Melanie Metzenthin - Die Stimmlosen

  • Melanie Metzenthin - Die Stimmlosen

    Produktinformation

    • Taschenbuch: 528 Seiten
    • Verlag: Tinte & Feder (17. Juli 2018)
    • Sprache: Deutsch
    • ISBN-10: 2919801341
    • ISBN-13: 978-2919801343


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    Amazon / Klappentext:


    Hamburg, 1945: Der Krieg ist zu Ende und die Naziherrschaft endlich vorbei. Doch in der Familie von Richard und Paula Hellmer kommt an diesem ersten Weihnachtsfest im Frieden keine rechte Freude auf. Zu beengt sind die Wohnverhältnisse, zu groß der Mangel an Lebensmitteln und warmer Kleidung. Vor allem Richard macht sich Sorgen – nicht nur um seine Familie. Er, der im Dritten Reich als Psychiater immer wieder sein Leben aufs Spiel gesetzt hat, um Menschen zu retten, muss feststellen, dass die alten Seilschaften sich nahtlos in die neuen Machtverhältnisse eingegliedert haben. Überzeugt, das Richtige zu tun, sagt er in einem Prozess gegen seinen Erzfeind Chefarzt Krüger aus und muss sich zu seinem Entsetzen plötzlich für sein eigenes Tun rechtfertigen. Unterdessen stellen seine Frau Paula und sein bester Freund Fritz eine medizinische Versorgung ganz eigener Art auf die Beine – gefährlich und nicht immer legal …

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    Die Autorin (c/p von Amazon):


    Dr. Melanie Metzenthin wurde 1969 in Hamburg geboren, wo sie auch heute noch lebt. Als Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie hat sie einen ganz besonderen Einblick in die Psyche ihrer Patienten, zu denen sowohl Traumatisierte als auch Straftäter gehören.

    Bei der Entwicklung ihrer Romanfiguren greift sie gern auf ihre beruflichen Erfahrungen zurück.

    Unter dem Pseudonym "Antonia Fennek" schreibt sie Psychothriller. Vielleicht haben Sie ja Lust, mal auf der Amazon-Autorenseite von Antonia Fennek zu stöbern.


    Meine Meinung:


    Mit „Die Stimmlosen“ hat Melanie Metzenthin einen weiteren ganz wunderbaren Roman um das Hamburger Ärztepaar Paula und Richard sowie ihr Umfeld vorgelegt. Das Buch schließt nahtlos an das Geschehen und die schriftstellerische Qualität des ersten Bandes ("Im Lautlosen") an.


    Der Autorin ist es dabei auf herausragende Weise gelungen, mich in das oft düstere und beklemmende Leben der unmittelbaren Nachkriegszeit zu versetzen, die von heutzutage fast unvorstellbarem Mangel geprägt war. Aber auch die Frage nach den Werten, nach denen man angesichts solcher Umstände das Leben gestalten kann, spielt wieder eine wichtige Rolle in diesem Roman: Welche Gesetze muss man einhalten, welche darf oder muss man sich jedoch erlauben zu brechen, um zu überleben, um sich seine eigene Menschlichkeit zu bewahren und um andere Menschenleben retten zu können? Wie weit kann man gehen, ohne sich selbst in zu große Gefahr zu bringen? Auf wen kann man sich verlassen, wenn private Schicksalsschläge, schwierige bis unmögliche politische Verhältnisse oder Verrat, Intrigen und schreiende Ungerechtigkeit einen aus der Bahn zu werfen drohen?


