Blauer Hibiskus - Chimamanda Ngozi Adichie

  • Kurzbeschreibung laut Amazon:
    Kambili und ihr älterer Bruder Jaja führen ein privilegiertes Leben in Nigeria. Ihr Vater ist ein wohlhabender Mann und Verleger einer regierungskritischen Zeitung, es gibt mehrere Bedienstete in dem großen, schönen, von hohen Mauern umgebenen Haus, sie besuchen exklusive Missionsschulen. Doch eine bedrückende Stille lastet über allem. Der in der Gemeinde hochangesehene Vater setzt seine rigiden Vorstellungen, wie ein wahrer Katholik zu leben hat, in der Familie mit brutaler Gewalt durch. Als Kambili und Jaja zum erstenmal ihre Tante Ifeoma und deren Kinder besuchen dürfen, tut sich ihnen eine vollkommen neue Welt auf. Hier wird gelacht und gesungen, Küchen- und Kerosindämpfe ziehen durch die beengte Wohnung, und der Großvater, zu dem ihr eigener Vater jeden Kontakt abgebrochen hat, weil er ein Heide ist und die alten Igbo-Götter anbetet, wird von allen geliebt. Im Garten blüht Blauer Hibiskus. Und Kambili verliebt sich. Nach ihrer Rückkehr ist die alte Ordnung nicht mehr wiederherzustellen, und mit den zunehmenden politischen Unruhen im Land eskalieren auch die Spannungen in Kambilis Familie.


    Über die Autorin (Amazon):
    Chimamanda Ngozi Adichie, geb. 1977 in Nigeria, studierte Medizin und Kommunikationswissenschaften, ging 1998 in die USA, bekam mehrere Preise für ihre Kurzgeschichten. "Blauer Hibiskus" war auf der "Shortlist" für den "Orange Fiction Prize 2004".


    Meine Meinung:
    Ich habe das Buch vor zwei Wochen gelesen und musste es bis jetzt nachwirken lassen.. Blauer Hibiskus ist ein außergewöhnliches Buch, ich konnte es kaum weglegen. Adichie besitzt eine sehr eindringliche Sprache, erzählt ohne anzuklagenden Ton, dafür aber umso eindringlicher über Familie, Gewalt, Religion, Identität und lässt ein vielseitiges Bild von Afrika einfließen. Sie hat mit ihrem Buch lebendige Bilder in meinem Kopf erzeugt, ich kann die Farben sehen, die Küchengerüche riechen.
    Ich fand den Roman wunderschön und beeindruckend und kann ihn nur dringend weiterempfehlen. Ein Buch, das ich sicher noch öfter zur Hand nehmen werde.

  • Kambili, 15 Jahre alt, ist die Tochter einer wohlhabenden nigerianischen Familie. Sie leben in einer Villa mit Dienstpersonal Ihr Vater ist eine angesehene Persönlichkeit, streng gläubig, unterstützt viele ärmere christliche Bürger mit Spenden und ist Herausgeber einer regierungskritischen Zeitung. Nach außen hin sind sie eine glückliche Familie, der es an nichts fehlt.
    Doch der Schein trügt. Hinter verschlossenen Türen entpuppt sich der Vater als gewalttätiger Tyrann, der jedes Verhalten, das seinen religiösen Ansichten widerspricht, hart bestraft. Mit seinem Vater, der dem alten Glauben der Igbo treu geblieben ist, hat er gebrochen, da für ihn der Katholizismus der einzig wahre Glaube ist. Kambili und ihr Bruder Jaja sind stille Kinder, Außenseiter, haben nie gelernt, zu lachen und Spaß zu haben.
    Doch ein Besuch bei ihrer Tante Ifeoma ändert alles. Zum ersten Mal lernen die Kinder ein Leben kennen, das nicht von der Gewalt ihres Vaters und den Zwängen, die diese mit sich bringen, dominiert ist.


    Das Buch ist aus Sicht der Ich-Erzählerin Kambili geschrieben und in 3 Teile eingeteilt. Zunächst begegnet der Leser Kambili und ihrer Familie am Palmsonntag, einer Zeit nach dem Besuch bei ihrer Tante. Im zweiten Teil, dem Hauptteil, führt Kambili den Leser zurück in die zeit vor Palmsonntag. Der dritte Teil, nach Palmsonntag, knüpft dann wieder an den ersten Teil an.


