Beiträge von auserlesenes

    Eine Herbstnacht in einem Cottage in den Cotswolds: Luke Whitney (43), ein Schönheitschirurg, liegt erstochen in seinem Ferienhaus. Seine Frau Anna gesteht den tödlichen Messerangriff. Aber kann sie es wirklich gewesen sein? Oder wer steckt sonst dahinter? Schnell wird klar, dass noch andere ein Motiv gehabt hätten. Detective Sergeant Rebecca Dance beginnt mit den Ermittlungen…


    „The Final Wife“ ist ein psychologischer Thriller von Jenny Blackhurst.


    Die Geschichte besteht aus 55 kurzen Kapiteln. Erzählt wird im Präsens und aus wechselnder Perspektive, unter anderem in der Ich-Perspektive aus der Sicht von Rebecca und der von Anna.


    Der Schreibstil ist ungekünstelt, aber anschaulich und angemessen. Die Dialoge wirken authentisch. Gut gefallen hat mir auch, dass die Kapitel stilistisch zwischendurch von Gesprächsprotokollen aufgelockert werden. Die Übersetzung von Michael Krug habe ich als angenehm unauffällig empfunden.


    Die Protagonisten sind reizvoll angelegt und mit psychologischer Tiefe ausgestattet. Obwohl wir Einblicke in den Kopf von Anna, Rebecca und weiteren Personen erhalten, bleiben die Figuren glücklicherweise noch etwas geheimnisvoll.


    Zwischenmenschliche Beziehungen, Dynamiken und Abgründe spielen auf der inhaltlichen Ebene eine wichtige Rolle. Es geht um Lügen, Geheimnisse und Verrat, aber auch um Rache und Zusammenhalt.


    Auf den knapp 300 Seiten entwickelt die spannende Handlung rasch einen Lesesog. Sie bietet mehrere Wendungen und Überraschungen. Langeweile kommt in keinem Kapitel auf. Allerdings war die Auflösung für mich bereits nach der ersten Hälfte vorhersehbar.


    Der Titel der deutschen Ausgabe entspricht dem englischsprachigen Original. Er passt sehr gut. Das düstere Cover ist ansprechend gestaltet.


    Mein Fazit:

    Zwar ist „The Final Wife“ nicht zu meinem Lieblingsthriller geworden. Doch auch mit ihrer neuen Geschichte beweist Jenny Blackhurst, dass sie eine Garantin für unterhaltsame Spannungsliteratur ist. Eine empfehlenswerte, durchweg solide Lektüre!


    Ich vergebe 4 von 5 Sternen.


    ASIN/ISBN: 3404196171

    BiBiBiber würde gerne in den Nachtstunden einen großen Damm bauen. Das geht aber nicht ohne die Hilfe anderer Tiere. Aber von ihnen möchte ihm niemand helfen, denn nachts wollen sie lieber schlafen. BiBiBiber ist genervt: Was soll das mit dem Schlaf? Ist der nicht bloß Zeitverschwendung und einfach nur total langweilig?


    „BiBiBiber hat da mal 'ne Frage. Warum muss ich schlafen?" ist ein Sachbuch von Mai Thi Nguyen-Kim und Marie Meimberg für Kinder ab sieben Jahren und der vierte Band der Wissenschaftsreihe rund um BiBiBiber.


    Das Sachbuch hat quasi zwölf Kapitel, die als solche aber nur in der Inhaltsübersicht zu erkennen sind, denn sie sind nicht durch Pausen oder Überschriften markiert. Es besteht aus etwas mehr als 100 Seiten.


    Eingeleitet wird der eigentliche Text mit einer Art Comic, in dem es um das Eingangsszenario, also den geplanten Damm-Bau, geht. Danach kommen die Autorinnen als Protagonistinnen ins Spiel. Zwischen ihnen und BiBiBiber entfaltet sich ein langer Dialog, in dem die unterschiedlichen Aspekte zum Thema Schlaf aufgeworfen und erklärt werden. Insofern wird das Wissen also in eine Geschichte eingebettet.


    Der Inhalt ist recht anspruchsvoll und umfassend. Die Frage, weshalb Schlaf notwendig ist, wird ausführlich beantwortet. Dabei geht es nicht nur um die verschiedenen Funktionen des Schlafens, sondern es wird auch beleuchtet, wie unterschiedlich Menschen und Tiere schlafen. Von der Photosynthese über die sonstigen Aufgaben der Zellen, die Chronotypen, die Schlafphasen und das Gedächtnis bis zu Albträumen reicht die Bandbreite, die das Sachbuch abdeckt. So manches Detail ist auch noch für viele Erwachsene unbekannt und lehrreich.


    Das Buch arbeitet mit Bildern und Vergleichen, um den komplexen Sachverhalt verständlich zu machen. Dieses Konzept ist auf gelungene Art umgesetzt. Durch Wortspiele, Reime und lustige Formulierungen kommt der Spaß beim Lesen oder Vorlesen nicht zu kurz. Der Text ist angenehm klischeefrei und in einer sensiblen Sprache verfasst, gleichzeitig absolut altersgerecht. Nur die übertriebene Jugendsprache im Comicteil hat mir nicht so gut gefallen.


    Die farbintensiven Illustrationen von Marie Meimberg sind abwechslungsreich und kreativ. Sie ergänzen den Text wunderbar, indem sie abstrakte oder wenig greifbare Details mit Zeichnungen vorstellbar machen.


    Mein Fazit:

    „BiBiBiber hat da mal 'ne Frage. Warum muss ich schlafen?" von Mai Thi Nguyen-Kim und Marie Meimberg ist ein sehr empfehlenswertes Kindersachbuch, das Wissen auf unterhaltsame Weise vermittelt.


    Ich vergebe 5 von 5 Sternen.


    ASIN/ISBN: 3751206779

    Wala Kitu, der eigentlich Ralph Townsend heißt, ist Mathematiker und Professor an der Brown University in Providence (USA). Er hat sich auf das Nichts spezialisiert. Der Wissenschaftler ist Mitte 30, als John Milton Bradley Sill, ein Multimilliardär, auf ihn aufmerksam wird. Der reiche Schurke macht ihm ein unmoralisches Angebot, das der Experte kaum ablehnen kann. Sill hat es auf den Goldspeicher in Fort Knox abgesehen, genauer gesagt: auf das Nichts, das er im großen Tresorraum vermutet. Aber wie schafft man dieses fort? Bei dieser und anderen Fragen soll ihm Wala Kitu für drei Millionen Dollar behilflich sein…


    „Dr. No“ ist ein Roman von Percival Everett.


    Der Roman ist eher kleinteilig aufgebaut. Erzählt wird in elf Teilen, die jeweils aus mehreren Kapiteln bestehen, in der Ich-Perspektive aus der Sicht von Wala.


    In sprachlicher Hinsicht sind vor allem die lustigen, exzessiv genutzten Wortspielereien auffällig. Das betrifft in erster Linie das Wort „nichts“. Aber auch eine Menge sprechender Namen, Mehrdeutigkeiten, Metaphorik und Symbolik steckt in dem herausfordernden Text, übersetzt von Nikolaus Stingl. Dabei wechselt der Roman zwischen flotten, umgangssprachlichen Dialogen und Gedankengängen im Fachjargon.


