'Die Hyperion-Gesänge' - Seiten 0563 - 0659

  • Interessant und wichtig war es sicherlich, um die Hegemonie besser zu verstehen. Aber interessant und wichtig waren alle vorhergehenden Geschichten auch. Bisher konnte mich jede Geschichte packen, daher war ich von dieser ein kleines bisschen "enttäuscht" (allerdings natürlich auf sehr hohem Niveau). Und als der Konsul dann von sich erzählt, hat Simmons mich sofort wieder gepackt. Die Länge der beiden Teile hätte gerne anders herum sein dürfen.


    Es ist eine wahnsinnige Leistung, ein Buch zu schreiben, bei dem es fast nur um Vorgeschichten geht, die alle extrem unterschiedlich sind, und bei aller Komplexität passt doch alles zusammen. Ich weiß nicht welche Bücher aus dem Jahrgang noch für den Hugo Award nominiert waren, aber Hyperion hat es sicherlich verdient.


    Der Vorteil wenn man mit dem Lesen 30 Jahre wartet ist, dass die Folgebände schon fertig sind :grin

  • Siris Geschichte hat mich nicht so sehr berührt, da habe ich mich eher gefragt, warum sie sich nicht in der jahrelangen Abwesenheit des Vaters ihres Kindes in jemand anderen verliebt hat. Eine Beziehung, bei der man sich jedes Jahrzehnt für maximal drei Wochen sieht?


    Die Geschichte des Konsuls ist ganz schön depressiv, der Autor scheint nicht sonderlich viel von der Menschheit zu halten. Politisch scheinen die Grünen in seiner Vorstellung nicht überlebt zu haben. Umweltzerstörung, der Massenmord an den Delfinen, Ghettoisierung, Rassismus... Ich sehe nicht ganz so schwarz für die Zukunft.


    Den Folgeband werde ich erst nach meiner Leserunde und eventuell noch etwas leichterer Kost lesen.

    “You can find magic wherever you look. Sit back and relax all you need is a book." ― Dr. Seuss

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  • Mal etwas Anderes: Was ich gerne gehabt hätte, wäre eine Karte Hyperions gewesen. Gibt es eine in der Papietausgabe?

    Ich schaue immer mal gerne nach.

    Da mich das gerade doch auch nochmal interessierte, habe ich mal fix Google befragt. Man findet zwar hier und da etwas, aber nachdem ich eine aufgemacht habe und dort direkt daneben etwas zu Endymon verlinkt war, habe ich es fix wieder sein gelassen, mehr spoilern als durch die Buchcover möchte ich micht nicht.


    Die Fandom-Seite zum Hyperion-Cantos ist auch sehr ergiebig auf einen Blick, doch auch hier möchte mich erst genauer reinschauen wenn ich mit Endymon durch bin.

  • Interessantes Ende - und gemein von Simmons, uns da so warten zu lassen :lache Ich werde auch weiterlesen. Aber nicht sofort, habe ja immer noch ein Zweitbuch und werde das in den nächsten Tagen weiterlesen. Ich muss mich erstmal ein bisschen von Hyperion erholen und mir Gedanken machen, wie es weitergeht.


    Die Liebesgeschichte zwischen Siri und dem Großvater des Konsuls hat mich nicht sonderlich gepackt, aber die Geschichte ihrer Rebellion fand ich faszinierend, und darüber hätte ich gerne ein bisschen mehr gelesen. Diese moralischen und ethischen Fragen, die immer mit Eroberung einhergehen, faszinieren mich. Wir haben zwar formell das Kolonialzeitalter formell hinter uns, spüren aber seine Auswirkungen bis heute und sind in unserem Westen nach wie vor der Überzeugung, anderen unseren Lebensstil aufdrücken zu müssen.


    Deswegen kann ich auch gut nachvollziehen, dass der Konsul die Hegemonie verrät. Ich kann mir gut vorstellen, dass er so auch versucht, mit den eigenen Schuldgefühlen umzugehen.

    Ich denke, dass er gar nicht voraus gedacht, sondern in dem Moment nur an seine Rache gedacht hat.

    Deshalb kann ich mich deiner Meinung hier nur anschließen.

    Auch das Zusammenwachsen der Pilger durch ihre Geschichten hat mir gut gefallen. Wie es für sie ausgeht, erfahren wir aber erst im nächsten Buch.

    Ja, das gefiel mir auch sehr. Auch die nach und nach auftretende thematische Berührung zwischen den Geschichten gefiel mir gut, das ist einfach unheimlich intelligent alles in allem. Auch wenn ich nicht alles verstanden habe, gibt mir die Geschichte doch unheimlich viel.

    SUB 220 (Start-SUB 2020: 215)


    :lesend Susanne Michl u. a. - Zwangsversetzt. Vom Elsass an die Berliner Charité. Die Aufzeichnungen des Chirurgen Adolphe Jung (1940 - 1945)

    :lesend Antonio Iturbe - Die Bibliothekarin von Auschwitz

    :lesend Anthony Doerr - Alles Licht das wir nicht sehen (Hörbuch)

  • Ich liebe dieses Ende.

