'Frauen und Töchter' - Seiten 541 - 646

  • Mr. Kirkpatrick, Cynthias Onkel und Mrs. Gibsons Schwager aus erster Ehe, kommt zu Besuch – und versteht sich gut mit Mr. Gibson, von seiner mittlerweile erwachsenen Nichte ist er begeistert. Als er sie später nach London einlädt, lehnt Cynthia zunächst ab, weil die entsprechende Garderobe fehlt. Die Szene scheint hauptsächlich gedacht, um auf Cynthias verschwundenes Geld hinzuweisen. Für Leserinnen steht natürlich sofort der Verdacht im Raum, dass Mr. Preston sie erpresst. Mr. Gibson hilft mit Geld aus, Cynthia wird eingekleidet und reist nach London. Vorher erfährt sie aber noch, dass nun auch Osborne von ihrer „geheimen“ Verabredung mit Roger weiß.

    Der Squire lebt mit den Arbeiten auf dem Land weiter auf, Osborne jedoch schwächelt. Es bleibt unklar, ob er körperlich krank oder psychisch angeschlagen ist – was in seiner Situation nur zu verständlich wäre.

    Mrs. Gibson schließt sich in letzter Minute Cynthias Reise an. Sie ist zwar nicht eingeladen, aber wen stört das schon;)

    Molly genießt die freien Tage in vollen Zügen mit ihrem Vater. Nach Cynthias Rückkehr wird für Molly immer offensichtlicher, dass es eine Geschichte gibt, unter der Cynthia leidet.

    Es entsteht erstes Gerede in Hollingford über Molly und Mr. Preston. Eines Tages stolpert Molly fast über die Wahrheit (Hurra! Auf Seite 603 von 848 gibt’s ENDLICH die Erklärung!), bei einem Spaziergang trifft sie auf Cynthia und Mr. Preston. Der beruft sich auf ein vor Jahren gegebenes Verlobungsversprechen von Cynthia und erpresst sie mit damals von ihr geschriebenen Briefen. Cynthia erklärt Molly später noch, dass sie sich damals 23 Pfund von Mr. Preston geliehen habe, der nun aber unter Berufung auf das aus seiner Sicht bestehende Verlöbnis, die Rücknahme des Geldes verweigert.

    Schließlich trifft sich Molly mit Mr. Preston, um die Angelegenheit zu regeln. Scheinbar ohne jeden Erfolg. Doch Molly kündigt ihm zum Schluss an, sein Verhalten Lady Harriett zu erzählen, was ihn tiefer beeindruckt, als er zugibt. Und dann kommt auch noch Mr. Sheepshanks des Weges und trifft die beiden.

    Am Ende dieses Abschnitts reist Cynthia noch einmal nach London, nachdem sie zumindest die Briefe von Mr. Preston zurück hat. Molly verspricht nun auch noch zu versuchen, das Geld zu übergeben. Osborne Hamley kommt zu Besuch, und trifft Molly allein an. Diese ist erschrocken, weil er auch auf sie sehr krank wirkt.

  • "Oh, das hat uns ein kleiner Vogel erzählt", verkündete Miss Browning. Molly kannte diesen kleinen Vogel seit ihrer Kindheit, hatte ihn immer gehasst und hätte ihm am liebsten den Hals umgedreht.


    :rofl


    Den kenne ich auch! Der ist in Dörfern extrem weit verbreitet und überhaupt nicht vom Aussterben bedroht. :grin

  • Im Verlauf dieses Abschnitts wird nun Manches endlich klarer.


    Cynthia wird nach London eingeladen - und natürlich ist ihre Mutter neidisch. Sie „stänkert“ so lange, bis sie auch mitfahren kann. Paßt zu ihr. Schmunzeln mußte ich allerdings auch über „die liebe Verwandtschaft“ (S. 548):

    „Nun gehörte der große Fall ‘Houghton gegen Houghton’ der Vergangenheit an, der harte Kampf war vorüber, die verhältnismäßig hoch gelegene Ebene eines Daseins als Kronanwalt war erklommen, und Mr. Kirkpatrick hatte Muße für verwandtschaftliche Gefühle und Erinnerungen.“ :chen


    So langsam, verteilt über mehrere Kapitel, kommt dann die Vorgeschichte Cynthias ans Tageslicht. Also lag ich mit meiner Vermutung, daß Mr. Preston sie erpreßt, gar nicht so weit daneben. Mr. Preston mag das aus seiner Sicht anders sehen, ich bleibe jedoch bei der meinigen. Er hat Cynthia seinerzeit aus eigensüchtigen Gründen in eine abhängige Position gebracht und will daraus nun seinen Vorteil ziehen. Von einem Gentleman ist er, wie ich schon immer angenommen habe, meilenweit entfernt.


    Und Molly richtet es wieder, aber in ihre Unschuld und Naivität merkt sie es gar nicht mal: sie sagt, daß sie die Angelegenheit Lady Harriet erzählen wird - wodurch sie praktisch droht, daß Mr. Preston arbeitslos wird und sein Ansehen verliert. Ich gönne ihm die Niederlage. Und hoffe nur, daß er nicht irgendwann noch zu einem Racheschlag ausholt (bzw. zu einem solchen keine Gelegenheit erhält).


    Cynthia erhält die Briefe zurück und drängt Molly dazu, das Geld an Mr. Preston zu übergeben. Ob das so glatt gehen wird, und er nicht versuchen wird, Molly zu schaden? Aber damit würde er sich auch mit Mr. Gibson anlegen, was vermutlich nicht so geschickt wäre. Ich frage mich auch, ob daraus, daß Mr. Sheepshanks Molly mit Mr. Preston im Gespräch gesehen hat, nicht noch Unheil folgt.