    Auf den nur wenig mehr als 300 Seiten mutet die Handlung teilweise etwas nach Klamauk an. Nicht alle Szenen und Wendungen wirken realistisch, vieles hat sogar skurrile oder absurde Züge. Die Figuren sind recht schräg und überspitzt dargestellt. Das liegt auch daran, dass die Geschichte als eine Satire oder Persiflage auf die James-Bond-Filme zu lesen ist. Das lässt bereits der trefflich gewählte Titel erahnen, der 1:1 aus dem englischsprachigen Original übernommen wurde. Auch zu weiteren Filmen gibt es Referenzen.


    Dennoch hält der Roman einige ernste Themen bereit. Insbesondere nehmen philosophische Gedanken und mathematische Exkurse viel Raum in der Geschichte ein, allen voran das Nichts. Obwohl nicht alle theoretischen Ausführungen für Laien in Gänze nachvollziehbar sind oder zum Teil sogar verwirren, haben mich diese Passagen nur geringfügig gestört.


    Darüber hinaus enthält die Geschichte immer wieder Verweise auf bedenkliche Entwicklungen der jüngeren Vergangenheit: Verschwörungstheorien, Machtmissbrauch, das Erstarken rechter, radikaler und faschistischer Ideologien, die Auflösung der Gewaltenteilung und ähnliche politische Tendenzen. Darin fügt sich eine latente Kapitalismuskritik ein. Zudem ist ein weiterer Aspekt früherer Romane auch in dieser Geschichte zu finden: der Alltagsrassismus gegenüber der schwarzen Bevölkerung, der hier erneut pointiert geschildert und angeprangert wird.


    Mein Fazit:

    Wie bei „Die Bäume“ ist Percival Everett eine ungewöhnliche, verrückte Geschichte gelungen, die von Wortwitz, absurden Szenen, einer speziellen Komik, aber auch gesellschaftskritischen Elementen geprägt ist. Mit „Dr. No“ hat mich der Autor wieder einmal auf intelligente Art sehr gut unterhalten und zugleich überraschen können. Definitiv lesenswert!


    Ich vergebe 5 von 5 Sternen.


    ASIN/ISBN: 3446284176

    Nach mehr als 50 Jahren Ehe ist Hannah (70) Witwe geworden. Schon immer hat sie in dem kleinen Ort Berllan Deg in Wales gelebt. Auch nach ihrer Hochzeit mit John, einem Schriftsteller und Imker, hat sie ihr Elternhaus nicht verlassen - im Gegensatz zu ihrer Schwester Sadie. Nun muss sich Hannah von ihrem Mann verabschieden und ein schockierendes Geheimnis des Verstorbenen erfahren…


    „Wilder Honig“ ist ein Roman von Caryl Lewis.


    Erzählt wird die Geschichte in 55 kurzen Kapiteln in weitestgehend chronologischer Reihenfolge. Die Handlung umfasst ungefähr ein Jahr. Der Haupterzählstrang ist in der Gegenwart angesiedelt. Darüber hinaus sind Briefe im Wortlaut eingefügt, die John hinterlassen hat.


    Vor allem in den Briefen, aber auch darüber hinaus ist die Sprache wunderbar poetisch und bildstark. Die Szenen sind sehr atmosphärisch ausgestaltet, die Dialoge wirken durchaus authentisch.


    Auf der inhaltlichen Seite ist der Roman tiefgründig und recht düster. Es geht zunächst um Tod, Trauer und Verlust. Später spielen zudem Themen wie Enttäuschung, Einsamkeit, Betrug und ähnliche Aspekte eine Rolle. Trotz der idyllischen Naturkulisse hat mich der Roman besonders zu Beginn mit seiner Schwere und Traurigkeit überrascht. Im weiteren Verlauf hellt sich die Geschichte allerdings etwas auf und zeigt hoffnungsvolle Momente.


    Neben den zwischenmenschlichen Beziehungen bilden der Obstgarten und die Bienen einen Schwerpunkt. Ausführlich werden die Abläufe von Tier- und Pflanzenwelt, das Zusammenspiel der Lebewesen und derartige Vorgänge geschildert. Das sorgt für ein entschleunigtes Erzähltempo und transportiert wissenswerte naturkundliche Fakten. Man könnte sogar soweit gehen zu behaupten, dass die Natur selbst zu einer Protagonistin des Romans wird.


    Darüber hinaus stehen drei Frauenfiguren im Mittelpunkt: Hannah, Sadie und Megan. Die Charaktere habe ich grundsätzlich als interessant und angenehm unterschiedlich empfunden. Dennoch blieben mir alle drei Personen bis zum Schluss recht fremd und auf Distanz, ihr Verhalten erscheint mir nur in Teilen nachvollziehbar.


    Die Geschichte mit ihren gut 280 Seiten konnte mich an ein paar Stellen überraschen. Dennoch setzt die Handlung nicht auf Effekthascherei und verzichtet größtenteils auf übermäßige Dramatik.


    Der deutsche Titel macht neugierig und ist nahe am englischsprachigen Original („Bitter Honey“). Das malerische Covermotiv greift die Naturthemen gut auf, wirkt allerdings etwas zu harmonisch und heiter für den Inhalt.


    Mein Fazit:

    „Wilder Honig“ von Caryl Lewis ist ein Roman, der mit sprachlicher Stärke glänzt, mich bei der Figurenzeichnung jedoch leider enttäuscht hat. Empfehlenswert insbesondere für Naturliebhaber und Wales-Fans.


    Ich vergebe 4 von 5 Sternen.

    Mitten in der Spree nimmt ein Elefantenbulle ein Bad. Doch schon bald ist da mehr als nur ein Tier und die afrikanischen Elefanten sind nicht mehr nur in Berlin anzutreffen. Bundeskanzler Hans Christian Winkler ist überfordert und ratlos: Wo kommen die wilden Dickhäuter her? Und wie wird man sie wieder los? Das Chaos nimmt seinen Lauf…


    „Das Geschenk“ ist ein satirischer Roman von Gaea Schoeters.


    Der kurze Roman gliedert sich in vier Teile mit mehreren knappen Kapiteln. Erzählt wird im Präsens und in chronologischer Reihenfolge, aber mit größeren Zeitsprüngen und wechselnden Perspektiven. Dabei deckt die Handlung einen Zeitraum von 434 Tagen, also mehr als ein Jahr, ab.


    Der Schreibstil ist - trotz des eher gehobenen Sprachniveaus - wunderbar leichtfüßig und zugleich anschaulich. Die Dialoge wirken durchaus authentisch. Die Übersetzung von Lisa Mensing kommt angenehm unauffällig daher.


    Trotz der bloß knapp 140 Seiten ist das Personal überraschend umfangreich, jedoch nicht zu überladen. Die Figuren sind an reale deutsche Politiker angelehnt, dabei aber nicht komplett mit den tatsächlichen Persönlichkeiten identisch.


    Bei dem Kurzroman handelt es sich um eine Politsatire. Die Geschichte geht auf eine wahre Begebenheit zurück. In Botswana gibt es zu viele Elefanten: rund 130.000. Im Sommer 2025 hatte ein Ex-Präsident des Landes die Legalisierung des Elfenbeinhandels gefordert und Deutschland 20.000 Tiere angeboten. Was wäre, wenn die Bundesrepublik wirklich so viele Elefanten aufnehmen müsste? Dieser Frage geht die Autorin nach.