    Die Autorin lässt Kambili ihre sehr glaubwürdig erzählen, die Charaktere werden sehr lebhaft gezeichnet. Auch die Entwicklung von Kambili und ihrem Bruder Jaja wirkt authentisch. Der Leser leidet mit den beiden und ihrer Mutter. Das Buch ist wunderschön geschrieben, es ist teilweise bedrückend und verstörend, doch nie hoffnungslos. Es bringt dem Leser das Leben verschiedener nigerianischer Familien näher und streift auch die politische Lage Nigerias.


    Ein Roman über die Familie, Erwachsenwerden, Befreiung, Religion und Gewalt, das auch nach dem Lesen noch nachwirkt.


    Absolut empfehlenswert!



    Edit: Hier noch der Link zur Taschenbuchausgabe

  • Ich muss hier mal noch das Original verlinken, damit ich von meiner Wunschliste aus die Rezi leichter wiederfinde...


    edit: funktioniert nicht, Mist :-(
    aber den Link lass ich jetzt trotzdem hier ;-)

    Surround yourself with human beings, my dear James. They are easier to fight for than principles. (Ian Fleming, Casino Royale)

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  • Meine Meinung:


    Ich bin wirklich überrascht, WIE gut dieses Buch eigentlich ist.


    Ich hatte ein bißchen Angst, es würde sich hier um eins dieser Betroffenheitsbücher afrikanischer Frauen handelt, die zwar wichtig und interessant sein mögen, in der Regel aber nicht gut geschrieben sind. Doch das Buch hier ist anders. Ngozi Adichie schreibt in einer wunderbaren, sehr warmen, sehr ruhigen Sprache - hat aber einen leisen unterschwelligen Humor. Man kommt sehr schnell in das Buch rein - ich hatte bald das Gefühl mitten unter den Menschen dort zu sein.


    Kambili, die Tochter eines wohlhabenden und gleichzeitig sehr religösen Fabrikbesitzers beschreibt - zum Teil in Rückblicken - das Jahr, in dem sich für sie alles ändert. Zu Beginn erhält man den Eindruck, Kambili würde sehr behütet aufwachsen: ihre Familie lebt sehr gut, sie geht auf eine gute Schule und ihr Vater ist aufgrund seiner Großzügigkeit sehr angesehen. Doch relativ schnell lernt man, dass der äußere Schein trügt - die ganze Familie leidet unter der fanatischen Religösität des Vaters: da werden den Kindern schon mal die Füße mit kochendem Wasser übergossen, weil sie sich den Anweisungen des Vaters wiedersetzt haben.


    Als Kambili und ihr Bruder Jaja die Erlaubnis bekommen, ihre in ärmlicheren Verhältnissen lebende Tante zu besuchen, lernen sie, wie das Leben auch sein kann: weniger bequem - aber liebevoll mit viel Lachen, Freundschaft und Für-einander-dasein. Gleichzeitig verschlechtert sich aber die politische Situation im Land und das Leben von Kambili, Jaja und ihrer Familie beginnt sich zu verändern...


    "Blauer Hibiskus" ist ein großartiges Buch über das Erwachsen-werden, über das Miteinander, über Familie und Religion, über Nigeria - es hat mich stark berührt und ich kann es uneingeschränkt empfehlen!

  • Ich bin in einem anderen Forum auf diese Autorin aufmerksam geworden, dort wurde "Die Hälfte der Sonne" sehr begeistert besprochen.
    Da ich einerseits neugierig war, andererseits nicht gleich in ein gebundenes Buch investieren wollte, habe ich mich für "Blauer Hibiskus" entschieden. (Erschwerend kam hinzu, dass mich da das Cover mehr wngesprochen hat, auch wenn ich nicht gerne zugebe, dass das manchmal bei mir eine Kaufentscheidung ist...)


    Ich wusste also, dass ich kein "Betroffenheitsbuch" vor mir habe.
    Ich hatte trotzdem nicht damit gerechnet, dass mich dieses Buch von der ersten Seite an so in seinen Bann ziehen würde...
    Sehr eindringlich geschrieben, an manchen Stellen habe ich gekocht vor Wut, an anderen habe ich mit Kambili und Jaja gelitten, gehofft und gelacht.
    Und ich finde, dass die Geschichte bis zum Ende konsequent bleibt, ich hatte während des Lesens zwar so die ein oder andere Idee, wie es ausgehen könnte, was die Autorin daraus gemacht hat, hat mir aber erheblich besser gefallen :-)


    Fazit: Ich glaube nicht, dass ich bei dem zweiten Roman der Autorin aufs Taschenbuch warten werde *seufz*


    Ich verlinke es hier schon mal...

