Bodo Kirchhoff las in Kiel am 5.Februar 2019

  • Bodo Kirchhoff las in Kiel am 5.Februar 2019


    In der Reihe Sprachkunst der Muthesius Kunsthochschule präsentierte bereits eine Reihe von zeitgenössischen Schriftstellern ihr Werk.

    An diesem Abend stellt sich Bodo Kirchhoff mit seinem jüngsten Buch "Dämmer und Aufruhr: Roman der frühen Jahre" dem Publikum.

    Ein Angebot, das gern angenommen wird, denn der Gast des Abends liest vor einem gut gefüllten Hörsaal.

    Bodo Kirchhoff dürfte für Literaturliebhaber kein unbekannter Name sein. Bücher wie "Infanta". "Die Liebe in groben Zügen"

    und "Widerfahrnis" sind vielbesprochen, für letzteres erhält er den Preis des deutschen Buchhandels im Jahr 2016.

    In seinem aktuellen und sehr persönlichen Buch erzählt Bodo Kirchhoff von seiner Jugend in der Nachkriegszeit,

    schwierigen Familienverhältnissen und Missbrauch.

    Für den Einstieg ins Buch erzählt Kirchhoff, wie das Coverbild entstand.

    Das Bild sei eine der wenigen Aufnahmen aus seiner Jugend, aus einer Zeit, in der noch nicht alles aufs Foto gebannt wird.

    Nach seiner Anleitung habe seine Mutter, zu der er kein einfaches Verhältnis hatte, dieses Foto aufgenommen.

    Als Kirchhoff sie im hohen Alter im Altenheim besucht und er mit ihr über dieses Bild spricht, antwortet sie ihm:" Dann habe ich einmal im Leben alles richtig gemacht.",

    was ihn sehr berührt habe.


    Mit dieser sehr persönlichen Einleitung beginnt Bodo Kirchhoff aus einzelnen Abschnitten vorzulesen, oftmals begleitet von Erklärungen.

    Es geht um seine Kindheit mit einer großartigen Opernsängerin als Großmutter, einer schauspielernden Mutter, die auf die Füße kommen möchte und um einen Vater,

    der im Krieg ein Bein verliert. Die nicht glückliche Ehe der Eltern bleiben Bodo Kirchhoff und seiner Schwester lange verborgen,

    ein Internat am Bodensee soll die Lösung für die Probleme sein. Dort begegnet der Schriftsteller dem Internatskantor, der ihn wie auch andere Schüler missbraucht.

    Wohlweislich verzichtet Kirchhoff an diesem Abend darauf, jene Textstellen vorzutragen, weiß er doch gut genug um ihre Wirkung.

    Vielmehr erfahren die Zuhörer etwas über das Leben eines Kindes und Jugendlichen während der Ära Adenauer, die Wünsche der Eltern,

    die Nachwehen des Krieges zu überwinden und mit ein wenig Geld glückliche Momente zu erleben. Dabei wirken die Momente, in denen Kirchhoff erzählt und

    nicht vorliest, stark, verbindlich und im Tonfall versöhnlich.


    Als das überwiegend ältere Publikum die Gelegenheit erhält, Fragen zu stellen, wird die bislang positive Stimmung auf die Probe gestellt.

    Ein Zuhörer hinterfragt Kirchhoffs Beziehung zum Internatskantor, die der Schriftsteller als Jugendlicher nicht nur als Missbrauch ansieht,

    sondern auch als erwählt wahrnimmt, und fragt, wie Kirchhoff heute den Umgang mit Tätern sähe. Zunächst wiegelt Kirchhoff ab, er habe für sich eine Sprache gefunden,

    damit umzugehen, was vielen Betroffenen nicht möglich sei, korrigiert später jedoch, wenn die Täter noch leben würden...


    Neben den Leseabschnitten und im Gespräch gibt Kirchhoff auch Einblicke in seinen Schreib- und Schaffensprozess. Starken Einfluss auf seine Arbeiten habe die

    Psychoanalyse, die ihm bei seiner Arbeit helfe. In seinen Seminaren für autobiographisches Schreiben, die er am Gardasee gibt und mehrmals an diesem Abend bewirbt,

    versuche er seinen Teilnehmer verständlich zu machen, dass persönliche Texte nicht ohne Fiktion auskommen, damit sie funktionieren und

    belegt diese These mit einem Beispiel aus seinem Buch.

    Bevor dieser noch lange nachwirkende Abend mit der Möglichkeit sein Buch signieren zu lassen schließt,

    bejaht Bodo Kirchhoff die Frage einer Zuhörerin nach dem Schlusssatz ob das Bild über das Wort tatsächlich siege, da die Technik unaufhaltsam voranschreitet und es noch nie so einfach war, ein Bild aufzunehmen.

  • Letzteres befürchte ich auch. Und nicht nur die Bildschirme werden flacher :grin

  • Wenn ich ehrlich sein darf, dann kann ich mit Kirchhoffs Thema "Sprache und Sexualität", das alle seine Bücher bestimmt, nur wenig anfangen. Was wohl auch daran liegt, dass ich kaum über Wissen zur Psychoanalyse verfüge.

    Nein, ich werde das Buch nicht lesen.

    So geht es mir mit Kirchhoffs Büchern auch. Aber die Lesung scheint interessant gewesen zu sein. Danke für deinen Bericht.