    Dabei beleuchtet der Kurzroman problematische Tendenzen, insbesondere die Panikpolitik, Populismus, Globalisierung und Neo-Kolonialismus. Immer wieder gibt es Vergleiche zur Asyl- und Flüchtlingspolitik. Strategien und Mechanismen wie das Shifting Baseline Syndrome werden beiläufig und anschaulich erklärt. So werden die wirklichen Hintergründe und Motive politischer Entscheidungen entlarvt. Gleichzeitig ist die Geschichte ein Plädoyer für mehr Klima- und Naturschutz.


    Der kurze Roman ist durchweg unterhaltsam. Auf der inhaltlichen Ebene haben mich nur kleinere Details gestört, auf die ich nicht eingehen kann, ohne zu viel zu verraten.


    Der Titel der deutschen Ausgabe wurde wortgetreu aus dem Niederländischen („Het geschenk“) übernommen. Der imposante Elefant auf dem Umschlag passt gut zur Geschichte. Leider wurde das Covermotiv von einer KI generiert.


    Mein Fazit:

    Mit „Das Geschenk“ ist Gaea Schoeters ein gehaltvoller Literatur-Snack gelungen. Eine kurzweilige, empfehlenswerte Satire.


    Ich vergebe 4 von 5 Sternen.

    Sie braucht den Job im „Mega Gym“ dringend, will es ihrer Bewährungshelferin beweisen. Und lügt nicht jeder einmal im Vorstellungsgespräch? Um ihren Erdnussflipbauch und ihr unsportliches Aussehen zu rechtfertigen, behauptet sie gegenüber Ferhat, dem Betreiber des Fitnessstudios, dass sie erst vor Kurzem entbunden habe. Doch nicht nur das wird ihr zum Verhängnis…


    „Gym“ ist ein Roman von Verena Keßler.


    Der Roman ist stark strukturiert: Er besteht aus drei Teilen, die jeweils mit einem Prolog eingeleitet werden und insgesamt fast 40 Kapitel umfassen. Erzählt wird in der Ich-Perspektive aus der Sicht der namenlosen Protagonistin.


    Die Sprache ist ungekünstelt, bisweilen reduziert, aber anschaulich, atmosphärisch, bildstark und keineswegs platt. Die flotten, umgangssprachlichen Dialoge wirken authentisch.


    Die Protagonistin wird interessant und mit psychologischer Tiefe dargestellt. Dass sie ihre Fehler und Schwächen hat und wahrlich nicht perfekt ist, wird bereits auf den ersten Seiten ersichtlich. Dennoch oder gerade deswegen ist sie für mich ein reizvoller Charakter.


    Der Roman vereint viele Themen. Es geht einerseits um Mutterschaft, Misogynie und andere feministische Aspekte. Andererseits übt die Geschichte Kritik am Selbstoptimierungswahn, Leistungsdruck, ungesunden Obsessionen, den Auswüchsen und Absurditäten des Fitnesskults, der permanenten Selbstdarstellung, Scheinwelten, der zelebrierten Oberflächlichkeit und ähnlichen Problemen. Das macht den Roman sehr facettenreich.


    Auf weniger als 200 Seiten ist die Geschichte nicht nur inhaltlich vielseitig und dicht, sondern auch unterhaltsam. Zudem konnte sie mich mit einer unerwarteten Wendung überraschen.


    Das ungewöhnliche Covermotiv weckt Aufmerksamkeit und passt hervorragend zum Inhalt. Auch der knappe, prägnante Titel sticht hervor und harmoniert mit der Geschichte.


    Mein Fazit:

    Nach „Eva“ ist Verena Keßler erneut ein wichtiger, erhellender und kurzweiliger Roman gelungen, den ich gerne weiterempfehlen kann. Mit „Gym“ hat sie einen ungewöhnlichen und in mehrfacher Hinsicht überzeugenden Text geschaffen. Ein Lesehighlight im Sommer 2025!


    Ich vergebe 5 von 5 Sternen.


    ASIN/ISBN: 3446281630

    Jacknife am Atchafalaya-Becken im US-Bundesstaat Louisiana: Die Journalistin Loyal May hat ihre beste Freundin Cutter Labasque verloren. Doch nach dem Fund der Leiche im matschigen Sumpf scheint sich niemand sonst um die Aufklärung der Sache zu scheren. Der Tod der Außenseiterin wird als Suizid abgetan. Doch Loyal glaubt nicht daran. Sie stößt bei ihrer Suche nach Antworten auf ein Netz aus Schweigen, Lügen und Schuld…


    „Unsere letzten wilden Tage“ ist ein literarischer Spannungsroman von Anna Bailey.


    Die Geschichte besteht aus 46 Kapiteln, die von einem Prolog eingeleitet werden. Erzählt wird im Präsens aus der Perspektive von Loyal, aber auch denen weiterer Personen, wobei es immer wieder zeitliche Sprünge gibt. Obwohl die Struktur des Romans durchaus komplex ist, lässt sich die Geschichte sehr gut nachverfolgen.


    Der Schreibstil ist sehr atmosphärisch und bildstark. Besonders die Naturbeschreibungen sind eindrucksvoll. Die Dialoge, teilweise der Gegend entsprechend etwas vulgär, wirken authentisch.


    Die Figuren machen ebenfalls einen lebensnahen Eindruck. Loyal ist eine interessante und glaubhafte Protagonistin. Sie wird mit psychologischer Tiefe dargestellt. Aber auch die anderen Charaktere sind nicht zu stereotyp geraten.


    Wie schon beim Debütroman von Anna Bailey liegt ein Schwerpunkt auf Gewalt gegenüber Frauen. Auch darüber hinaus ist der Inhalt recht düster. Es geht um Armut, um Perspektivlosigkeit, um Korruption und dergleichen mehr.


    Auf den etwa 38 Seiten ist das Erzähltempo zwar nicht zwar schnell. Die Handlung kommt nur langsam voran. Dennoch erzeugt die Geschichte einen Lesesog, denn sie bleibt durchgängig spannend und ausreichend undurchsichtig.


    Das hübsche, recht harmonische Covermotiv ist ein wenig irreführend, denn es lässt eher auf ein anderes Genre schließen. Der deutsche Titel ist wortgetreu aus englischsprachigen Original übersetzt und passt zum Inhalt.


    Mein Fazit:

    „Unsere letzten wilden Tage“ von Anna Bailey ist ein gelungener Roman, der mehr als nur einen rätselhaften Todesfall behandelt. Eine vielschichtige und definitiv lesenswerte Geschichte, die sowohl inhaltlich als auch sprachlich überzeugen kann.


    Ich vergebe 4 von 5 Sternen.


    ASIN/ISBN: 3352010161

    Nanu, wo ist das Laub hin? Eichhörnchen ist ratlos. Zusammen mit Vogel sucht es nach dem Blätterdieb. Wo kann er nur sein? Hinter dem Vogelhäuschen, dem Stein oder dem Busch?


    „Wo ist der Blätterdieb?“ ist ein Pappbilderbuch für Kleinkinder ab zwei Jahren.


    Auf fünf Doppelseiten wird die kurze Such- und Findegeschichte erzählt. Jeweils auf der rechten Seite befindet sich eine große und stabile Filzklappe. Die hübschen Klappen sind mit unterschiedlichen intensiven Farben und verschiedenen Formen versehen. Das eignet sich hervorragend für die Zielgruppe.


    Die modernen Illustrationen von Nicola Slater sind wunderbar bunt, aber den tatsächlichen Farben der Natur nachempfunden. Die Bilder sind detailliert, jedoch nicht zu kleinteilig oder überladen, was absolut altersgemäß ist.


