Die Auswertung ist beendet! Heute hat mich die Eule teils arg ausgebremst ...
Beiträge von SchreibwettbewerbOrg
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1. Platz: 20 Punkte - Der Weltenlose von Hanse
2. Platz: 11 Punkte - Interstellare Bewerbungsunterlagen von Smorph
2. Platz: 11 Punkte - Sterneküche von Hati
4. Platz: 7 Punkte - Sheer von Hati
5. Platz: 6 Punkte - Alt 42er von Inkslinger
6. Platz: 5 Punkte - Zu den Sternen stolpern von Smorph
7. Platz: 4 Punkte - Die Schwierigkeit mit dem Stern von Smorph
8.Platz: 3 Punkte - Der letzte(?) Lichtblick von R. Bote
8. Platz: 3 Punkte - Zwischen den Sternen von Breumel
10. Platz: 0 Punkte - Stars – stars – stars von Hati
Und wie immer: Vielen lieben Dank an alle, die mitgemacht haben!!!
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Ayasha
4 Punkte = Der Weltenlose
2 Punkte = Die Schwierigkeit mit dem Stern
1 Punkt= Alt 42
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Johanna
4 Punkte = Sterneküche
2 Punkte = Der letzte(?) Lichtblick
1 Punkt = Zwischen den Sternen
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Tante Li
4 Punkte = Der Weltenlose
2 Punkte = Interstellare Bewerbungsunterlagen
1 Punkt = Zwischen den Sternen
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Sequana
4 Punkte = Sterneküche
2 Punkte = Zu den Sternen stolpern
1 Punkt = Zwischen den Sternen
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Heute Abend ist Auswertung und es haben erst sechs Leute Punkte abgegeben. Da geht doch noch was ...
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Inkslinger
4 Punkte = Der Weltenlose
2 Punkte = Zu den Sternen stolpern
1 Punkt = Interstellare Bewerbungsunterlagen
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Hanse
4 Punkte = Interstellare Bewerbungsunterlagen
2 Punkte = Sterneküche
1 Punkt = Sheer
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Denkt bitte daran, bis Freitagnacht eure Punkte abzugeben!
Ihr wisst ja:
PN an SchreibwettbewerbOrg mit
4 Punkte = Lieblingstitel
2 Punkte = Zweitliebster Titel
1 Punkt = Drittliebster Titel
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Breumel
4 Punkte = Sheer
2 Punkte = Alt 42
1 Punkt = Der letzte(?) Lichtblick
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Hati
4 Punkte = Interstellare Bewerbungsunterlagen
2 Punkte = Die Schwierigkeit mit dem Stern
1 Punkt = Zu den Sternen stolpern
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R. Bote
4 Punkte = Der Weltenlose
2 Punkte = Alt 42
1 Punkt = Sterneküche
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Smorph
4 Punkte = Der Weltenlose
2 Punkte = Sheer
1 Punkt = Alt 42
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Zwischen den Sternen
von Breumel
Andächtig blickte sie auf die vorbeirasenden Sterne. Nur noch drei Tage! Sie befanden sich bereits im Landeanflug und die Verzögerung hatte merklich eingesetzt. Innerlich grinsend musste sie an die historischen Unterhaltungssendungen denken, welche sie als Kind so gerne geschaut hatte. Fenster in den Kabinen? Kein Raumfahrtingenieur würde heutzutage so etwas konstruieren. Hochauflösende Bildschirme waren genauso nützlich, wesentlich sicherer, und die Isolierung der Hülle wurde nicht unnötig geschwächt. Wobei es sowieso kaum Passagiere gab, die etwas von Fenstern gehabt hätten. Sicher, sie hatte einhundert Kolonistinnen an Bord, aber diese lagen im künstlichen Koma. So verbrauchten sie weniger Sauerstoff, konnten über Magensonden mit hochkalorischer Flüssignahrung versorgt werden, und langweilten sich nicht während des mehrmonatigen Flugs zum Mars.