    Kann ich nachvollziehen, dieses "Ende" ist wirklich wunderschön und sehr berührend! Wie sie da - mit ihrer ganzen Unterschiedlichkeit in Herkunft und Charakter - singend als Gemeinschaft zu den Gräbern gehen ist sehr beeindruckend. :anbet Das Lied höre ich mir übrigends gerade an. :grin


    Aber definitiv kein "Ende". Dank eurer Vorwarnungen wusste ich ja, dass die Geheimnisse an dieser Stelle nicht aufgeklärt werden und durch den Doppelband liegt Band 2 ja schon vor mir. Hätte ich Band 1 alleine gekauft (und müsste womöglich auch noch Jahre auf die Veröffentlichtung von Band 2 warten :yikes), wäre ich sicher enttäuscht. Für mich beginnt jetzt erst die eigentliche Geschichte (also hoffe ich zumindest! :grin) und das bisherige war eine lange, lange Einleitung. Im ersten Abschnitt haben wir ja festgestellt, dass das Buch sehr direkt, ohne lange Erklärungen beginnt - für mich war der ganze Band eine einzige Erklärung. Das ist dieser komplexer und vielschichtigen Geschichte aber auch durchaus angemessen.


    Darüber mache ich mir überhaupt keine Gedanken. Ich muss gar nicht alles verstehen. Hauptsache die Geschichte wird gut weiter erzählt und das wird sie.

    Alles nicht, aber zumindest die Grundzusammenhänge würde ich schon gerne verstehen. :)Aber ich habe da eigentlich keine Angst, bislang komme ich ganz gut mit. Und ihr seid ja auch da, damit ihr mich bei Bedarf aufklären könnt. :knuddel1


    Mit Siris bzw. Merins Geschichte ging es mir so wie euch: so wirklich gepackt hat sie mich lange nicht. Zum einen war ich nach der tollen Geschichte von Lamia so gefesselt von der ganzen Komplexität und den Geheimnnissen, so dass es mir schwerfiel, mich jetzt auf eine ganz neue Welt und andere Protagonisten einzlassen, die im ersten Moment nichts mit dem bisher Gelesenen zu tun hatten. Dazu kamen die für mich teilweise verwirrenden (Zeit-)sprünge und das Weglassen vieler Details, die zwar allesamt nicht wichtig sind, trotzdem aber eine Lücke lassen. Das passt wunderbar zu den Erinnerungen eines Trauernden, aber für mich als Leser war es halt schwierig.


    Aber so nach und nach klärt es sich und auch hier kann ich euch rechtgeben: die Geschichte ist (sehr) wichtig für das Verständnis. Für das Verständnis dafür, dass die Hegemonie ihre Schattenseiten hat. Und dafür, dass die Ousters nicht die Bösen sind, als die sie bislang hingestellt worden sind. Aber auch nicht die Guten. Saiya hat das ja schon wunderschön ausgedrückt:


    Saiya schrieb:

    Interessant fand ich, was er über die Ousters zu berichten hatte, wie sehr sie im imponiert haben und ihnen ihre Lebens- und Denkweise gefallen hat. Bis zu dem Punkt, als er feststellt, dass es auch ihnen nur um Eroberung, Macht und Unterdrückung geht, genauso wie der Hegemonie und dem Core. Niemand von den drei kommt auf die Idee in einer friedlichen Koexistenz nebeneinander zu leben. Alte Fehler werden immer und immer wieder überholt.

    Saiya hat ja im letzten Abschnitt schon angemerkt, dass alle Pilger von irgendwelchen Mächten benutzt wurden. Und auch Brawne Lamia drückt es (bei mir auf S. 648) so aus: Wir sind allesamt von Kräften jenseits unserer Kontrolle herumgeschubst geworden. Mittlerweile kann ich dem nur voll und ganz so zustimmen, wobei für mich die meisten (Pater Hoyt, Kassad, Familie Weintraub und auch Martin Silenus) ja mit den Mächten der Zeitgräber/des Shrike in Verbindung gekommen sind und (zumindest momentan) nichts mit der Hegemonie, dem Core oder den Ousters zu tun hatten. Da bin ich gespannt, ob sich die Sichtweise darauf noch ändert. In der Geschichte des Konsuls hat diese Ausnutzung für mich ihren Höhepunkt: er wird ja gleich mehrfach von verschiedenen Mächten ausgenutzt - ob es ihm gelingt, seine eigene, unabhängige und persönliche Rache zu nehmen wissen wir (noch) nicht.


    Mein Gefühl vom Anfang hat mich also nicht getrogen und der Konsul ist wirklich der Spion der Ousters. Wobei das nach seiner Geschichte absolut nachvollziehbar und verständlich ist (schön fand ich, dass die Mitpilger das genauso empfunden haben). Und im Prinzip spielt es momentan auch keine große Rolle (mehr). Vielleicht auch wirklich nur insofern, dass sich durch sein Zutun die Zeitgräber jetzt "öffnen".

