Offene See - Benjamin Myers

  • Ihr habt mich neugierig gemacht, habe das Buch bei netgalley angefragt, glaube aber nicht das ich es bekomme :-)

    Du willst es vermutlich sowieso im Regal stehen haben.

    Das ist so ein schönes Buch! Ich habe es im Original gelesen, es ist eines meiner Jahreshighlight.


    Der Anfang, als er von seiner Wanderschaft erzählt und dabei dieses Gefühl vermittelt, das erste Mal bewusst einen Sommer ohne Krieg zu erleben. Das fand ich so echt. Das hat mich sehr berührt. Das sind die Leseeindrücke, die man behält.

  • Zuerst habe ich mich gewundert, dass Dulcie den Jungen einfach so bei sich aufnimmt, aber ich denke, sie spürt seine Offenheit. Robert ist suchend, was es noch gibt im Leben, außer Bergbau. Diesen Zustand hat der Autor sehr gut beschrieben.


    Und ja, ich finde auch, dass Dulcie Piper eine ganz großartige Figut ist.

    Intelligent, sensibel, warmherzig.

    Das Buch ist/war ein bisheriges Jahreshighlight für mich - ich kann es euch allen nur ans Herz legen: Was Dulcie betrifft und ihre Offenheit und Sensibilität: Ja, diese Figur ist einzigartig und sehr positiv. Außerdem warmherzig und gefühlvoll. Sie hilft nicht nur Robert - er hilft ihr auch.....

    Eine Besonderheit hat die Geschichte allerdings bei mir auch hinterlassen: Nachkriegszeit in England (und sonstwo) - den meisten Menschen oder vielen geht es wirtschaftlich richtig schlecht; 46/47 war ein "Hungerwinter", soweit ich weiß: Benjamin Myers kreiert jedoch mit Dulcie eine völlig oder fast autark lebende Frau, der Literatur, Kultur, Kunst mehr als gewogen - früher selbst Künstlerin - der es an nichts mangelt (zugegeben, durch ihre tolle Lebensweise, siehe Brennesseltee ;), die aber auch mehrere Autos besitzt - und keinen materiellen Mangel zu erleiden hat. Also gewissermaßen auch eine "Ausnahme" zu damaliger Zeit darstellend...


    (ob sie Robert ansonsten hätte aufnehmen können? - diese Frage sollte/könnte man sich schon stellen, denke ich).


    Dennoch - ein sooooo berührendes Buch: Ich wünsch euch allen - die ihr es noch nicht kennt, viel Spaß beim Lesen!!

  • Robert zieht schließlich weiter und hier könnte die Dulcie-Robert-Geschichte schon zu Ende sein,

    doch dann trifft Robert Mr.Barton, der ihm für Dulcie Makrelen mitgibt.

    Also muss er doch wieder zurück. Dulcies Reaktion ist trockener Humot.


    Robert: "Mr.Barton hat mich gebeten, sie ihnen zu liefern."


    Dulcie: "Den ganzen Weg hier rauf?"


    Robert: "Ja"


    Dulcie: "Ist sein letzter Sklave gestorben?"

    :rofl

    Diesen Wortwitz schätze ich sehr.

  • Robert bleibt zum Hummer Essen - was für ein Erlebnis.

    Ich selbst habe auch noch nie Hummer gegessen, aber nach dieser Beschreibung fühle ich mich so, als wüsste ich ganz genau, wie er schmeckt - und wie man ihn isst. ;-)

    Wieder gibt es sehr schöne Gedanken und Beschreibungen.............überhaupt ist der denkende und erzählende Robert ein ganz anderer als der sprechende.

  • Ich habe das Buch gestern auch begonnen und die Sprache hat mich auch direkt eingenommen. Ich habe mir mehrere Passagen markiert.


    Mir gefällt zum Beispiel: "Die Sonne war eine gleißend weiße Scheibe über einer lasierten Landschaft, und ich begriff, vielleicht zum ersten Mal, was Menschen dazu brachte, einen Pinsel in die Hand zu nehmen oder ein Gedicht zu schreiben: der Impuls, die den Herzschlag beschleunigende Empfindung einzufangen, dieses Im-Jetzt-Sein, ausgelöst durch eine ebenso atemberaubende wie unerwartete Aussicht. Kunst war der Versuch, den Moment in Bernstein zu gießen."


    oder: "Ich ging barfuß zurück, die Socken zusammengerollt in den Stiefeln, die ich in der Hand hielt, der Kopf tropfnass von Wasser, das so frisch schmeckte wie die neue Jahreszeit."

    Ich liebe es barfuß zu gehen und hatte direkt Lust in die Natur zu gehen. Wie wunderbar es sich nach einem heißen arbeitsreichen Tag anfühlen muss die Füße ins kalte Wasser zu halten und dann barfuß durch das Gras zurück zu gehen.


    Andererseits mag ich auch die Gedanken des Jungen gerne, diese schlichte Weisheit, die sich ihm offenbart, während er auf Wanderschaft ist. An einer Stelle denkt er: "Nur wenn ich allein in der Natur war, hatte ich je eine Ahnung von meinem wahren Ich bekommen; die übrige Zeit bestand nur aus Spielplatzlärm und Schulunterricht, häuslichen Pflichten und banaler Zerstreuung."



    Das Brennnesseltee mit Zitrone rosa wird war mir neu. Das muss ich doch glatt mal ausprobieren. ;-)



    Dulcie gefällt mir auch. Eine spezielle und sehr vielschichtige Persönlichkeit. Von ihr kann Robert sicher einiges lernen - und sie vermutlich auch ein bisschen von ihm. :)
    Werde später weiter lesen.

  • Deine Beispiele machen mir deutlich, das man unterscheiden muss zwischen den Gedanken des 16jährigen Jungen und den präzisen Ausformulierungen des gereiften Robert von heute, der sich zurückerinnert.


    Beides ist auf jeden Fall sehr intensiv gemacht.

  • “Sie hat bloß die Gedichte und ein Romy-förmiges Loch im Leben vieler Menschen hinterlassen.”

    Ist das traurig. Man weiß ganz genau wie es gemeint ist. Ich mag die Sprache.


    Der Brief an Roberts Mutter ist großartig :lache


    “Du musst mich nicht fragen, ob du mich was fragen darfst. Lass das in Zukunft einfach weg, Robert. Bald sind wir alle tot.”

    Ich finde erstaunlich, wie herzlich diese doch harten Worte rüber kommen. Sie weiß genau wie sie sich ihr gegenüber ausdrücken muss.

  • Das stimmt, Herr Palomar , gut, dass du es angesprochen hast, erst dadurch ist es mir auch richtig bewusst geworden. Auch als Junge waren manche Empfindungen schon überraschend weise, aber wohl erst durch das Zurückerinnern und das Begreifen des älteren Robert kann er es in diese sprachliche Klarheit packen.

    Genau so ist es................das wurde mir auch erst nach dem Beitrag von Herrn Palomar so richtig klar.

    Gut, dass wir darüber geredet haben. ;-)