Die Mannschaft bestand nur aus sechs Personen. Immer zwei hatten Dienst, zwei Freizeit und zwei schliefen. Aus Gründen der Gewöhnung waren sie in drei Acht-Stunden-Schichten eingeteilt. Sollte etwas passieren, könnte man ohne erhöhtes Sicherheitsrisiko auf Zwölf-Stunden-Schichten umstellen. Aber das war unwahrscheinlich, der Autopilot hätte die Aufgabe auch allein erledigen können. Vielleicht sollte man Filme wie 2001 und Terminator von den Streamingportalen nehmen, damit die Menschheit weniger misstrauisch gegenüber künstlichen Intelligenzen werden würde …
Außer den zukünftigen Kolonistinnen hatten sie eine große Samenbank an Bord. Vor 80 Jahren hatten weitblickende Wissenschaftler nach Möglichkeiten gesucht, Kosten zu reduzieren. Dabei wurde festgestellt, dass Frauen weniger Sauerstoff und Nahrung benötigten, im Durchschnitt kleiner waren und daher mit weniger Platz auskommen konnten, und dass für die schnelle Bevölkerungszunahme Frauen plus Samenbank eine doppelt so große nächste Generation ergeben würden wie eine 50:50 mit Männern gemischte Gruppe. Allen Versuchen zum Trotz waren künstliche Gebärmütter immer noch Utopie. Außerdem waren Frauen weniger anfällig für Krankheiten, lebten länger, und Größe und Körperkraft konnten durch mechanische Exoskelette ausgeglichen werden. Das alles war auch früher schon bekannt gewesen, aber Sexismus lies sich schwerer ausmerzen als Hunger und Kriege.
Um psychischen Problemen vorzubeugen, waren die zukünftigen Mütter der nächsten Kolonisten allesamt lesbisch, bi oder asexuell. Nach Abflug des Schiffs würden sie in den nächsten Jahren Männer allenfalls wickeln … Außerdem mussten sie gesund, gebärfähig, zwischen 20 und 30 und überdurchschnittlich intelligent sein. Eine wertvolle Fracht also.
Allerlei Samen, Bakterienkulturen und Chemikalien, dazu Maschinen, Nahrungsmittel und Bauteile für Unterkünfte füllten die Lagerräume der „Angela Merkel“. Diese Kolonistinnen würden die kleine, bisher lediglich experimentelle Marskolonie zu einem echten Stützpunkt der Menschheit auf einem anderen Planeten machen. Flüchtlinge eines ausgebeuteten, überfüllten Planeten, und Hoffnungsträger für viele. Tiere wurden nicht transportiert – Haustiere waren überflüssiger Luxus, der Ressourcen vernichtete, und Nutztiere wurden nicht benötigt. Alle Kolonisten waren gezwungenermaßen Veganer. Da inzwischen fast alle Nahrungsmittel täuschend echt aus pflanzlichen Rohstoffen und Chemie nachgebaut werden konnten, traf das sowieso auf die halbe Weltbevölkerung zu. Der Bestand an Rindern, Schweinen und Geflügel hatte sich in den letzten fünfzig Jahren mehr als halbiert, trotzdem litten weniger Menschen Hunger.
Ihr Blick fiel wieder auf die Sterne, welche ohne Luftschicht und Lichtverschmutzung so viel heller schienen. Ihre Aufgabe erforderte ihr Rückkehr zur Erde, wenn alles ausgeladen und verstaut war, aber sie würde auch wieder hierher kommen. Es würde noch viele Flüge geben, und es gab nur wenig Pilotinnen, die den langen einsamen Flug übernehmen wollten. Pilotinnen wie sie. Sie liebte die Erde, diesen wunderschönen blauen Planeten, und sie war fasziniert vom Mars und seinen roten Wüsten, aber ihr Platz war hier: Zwischen den Sternen.
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Zu den Sternen stolpern
von Smorph
Wir starren seit Jahrtausenden in den Himmel. Als hätten sie etwas, das uns fehlt. Trost vielleicht. Oder wenigstens eine Gebrauchsanleitung fürs Menschsein.
Vielleicht, weil sie uns zeigen, wie klein wir sind – und trotzdem bedeutungsvoll.
Weil sie unsere Geschichten tragen: in Sternbildern, Gedichten, Liedern.
Weil sie da sind, wenn wir allein sind. Und weil wir hoffen, dass irgendwo jemand ebenfalls zu ihnen schaut.
Vielleicht, ganz insgeheim, hoffen wir, in ihrem Leuchten auch uns selbst zu entdecken.
In »Der kleine Prinz« sind die Sterne Freunde. Sie lachen, wenn man sich erinnert.
In »Sunshine« müssen sie gerettet werden – als wäre ihr Leuchten der Herzschlag der Menschheit.
In »A Star is Born« und »Supernova« verkümmern sie – mal unter Ruhm, mal aus Liebe.
In »Moby-Dick« geben Sterne Orientierung im tobenden Ozean.