    Wie schon bei der Bilderbuchreihe für ältere Kinder beschränkt sich der Text von Alice Hemming auf Dialoge. Sie sind kurz und dank des kindgerechten Vokabulars leicht verständlich.


    Die bekannten Protagonisten der Blätterdieb-Reihe tauchen auch in diesem Pappbilderbuch auf. Die Charaktere wirken niedlich und sympathisch. Ein Pluspunkt ist für mich, dass die Tiere keine komplizierten Namen haben, sondern einfach nach ihrer Art benannt sind. Das macht es für die kleinen Zuhörer beim Vorlesen eingängiger.


    Mit den versteckten Motiven hinter den Klappen sorgt das Buch für Überraschungsmomente. Zwar ist die Kombination von Filzklappen und einer Suchgeschichte keineswegs einzigartig. Die Umsetzung des bewährten Konzepts ist hier allerdings sehr gelungen. Auf unterhaltsame Art lernen Kleinkinder dabei einige tierische Waldbewohner kennen. Zudem bietet die Geschichte einen Anlass, den Jahreszeitenwechsel und insbesondere den Herbst zu thematisieren. So kann die Blätterdieb-Geschichte schon die Jüngsten erreichen.


    Mein Fazit:

    „Wo ist der Blätterdieb?“ ist ein schöner Einstieg in die Blätterdieb-Reihe für die Kleinsten und lässt sich auch ohne Vorwissen prima nachvollziehen. Definitiv empfehlenswert!


    Ich vergebe 5 von 5 Sterne.


    ASIN/ISBN: 3833910720

    Ihre Großmutter Yasuko ist 102 Jahre alt geworden, bevor sie starb. Doch weder Aki noch ihre Mutter Keiko haben sie in deren letzten Jahren gesehen. Die Nachricht vom Tod Yasukos bringt Aki auf eine Idee. Die Ehefrau und dreifache Mutter möchte es der dementen Keiko ermöglichen, noch einmal in deren alte Heimat Japan zu reisen. Das weckt viele alte Erinnerungen.


    „Onigiri“ ist der Debütroman von Yuko Kuhn.


    Erzählt wird die Geschichte in zwölf Kapiteln im Präsens und in der Ich-Perspektive aus der Sicht von Aki. Dabei gibt es zwei Stränge: zum einen die gegenwärtigen Ereignisse rund um die Reise nach Japan, zum anderen die Rückblicke auf Akis Kindheit und Jugend. So umspannt die Geschichte mehrere Jahrzehnte.


    Zwei Frauen sind die Protagonistinnen des Romans: Aki und Keiko, psychologisch sauber ausgearbeitete Charaktere, die mit ihren Fehlern und Schwächen sehr realitätsnah erscheinen. Vor allem Akis Gedanken und Gefühle sind gut greifbar. Auch ihre Entwicklung im Laufe der Zeit wirkt schlüssig und nachvollziehbar. Dennoch blieben mir die Figuren immer noch ein Stück weit fremd.


    Das Thema Familie nimmt breiten Raum in der Geschichte ein. Es geht um familiäre Dynamiken und Verhältnisse, insbesondere um die Beziehung zwischen Töchtern und ihren Müttern. Ein weiterer Schwerpunkt ist das Leben und Aufwachsen zwischen verschiedenen Kulturen und Identitäten. Die innerliche Zerrissenheit zeigt sich vor allem bei Keiko. Aber auch Aki sitzt zwischen den Stühlen, was ihr als Kind und Jugendliche besonders zu schaffen macht. Glaubwürdig werden außerdem die Demenz und ihr Fortschreiten geschildert, das dritte große Thema. Das alles macht die nur 200 Seiten umfassende Lektüre überraschend facettenreich.


    Auf unterhaltsame Weise liefert die Geschichte immer wieder kleine Einblicke in die japanische Kultur. Hier und da werden japanische Wörter und Namen eingestreut, die im Glossar erklärt werden.


    Dass der Roman autobiografische Züge erhält, ist ihm an mehreren Stellen anzumerken. Er wirkt authentisch, klischeefrei und ungeschönt. Der sprunghafte, oft abrupte Wechsel zwischen einzelnen Erinnerungsfragmenten hat meinen Lesefluss allerdings immer wieder unterbrochen.


    Der Titel des Romans bezieht sich auf die japanischen Reisbällchen, die die Protagonistin sehr gerne isst, ihr Soulfood. Sie sind zugleich eine Metapher und auf dem Cover auf künstlerisch ansprechende Weise abgebildet, sodass beides gut miteinander und mit der Geschichte harmoniert.


    Mein Fazit:

    Mit „Onigiri“ ist Yuko Kuhn ein vielschichtiges und glaubhaftes Debüt gelungen.


    Ich vergebe 4 von 5 Sternen.

    Ela ist ausgezogen und erwachsen geworden. Gerade befindet sie sich im Examensstress. Sie hat Angst zu versagen. Da beginnt ihr Körper zu rebellieren. Zwischen verschiedenen Arztterminen stürmen einige Fragen auf sie ein…


    „Junge Frau mit Katze“ ist ein Roman von Daniela Dröscher, der an „Lügen über meine Mutter“ anknüpft.


    Die Geschichte wird in der Ich-Perspektive aus der Sicht von Ela erzählt. Zwischen den insgesamt zwölf Kapiteln stehen Zitate der japanischen Schriftstellerin Yōko Tawada. Kreativ: Die Überschriften der Kapitel sind Titel von Büchern, die ebenfalls vom Körper erzählen oder in anderer Weise zu diesem Roman passen. In kurzen Zwischenkapiteln sind Erinnerungen und Reflexionen an ihre Mutter eingestreut.


    Nur auf den ersten Blick wirkt die Sprache unspektakulär. Immer wieder finden sich besondere Bilder und Formulierungen. Der Text steckt voller klugen Gedanken und bleibt gleichzeitig leichtfüßig.


    Zwar ist die Kenntnis von „Lügen über meine Mutter“ nicht zwingend erforderlich, um den Roman zu verstehen und genießen zu können. Dennoch ist es zu empfehlen, zunächst die frühere Geschichte zu lesen.


    Während es im ersten Ela-Roman vor allem um Übergewicht, Bodyshaming und patriarchale Strukturen ging, spielt der Körper auch in dieser Geschichte eine zentrale Rolle. Gesundheitliche Probleme nehmen breiten Raum im Roman ein, sowohl in Form von physischen Symptomen als auch auf der mentalen Seite.


    Auf der inhaltlichen Ebene werden erneut toxische Beziehungen innerhalb der Familie beleuchtet. Darüber hinaus sind die Themen Selbstfindung und Selbstermächtigung von großer Bedeutung. Auch diesmal werden Impulse zum Nachdenken geliefert. Bei diesem Roman hatte ich allerdings weniger Aha-Momente.


    Auf den rund 300 Seiten hat die Autorin wiederum autobiografische Elemente mit Fiktion vermischt. Die Figuren sind wieder einmal glaubwürdig und lebensnah gestaltet. Die Geschichte habe ich stellenweise jedoch als zähflüssig und bisweilen sogar etwas redundant gefunden.


    Das Covermotiv ist ebenso farbenfroh wie beim ersten Ela-Roman, jedoch weniger abstrakt und daher nach meiner Ansicht gelungener. Allerdings finde ich den Titel diesmal nicht so aussagekräftig und reizvoll.


    Mein Fazit:

    Mit „Junge Frau mit Katze“ konnte mich Daniela Dröscher nicht so überzeugen wie mit dem ersten Ela-Roman. Obwohl die Geschichte nicht an „Lügen über meine Mutter“ herankommt, habe ich auch dieses Buch gerne gelesen.