  • Ein wirklich gutes Buch, gut zu lesen und schön erzählt, und sehr eindringlich und bewegend. Teilweise fand ich das Buch bedrückend, und es macht wütend, wütend darüber nachzudenken, was Glauben aus Menschen machen kann.


    Sehr empfehlenswert.

  • Ich habe dieses Buch gestern beendet und kann mich den Vorschreibern nur anschließen: sehr empfehlenswert.


    Das Buch ist in sehr ruhigem Stil geschrieben, aber erzeugt eine Eindringlichkeit, die sehr bewegt.

  • Kambilis Vater verdankt katholischen Missionaren in Nigeria alles, seine Schulbibldung, seinen wirtschaftlichen Aufstieg und damit auch sein Ansehen als Unternehmer und spendabler Dorfvorsteher. Seine Bildung ist hart erkämpft; denn schon während seiner Schulzeit hat er als Gärtner für seinen Lebensunterhalt gearbeitet. Seine Gottesfurcht gibt der Mann mit gnadenloser Härte an Frau und Kinder weiter; alle drei tragen die Narben seiner Misshandlungen. Leben, arbeiten und glauben müssen die Kinder nach einem strengen Plan. Von Kambili wird erwartet, dass sie in jedem Schuljahr die Klassenbeste ist - und wehe, sie erreicht mit ihren Noten einmal nur den zweiten Platz! Wer so fern von dem aufwächst, was andere Jugendliche interessiert, hat in Kambilis Klasse nichts zu lachen. Der Kontakt zum Großvater und zur Schwester des Vaters ist den Kindern verboten, um sie vor der Igbo-Sprache und der Kultur der Vorfahren zu bewahren. Alles Aberglauben, findet der Vater.


    "Papa kam auf Jaja zu. Er sprach jetzt nur noch Igbo. Ich rechnete damit, dass er ihm die Ohren langziehen würde, dass er ihn im Takt seiner Worte stoßen und zerren würde, dass er Jaja ins Gesicht schlagen und seine Hand dasselbe Geräusch machen würde, wie wenn in der Schule ein Buch von Bücherregal fällt. Und dann würde er mich packen und mich mit derselben Beiläufigkeit ins Gesicht schlagen, mit der er nach der Pfeffermühle griff. Doch er sagte nur: "Ich möchte, dass ihr fertig esst und dann in eure Zimmer geht und um Vergebung bittet", drehte sich um und ging die Treppe wieder hinunter. Die Stille, die er zurückließ, war schwer, aber angenehm, wie eine ausgebeulte kratzige Strickjacke an einem kühlen Morgen." (S. 76/77)


    Bisher mussten Kambili und Jaja völlig abgeschnitten von der Igbo-Tradition leben und ohne Kontakt zu ihren Cousins und Cousinen. Die erste von der Tante (gegen den Willen ihres Bruders) eingefädelte bewusste Begegnung der Kinder mit ihrem Großvater Nnukwu zeigt ihn als betagten, lebensfrohen Mann, für den der Gesang wichtiger Bestandteil seiner Tradition ist. Die verwitwete Tante verdient als Dozentin an der Uni den Lebensunterhalt für sich und ihre Kinder. Der Besuch bei ihrer Tante Ifeoma ist in vielerlei Hinsicht ein Schock für Kambili; Ifeoma verhält sich gegenüber jedermann reichlich respektlos - und sie hat ihren Bruder noch nie wie einen Heiligen behandelt. In Ifeomas kleinem Haushalt, in dem nun zusätzlich zu Reissack und Propangasflasche zwei weitere Schlafstellen für die Besucher gezwängt werden müssen, wird den Jugendlichen deutlich, wie schwer der Alltag für ihre Tante zu bewältigen ist. Im Wohlstand und mit Hauspersonal aufgewachsen haben beide noch nie darüber nachgedacht, wo Wasser, Brennstoff und Lebensmittel herkommen. Die Unbeschwertheit und Zuversicht in Ifeomas Familie verdeutlicht aber auch, wie klein sich Kambili und Jaja bisher unter dem Druck ihres Vaters gemacht haben.