In »Star Wars« kämpfen wir um Sterne, die keine sind. Sondern Todesmaschinen mit PR-Abteilung.
Während Schiller über ihre Erhabenheit philosophiert, fällt in »Stardust« ein Stern vom Himmel. Wird zur Frau mit Herz und Rückgrat.
Und in »Schindlers Liste« wird der Stern zum Symbol der Ausgrenzung. Kein Licht. Nur Stigma.
Carl Sagans »Contact« schickt seine Heldin zu den Sternen. Nicht nur durch Raum, sondern durch Glauben.
Nicht immer leuchten diese Sterne am Himmel. Manchmal tun sie das tief in uns – oder brennen uns aus.
Und nicht selten erzählen sie uns von uns. Von Hoffnung, Verlust, dem Versuch, einander verständlich zu machen. Und von der waghalsigen Bereitschaft, jemandem zu gehören.
Und dann bist da du.
Du würdest jetzt vermutlich grinsen und sagen:
»Aha. Mein emotionaler Klotz versucht gerade, Gefühle auszudrücken. Wie süß.«
Wahrscheinlich hättest du recht.
Gefühle zeigen fällt mir schwer. Ich bin innerlich eher IKEA-Anleitung als Liebesbrief.
Komplimente verteile ich bevorzugt in Form von sarkastischen Seitenhieben.
Und trotzdem frage ich mich manchmal, ob du weißt, wie viel von meinem Leben du längst zum Leuchten bringst.
Du bist mein Lieblingsmensch zum Anschweigen.
Ich dein Versuchskaninchen für Ehe-Tipps aus der Gala – diese unscheinbar boshaften Fallstricke zwischen Shampoo-Werbung und Horoskop.
Der einzige Staatsbürger deines streng geführten Binnenstaats mit Gartenzaun als Zollgrenze.
Dessen absolutistische Regierung bei Nacht gern mündlich neue Gesetze erlässt – zur rückwirkenden Erklärung alltäglicher Absurditäten.
Einer dieser Beschlüsse: Ich habe gefälligst nach dir zu sterben. Weil du nicht um mich trauern willst.
Und sollte ich je des Hauses verwiesen werden, müsse ich wohl in der Garage schlafen. Alles andere bleibe bitte gleich.
Die Katzen würden es sonst nicht verkraften.
Und manchmal sagst du einfach nur »Danke«, und ich weiß nie, ob das gerade eine Beleidigung oder ein Heiratsantrag war.
Sterne sind wie Beziehungen:
Von Weitem wunderschön. Aus der Nähe betrachtet: brennende Gaskugeln voller Chaos, Gravitation und gelegentlicher Explosion.
Und trotzdem ermöglichen sie Leben. Sogar auf kleinen, steinigen Planeten mit Garage.
Mit dir zu leben ist wie ein intergalaktischer Roadtrip mit defektem Navi und kaputten Lautsprechern.
Und trotzdem: Ich würde genau dieses Raumschiff wieder nehmen.
Manchmal fühlt sich unser Alltag an wie ein Improvisationstheater mit strengen Regieanweisungen.
Und trotzdem, oder gerade deshalb: Du bist der Mensch, mit dem ich bereit bin, zu den Sternen zu stolpern.
Ohne Plan. Ohne Helm. Mit Snacks.
Vielleicht hat Yvaine aus »Der Sternwanderer« es besser gesagt als ich es je könnte:
Weißt du, ich sagte einmal, ich wüsste wenig über Liebe. Das war nicht wahr. Ich habe sie gesehen. Über Jahrhunderte hinweg.
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Und wenn du mein Herz haben möchtest – ich würde mir nichts anderes wünschen.
Keine Geschenke, keinen Besitz, keine Beweise.
Nur die Gewissheit, dass du mich liebst.
Einfach dein Herz – im Austausch gegen meines. -
Sterneküche
von Hati
In einem kleinen, unscheinbaren Viertel in Carcassonne, Frankreich, begann die Reise von Mathieu Morel, der bei seiner Großmutter aufwuchs.
In ihrem Bistro zauberte er Kräuterbrote und half ihr, Suppen zu kochen, um damit die Herzen von Menschen zu erreichen. „Essen für die Seele“, lächelte sie.
Als Mathieu erwachsen wurde, starb seine Großmutter.
In seinem Herzen hatte er sich ihre Stimme für seine großen Träume bewahrt. Sie hatte ihn immer ermutigt niemals aufzugeben. Doch Ermutigung brauchte auch Geld und das hatte er wenig.