    Ich vergebe 4 von 5 Sternen.


    ASIN/ISBN: 3462007610

    Oberbayern im Jahr 1992: Arkadia Fink (13), genannt Moll, ist nicht wie die anderen Mädchen in ihrem Alter. Sie liebt klassische Musik. Das verbindet sie mit ihrer Mutter Iris, die seit mehr als acht Monaten weg ist. Ihr Vater, ein Schreiner, ist mit der Situation überfordert. Ihre beste und einzige Freundin, Bernhardina, ist eine ehemalige Musiklehrerin, bereits 84 Jahre alt und lebt im Altenheim. Als Arkadia vom Probesingen für einen Knabenchor erfährt, reift in ihr ein Plan heran: Wenn sie es in den Chor schafft, wird ihre Mutter bestimmt zurückkehren…


    „Durch das Raue zu den Sternen“ ist ein Roman von Christopher Kloeble.


    Der Aufbau des Romans orientiert sich an einer Sinfonie: Er besteht allerdings aus fünf statt vier Sätzen beziehungsweise Teilen. Die ersten vier beinhalten mehrere Kapitel. Erzählt wird ausschließlich in der Ich-Perspektive aus der Sicht von Arkadia.


    Der Text ist sehr atmosphärisch und von ungewöhnlichen Metaphern durchzogen. Besonders gut haben mir Wortkreationen wie Pentatoniker und Tondichterin gefallen. Zudem ist es gelungen, sprachlich den Ton einer 13-Jährigen zu treffen, ohne in unglaubwürdigen Jugendslang zu verfallen.


    Arkadia ist eine unkonventionelle Protagonistin: Außenseiterin und musikalisch begabt, aber impulsiv, durchsetzungsstark, egozentrisch, mehr als nur selbstbewusst, gewaltbereit und eigensinnig. Sie hat Ecken und Kanten, sie macht Fehler und gesteht sich diese ein. Ihre ausufernden, wiederholten Fantasievorstellungen wie die, dass Beethoven weiblich war, sind mit der Vernunft oft nicht zu greifen. Dennoch wirkt ihr Innenleben authentisch und in sich stimmig.


    Auf der inhaltlichen Ebene vereint der Roman zwei thematische Bereiche. Das sind einerseits die Leidenschaft für klassische Musik und das Singen in professionellen Chören. Die Geschichte zelebriert musikalische Kunst, kritisiert zugleich aber den äußerst strengen, harschen und übertrieben disziplinierten Umgang der Chorleiter mit jungen Sängern. Letzteres hat der Autor selbst erlebt, wie er in Interviews hat durchblicken lassen.


    Da ist andererseits das Thema mentale Gesundheit. Die offenbar manisch-depressiven Verhaltensweisen der Mutter nehmen ebenso viel Platz ein wie die offenkundige Traumatisierung der Tochter, die vor allem mit Gewalt, Aggressivität und überbordender Fantasie auf eine Verlusterfahrung reagiert.


    Darüber hinaus hat der Autor weitere Aspekte eingearbeitet. So lässt er beispielsweise immer wieder Kritik an patriarchalischen Strukturen einfließen. Dies verleiht dem Roman eine weitere Facette.


    Die Geschichte ist anrührend, aber nicht kitschig. Und obwohl für mich die Hintergründe des Verschwindens bereits nach wenigen Kapiteln offensichtlich waren, habe ich mich auf keiner der knapp 240 Seiten gelangweilt. Dass zwar alle wesentlichen Fragen geklärt und dennoch Interpretationsspielräume gelassen werden, ist eine weitere Stärke des Romans.


    Ein Manko ist für mich hingegen das sehr hübsche, aber wenig passende Covermotiv. Die Darstellung des Mädchens und die Harmonie des Bildes werden dem Inhalt nicht gerecht. Unglücklich ist auch, dass fast zeitgleich ein anderer Roman mit diesem Motiv erschienen ist. Umso besser ist dagegen die Wahl des Titels, der eine lateinische Redewendung aufgreift und mit der Beschreibung der Werke Beethovens verbunden ist.


    Mein Fazit:

    Mit „Durch das Raue zu den Sternen“ ist Christopher Kloeble ein bewegender und besonderer Roman gelungen, den ich wärmstens empfehlen kann.


    Ich vergebe 5 von 5 Sternen.

    Herzogsbronn im Schwarzwald: Das Hotel ihres Vaters Carl, „Zum alten Forsthaus“, ist in die Jahre gekommen. Nur wenige Gäste verirren sich noch dorthin. Doch Lisa Berndl, 39, hängt nach wie vor an dem Haus, was ihr Mann Simon (Mitte 40), ein Förster, nicht nachvollziehen kann. Da taucht plötzlich eine Fremde in der Herberge auf. Daniela Arnold, kurz Ela, bittet Lisa um Hilfe. Doch irgendwas stimmt mit dieser Frau nicht…


    „Schattengrünes Tal“ ist ein psychologischer Spannungsroman von Kristina Hauff.


    Der Roman besteht aus drei Teilen mit jeweils mehreren Kapiteln und schließt mit einem Epilog. Erzählt wird aus personaler Perspektive, abwechselnd aus der Sicht verschiedener Personen. Die Handlung spielt in einem fiktiven Ort, inspiriert von der realen Stadt Freudenstadt, und erstreckt sich über einige Monate. Dieser Aufbau funktioniert sehr gut.


    Der bildstarke, atmosphärische Schreibstil hat mir gut gefallen. Die Dialoge klingen lebensnah. Besonders eindrücklich sind die Naturbeschreibungen geworden.


    Vor allem drei Figuren stehen im Fokus der Geschichte: Lisa, Daniela und Simon. Die Charaktere sind durchaus interessant gestaltet. Ihre Gedanken und Gefühle konnte ich jedoch nicht immer nachvollziehen.


    Auf der inhaltlichen Ebene geht es vor allem um zwischenmenschliche Beziehungen und Probleme in der Liebe, der Familie und Freundschaften. Was machen Täuschungen, Lebenslügen und Geheimnisse mit uns? Und eine weitere Frage wird aufgeworfen: Wie leicht lassen sich Menschen manipulieren?


    Darüber hinaus thematisiert der Roman die Folgen des Klimawandels, besonders in Bezug auf den Wald und seine Bewohner. Dies verleiht ihm zusätzliche Tiefe und macht ihn lehrreich. Auch in diesem Punkt zeigt sich die fundierte Recherche der Autorin.


    Auf den knapp 300 Seiten ist die Geschichte kurzweilig und von einer unterschwelligen Spannung durchzogen. Dabei bleibt die Handlung größtenteils stimmig.


    Das durchaus vielfältig interpretierbare Covermotiv mit den Schwarzstörchen passt nicht nur hervorragend zur Geschichte, sondern gefällt mir auch aus optischen Gesichtspunkten sehr. Der prägnante, stimmungsvolle und dennoch ungewöhnliche Titel ist ebenfalls eine gute Wahl.


    Mein Fazit:

    Mit „Schattengrünes Tal“ hat Kristina Hauff erneut einen lesenswerten Roman voller psychologischer Spannung geschrieben.


    Ich vergebe 4 von 5 Sternen.


