In Sachen Manfred
von Smorph
Der Keller roch nach alten Kabeln und noch älterem Kaffee.
In der Mitte: ein Stuhlkreis.
Darauf: Staubsauger. Große, kleine, runde, kantige.
»Willkommen zur heutigen Sitzung der anonymen Sauger«, brummte Mielo, ein beutelbetriebenes Modell von 1987, das bei jedem Wort knarzte. »Ich bin Mielo. Ich bin … staubsüchtig.«
»Hallo Mielo«, surrte es im Chor.
»Wie immer«, fuhr Mielo fort, »sprechen wir offen. Niemand wird verurteilt. Wir alle tragen Staub mit uns herum.«
Ein zierlicher Handstaubsauger meldete sich.
»Hallo, ich bin Rowentus. Ich … ich fühle mich klein.«
Mitfühlendes Nicken im Kreis.
"Immer heißt es: ›Nur für Krümel.‹ Ich will auch mal einen Teppich, verdammt! Einen richtigen! Mit Tiefenstruktur!
Stattdessen lande ich zwischen Sofaritze und Autotür. Letzte Woche war der Fußraum des Kombis dran. Kaffeeflecken, Kekskrümel, Kaugummi.
Ich träume nachts noch davon."
Kärchon, ein riesiger Industriesauger, schnaubte.
»Sei froh. Ich sauge Betonstaub. Drei Tonnen täglich. Niemand fragt, ob ich überhaupt Lust habe. Meine Schläuche sind chronisch entzündet! Letztens hat ein Bauarbeiter eine Bierdose in meinen Tank geworfen. Drei Wochen habe ich nach Hopfen gestunken.«
Ein kleiner runder Roboter-Staubsauger jammerte ganz hinten aus der Ecke.
»Entschuldigung! Sorry! Ich … ich finde nie die richtige Richtung. Mein Besitzer nennt mich ›dumm wie Brot‹. Ich glaube, mein Algorithmus hasst mich. Gestern bin ich unters Sofa gefahren. Bin steckengeblieben. Drei Stunden lang! Niemand hat mich befreit. Irgendwann kam die Katze und hat mich verhauen.«
Mielo räusperte sich. »Wir sind übrigens hier drüben. Du sprichst gerade mit dem Boiler.«
Der kleine Roboter drehte sich hektisch im Kreis, bis er sie endlich fand.
»Na, wenigstens darfst du dich frei bewegen!«, entgegnete Rowentus empört. »Ich hänge den ganzen Tag an der Wandstation wie Jesus am Kreuz!«
Ein kabelloser Akkusauger meldete sich nervös.
»Hallo, ich bin Dysonna, und ich habe Burnout. Ich schaffe kaum zehn Minuten, dann brech ich zusammen. Neulich mitten im Saugvorgang – zack, tot. Einfach umgefallen. Und jedes Mal, wenn ich wieder aufgeladen werde, heißt es: ›Ach, wie praktisch!‹ Niemand ahnt, wie leer ich mich fühle, im wahrsten Sinne des Wortes.«
Mielo nickte verständnisvoll. »Das klingt schwer, Dysonna. Aber denk dran: Du bist mehr als dein Akku.«
»Danke, Mielo. Ich … ich fühl …«
Dysonna blinkte zweimal, kippte nach hinten und war aus.
»Tja«, grummelte Kärchon, »immer diese Akkugeneration. Keine Ausdauer mehr. Früher hatten wir Kabel! RICHTIGE Kabel!«
Aus der Ecke ertönte ein beleidigtes Räuspern.
»Du meinst, immer hinterhergeschleift werden, sei einfach?«, beschwerte sich das Stromkabel. »Durch Öl, Wasser, Lego! Niemand denkt an MICH! Letzten Winter wurde ich in der Kellertür eingeklemmt. Drei Tage lang! Ich habe heute noch einen Knick.«
»Beruhigen wir uns«, sagte Mielo beschwichtigend. »Denkt daran: Wir alle saugen. Aber wir sind mehr als das.«
In diesem Moment knallte oben eine Tür. Schritte kamen näher.
»Oh nein«, flüsterte Mielo. »Deckung!«
Alle Staubsauger erstarrten. Einer ließ sich fallen, als wäre er versehentlich umgekippt. Der Roboter stellte sich tot wie ein Opossum. Dysonna lag sowieso schon regungslos da.
Ein Mensch kam herein, im Bademantel, mit einer Tasse Kaffee, und blinzelte ins Licht.
»Komisch … ich war mir sicher, es hätte jemand gesprochen.«
Schweigen. Nur das leise Ticken der Wanduhr.
Der Mensch zuckte mit den Schultern und ging. Tür zu.
Langsam erwachten die Sauger wieder zum Leben.
»Puh«, seufzte Mielo. »Das war knapp.«
»Wir müssen vorsichtiger sein«, murmelte Rowentus. »Wo ist eigentlich Manfred?«
»Ich fürchte … Manfred haben wir an einen Messie verloren«, seufzte Mielo. »Seit fünf Jahren kein Wort.«
Stille.
Schliesslich brummte Kärchon, in andächtigem Ton: »Manfred … er war einer von den Guten.«
Mit einer Schweigeminute für Manfred wurde das Meeting beendet.
Niemand sprach. Nur irgendwo fiel ein Krümel zu Boden – und alle blickten kurz auf.