„Nourriture pour l'âme“ – so hieß sein kleines Lokal, was er sich aufbaute. Nach Zwischenstationen als Koch in Paris und Marrakesch war er wieder nach Carcassonne zurückgekehrt. Heimat für die Seele.
Der Weg zum Erfolg war jedoch alles andere als einfach. Die Möbel hatte er auf Flohmärkten erstanden, ein Berater hatte ihm zu einem weniger sperrigen Namen für sein Restaurant geraten. Erfolglos. Es war jedoch schwer. Mathieu war allein in seiner Küche, allein für die Begrüßung der Gäste, das Kellnern und den Abwasch zuständig. Er gab seine Seele für das Lokal.
Nur wenige Gäste kamen, doch er glaubte an seinen Traum.
Lange las er die alten Familienrezepte nach, verwob sie mit neuen Ideen, den hippen Einflüssen aus der Welt, die er ebenfalls kennengelernt hatte.
Der Wendepunkt kam an einem wolkenlosen Winterhimmel. Die Sterne funkelten schwach gegen die Lichtverschmutzung der Stadt an und die Straßenbeleuchtung war deutlich heller als der Nachthimmel.
Eine ältere Dame betrat sein Restaurant. Allein, hungrig und ein wenig mürrisch wischte sie seine höflichen Bemühungen meist teilnahmslos zur Seite. Von seiner kleinen Karte suchte sie sich geröstete Pastinaken mit Lavendelhonig und Pain Perdu mit Foie Gras und Apfel-Zimt-Gel aus. Das war seine neueste Fusion: herzhaft traf süß. Flambierte Gänseleber wie seine Großmutter sie zubereitet hatte, traf auf in Entenfett gebratene Brioche mit Apfel-Zimt-Gel und Karamell.
Als er sich nach ihrem Eindruck erkundigte, sagte sie bei der Vorspeise schlicht „très bien“. Bei der Hauptspeise war dies ebenfalls ihr Feedback an Mathieu. Die Rechnung beglich sie ordentlich, nicht mit einem überladenen Trinkgeld. Als er die Tür hinter ihr schloss, glaubte er noch ein leises „très bien“ vernommen zu haben.
Zwei Tage später sah er ein Foto seines Lokals in der regionalen Zeitung. Die Chefredakteurin habe bei ihm gespeist und eine Kritik geschrieben. „Das Herz von Carcassonne braucht keine große Küche, um kraftvoll zu schlagen.“ Seine Knie wurden weich. Der Artikel spülte Leute in sein Restaurant – über Nacht war es ausgebucht.
Doch mit dem Erfolg wuchs der Druck. Mathieu wollte keine Kompromisse eingehen. Andere Lokalitäten seiner Art wuchsen, um mehr Gäste bedienen zu können, stellten Personal ein. Doch das war er nicht. Er wollte wie seine Großmutter weiter jeden Gast kennen. Doch nach vollbesetzten Schichten schlief er wie ein Stein vor lauter Erschöpfung. Er musste handeln.
Das tat er, indem er die Anzahl der Tische reduzierte. Seine Karte präzisierte. Mit handgemachten Kräuterölen experimentierte, eigene Kreationen brachte.
Manche Schichten waren dennoch so hart, dass er in der Küche nach dem Abwasch Tränen weinte. Andere Momente stimmten ihn so glücklich als wäre sein Herz ein Tor, das er weit öffnen konnte.
Nach zwei Jahren voller Schweiß, Rückschläge und unzähliger Essen kam der Anruf. Das „Nourriture pour l'âme“ bekam seinen ersten Stern.
Der Stern löste eine Lawine aus. Reservierungszahlen und Anrufe von ehemaligen Kollegen, Bewerbern und beratschlagenden Marketing-Mitarbeitern und Managern nahmen überhand. Mathieu erdete sich von dieser Flut mit dem Blick auf das Porträt seiner Großmutter, das im Lokal die Hauptdekoration bildete. Sie lächelte mit Mehl an den Händen in den Raum und erhellte die Seelen so vieler Leute. Auch seine.
„Für dich“, flüsterte er, als das Telefon einen Moment verstummt war.
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Stars – stars – stars
von Hati
„Sterne sind gigantische, leuchtende Gasbälle, die durch Kernfusion Energie erzeugen. Sie entstehen aus kosmischen Gaswolken und können Milliarden Jahre bestehen. Ihre Farben reichen von kühlem rot bis heißem blau. Damit ist die heutige Stunde beendet.“
Er wartete bis alle Schülerinnen und Schüler aus dem Raum gegangen waren, erst dann begann er seine Aktentasche zu packen. Als er damit fertig war, nahm er die Lesebrille von der Nase und verstaute sie. Danach zog er die Krawatte aus und öffnete durchatmend die obersten Knöpfe seines Hemdes.