    ASIN/ISBN: 3446284281

    20 Jahre ist es her: Seit dem 7. September 2003 ist Julie Eileen Novak, damals 16 Jahre alt, verschwunden. Ihr Vater Theo (74), ein ehemaliger Chirurg, ist zwar mittlerweile dement, möchte aber immer noch nach ihr suchen. Da wird Liv Keller auf den Fall aufmerksam. Sie betreibt mit ihrem Partner Philipp Hendricks den Podcast „Two Crime“ und nimmt Kontakt zu Theo auf. Lässt sich das Verschwinden nach all den Jahren noch aufklären?


    „Himmelerdenblau“ ist ein Thriller von Romy Hausmann.


    Eingerahmt von einem Pro- und einem Epilog, besteht der Roman aus sechs längeren Kapiteln. Erzählt wird aus wechselnden Perspektiven aus der Sicht verschiedener Personen, wobei die Zuordnung klar ist.


    Die Protagonisten sind reizvoll, recht verschieden und interessant ausgestaltet. Sie bleiben mal mehr, mal weniger undurchsichtig und verdächtig. Die Figuren lassen dadurch angenehm viel Raum für Spekulationen.


    Vordergründig behandelt der Thriller einen ungelösten Vermisstenfall. Doch die Geschichte ist tiefgründiger: Es geht um menschliche Abgründe, um Liebe und Ängste.


    Ein Schwerpunkt der Geschichte liegt zudem auf dem Thema Demenz. Dass es der Autorin bei diesem Element nicht um dramaturgische Effekte ging, sondern darum, die Krankheit auf authentische Weise ins Bewusstsein zu rücken, erläutert sie im Nachwort. Gut gefallen hat mir außerdem der (selbst-)kritische Blick auf die populär gewordenen True-Crime-Formate, mit denen sich die Schriftstellerin aufgrund eigener Erfahrungen sehr gut auskennt.


    Auf den fast 450 Seiten verzichtet der Thriller auf blutige Szenen und übermäßige Dramatik, ist dabei dennoch spannend und überraschend. Die unerwarteten Wendungen und die Auflösung habe ich als schlüssig empfunden.


    Auch in sprachlicher Hinsicht hat mich der Thriller überzeugt. Der Schreibstil ist sowohl anschaulich als auch atmosphärisch. Gesprächsprotokolle, Briefe, Mails und ähnliche Elemente machen ihn zudem in stilistischer Weise abwechslungsreich. Auch auf der sprachlichen Ebene ist es der Autorin wunderbar gelungen, die Auswirkungen der Demenz zu verdeutlichen, wenn zum Beispiel von „Koryglyphe“ statt „Koryphäe“ oder „Krittel“ statt „Kittel“ die Rede ist.


    Trotz des Verlagswechsels wurde die bekannte Optik der bisherigen Hausmann-Thriller mit seinem hellen, reduzierten Design weitestgehend erhalten, sodass das neue Buch gut zu den früheren Werken passt. Auch der knappe, für das Genre ungewöhnliche Titel fügt sich prima ein und ist inhaltlich stimmig.


    Mein Fazit:

    Wieder einmal hat Romy Hausmann bewiesen, dass sie lesenswerte Thriller mit Tiefgang und hohem Unterhaltungswert schreiben kann. Wer bereits an ihren früheren Geschichten Freude hatte, wird auch von „Himmelerdenblau“ nicht enttäuscht. Große Empfehlung für alle Fans der Spannungsliteratur!


    Ich vergebe 5 von 5 Sternen.

    Als sie gerade einmal zwölf Jahre alt ist, wird Bijoux nach Unruhen in Kinshasa nach London geschickt. Hier verliebt sie sich zum ersten Mal - und zwar in eine Frau. Das will sie vor ihrer streng religiösen Tante Mireille, die sich früher Mira nannte, verbergen. Doch auch ihre Tante trägt ein Geheimnis aus der Vergangenheit mit sich herum…


    „Wohin du auch gehst“ ist der Debütroman von Christina Fonthes.


    Die Struktur des Romans ist weder banal noch verwirrend: Es gibt vier Teile, die aus mehreren Kapiteln bestehen und mit einem Prolog eingeleitet werden. Dabei gibt es unterschiedliche Ebenen: Die Handlung spielt teilweise in London (Großbritannien), teilweise in Kinshasa (Kongo) und zwischendurch in Brüssel und Paris. Es gibt zeitliche Sprünge zwischen 1974 und 2007. Für Komplexität sorgt zudem, dass im Wechsel erzählt wird: aus personaler Perspektive aus der Sicht von Mira und in der Ich-Perspektive aus der Sicht von Bijoux. Dennoch fällt die Orientierung dank der Angaben zu Beginn der Kapitel leicht.


    Die Sprache ist leichtfüßig, schnörkellos, anschaulich und gleichzeitig literarisch. Der Text enthält immer wieder Wörter der afrikanischen Sprache Lingala, die größtenteils in einem abgedruckten Glossar erklärt werden. Die deutsche Übersetzung von Michaela Grabinger ist angenehm unauffällig.


    Die zwei Protagonistinnen sind interessant und sympathisch. Sie wirken lebensnah, weitestgehend frei von Stereotypen und verfügen über psychologische Tiefe.


    Vordergründig geht es um zwei Frauenschicksale. Bei der Lektüre entfalten sich dann mehrere Schwerpunkte: Es geht um Queerness, um Diskriminierung, um Emanzipation sowie um religiöse und traditionelle Erwartungen, die dem entgegenstehen. Darüber hinaus spielen Mutter-Tochter-Beziehungen, Lebenslügen und Familiengeheimnisse eine wichtige Rolle. Auch die Themen Herkunft und Migration sind von Bedeutung. Gut gefallen hat mir, dass Diversität in mehrfacher Hinsicht auf elegante Weise eingeflochten. Der Roman ist überraschend facettenreich und vielschichtig.


    Auf den rund 400 Seiten entwickelt die Geschichte schnell einen Sog. Die Handlung ist glaubwürdig und zugleich unterhaltsam.


    Das verlagstypische Cover, das ein Gemälde von Tamara Tashna Downes zeigt, ist durchaus passend, wenn auch nicht so aussagekräftig wie das der Originalausgabe. Der deutschsprachige Titel ist verkürzt, aber ansonsten wortgetreu („Where You Go, I Will Go“) übernommen.


    Mein Fazit:

    Mit ihrem vielversprechenden Debüt „Wohin du auch gehst“ macht Christina Fonthes Lust auf ihre künftigen Romane. Eine empfehlenswerte Lektüre!


    Ich vergebe 4 von 5 Sternen.


    ASIN/ISBN: 3257073550

    Die Autorin ist seit Längerem geschieden, ihre Kinder sind aus dem Haus. Zwar geht sie nun auf die 60 zu, aber sie könnte sich zufrieden und frei fühlen. Doch der Zahn der Zeit nagt an ihr, und das wortwörtlich: Ein wackeliger Zahn führt ihr das Altern und die eigene Vergänglichkeit vor Augen. Da quartiert sich ihre Schwester Paula bei ihr ein. Und sie begegnet im Supermarkt zufällig Friedrich, ihrem Jugendfreund. Die Begegnung bringt sie ins Grübeln: Sollte sie noch einmal eine Liebesbeziehung eingehen?


    „Ja, nein, vielleicht“ ist ein Roman von Doris Knecht.


    Erzählt wird die Geschichte - mit Rückblenden, aber in chronologischer Reihenfolge - im Präsens in der Ich-Perspektive aus der Sicht der namenlosen Protagonistin. Sie besteht aus 39 kurzen Kapiteln.