    Zum Abschnittsende reist Cynthia wiederum nach London. Ob der erwähnte Mr. Henderson nun eine Chance bei ihr hat? Könnte ich mir fast vorstellen.


    Derweil hat Osborne ein Gespräch mit seinem Vater, in welchem dieser ausdrücklich sagt, daß er bei einer ihm nicht genehmen Heirat müsse er sehen, wie er sich und seine Familie ernähren würde. Ich vermute stark, daß darin der Grund für seine Krankheit, wie sie am Ende des Abschnitts erwähnt wird, liegt. Und wieder ist Molly die, der man sich anvertraut.

    Unter den Büchern finden wir wieder, was uns in der Fremde entschwand, Frieden im Innern und Frieden mit unserer Umgebung.
    (Gustav Freytag, 1816 - 1895, aus "Die verlorene Handschrift")

  • Ich bin ja nun durch mit dem Buch. Zu Cynthia als "lockeres Mädchen" kommt noch was ;) Ich fühle mich mit der hier gegebenen Einschätzung bestätigt - wobei man das sicher unterschiedlich bewerten kann.

    Und aus heutiger Sicht auch harmlos.

    (Zitat von > hier <.)


    Ich nehme an, daß Du Dich auf das bezogen hast, was in diesem Abschnitt zutage trat. Cynthia ist auf jeden Fall von deutlich leichterem und unbelasteterem Gemüt als Molly, keine Frage. Insoweit stimme ich Dir zu, daß sie da "nur verlieren kann". Andererseits, wenn man die Umstände bedenkt, unter denen sie aufgewachsen ist (der Brief, in dem sie Mr. Preston eine Erklärung senden wollte, wurde verbrannt, ihre Mutter hat sie abgeschoben, wann immer sie konnte, und Cynthias Bedürfnisse nicht mal zur Kenntnis genommen), hat sie sich noch recht gut gehalten.


    Was ich nicht verstehe ist allerdings: eine Verlobung ist keine Heirat. Eine Verlobung kann man lösen. Gut, damals gab das dann einen entsprechenden Skandal, aber dennoch. Und daß Cynthia sich gegen ihre Mutter da hätte durchsetzen können, nehme ich schon an.


    Nun, man wird sehen, wie es weiter geht.

    Unter den Büchern finden wir wieder, was uns in der Fremde entschwand, Frieden im Innern und Frieden mit unserer Umgebung.
    (Gustav Freytag, 1816 - 1895, aus "Die verlorene Handschrift")

  • Ich meine

    Das würde auch heutzutage noch für Dorftratsch sorgen, wenn auch keinen handfesten Skandal mehr auslösen ;)

    Daher meine gefühlte Bestätigung, dass Cynthia als lockeres Mädchen hingestellt wird.

  • Lorelle  

    Ah, jetzt verstehe ich, was Du meinst. Hm, könnte man so sehen, ja durchaus. Und es geht in die Richtung. Molly wäre das sicherlich nicht passiert. Ob ich den Ausdruck gebrauchen würde, weiß ich nicht so recht. Auf jeden Fall gäbe das auch heute noch ausreichend Tratsch, nicht nur in einem Dorf, sondern in einer Kleinstadt sicherlich auch. ;-)

    Unter den Büchern finden wir wieder, was uns in der Fremde entschwand, Frieden im Innern und Frieden mit unserer Umgebung.
    (Gustav Freytag, 1816 - 1895, aus "Die verlorene Handschrift")

  • Daher meine gefühlte Bestätigung, dass Cynthia als lockeres Mädchen hingestellt wird.

    In diesem Zusammenhang ist interessant, dass der Verleger des Romans in seinem Nachruf explizit auf den Charakter Cynthia eingeht. Wie schwierig es sei, eine solche Figur zu zeichnen. "Cynthia is one of the most difficult charakters which have ever been attempted in our time." (Zitat: The Complete Elizabeth Gaskell Collection, Karpathos Collections, CONCLUDING REMARKS: By the Editor of The Cornhill Magazine.)

    Das in "our time" scheint mir hier die größte Schwierigkeit. Wir sind heute gar nicht in der Lage zu verstehen, wie die Zeitgenossen Gaskells den Charakter Cynthia aufnahmen.

    Den Begriff "lockeres Mädchen" finde ich persönlich für Cynthia unpassend. Aber vielleicht haben wir beide, Lorelle, eine unterschiedliche Vorstellung, was unter diesem zu verstehen ist. Und diese mag wiederum völlig verschieden sein von der vor 150 Jahren.


    Bei Cynthia weiß ich nicht, ob ich sie mag oder nicht. Ihre ehrliche Selbsteinschätzung ihres Charakters, die sie von Beginn an gegenüber Molly zum Ausdruck bringt, hat etwas Entwaffnendes.


    Ich denke, auf der einen Seite wünscht sich Cynthia nichts sehnlicher als einen Vater. (Eine wirkliche Mutter hatte sie nie.) Deshalb liegt ihr auch so viel daran, nicht die Wertschätzung von Mr. Gibson zu verlieren. Und auf der anderen Seite hat sie schon in jungen Jahren ihre Wirkung auf Männer erkannt und spielt mit jenen, ohne sich Gedanken um mögliche Folgen zu machen, wie etwa unerwünschte Heiratsanträge. Sie mag es, die Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen und möchte am liebsten von jedem gemocht werden.