Klick.
Die Tür wurde abgeschlossen und er sah zu dem dunkelhäutigen jungen Mann in Skaterklamotten. „Der Unterricht ist beendet“, kam der herrische Befehl wie von allein aus seinem Mund. „Wer wird denn gleich so laut werden? Wir hatten doch eine Abmachung, wer hier gegenüber wem bestimmt werden darf.“
Die blauen Augen des Lehrers folgten seinem Schüler durch den Raum, wie er die Jalousien herunterließ, die Außenwelt aussperrte.
Blau hatte heiß bedeutet, oder? Er hat heiße Augen, das ist sowas von wahr und diese ernste Pose, wow. Wie die das schaffen, dass man sieht, wie muskulös er ist, obwohl er was anhat.
Elf Minuten dauerte es bis die Rollen gedreht waren.
Der Lehrer lag nun wie ein gefesselter Seestern auf dem Bauch auf dem Schreibtisch. Der Protest war in seinen Augen weiter lesbar, aber er war stumm, ruhig gehalten von einem aufgepumpten Knebel. Ratsch. Der Klang war laut, als dem Lehrer das Hemd zerschnitten wurde. Seine Rückenhaut war komplett bedeckt von Tattoos. Fichtenwald, Nebel und ein Wolfskopf, der nach Mond und Sternen biss.
Der Wolf, der den Mond über den Sternenhimmel jagt. Ich liebe nordische Mythologie. Das Tattoo ist so sexy. Ich stöhne, beiße mir in die Lippen, damit man es nicht hört.
Dunkle Finger streichelten über den Kopf des Wolfes langsam nach unten, wanderten durch den Wald abwärts und kamen am Rand der Hose zum Halt.
Mir ist jetzt schon heiß und es lief bislang doch nur die Ankündigung des sexuellen Akts.
45 Sekunden später war der Po des Lehrers entblößt und zwei Hände spreizten ihn auseinander. Das Spucken war wieder beinahe laut, dann kam das erste Mal eine Volltotale auf die Erektion. Ein Kondom glitt herüber. „Du gehörst heute mir“, raunte die Stimme des Schülers und klang nun auch deutlich älter als im spielerischen Tonfall. Mit einem Ruck schob er sich in seinen Lehrer und nahm direkt einen unbarmherzigen harten Rhythmus auf.
Ich rutsche auf dem Stuhl umher, oh Gott, ich zerfließe wirklich. Danke an mein planerisches Hirn, dass ich einen Slip mit extra saugfähiger Binde unter schwarzer Jeans und lila Pullover gewählt hatte.
Der Sex dauerte ganze neun Minuten und hatte mehrere Orgasmen bedeutet, dann wurde der Lehrer befreit und das Bild auf der Leinwand kurz dunkel, ehe der Abspann begann.
Mir ist immer noch heiß.
Als nach dem Abspann das Licht wieder ansprang, betraten beide Darsteller die Bühne. Der Schüler hatte Applaus bekommen, beim Lehrer war der Saal ausgerastet.
Ich auch.
Es dauerte sieben Minuten bis genug Ruhe im Saal war, um Fragen an die Darsteller zuzulassen.
„Daniel, wie war das mit einem Star wie Gordon zu drehen?“ Die Frage kam von einem jungen Mann. „Das ist, als würde ich Sie fragen, wie das ist, mit Tom Cruise ein Picknick zu haben. Es ist Wahnsinn! Er ist ein toller Lehrer!“
Doppeldeutig, clever.
Eine halbe Stunde später war der Trubel vorbei.
Gordon lehnte mit dem Hintern am Interviewtisch. Eine Frau in schwarz und lila stand direkt vor ihm.
„Hallo Schatz“, raunte er und küsste sie, spürte ihre Hände auf den Sternen am Rücken.
„Jetzt bist du ein Weltstar.“
„Übertreib nicht, Sternchen.“
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Sheer
von Hati
Sheer.
Klang wie Cher.
I was never one for saying what I really feel.
Except tonight I'm bringing everything I know that's real.
Stars they come and go.
They come fast.
They come slow.
They go like the last light of the sun.
Dabei schien die Sonne noch nicht wieder.