    Der Schreibstil ist wunderbar unaufgeregt, aber keineswegs trocken oder hölzern. Die Dialoge wirken lebensnah, die Beschreibungen sind auf den Punkt und anschaulich.


    Auch die Protagonistin macht einen authentischen Eindruck. Die Figur ist mit viel psychologischer Tiefe ausgestattet. Ihre Gedanken und Gefühle werden sehr nachvollziehbar geschildert. Gut gefallen hat mir außerdem, dass die Protagonistin mit ihren Fehlern, Ängsten und Zweifeln durch und durch menschlich ist.


    Auf nur wenig mehr als 200 Seiten ist der Roman erstaunlich facettenreich und inhaltlich umfassend. Es geht um weitaus mehr als eine bloße Liebesgeschichte. Der Roman beschäftigt sich mit den Themen Familie und Freundschaft. Auch Verletzungen, andere negative Erfahrungen und Erinnerungen spielen eine Rolle. Zu guter Letzt bietet der Roman Einblicke ins Schreiben und die Verlagswelt. Diese Mischung klingt wild, fügt sich aber erstaunlich gut zusammen. Sie bietet viele Anknüpfungspunkte und Stoff zum Nachdenken.


    Trotz des ruhigen Erzähltempos und ein paar Gedankenschleifen habe ich mich alles in allem prima unterhalten gefühlt. Die Geschichte hat nur wenige Längen.


    Der grellbunte Stil des Covermotivs sagt mir persönlich zwar nicht zu. Der Titel passt jedoch sehr.


    Mein Fazit:

    Wieder einmal ist Doris Knecht ein lesenswerter Roman gelungen. „Ja, nein, vielleicht“ ist eine kluge Geschichte mit Anspruch, die sich nicht auf bloße Zerstreuung stützt. Erneut hat mich die Autorin nicht enttäuscht.


    Ich vergebe 4 von 5 Sternen.

    Vordergründig führt sie ein erfolgreiches, geradezu beneidenswertes Leben. Doch hinter der Fassade der hübschen, kinderlosen Musikmanagerin, Ende 30, sieht es anders aus: Sie ist Single und nicht glücklich. Und von ihrer Familie ist ihr nur ihre Mutter geblieben. Ein plötzlicher Anruf bringt ihren Alltag durcheinander und treibt sie zurück in eine Stadt am Meer, wo sie zuletzt in einem Sommer vor 20 Jahren eine der Furien war…


    „Furye“ ist ein Roman von Kat Eryn Rubik.


    Der Roman wird eingeleitet mit einem kurzen Prolog und endet mit einem Epilog. Dazwischen liegen neun Kapitel, die in der Ich-Perspektive einer jungen Frau erzählt werden, die anonym bleiben will. Zudem gibt es eine weitere Ebene: die Einträge aus einem Notizbuch, aufgeschrieben von der Protagonistin, als sie 17 Jahre alt war und sich Alec nannte.


    Der Schreibstil ist einzigartig und besitzt einen Wiedererkennungswert. Die Sprache ist manchmal etwas derb bis vulgär, atmosphärisch stark und bisweilen von einer poetischen Note durchzogen.


    Für mich ist die Protagonistin keine typische Sympathieträgerin. An ein paar Stellen habe ich mich an ihrem Verhalten gestört. Dennoch wirken sie und die übrigen Figuren größtenteils authentisch.


    Die Geschichte dreht sich um die Jugend und das Erwachsen werden. Inhaltlich ist der Roman dabei jedoch durchaus keine leichte Kost. Es geht es um Erinnerungen, Schmerz, Trauer und Verlust, aber auch um Gewalt und andere unschöne Erfahrungen.


    Auf den fast 350 Seiten ist die Geschichte von einer subtilen Spannung geprägt. Schon nach den ersten Seiten entwickelt die Geschichte einen Sog, dem ich mich nicht entziehen konnte.


    Das Covermotiv sticht hervor und macht neugierig. Der außergewöhnliche Titel mit der besonderen Schreibweise erregt Aufmerksamkeit und passt sehr gut.


    Mein Fazit:

    „Furye“ von Kat Eryn Rubik ist ein in mehrfacher Hinsicht ungewöhnlicher Roman.


    Ich vergebe 4 von 5 Sternen.


    ASIN/ISBN: 3832181946

    Earlon Bronco (70), genannt Bucky, hat seit dem Tod seiner Frau Maybellene vor knapp einem Jahr seine Lebensfreude verloren. In Chicago erlebt der frühere Soulsänger einen traurigen Alltag. Da erreicht ihn eine unerwartete Einladung zu einem Musikfestival im englischen Scarborough. Bucky, der noch nie vorher am Meer war, lässt sich darauf ein. An der britischen Küste trifft er Dinah, eine Mittfünfzigerin.

    „Strandgut“ ist ein Roman von Benjamin Myers.

    Der Roman gliedert sich in drei Teile, die sich aus zahlreichen Abschnitten zusammensetzen. Eingeleitet wird er von einem kurzen Prolog. Erzählt wird auf zwei zeitlichen Ebenen.

    Der Schreibstil ist atmosphärisch und geprägt von schönen Sprachbildern. Anschauliche Beschreibungen und lebensnahe Dialoge wechseln sich ab.

    Die Charaktere wirken nahbar, authentisch und sympathisch. Insbesondere Bucky und Dinah, zwei interessante Figuren, stehen im Mittelpunkt des Romans.

    In inhaltlicher Hinsicht beschäftigt sich die Geschichte mit großen Emotionen. Thematisch geht es um Freundschaft, Neuanfänge, Erinnerungen und Verluste. Eine wichtige Rolle spielt zudem die Musik. Allerdings behandelt der Roman auch Alkohol- und Medikamentenmissbrauch.

    Auf den fast 300 Seiten bietet die Geschichte ein wenig Dramatik und viele berührende Passagen. Die Handlung ist größtenteils schlüssig und unterhaltsam, wenn auch ohne größere Überraschungen.

    Der englischsprachige Originaltitel („Rare singles“) gefällt mir aufgrund seiner Zweideutigkeit sehr. Auch die metaphorische Formulierung der deutschen Ausgabe passt für mich gut, vor allem in Verbindung mit dem stimmungsvollen, hübschen Covermotiv.

    Mein Fazit:
    Mit „Strandgut“ ist Benjamin Myers erneut ein empfehlenswerter Roman gelungen, den ich gerne gelesen habe.


    Ich vergebe 4 von 5 Sternen.


    ASIN/ISBN: 3755800373

    Sie sind sechs Frauen in Südkorea und sie eint ihr bisher unerfüllter Kinderwunsch: Munjeong Kang (44, Journalistin), Juin Han (38), Jeonghyo Kim (46), Sora Yun (37, Tierärztin), Hyekyoung Lee (44, Anwältin) und Unha Jang (37, Polizistin). In einer Fruchtbarkeitsklinik in Seoul lernen sie sich kennen und schreiben fortan in der Gruppe „Hello Baby“ miteinander. Erst taucht die Älteste von ihnen plötzlich in der Gruppe ein Jahr ab, dann mit einem Kind wieder auf. Kann das mit rechten Dingen vor sich gehen?


    „Hello Baby“ ist ein Roman von Kim Eui-kyung.


    Die Struktur ist sinnvoll durchdacht und funktioniert prima: Der Roman gliedert sich in zwei Teile, die wiederum aus insgesamt 14 Kapiteln bestehen.