    Beginn und Ende des Romans beschreiben ein Ereignis am Palmsonntag, während der Hauptteil auf die Ereignisse vor diesem Tag zurückblickt. Die knapp sechzehnjährige Icherzählerin Kambili wirkt zunächst wie ein verängstigtes Kind, dem außerhalb des Elternhauses ohne die strengen Anweisungen des Vaters jeder Rückhalt zu fehlen scheint. Durch die Begegnung mit Großvater und Tante findet Kambili zu den Wurzeln ihrer Kultur, und auch Jaja, der anfangs im Roman eine Nebenrolle zu spielen scheint, durchläuft eine erstaunliche Entwicklung. Die Lebensbedingungen Ifeomas und Ereignisse um die Tageszeitung, die der Vater herausgibt, spiegeln Nigerias Alltag in politisch und wirtschaftlich unruhigen Zeiten. Wie sich Kambilis und Jajas Blick vom Konflikt mit ihrem starrsinnigen, gewalttätigen Vater zuerst auf ihre erweiterte Familie und im nächsten Schritt auf die Situation ihre Landes weitet, macht Adichies 2003 erschienen ersten Roman zu einem besonderen Leseerlebnis.


    9 von 10 Punkten

  • Ich mochte das Buch sehr. Fernab von Klischees und Kitsch bringt es dem Leser ein Stück Afrika und seine Bewohner näher.


    Der Erzählstil war so flüssig, eindringlich und mitreissend, dass ich das Buch kaum aus den Händen legen konnte. Der Schreibrhythmus erinnerte mich ein wenig an Isabell Allende.


    Adichies Feder folgte ich wie ein williges Schlachtvieh, ließ mich in Abgründe menschlicher Härte zerren, in die ich von mir aus nie hinabgestiegen wäre.


    Das Buch war eine Axt (siehe meine Signatur). Es war eine Bereicherung für meine Leseerfahrung.


    Wer intelligente Unterhaltung sucht, ist mit diesem Roman gut bedient.

  • Durch Buchdoktors Rezension von dem Roman von Chimamanda Ngozi Adichie: Americanah
    kam ich auf die Autorin. In meinem SUB war tatsächlich noch dieser Roman, Blauer Hibiscus.


    Ich kann nur sagen er ist sehr empfehlenswert.
    Eine gute einfühlsame Lektüre, die teilweise bedrückend sein kann.


    Ich kann mich nur den vorhergehenden Rezensionen anschließen.

  • Taschenbuch-Neuausgabe ab 23.7.


    Chimamanda Ngozi Adichies Debut - ein Meilenstein junger Weltliteratur: Jetzt als Fischer Taschenbuch!
    Das Haus von Kambilis Familie liegt inmitten von Hibiskus, Tempelbäumen und hohen Mauern, die Welt dahinter ist das von politischen Unruhen geprägte Nigeria. Mit sanfter, eindringlicher Stimme erzählt die 15jährige Kambili von dem Jahr, in dem ihr Land im Terror versank, ihre Familie auseinanderfiel und ihre Kindheit zuende ging. Der erste vielgelobte Roman Adichies, verzweifelt schön und ganz gegenwartsnah.

  • Die 15jährige Kambili wächste wohlbehütet in einer wohlhabenden Familie auf. Schnell stellt sich heraus, dass sie in einer Art goldenem Käfig lebt, das Haus ist groß, es gibt Dienstboten,... der Vater ist ein reichter Fabrikbesitzer und überzeugter Katholik. Vor jedem Essen wird lange gebetet, jeder Kontakt zu Andersgläubigen wird vermieden - selbst wenn es sich um den eigenen (Groß)vater handelt. Der Vater hat für Kambili und ihren Bruder Jaja einen streng getakteten Wochenplan, dessen Einhaltung er überwacht und jede noch so kleine Mißachtung seiner Anweisungen wird streng bestraft.


    Für Kambili und Jaja überraschend dürfen sie in den Ferien zu ihrer Tante, Vaters Schwester fahren, und lernen eine für sie ungewohnte und fremde Lebensweise kennen. Eine kleine, beengte Wohnung, wo immer wieder der Strom ausfällt und jeder mit anpackt, Dafür erleben sie dort Umbeschwertheit und Herzlichkeit ...

    Kambili erzählt ihre Geschichte fesselnd und glaubwürdig und ich war immer wieder erschüttert, wie nüchtern und aus ihrer Sicht normal sie das Verhalten das Vaters schildert.


    Ich fand das Buch sehr interessant und lesenswert, auch wenn ich immer wieder schlucken musste und den Vater nur schwer ertragen konnte.