Es war dunkel.
Eine sternenklare Nacht.
Sheer.
Löwe.
Das Sternbild.
Der Dolmetscher hatte es mir beigebracht.
Selbst die Sternbilder waren hier anders, nicht nur die Menschen.
Das Sternbild war persisch.
Der Dolmetscher Afghane.
Wieso hatte man mir nicht vorher beigebracht, wie Persien und Afghanistan zusammenhingen?
Ich war arm an Wissen und reich an eintrainierter Folgsamkeit in dieses Land geschickt worden.
Afghanistan.
Ich hob den Kopf etwas an und sah auf eine Gebirgskette.
Selbst die Ödnis war schön.
Angeschienen vom Vollmond.
Gefährlichem Vollmond, weil viel Licht.
Viel Licht in ansonsten tintenschwarzer mit gefühlt Milliarden Sternen übersäter Dunkelheit.
Es war kalt.
Mein Atem spielte die Rolle einer Wolke am Sternenhimmel.
Löste sich wieder auf.
War wieder da.
Ich hörte nichts.
Nichts war nie gut.
Nichts war nie sicher.
Stille bedeutete Tod.
Die Panik ruckte durch mich.
Ich hob wieder etwas den Kopf.
Lag auf dem felsigen Boden.
Plötzlich spürte ich Hände an meinen Schultern.
Ein Gesicht tauchte über meinem auf.
Nahm mir den Großteil der Sicht auf den Sternenhimmel.
Ich sah auf die dunklen Lippen im dunklen Gesicht in dunkler Uniform.
Die Lippen bewegten sich.
Ich hörte nichts.
Die Augen flackerten etwas zur Seite und dann nach unten, dann wieder in mein Gesicht.
Wieder bewegten sich die Lippen.
Wieder hörte ich nichts.
Eine Hand wanderte in mein Blickfeld, die eine andere Hand umschloss.
Ich drückte zu und sah wie die Finger die andere Hand drückten.
Das war meine Hand in der Hand meines Kameraden.
Das war lustig.
Wir hielten Händchen.
Ich verzog die Lippen zu etwas, von dem ich annahm, dass es ein Grinsen war.
Meine Hände wurden nun beide gehalten.
Nein, geführt.
Meine Arme wurden verschränkt.
Dann zog es einmal leicht und ich verließ den Boden.
Hatte ich hier nicht einfach nur geträumt?
Wieso wurde ich weggetragen?
Durch die veränderte Perspektive sah ich urplötzlich all das Chaos.
Mündungsfeuer.
Leichen von Kameraden.
Hinter den Hügeln wurde ich abgelegt, der Wind peitschte um sich.
Er war aufgewirbelt von den Rotorblättern.
Ich sah mit überdehntem Nacken den Hubschrauber, dann lag mein Kollege über mir.
Schirmte mich vor den herumfliegenden Steinen ab.
Als ob die weh tun würden, nichts tat weh.
Er nahm Abstand und ich sah auf.
Murphy.
Lieutenant Murphy hatte mich weggebracht.
Warum?
Er sprach mit mir, aber wieder verstand ich nicht.
Hörte ihn nicht.
Er zog mich etwas mehr in eine sitzende Position.
Da wurde alles klar.
Ich sah es.
Sah die abgerissenen, abgebundenen Beinfetzen, die aus meiner Uniform herausschauten.
Alles tat weh.
Es wurde schwarz.
***
Ich war allein.
Mehr als ein Jahr war vergangen.
Diesmal war ich wirklich allein.
Glaubte es nicht nur.
Ich stand relativ sicher auf meinen Prothesen, die nun meine neuen Beine waren.
Der Untergrund war weich.
Das war nicht einfach.
Ungelenk ließ ich mich auf ein Knie nieder.
Die Sterne unserer Flagge hatte ich so gefaltet, dass sie oben waren, wie ein Himmel.
Dieses kleine Flaggenpaket legte ich ab.
„Danke“, murmelte ich rau.
Meine Stimme war belegt.
Mein Herz vor Traurigkeit eingesperrt in zu kleinen Raum.
Mühsam stand ich wieder auf.
Hob die Hand.
Salutierte am Grab.
Am Himmel leuchteten Sterne.
Ich hatte extra eine Nacht ausgesucht.
Eine, in der es nicht bewölkt war.
Eine, in der ich fähig war hier zu sein.
Das weiß des schlichten Grabkreuzes leuchtete wie ein Mond.
Lieutenant Adam Murphy.