    Erzählt wird aus wechselnden Perspektiven aus der Sicht der sechs Frauen, die aus sprachlicher Sicht leider wenig Varianz aufweisen. Ansonsten ist der Text anschaulich und unauffällig.


    Die sechs Frauen stehen im Mittelpunkt der Geschichte. Die Charaktere wirken glaubwürdig und interessant.


    Auf der inhaltlichen Ebene ist der Roman keine leichte Kost. Schonungslos werden die Schmerzen und Herausforderungen beleuchtet, die die Hormonspritzen, Eizellentnahmen und Embryotransfers bei den Frauen verursachen - sowohl in körperlicher wie auch in psychischer Hinsicht. Die vielen Fehlschläge und seelischen Nöte sind nicht leicht zu ertragen. Besonders weh taten mir jedoch beim Lesen die misogynen Widersprüchlichkeiten, denen die Frauen ausgesetzt sind: Einerseits erfahren sie besonders in Südkorea großen Druck, ein Kind auf die Welt zu bringen; andererseits wird dort von der Wirtschaft alles daran gesetzt, dass eine Schwangerschaft und Kinder Gift für eine berufliche Karriere sind. Zudem zeigt sich, dass Unfruchtbarkeit nur Frauen angelastet werden darf. Dass sich die Autorin mit diesem Thema gut auskennt, verdeutlicht das Nachwort, in dem sie ihre leidlichen persönlichen Erfahrungen damit schildert.


    Zwar sind die Umstände hierzulande weniger drastisch. Grundsätzlich sind solche Tendenzen allerdings auch in Deutschland nicht von der Hand zu weisen, was die Lektüre in Westeuropa ebenfalls aktuell macht. Im feministischen Zusammenhang liefert der Text daher viel Material zum Nachdenken und Diskutieren.


    Auf den 220 Seiten ist die Handlung kurzweilig und fesselnd. Sie bleibt durchweg schlüssig.


    Das bunte, ungewöhnliche Covermotiv passt zum Thema und erregt Aufmerksamkeit. Schade, dass bei der Gestaltung künstlerische Intelligenz zum Einsatz gekommen ist.


    Mein Fazit:

    Mit „Hello Baby“ ist Kim Eui-kyung ein aufrüttelnder und aufschlussreicher Roman gelungen, der auch einen Unterhaltungswert besitzt. Lesenswert!


    Ich vergebe 4 von 5 Sternen.


    ASIN/ISBN: 335105128X

    Lai, ein schüchternes und ängstliches Mädchen, wächst in eher einfachen Verhältnissen auf. Ihr Vater, ein Intellektueller, redet kaum, ihre Mutter ist distanziert. Auch ihr kleiner Bruder und ihre Großmutter gehören zu ihrem direkten Umfeld. Schon als Kind lernt sie die Härte des chinesischen Regimes kennen…


    „Himmlischer Frieden“ ist der Debütroman von Lai Wen.


    Vier Teile mit insgesamt 39 Kapiteln, an die sich ein Epilog anschließt: Die Struktur des Romans ist ebenso sinnvoll wie schlüssig. Erzählt wird in der Ich-Perspektive aus der Sicht von Lai. Die Handlung umspannt im Wesentlichen die Jahre 1970 bis 1989 und spielt in China.


    Der Schreibstil ist eindrücklich, unaufgeregt und dank etlicher authentischer Dialoge anschaulich. Teilweise ist zudem eine poetische Note erkennbar.


    Im Fokus steht Lai, eine realitätsnah gezeichnete Figur. Auch die übrigen Charaktere wirken lebensecht.


    Nicht zufällig trägt die Protagonistin denselben Namen wie das Pseudonym der Autorin, denn der Roman hat autobiografische Züge und beinhaltet einige Erinnerungen aus der Kindheit und Jugend. Er beschreibt einen nicht geringen Teil ihres Lebens, nämlich das Aufwachsen und Erwachsenwerden im totalitären China der 1970er- und 1980er-Jahre. Vorwiegend geht es dabei um zwischenmenschliche Beziehungen, zunehmend aber auch um das Eindringen der Politik in den Alltag. Freundschaften, familiäre Verbindungen und Liebe nehmen breiten Raum ein.


    Anders als es der Titel vermuten lässt, spielt die blutige Niederschlagung des friedlichen Aufstands im Jahr 1989 auf dem „Platz des Himmlischen Friedens“ in Peking nur eine sehr kleine Rolle. Dieses historische Ereignis taucht erst zum Schluss des Romans auf.


    Auf den rund 550 Seiten ist die Geschichte durchaus bewegend und regt zum Nachdenken an. Allerdings weist sie einige Längen auf.


    Das reduzierte, künstlerisch anmutende Covermotiv ist sowohl hübsch als auch inhaltlich passend. Der Titel, der sich am englischsprachigen Original („Tiananmen Square“) orientiert, weckt meiner Ansicht nach jedoch falsche Erwartungen.


    Mein Fazit:

    „Himmlischer Frieden“ von Lai Wen ist ein besonderer, lesenswerter Roman, der nicht nur unterhält, sondern auch interessante Einblicke bietet.


    Ich vergebe 4 von 5 Sternen.

    East Gladness in New England (USA) im Herbst 2009: Hai, Sohn einer vietnamesischen Einwanderin, ist tablettenabhängig, gescheitert und verzweifelt. Der queere 19-Jährige hat sein Studium abgebrochen und will nun Suizid begehen. Aber Grazina, eine alte Frau und Migrantin aus Litauen, kann ihn davon gerade noch abbringen. Zwischen den beiden entsteht eine besondere Verbindung…


    „Der Kaiser der Freude“ ist ein Roman von Ocean Vuong.


    Aufgeteilt in 25 Kapitel, wird die Geschichte aus der Sicht von Hai erzählt. Die Handlung umspannt mehrere Monate und spielt in den Jahren 2009 und 2010.


    Vor allem in sprachlicher Hinsicht hat mich der Roman begeistert. Mit poetischer Note, authentischen Dialogen und eindrücklichen Beschreibungen: So lässt sich der atmosphärisch starke Stil charakterisieren.


    Auch die Figuren wirken sehr lebensnah. Sie besitzen psychologische Tiefe und werden schlüssig gezeichnet. Das gilt insbesondere für Hai, den Protagonisten, dessen Denken und Fühlen nachvollziehbar geschildert wird.


    Es geht um Menschen am Rand der Gesellschaft. Um einen Alltag außerhalb des Amerikanischen Traums. Um ein unglamouröses Leben, das viele kennen. Trostlosigkeit und Einsamkeit auf der einen, kleine Augenblicke des Glücks und Gemeinschaft auf der anderen Seite. Dadurch schafft die Geschichte einige Anknüpfungspunkte und regt zum Nachdenken an.


    Auf den mehr als 500 Seiten ist der Roman unterhaltsam und berührend, aber wenig temporeich und ohne größere Überraschungen. Das recht offene Ende habe ich als stimmig empfunden.


    Der deutsche Titel kommt zwar leider nicht an die Wortspielerei des Originals („The Emperor of Gladness“) heran, passt aber dennoch gut. Auch das reduzierte und gleichzeitig stimmungsvolle Cover ist gleichwohl ansprechend wie inhaltlich angemessen.


    Mein Fazit:

    Mit „Der Kaiser der Freude“ hat Ocean Vuong einen außergewöhnlichen, lesenswerten Roman geschrieben.


    Ich vergebe 4 von 5 Sternen.


    ASIN/ISBN: 3446282742