Beiträge von Seerose

    Matthias Bleuel, Mitarbeiter in einer Versandfirma, wird auf eine Dienstreise ins sibirische Kemerowo geschickt. Er soll dort eine Urkunde überreichen. Im Zuge des „touristischen Rahmenprogramms“ lernt er die schorische Sängerin Ak Torgu kennen, die ihn mit ihrem Kehlkopfgesang bezaubert. Allen Kommunikationsschwierigkeiten zum Trotz verliebt sich Matthias unsterblich in diese Frau und ist bereit, sein bisheriges Leben komplett umzukrempeln.
    Matthias Bleuel ist kein abenteuerlustiger Mensch. Er hat in Deutschland aber auch kein erfülltes Leben, das zurückzulassen ihm schwer fallen würde. So kommt es schließlich, dass ausgerechnet Matthias, der sich selbst als den denkbar ungeeignetsten Mitarbeiter für die Aufgabe hält, hier die Chance für einen Neuanfang bekommt. Vielleicht war er ja indirekt doch genau der Richtige?


    Unterhaltsam und mitunter recht witzig erzählt Ebmeyer von Matthias Erfahrungen mit der russischen Kultur und in einem weiteren Schritt mit der Kultur der Schoren, einem kleinen sibirischen Volksstamm.
    Eine besondere Rolle kommt dabei seinem Dolmetscher Artjom zu, da Matthias kein Wort Russisch spricht oder versteht. Dieser lässt sich jedoch nicht nur auf die reine Übersetzertätigkeit reduzieren. Zwischen Matthias und Artjom entwickelt sich eine Freundschaft, bei der die zerrissene Persönlichkeit des Dolmetschers zum Vorschein kommt. Nachdem er einige Zeit in Deutschland gelebt hat, versucht er nun sich in seiner alten Heimat wieder einzuleben.


    Als Leser kann man aus der Sicht des Protagonisten in diese fremde Welt eintauchen und leicht verzaubert am Ende wieder auftauchen in dem Bewusstsein, eine richtig gute Geschichte gelesen zu haben.


    Passend zu der guten Geschichte ist die schöne Gestaltung des Buches: Kleinformatig, mit Lesebändchen und einer wunderschönen Libelle auf dem Cover. Ja, die Libelle spielt auch eine Rolle in dem Buch. Aber wer das genauer wissen möchte muss schon selbst lesen. Es lohnt sich!


    9 von 10 Punkten


    Über den Autor: (Quelle: Kein & Aber Verlag)
    Michael Ebmeyer, geboren 1973, wuchs in Bielefeld auf. Er studierte in Tübingen und Barcelona, heute lebt er als Schriftsteller, Journalist und Übersetzer in Berlin. Mit der Gruppe Föhn bringt er „Texte an Musik“ auf die Bühne.

    Zitat

    Original von Novemberkind
    Was mich wahnsinnig gefreut hat war, das man einige Deutsche Schauspieler in Kurzauftritten gesehen hat!!


    Abgesehen von Kate Winslet und Ralph Fiennes waren doch fast nur deutsche Schauspieler dabei.

    Zitat

    Original von Tom
    Seerose : War es nötig, das Ende in der Rezension zu verraten?


    Daß der Protagonist zum Zeitpunkt des Erzählens tot ist, wird doch im Roman selbst schon sehr früh verraten. Wichtiger ist meiner Meinung nach, wie es dazu gekommen ist.
    Tut mir leid, wenn ich dir dadurch die Spannung genommen habe. Aber für mich war eben die spannende Frage, die erst zum Schluß beantwortet wird: "Was hat er getan, daß es so geendet hat?"