    Ohne ständig mit dem moralischen Zeigefinger zu wedeln, sondern weil es den Romanfiguren schlicht ebenso eine Frage des Überlebens ist wie das Organisieren von Nahrung, Brennstoff oder Medikamenten, kreist der Roman also sowohl um die großen Themen des menschlichen Daseins – Leben, Sterben, Liebe, Hass, Gerechtigkeit, Vergebung, Hoffnung usw. – , als auch um das nötige und oft haarsträubende Kleinklein des alltäglichen Überlebenskampfes im zerbombten Nachkriegsdeutschland. Oft standen mir beim Lesen die Tränen in den Augen, z.B. beim Schicksal eines von Russen vergewaltigten Flüchtlingsmädchens und der kleinen Leni oder bei dem aus Trümmern geborgenen Puppenkopf… Dabei drückt Melanie Metzenthin gar nicht unnötig auf die Tränendrüse, sondern sie stellt nur Szenen dar, wie sie damals an der Tagesordnung gewesen sein müssen und von denen meine Großeltern nie berichten konnten, weil sie diese schrecklichen Erlebnisse einfach hinter sich lassen wollten. Der Autorin gelingt es jedoch darüber hinaus, immer wieder das Gute im Menschen zu bestärken und Hoffnung auf positive Wendungen zu wecken, wenn man sich für diese einsetzt, statt einfach aufzugeben. Dass es dabei in den Gedankengängen und Dialogen der Figuren manchmal auch ein wenig pathetisch zugeht, hat mich persönlich nicht gestört. Mir tut es vielmehr gut, das Geschehen um die Weltkriege herum nicht zu vergessen und mir immer wieder einmal bewusst zu machen, wie gut ich lebe und wie privilegiert meine Kinder aufwachsen. So sehe ich in Melanie Metzenthins Buch auch einen Appell an ihre Leserschaft, die eigenen Kräfte zu mobilisieren und mit dafür zu sorgen, dass es hierzulande nie wieder zu einem totalitären Regime, zu Krieg und zu einem derartigen gesellschaftlichen Zusammenbruch kommen kann.


    Es hat mir sehr viel Freude bereitet, dieses sprachlich so gelungene, inhaltlich so tiefgründige und bewegende und bei alledem auch noch immer wieder humorvolle Buch zu lesen, und ich hoffe, dass die Autorin noch mehr Romane dieser Art verfassen wird. Das Buch ist auf jeden Fall eins meiner Jahreshighlights - vielen Dank, Frau Metzenthin. :blume

  • In dem Nachfolgeband von „Im Lautlosen“ erlebt man mit den Protagonisten die unmittelbare Nachkriegszeit. Es ist ein Kampf ums Überleben, wobei sie sich noch glücklich schätzen können, denn sie leben in einer intakten Wohnung. Eindrucksvoll wird geschildert wie schwierig die Verhältnisse für die Bevölkerung im zerbombten Hamburg waren. Es kommt sehr oft zu Lebensmittelrationierungen und die Sorge um die Kinder ist groß.

    Mit den Charaktere fiebert man mit, trotz mancher Rückschläge lassen sie sich nicht unterkriegen und sie erlauben sich Visionen für die Zukunft zu haben. Es gibt überraschende Wendungen und Entscheidungen, die man durchaus verstehen konnte. Einzig die plötzlich wieder auferstandene Mutter und die rasante Umsetzung der Pläne nach der DM- Einführung waren nicht ganz nachvollziehbar.


    In diese Zeit fallen auch die ersten Prozesse über Euthanasie in der Psychiatrie und Richard setzt große Hoffnungen darauf, dass die Verantwortlichen endlich zur Rechenschaft gezogen werden. Ein Trugschluss, denn es sitzen immer noch die selben Leute auf ihren Posten wie in der NS-Zeit. Die alten Seilschaften funktionieren weiterhin.


    Melanie Metzenthin ist es gelungen ein authentisches Bild dieser Zeit zu zeigen. Ein intensiver Roman, der durch seinen Sprachstil überzeugt , einschließlich der nachdenklichen Dialoge. Trotz der Ernsthaftigkeit versteht es die Autorin auch humorvolle Szenen einzubauen. Auf das Verhältnis zwischen Briten und Deutschen und welche Ressentiments bestehen wird genauso eingegangen, wie auf die freundschaftlichen Beziehungen und Gespräche, die so manche Vorurteile abbauen können.

    Ein lesenswerter Roman.


    8 Eulenpunkte

  • Melanie Metzenthin hat wieder ein sehr berührendes Buch geschrieben, welches noch lange nachhallt und zum Nachdenken anregt.

    Das Cover passt sehr gut zum ersten Teil „Im Lautlosen“, welches ich auch sehr gerne gelesen habe, „Die Stimmlosen“ ist somit die Fortsetzung. Der Klappentext beschreibt sehr gut den Inhalt, ohne zu viel zu verraten. Mir ist es sehr schnell gelungen mich wieder in die Geschichte einzufinden. Die Autorin schafft es sehr gut die verschiedenen Protagonisten lebensnah und authentisch zu gestalten. Einige Personen wachsen einem richtig ans Herz und man fiebert mit ihnen mit. Mir ging dies bei Paula so, sie ist für mich eine unsagbar starke Frau, die alles für ihre Familie und ihre Liebsten tun würde. Dabei ist sie aber rational genug „vernünftige“ Entscheidungen zu treffen, um das Leben aller zu erleichtern.

