'Septimus Harding, Spitalvorsteher' - Kapitel 06 - 10

  • Ich bin noch mitten drinnen in diesem Abschnitt. Aber ich finde es wirklich bewundernswert, wie sich Mr. Harding gegenüber Bold verhält. Er ist trotz der Anschuldigungen gleichbleibend freundlich zu ihm. Ja er nimmt ihn sogar noch in Schutz und entschuldigt sich für ihn. Mr. Harding hat einen sehr anständigen Charakter. Ich könnte es verstehen, wenn er auf Bold sauer wäre und ihn zum Beispiel nicht mehr einladen würde. Aber Mr. Harding ist einfach die Liebenswürdigkeit in Person.


    Und in Kapitel 6, Seite. 99 (Menasse Ausgabe) bringt Mary es meiner Ansicht nach auf den Punkt, als sie zu Bold sagt: Du machst dich und sie und ihren Vater unglücklich. Und wofür? Für eine eingebildete Gerechtigkeit. Du wirst diese zwölf Männer nicht glücklicher machen, als sie jetzt sind.

    Ich kann mir auch nicht vorstellen, dass die Spitalsbewohner durch einen plötzlichen Zuwachs an Geld wirklich glücklicher werden, als sie jetzt sind.

  • Ich bin mit diesem Abschnitt durch.

    Zu allen wirklich gelungenen Beschreibungen der Personen, einschließlich des erzdiakonischen Haushalts (was für reizende Früchtchen, diese Knaben!) kommt jetzt noch der große Konflikt zwischen Recht und Gerechtigkeit.

    Man kann diesen Konflikt kaum treffender schildern, als es hier geschieht.


    Und der einzige, dem es um wirkliche Gerechtigkeit geht, ist unser armer Spitalvorsteher.

  • Und der einzige, dem es um wirkliche Gerechtigkeit geht, ist unser armer Spitalvorsteher.

    Der arme Spitalvorsteher tut mir in diesem Abschnitt wirklich sehr leid. Er ist ja so ein herzensguter und lieber Mensch. Aber die ganzen Anschuldigungen und vor allem der Bericht in der Zeitung machen ihm so zu schaffen, dass ich mir schon Sorgen um ihn mache.

    Und ich kann es mehr als nachvollziehen, dass er sich die öffentliche Anfeindung in den Medien so zu Herzen nimmt und sich Gedanken macht, wer das jetzt liest und wer es wie interpretiert.

    Hier ist die Geschichte ja wirklich sehr aktuell, Thema "Sozial Media".

  • (Bis einschl. Kapitel 8 )



    Nun geht es also los. Mr. Harding ist auf Konsenskurs, Mr. Bold jedoch aus Konfrontationskurs.


    Rouge hat genau die Stelle zitiert, die auch mir aufgefallen ist:

    Und in Kapitel 6, Seite. 99 (Menasse Ausgabe) bringt Mary es meiner Ansicht nach auf den Punkt, als sie zu Bold sagt: Du machst dich und sie und ihren Vater unglücklich. Und wofür? Für eine eingebildete Gerechtigkeit. Du wirst diese zwölf Männer nicht glücklicher machen, als sie jetzt sind.


    Die Teegesellschaft ist zu schön beschrieben. Ich sah sie alle förmlich vor mir. :grin Aber ohne Mr. Bold - und am folgenden Tag erhält er prompt die Quittung - eine Ablehnung von Eleanor Harding. Was hat er eigentlich anderes erwartet?


    Dann stürzt sich die Presse darauf - nun nehmen die Geschehnisse unweigerlich ihren Gang und können kaum noch aufgehalten werden. Zu viele Interessen sind nun verwickelt.


    Der Erzdiakon ist zwar nicht unbedingt eine Lieblingsfigur, doch seiner Analyse auf S. 118f (Manesse), wie sich die Dinge entwickeln würden, würde Mr. Harding antworten, teile ich. Da hat sich bis heute nicht viel geändert. Interessant in diesem Zusammenhang, was zu lesen ist:

    „Was der Zar in Rußland ist oder der Mob in Amerika, das ist der Jupiter in England.“

    So, so, für Amerika zählt also der Mob...


    Grinsen mußte ich, als (S. 122 Manesse) beschrieben wurde, weswegen Abraham Haphazards Gutachten so lange brauchte. Ein Gesetz formulieren, das zwar nicht durch kommt, aber die Konkurrenz zerlegt - wenns nicht so übel wäre, wäre es schon fast genial.