    Danke euch beiden für die Tipps. Ich denke, ich werde es mal mit "Der menschliche Makel" versuchen, sobald ich neben den Frühjahrsnovis wieder etwas Zeit für ältere Bücher habe. Die Beschreibung klingt irgendwie interessanter.
    Obwohl ich mich auf die Tipps von buzzaldrin auch immer verlassen kann. :-)

    Zitat

    Original von Suzann
    Mich würde eine Rezi zu diesem Buch interessieren:


    Kurzbeschreibung
    Eigentlich wollte er auf kürzestem Wege von Potsdam nach München reisen. Aber nichts im Leben von Alex Böhm ist vorhersehbar. Er fährt los und wird in die Heimat verschlagen, wo sich bodenlose Abgründe auftun. Auch die gehören zu seinem Leben, und das ist kein Wunder bei einem, dessen Charakter geprägt ist von einem chronischen Mangel an Moral -Es ist heiß. Glühend heiß. In der flirrenden Tankstellenluft wartet Alex Böhm auf einen gelben Kombi, der gleich an den Zapfsäulen halten und ihn nach München bringen soll. Von dort wird er am nächsten Morgen mit seiner Freundin Johanna nach Portugal fliegen. Das ist der Plan. Aber dann taucht Konrad auf, der "Loserkonrad" aus Schulzeiten, und diese Begegnung katapultiert Böhm auf das Minenfeld seiner Vergangenheit. Während er in atemlosen Monologen einen Zünder nach dem anderen schärft, gerät er in die nördliche Oberpfalz, seine alte Heimat. Hier riecht es nach Zerstörung, und der Eindruck trügt nicht. Bei einem Fest am Paradiso, einer Kiesgrube tief im Wald, kommen all diejenigen zusammen, die in seinem Leben eine Rolle gespielt haben, darunter der beste Freund und die Frau, die er liebt. Er hat sie verlassen, für eine andere, Schönere, aber in Böhm fängt es zu ticken an. Als er das Fest nach Sonnenaufgang verlässt, ist nichts mehr wie zuvor. Zurück bleiben verbrannte Erde, eine zerstörte Liebe und ein halbtoter Freund im Wald. Und natürlich er selbst. Alex Böhm findet sich am Morgen in einer oberbayerischen Dorfkirche wieder und fleht die Gläubigen mit Speed verschnupfter Nase an, ihn zum Münchner Flughafen zu fahren.


    Ich habe es hier liegen, allerdings nicht ganz oben auf meinem SUB. Vielleicht kann ich es demnächst mal dazwischen schieben. Sind ja gerade mal 200 Seiten.

    Philip Roth, Empörung


    Herr Palomar : Vielen Dank, daß du mich mich deiner Rezi auf dieses Buch neugierig gemacht hast.


    Jahrelang habe ich mich gegen diesen Autor gesträubt. Habe die negativen Kritikpunkte ungesehen hingenommen, ohne sie zu hinterfragen. Vielleicht treffen sie ja auf die anderen Werke zu. Das werde ich dann demnächst überprüfen können, denn nach der Lektüre von „Empörung“ steht für mich fest, dass ich auch einige der älteren Sachen von Philip Roth lesen möchte.


    Zum Inhalt: Marcus Messner, mustergültiger Sohn eines jüdischen Metzgers, flieht im Jahr 1951 vor der übertriebenen Fürsorge seines Vaters in ein weit entferntes College. Dort lebt er ein angepasstes und zurückhaltendes Studentenleben. Erste sexuelle Abenteuer mit einer Kommilitonin und ein aus dem Ruder gelaufener Studentenstreich übersteht er unbeschadet. Eine einzige kleine Ordnungswidrigkeit und Auflehnung gegen die Collegeregeln wird ihn schließlich das Leben kosten.