    Fritz hingegen ist meine männliche Lieblingsfigur, sein Optimismus und seine Träume sollten beispielhaft für alle Menschen in schwierigen Zeiten sein. Als Nebenfigur hat mir Arthur sehr gefallen, der im Laufe der Geschichte eine kleine Wandlung durchmacht und meiner Meinung nach authentischer wird.

    Die Spannung des Romans wird einmal aus dem Prozess um Krüger gespeist, aber für mich war es vielmehr, wie es mit dieser Familie weitergeht. Ich finde diese Zeit so spannend und dabei besonders den Ärzten über die Schulter zu schauen, wie sie unter den widrigsten Bedingungen ihre Arbeit machen. Der Aufbau des Romans ist chronologisch und wird aus verschiedenen Blickwinkeln erzählt. Für mich waren die kurzen Kapitel sehr angenehm und flüssig zu lesen, welches den Spaß an dem Buch noch erhöht hat, weil die Seiten einfach so dahinflogen.

    Ich freue mich auf jeden Fall schon sehr auf einen neuen Roman von Melanie Metzenthin und kann auch für ihr neustes Werk, sowie für ihre Vorgänger schon geschehen, nur eine volle Leseempfehlung aussprechen. Ich möchte die Autorin ermutigen diesen Weg weiterzugehen, denn ich mag Romane mit einer tiefergehenden Botschaft. Den Optimismus, die Zuversichtlichkeit und die Träume von Richard, Paula, Fritz & Co wünsche ich aus ganzem Herzen auch den Menschen in unserer heutigen Gesellschaft!

    Herzlichen Dank an Melanie Metzenthin für dieses besondere Leseerlebnis. NetGalleyDeutschland für die Bereitstellung des Lese- und Rezensionsexemplars.


    9/10

  • Der Krieg ist vorbei, damit aber nicht der Kampf ums Überleben. Für Richard und Paula Hellmer, ihre Familie und Freunde dreht sich nun alles ums Überleben im Mangel. Die zugeteilten Rationen reichen hinten und vorne nicht und so beschließen die beiden mit Fritz Ellerweg gemeinsam auf einem nicht ganz legalem Weg die Versorgung der Familie zu verbessern.


    Gleichzeitig merken Richard und seine Freunde, dass die alten Naziseilschaften immer noch am Zug sind und die Bestrafung von nationalsozialistischer Verbrechen wie Euthanasie scheinbar niemanden interessieren. Der alte Rivale Dr. Krüger, der Richard früher schon das Leben schwer gemacht hat, wird für seine Verbrechen nicht bestraft und kann sein Leben ganz normal weiterleben. Das nagt nicht nur an Richard.


    In diesem Buch liegt der Schwerpunkt nicht mehr nur auf Richards Familie, gerade die Freunde Fritz und Arthur und deren Lebensgeschichten werden näher beleuchtet. Gerade Fritz hat sehr mit der Vergangenheit zu kämpfen, stellt sich doch heraus, dass vieles ganz anders war, als er immer gedacht hat.

    Melanie Metzenthin schildert hier sehr eindrücklich, dass das Leben nach dem Ende des Krieges nicht plötzlich wieder gut war. Nach Kriegsende folgten viele Jahre des Mangels und die meiste Zeit standen die Menschen kurz vor dem Verhungern. Viele sind damals sehr erfinderisch geworden um die Versorgung der Familie zu verbessern. Doch auch der Aufschwung nach Einführung der Deutschen Mark wird geschildert und wie es wieder bergauf geht.


    Mir hat diese Schilderung der damaligen Zeit sehr gut gefallen. Die Frage wann man sich an geltende Gesetze halten muss und wann man auch mal dagegen entscheidet war damals sicher nicht ganz einfach. Doch den meisten blieb nichts anderes übrig als die mageren Rationen auf dem Schwarzmarkt aufzubessern. Gut Geschildert fand ich auch die Situation, dass hier Engländer und Deutsche zu Freunden werden und aus scheinbar unversöhnlichem Hass eben auch Verständnis werden kann und wieder Freundschaften entstehen. So wird hier Völkerverständigung im Kleinen gelebt.


    Auch diese Buch kann ich wieder nur empfehlen. Ich habe es direkt im Anschluss an Band 1 Im Lautlosen gelesen und für beide Bücher nur 2 Tage gebraucht, da mich die Geschichte so gefesselt hat und ich die Charaktere einfach in mein Herz geschlossen habe.


    Von daher hier auch eine dicke Lesempfehlung!

    9 von 10 Punkte