    Im Kapitel 8 wird dann der Haushalt des Erzdiakons vorgestellt. Ich habe mich schon die ganze Zeit gefragt, weshalb von dessen Kindern nicht die Rede ist - denn ein guter verheirateter Erzdiakon muß doch sicherlich Kinder haben, auch wenn ich mir ihn nur schlecht als Vater vorstellen kann. Die Kinder sind auch entsprechend. :grin Im Gespräch mit Mr. Chadwick ist er dann wieder in seinem Element, auch wenn er dafür seine Lektüre unterbrechen muß. :chen


    Der arme Spitalvorsteher tut mir in diesem Abschnitt wirklich sehr leid. Er ist ja so ein herzensguter und lieber Mensch. Aber die ganzen Anschuldigungen und vor allem der Bericht in der Zeitung machen ihm so zu schaffen, dass ich mir schon Sorgen um ihn mache.

    Und ich kann es mehr als nachvollziehen, dass er sich die öffentliche Anfeindung in den Medien so zu Herzen nimmt und sich Gedanken macht, wer das jetzt liest und wer es wie interpretiert.

    Hier ist die Geschichte ja wirklich sehr aktuell, Thema "Sozial Media".

    :write Entweder er nimmt Schaden an Leib und Seele, oder er beginnt sich irgendwann zu wehren. Ich bin gespannt, wofür er sich entscheidet.

    Unter den Büchern finden wir wieder, was uns in der Fremde entschwand, Frieden im Innern und Frieden mit unserer Umgebung.
    (Gustav Freytag, 1816 - 1895, aus "Die verlorene Handschrift")

  • Der Spitalvorsteher tut mir auch wirklich leid. Der arme Kerl hat ja wirklich keiner Fliege was zu leide getan und wird so angegriffen. Und für was? Weil Bold sich unbedingt auf Kosten anderer profilieren will. Die zwölf Alten sind ja auch eher Opfer als dass diese ganze Aktion ihnen was nützen würde. Sie waren doch mit ihrem Leben zu recht sehr zufrieden.

  • Interessant sind auch immer wieder die Stellen, wo der Erzähler selbst sich zu Wort meldet. Ein Beispiel ist im 8. Kapitel, Plumstead Episcopi auf Seite 133 "Und dennoch habe ich das Pfarrhaus nie als freundlichen Ort empfunden".

    Vorher hat er auch schon die Leser durch ein "wir" einbezogen.

  • Der Erzdiakon ist zwar nicht unbedingt eine Lieblingsfigur,

    :write

    Ich habe schon ein wenig weiter gelesen. Und im nächsten Abschnitt entwickelt sich der Erzdiakon für mich fast zu einer "Hassfigur"


    Und mir gefällt die direkte Ansprache des Lesers durch den Autor auch sehr gut. Man fühlt sich so mit eingebunden.:)

    Irgendwie erinnert mich das von der Art her ein wenig an die Romane von Dumas, die ich dieses Jahr gelesen habe. Da wurde der Leser auch oft vom Erzähler direkt angesprochen. Ich mag das.

  • Und mir gefällt die direkte Ansprache des Lesers durch den Autor auch sehr gut. Man fühlt sich so mit eingebunden.:)

    Irgendwie erinnert mich das von der Art her ein wenig an die Romane von Dumas, die ich dieses Jahr gelesen habe. Da wurde der Leser auch oft vom Erzähler direkt angesprochen. Ich mag das.

    Der auctoriale Erzählstil, wo sich der Erzähler kommentierend mit einbindet und oft auch den Leser anspricht, ist ja auch recht typisch für die Romane des 19. Jahrhunderts.

    Interessant sind auch immer wieder die Stellen, wo der Erzähler selbst sich zu Wort meldet. Ein Beispiel ist im 8. Kapitel, Plumstead Episcopi auf Seite 133 "Und dennoch habe ich das Pfarrhaus nie als freundlichen Ort empfunden".

    Diese Stelle finde ich auch deshalb bemerkenswert, weil der Erzähler ja im ersten Kapitel sofort eindeutig klar macht, dass er hier Fiktion schreibt und es weder Barchester noch die geschilderten Personen gibt. Das ist schon selbstironisch und ein Zeichen dafür, wie sehr er während des Schreibens in seiner Handlung und seinem Setting steckt, wenn er so etwas wie oben schreibt, was klingt, als habe er schon etliche Male das Pfarrhaus und seine Bewohner besucht.