    Meine Meinung
    : Gerade mal 200 Seiten umfasst dieser Roman und der Inhalt ist schnell wiedergegeben. Was in diesen wenigen Seiten allerdings alles drinsteckt ist mehr als in so manchem dicken Wälzer. Philip Roth erzählt sehr dicht und psychologisch tiefgründig aus der Sicht seines Protagonisten. Marcus Messner fühlt sich unverstanden, aber er ist kein Rebell. Dass gerade ihm sein einziger Verstoß gegen die Regeln zum Verhängnis wird, ist eine Ironie des Schicksals, die betroffen macht.
    Philip Roths Stil ist klar. Ohne Umschweife bringt er die Geschichte genau dahin, wo sie mit dem Tod des Protagonisten endet.
    „Empörung“ war für mich eine literarische Entdeckung, der ich mal die ganz seltenen 10 von 10 Punkten gebe.

    Entschuldige Bildersturm, aber viertel vor acht ist ganz eindeutig nicht der richtige Zeitpunkt zum stöbern, wenn der Laden um acht zumacht.
    Ich kann den Beiträgen von Seestern und Glücksbärchi nur zustimmen.
    Und es hat nichts damit zu tun, ob ich meinen Beruf gerne ausübe, wenn ich abends einigermaßen pünktlich nach Hause möchte.

    gelesen habe ich:
    Sabine Weigand; Die Seelen im Feuer; 2,0
    Philip Roth; Empörung; 1,5; Monatshighlight
    Catherine O'Flynn; Was mit Kate geschah; 2,0
    Stephenie Meyer; Bis(s) zum Ende der Nacht; 4,5
    Michael Ebmeyer; Der Neuling; 1,5


    abgebrochen:
    Sophie Hannah; Still, still; 6
    Fabio Stassi; Die letzte Partie; 6


    in den März nehme ich mit:
    Hakan Östlundh; Gotland


    Vier von fünf Büchern, die mir außerordentlich gut gefallen haben. Das ist für mich überdurchschnittlich viel. Manchmal kann ich kaum ein Highlight benennen.

    Ich breche es jetzt ab. Auch bis Seite 153 ist es immer noch langweilig.
    Ich brauche nicht unbedingt Action in einem Buch, aber hier geht es so gar nicht voran, weder psychhologisch noch auf der Handlungsebene. Und die Charaktere liegen mir auch nicht. :-(

    Zitat

    Original von Seestern


    Ich verstehe genau, was Du meinst. Allerdings merkt David (fast) jedes Mal selbst, dass er mit seinen Ausführungen etwas über die Strenge schlägt. Er versucht wenigstens, sich zu bremsen und nicht allzu sehr zu dozieren ...
    Gelingen tut ihm das kaum, aber das macht ihn für mich eigentlich nur sympathisch. Er erkennt die Gefahr, belehrend, väterlich und damit enervierend zu wirken sehr wohl, kann aber wenig daran ändern, weil ihm immer wieder die Pferde durchgehen ...
    Ich fand diesen Umstand eher lustig.


    OK, so kann man es auch sehen.

    Danke für die Rezension, Seestern.
    Ich habe das Buch auch gelesen, und meine Meinung ist zwiegespalten. Was und wie über die Filme erzählt wird, fand ich wirklich sehr lesenswert, auch wenn ich die meisten Filme nur dem Titel nach kannte.
    Was mich etwas genervt hat, waren die pädagogischen Ausführungen des Vaters. Das kam an manchen Stellen dermaßen oberlehrerhaft daher, daß es meinen Lesegenuss schon ein wenig getrübt hat.
    Allzu viel Tiefgang sollte man nicht erwarten, aber gute Unterhaltung.

    Danke für die Rezi, Sisch!
    Von "Vincent" war ich begeistert, "Freaks" hat mir nicht so gefallen. Kannst du vielleicht was dazu sagen, mit welchem von den beiden man das neue eher vergleichen kann? Oder hast du die anderen nicht gelesen?

    Dieser historische Roman von Sabine Weigand ist in Bamberg der Jahre 1626-1632 angesiedelt. In dem Städtchen greift der Hexenwahn um sich. Hunderte unschuldiger Frauen und Männer werden in dubiosen Prozessen verurteilt und verbrannt.
    Im Mittelpunkt der Geschichte steht die Apothekertochter Johanna. Sie kämpft sich in dieser schrecklichen Zeit durchs Leben, entkommt selbst durch eine glückliche Fügung dem Scheiterhaufen, muss jedoch mit ansehen, wie viele ihrer Freunde, Bekannte und Mitglieder ihrer Familie ums Leben kommen.