    Diese moralischen und ethischen Fragen, die immer mit Eroberung einhergehen, faszinieren mich. Wir haben zwar formell das Kolonialzeitalter formell hinter uns, spüren aber seine Auswirkungen bis heute und sind in unserem Westen nach wie vor der Überzeugung, anderen unseren Lebensstil aufdrücken zu müssen.


    Diesen Zusammenhang habe ich zwar nicht hergestellt, aber du hast auf alle Fälle recht! Und ich kann mir gut vorstellen, dass es genau mit diesen Hintergedanken geschrieben wurde - denn im Grunde ist es ja das Gleiche. Wie schwer wir uns tun, auch mal was von anderen Kulturkreisen an- und zu übernehmen, zeigt sich ja gerade jetzt in der Coronakrise deutlich. :(


    Siris Geschichte hat mich nicht so sehr berührt, da habe ich mich eher gefragt, warum sie sich nicht in der jahrelangen Abwesenheit des Vaters ihres Kindes in jemand anderen verliebt hat. Eine Beziehung, bei der man sich jedes Jahrzehnt für maximal drei Wochen sieht?

    Diese Beziehung ist für mich sowieso sehr fragwürdig. Für ihn ist Siri die große Liebe, ja, aber was ist er für sich? Ihre Meinung über ihn ist ja nicht besonders gut, das kommt ja mehrfach heraus. Ehrlich gesagt hat sie recht, wenn sie Merin vorwirft, er hat vom Leben keine Ahnung. Wie soll er auch? Er ist - im Gegensatz zu ihr - ein junger Hupfer und verbringt seine ganze Zeit (wahrscheinlich) gut versorgt auf dem Arbeitsraumschiff. Ich glaube, Siri hat Merin nicht geliebt, sondern auch nur für ihre Zwecke bzw. die ihres Volkes augenutzt. Mich hat diese ganze Epsiode stark an den Film "Avatar" erinnert - ob sich da vielleicht jemand inspirieren hat lassen?


    Übrigends haben die Grünen schon überlebt: denk an die Tempelritter, die alles mögliche tun, um das Ökosystem zu bewahren und - soweit es geht - zu schützen. Nur sind sie halt leider nur ein Teil des Ganzen.


    Die Vorstellung, eine in Echtzeit alternde Frau zu lieben und selbst aufgrund der Zeitschuld jung zu bleiben, jünger als die eigenen Kinder und so alt wie die Enkel...

    An das musst ich beim Lesen auch immer wieder denken! Extrem gruselige Vorstellung!


    Es ist eine wahnsinnige Leistung, ein Buch zu schreiben, bei dem es fast nur um Vorgeschichten geht, die alle extrem unterschiedlich sind, und bei aller Komplexität passt doch alles zusammen. Ich weiß nicht welche Bücher aus dem Jahrgang noch für den Hugo Award nominiert waren, aber Hyperion hat es sicherlich verdient.

    :write:write:writeIch bin euch sehr, sehr dankbar, dass ihr mich draufgebracht habt, dieses Buch zu lesen! Alleine hätte ich nie dazu gegriffen! :*

    "Alles vergeht. Wer klug ist, weiß das von Anfang an, und er bereut nichts." Olga Tokarczuk (übersetzt von Doreen Daume), Gesang der Fledermäuse, Kampa 2021

  • Saiya hat ja im letzten Abschnitt schon angemerkt, dass alle Pilger von irgendwelchen Mächten benutzt wurden. Und auch Brawne Lamia drückt es (bei mir auf S. 648) so aus: Wir sind allesamt von Kräften jenseits unserer Kontrolle herumgeschubst geworden. Mittlerweile kann ich dem nur voll und ganz so zustimmen, wobei für mich die meisten (Pater Hoyt, Kassad, Familie Weintraub und auch Martin Silenus) ja mit den Mächten der Zeitgräber/des Shrike in Verbindung gekommen sind und (zumindest momentan) nichts mit der Hegemonie, dem Core oder den Ousters zu tun hatten. Da bin ich gespannt, ob sich die Sichtweise darauf noch ändert. In der Geschichte des Konsuls hat diese Ausnutzung für mich ihren Höhepunkt: er wird ja gleich mehrfach von verschiedenen Mächten ausgenutzt - ob es ihm gelingt, seine eigene, unabhängige und persönliche Rache zu nehmen wissen wir (noch) nicht.


    Der Konsul kann aber meiner Meinung nach auch nicht als Opfer, dargestellt werden, der von den großen Mächten ausgenutzt wird. Er hat seine Rolle als Verräter auch aktiv gesucht. Natürlich wurde er viel manipuliert, aber von Manipulation versteht er selber ja auch einiges.

  • Da hast du recht - ich wollte ihn auch gar nicht als Opfer darstellen. Sondern mehr als Spielball verschiedener Kräfte, die er aber - zumindest zum Teil - auch seinerseits aktiv benutzt. Passiv ist er definitiv nicht.

    "Alles vergeht. Wer klug ist, weiß das von Anfang an, und er bereut nichts." Olga Tokarczuk (übersetzt von Doreen Daume), Gesang der Fledermäuse, Kampa 2021