichen Bilder heraufbeschwören.


    Der Schreibstil ist wie auch in "Der Angstmann" und "Tausend Teufel" flüssig, was für einen schnellen Einstieg in die Handlung und einen Lesefluss ohne Unterbrechungen bzw. Stolpersteine sorgt.


    Die Figurn sind wieder sehr gut ausgearbeitet, allen voran Max Heller. Er ist ein aufrichtiger Mann, dem aber von behördlicher und politischer Seite immer wieder Steine in den Weg gelegt werden. Dieses Mal jedoch bekommt dies einen bitteren Beigeschmack, da er es nun beruflich mit seinem Sohn Klaus zu tun bekommt, was nicht nur für Freudensprünge sorgt. Die Spannung zwischen den beien ist förmlich spürbar.


    In "Vergessene Seelen" steht nicht nur die Ermittlungsarbeit im Vordergrund, auch wird wieder das Privatleben von Max Heller beleuchtet. Der Leser bekommt ein gutes Bild davon vermittelt, mit welchen Widrigkeiten es die Familie zu tun bekommt und wie sie versucht mit der damaligen Situation umzugehen.


    Bis zum Ende schafft es Frank Goldammer, den Lesern den Täter bis zum Ende geheimzuhalten, mit der einen oder anderen falschen Fährte glaubt man den Mörder ausmachen zu können, bis wir am Ende doch noch überrascht werden.


    Leider ist ein Manko, wie auch schon in den beiden Vorgängerromanen, der Spannungsbogen. Frank Goldammer schafft es leider wieder nicht, ihn durchgängig am Leben zu erhalten. Die Spannung kam für meinen Geschmack wieder etwas zu kurz. Das wiegt er aber mit den Beschreibungen der damaligen Zeit wieder auf.


    Alles in allem bekommt der Leser es mit einem lesenswerten und interessanten Krimi zu tun, der Lusft auf den nächsten Band macht.


  • Ich habe das Buch ohne Vorkenntnis der ersten beiden Bände gelesen und wurde positiv überrascht, denn eigentlich sind Bücher, die in dieser Zeit spielen, eher weniger mein Beuteschema. Ein bisschen hat es mir gefehlt, dass ich die Vorgeschichte von Max Heller und seiner Familie nicht kannte, aber es hat das Verständnis der Zusammenhänge nicht beeinträchtigt. Positiv an dieser Stelle ist auch, dass Auflösungen der früheren Mordfälle nicht gespoilert werden, sodass ich diese jetzt auch im Nachhinein noch lesen kann.


    Im Gegensatz zu meinen Vorschreiberinnen hatte ich nicht das Gefühl, dass die Spannung im Laufe der Geschichte nachlässt - im Gegenteil, ich konnte das Buch nicht mehr aus der Hand legen und habe es fast in einem Rutsch durchgelesen. Das eine oder andere hat sich zwar zwischendurch angedeutet, aber auf die letztendliche Auflösung wäre ich im Leben nicht gekommen. Ein bisschen hadere ich hier allerdings mit der Glaubwürdigkeit, aber da kann man wohl geteilter Meinung sein.


    Das Buch ist gut und atmosphärisch dicht geschrieben - ich hatte die ganze Zeit das Gefühl, "live" dabei zu sein und musste zusehen, die bedrückende Atmosphäre nicht zu dicht an mich ranzulassen. Das zerstörte Dresden, die zestörten Menschen, die politische Entwicklung einschließlich der Erkenntnis, dass sich eigentlich nichts geändert hat - das hat mich fast mehr mitgenommen als die Krimihandlung selbst.


    Von mir gibt es eine klare Lese-Empfehlung und 9 Eulenpunkte - 1 Punkt ziehe ich ab für die unnötigen Grammatikfehler, über die ich immer wieder gestolpert bin. ;-)


    LG, Bella