    Johanna ist eine fiktionale Figur. Die meisten der anderen Personen im Roman sind jedoch historisch belegt, wie man dem Personenregister am Ende des Buches entnehmen kann. Zusätzliche Authentizität erhält der Roman durch die historischen Dokumente am Ende der einzelnen Kapitel. Da gibt es Verhörprotokolle, Briefe, Tagebuchaufzeichnungen, teilweise auf echten historischen Quellen beruhend. Aber auch die fiktiven Dokumente wirken erschreckend echt, weil sie sich durch die altertümliche Sprache von der eigentlichen Handlung abheben.


    Auch wenn das, was Sabine Weigand hier beschreibt, nichts wirklich Neues ist – Romane über den Hexenwahn gibt es schließlich zuhauf – hat sich die Lektüre auf jeden Fall gelohnt. Durch die enge Anlehnung an die historischen Quellen, wird man immer wieder daran erinnert, dass es echte Schicksale sind, die dort beschrieben werden.
    Was den Roman positiv von manchen anderen mit demselben Thema heraushebt, ist die Tatsache, dass die Autorin auf die allzu blutigen Details bei der Folter verzichtet. Wenn man das Ergebnis sieht, kann man sich schon ungefähr vorstellen, wie schrecklich es gewesen ist. Auf Effekthascherei wird hier verzichtet – sehr angenehm. Die Fakten sind deutlich genug.
    Zwischendurch gibt es immer wieder Episoden, die dem Leser eine kurze Erholung bieten, etwa die Zeit, die Johanna in Amsterdam verbringt. Hier wird vom Leben in einer großen, fortschrittlichen Stadt erzählt. Der Kontrast zu den Zuständen in Bamberg ist enorm.


    Im ausführlichen Nachwort legt die Autorin noch mal die historische Quellenlage dar und beschreibt ihre Beweggründe für das Schreiben dieses Romans.


    Insgesamt eine lohnende Lektüre für alle, die einen historisch fundierten Roman über die Hexenverfolgung lesen möchten. Auch wenn auf brutale Ausschmückung der Folterszenen verzichtet wird, wird die erschreckende Realität dieses Wahnsinns deutlich. Und der Spannung tut es auch keinen Abbruch.


    EDIT: Namenskorrektur

    Zitat

    Original von Leserättin
    aber Jakobs Passage ist bisher nur langweilig. Hab schon vorgeblättert und geguckt, wann endlich wieder Bella dran ist, das sind ja noch über 200 Seiten. :rolleyes


    Ich lese die Jakob-Passage auch gerade sehr oberflächlich. Hoffentlich wirds danach wieder besser. :sleep

    Zum Schluss haben sich die Ereignisse ja noch mal richtig überschlagen. Es war ja ganz schön knapp mit dem Happy End für Johanna und Cornelius.
    Für Dorothea war es auch sehr knapp, und leider kam die Hilfe zu spät. Ich finde es schon erstaunlich, daß sie die ganze Zeit der Schwangerschaft im Kerker überlebt hat und ihr Kind heil zur Welt bringt. Daß sie am Ende stirbt, ist natürlich durch die historischen Fakten vorgegeben. Ich fand es aber auch dem ernsten Thema angemessen, daß nicht alles in einem übermächtigen Sonnenschein-Ende zu Ende geht, so als wäre jetzt alles wieder gut. Dieses Ende, mit Hoffnung für einen Neuanfang, aber ohne die Grausamkeiten zu vergessen, halte ich für sehr gelungen.


    Danke, Sabine, für das gute Buch und für die Begleitung der Leserunde. Beides hat mit sehr gefallen. :wave