  • Diese Stelle finde ich auch deshalb bemerkenswert, weil der Erzähler ja im ersten Kapitel sofort eindeutig klar macht, dass er hier Fiktion schreibt und es weder Barchester noch die geschilderten Personen gibt. Das ist schon selbstironisch und ein Zeichen dafür, wie sehr er während des Schreibens in seiner Handlung und seinem Setting steckt, wenn er so etwas wie oben schreibt, was klingt, als habe er schon etliche Male das Pfarrhaus und seine Bewohner besucht.

    Ich habe das eher so im Kopf, dass der Verfasser anfangs erläutert, dass die Stadt Barchester nicht existiert und demzufolge die handelnden Personen auch nicht?

    Das die Vorkommnisse aber durchaus real sind?

    Ich bin gerade zu müde um nachzusehen, hole das morgen gerne nach.

  • Interessant sind auch immer wieder die Stellen, wo der Erzähler selbst sich zu Wort meldet. Ein Beispiel ist im 8. Kapitel, Plumstead Episcopi auf Seite 133 "Und dennoch habe ich das Pfarrhaus nie als freundlichen Ort empfunden".

    Vorher hat er auch schon die Leser durch ein "wir" einbezogen.

    Diese Stellen gefallen mir auch gut. Auch die mit dem Pfarrhaus, auch wenn mir auch anders aufgefallen wäre, was für ein unfreundlichet Ort dieses Haus ist, Hauptsache der äußere Schein stimmt.

  • Man konferiert, aber - und es wird (über)deutlich: wenn erst einmal die Juristerei involviert ist, geht es um Spitzfindigkeiten. Wer kann ein Gesetz o. ä. so auslegen, daß es die eigene Position stützt. Um „Recht“ und „richtig“ geht es dann nicht mehr. Außer bei Mr. Harding. Aus seiner (des Erzdiakons) Sicht hat der Erzdiakon also völlig richtig argumentiert.


    Deutlich wird auch die damals schon große Macht der Presse, wobei die die Funktion der (seinerzeit noch nicht existierenden) sog. sozialen Medien gleich mit wahrnimmt.


    Harding ist für diese Welt zu gut; er hat wohl den falschen Beruf ergriffen (nur: gäbe es überhaupt einen richtigen für einen Menschen wie ihn?) und ich habe starke Zweifel, ob die Geschichte zu einem auch nur annnähernd guten Ausgang für ihn führen kann.


    Über diese Stelle bin ich auch gestolpert. Mob kann ja auch die Bezeichnung für die amerikanische Mafia oder ihre Helfer sein.

    Das würde wohl mehr Sinn machen.

    Das Buch ist 1855 erschienen. Da herrschte in Amerika weitgehend der Wilde Westen. Ich nehme das eher wörtlich.




    Interessant sind auch immer wieder die Stellen, wo der Erzähler selbst sich zu Wort meldet.

    Solchen Schreibstil lese ich außerordentlich gerne. :-)



    Ich habe schon ein wenig weiter gelesen. Und im nächsten Abschnitt entwickelt sich der Erzdiakon für mich fast zu einer "Hassfigur"

    Ich bin zwar im nächsten Abschnitt, kann dies bisher aber noch nicht von mir behaupten.

    Unter den Büchern finden wir wieder, was uns in der Fremde entschwand, Frieden im Innern und Frieden mit unserer Umgebung.
    (Gustav Freytag, 1816 - 1895, aus "Die verlorene Handschrift")

  • 2967-309544b966fae96dbe95d990e349628ea20bb6bc.jpg

    :write

    Ich habe schon ein wenig weiter gelesen. Und im nächsten Abschnitt entwickelt sich der Erzdiakon für mich fast zu einer "Hassfigur"


    Ich denke auch nicht, dass es sich hierbei um eine Hassfigur handelt. Der Erzdiakon ist bestrebt im Sinne der Kirche zur damaligen Zeit zu handeln. Deshalb kommt es ihm gerade recht, dass Bold die Klage zurückzieht. Damit ist für ihn alles im Reinen. Die Gefühle von Mr. Harding spielen da keine Rolle.