Berlin Alexanderplatz - Alfred Döblin

  • Kurzbeschreibung:
    Der ehemalige Transportarbeiter Franz Biberkopf hat wegen der Ermordung seiner Geliebten eine vierjährige Haftstrafe verbüßt. Nach der Entlassung aus dem Zuchthaus will er ein anständiges Leben führen; er findet sich jedoch nicht zurecht, wird menschlich enttäuscht, gerät in kriminelle Kreise und lässt sich auf ein Kräftemessen mit Reinhold, dem dämonischen Anführer einer Verbrecherbande, ein. Bei einer Diebestour stößt Reinhold Biberkopf aus dem Auto; Franz verliert dadurch einen Arm und wird zum Invaliden. Wild entschlossen, sich nicht unterkriegen zu lassen, sucht Biberkopf erneut die Konfrontation mit Reinhold und prahlt ihm gegenüber mit seiner Braut Mieze. Reinhold versucht daraufhin, die junge Frau für sich zu gewinnen...


    Über den Autor:
    Alfred Döblin wurde 1878 in Stettin geboren. Ab 1888 lebte er in Berlin und arbeitete bis 1930 als Arzt. Ab 1910 arbeitete er an der expressionistischen Zeitschrift "Der Sturm" mit. Die Skizzen, die er während seiner Berliner Zeit über den Alltag in der Großstadt fertigte, flossen teilweise in seinen bekanntesten Roman "Berlin Alexanderplatz" ein, der als erster und bedeutendster deutscher Großstadtroman der Literaturgeschichte gilt. Aufgrund seiner jüdischen Herkunft floh er 1933 nach Paris und nach 3 Jahre später die französische Staatsbürgerschaft an. 1940 emigrierte er in die USA. Nach dem 2. Weltkrieg kehrte er zurück nach Deutschland, fühlte sich jedoch von der politischen Entwicklung enttäuscht und ging wieder nach Frankreich, wo er bis kurz vor seinem Tode blieb. Döblin starb 1957 in Emmendingen.


    Meine Meinung:
    „Das Werk zählt zu den großen Epen unserer Zeit“ steht vorne im Buch, doch mir blieb die Faszination dieses Werkes weitgehend verschlossen. Auch wenn Döblin mosaikartig ein detailliertes Bild des Berliner Lebens in den 20er Jahren entwirft und sich dabei vor allem auf die sozialen Randgruppen konzentriert, was an sich sicher interessant ist, konnte ich mit seinen zahlreichen Stilmitteln, die mir das Lesen erschwert haben, nicht viel anfangen. Zwischen lautmalerischen Sätzen („Rummer di rummer di rumm“), Gedankenfetzen, eingeschobenen biblischen Szenen, Zeitungsartikeln, und politischen Debatten und das alles in abruptem Wechsel von Berliner Dialekt zu Hochdeutsch oder Verbrecherjargon, blieb mir zuwenig Verbindung zwischen den eigentlichen Handlungssträngen. Man musste sie förmlich konzentriert herauslesen, um der eigentlichen Handlung folgen zu können.


    Die Geschichte an sich, die des Franz Biberkopf, eines ehemaligen Sträflings, der versucht anständig zu bleiben und doch, durch Schicksalsschläge gebeutelt, immer wieder auf die schiefe Bahn gerät, hat vor dem zeitlichen Hintergrund der 20er Jahre in Berlin sicherlich Potential, und wurde zur Zeit des Erscheinens sicher zu Recht heftig diskutiert. Doch die Sprache Döblins und seine Montagetechnik der Momentaufnahmen überschatteten das Lesevergnügen doch sehr, so dass ich mich zwischenzeitlich zwingen musste, überhaupt weiter zu lesen, dies gilt bis zum 7. Kapitel.


    Die letzten beiden Kapitel haben mir dagegen recht gut gefallen, nicht zuletzt, weil sie sich zusammenhängender lesen lassen und mir die hier eingefügten Stilmittel besser gefallen. Warum nicht gleich so? Den mühsamen Eindruck des Großteil des Buches konnten sie jedoch nicht wieder wett machen, und so würde ich das Buch nur denen empfehlen, die o.g. Stilmittel mögen und die sich gerne durch einen Wust von Informationen wühlen, um die Handlung herauszupicken.


    Zusatzinformation: Im extra zugelegten Lektüreschlüssel wird das Buch in einem Atemzug mit „Ulysses“ von James Joyce genannt .


    dazugehörige Leserunde: HIER

  • Hallo Milla!


    Eine sehr schöne Rezension hast du da gemacht! Gelungen!


    Es wurde eigentlich schon alles gesagt, für mich war es auch ein sehr anstrengendes, mühsames Buch. So mittendrin war ich schon knapp dran, es wegzulegen.


    Der "unflüssige" Stil, die vielen unzusammenhängenden Einschübe - eine Mixtur aus Werbeslogans, Kriegslieder, Kindergedichte, Trinklieder, Zeitungsartikeln, dazu ein für mich ganz ungewohnter Berliner Dialekt erschwerten die Lektüre ganz immens.


    Ich sehe das Buch als ein Zeitdokument, als ein Abriss der Geschichte, brutal, authentisch, ehrlich. So gesehen ist es wohl ein Meisterwerk.

  • Zitat

    So gesehen ist es wohl ein Meisterwerk..


    Es ist definitiv ein Meisterwerk!


    Döblin hat mit Berlin Alexanderplatz einen literarischen Meilenstein gesetzt.
    Es gibt zahlreiche Bedeutungsebenen, z.B. die Ebene der Großstadt an sich (vgl. auch Titel des Romans), die Franz- Biberkopf- Geschichte und die einmontierten Texte(Hiob, Schlachthofszene, Motiv vom Schnitter), die SCHEINBAR in keinerlei Zusammenhang zur Biberkopf- Geschichte stehen.


    Ich habe den Roman bestimmt 5-7 Mal gelesen, dazu alles, was ich an Sekundärliteratur in die Finger gekriegt hab...Mein absolutes Lieblingsbuch!

  • @Taralom:


    :grin Kann Dich gut verstehen, zwar nicht aus eigener Perspektive, aber BA war damals Abithema bei mir und wir haben es im Unterricht bis zum Erbrechen durchgekaut. Ich war die Einzige, die begeistert war, alle anderen waren gequält, entsetzt, verärgert oder auch völlig desinteressiert...
    Was ich dazu nur sagen kann:
    In BA erfüllt ALLES, selbst das noch so kleine Detail, eine Funktion.
    Vielleicht hilft es Dir, während des Lesens zu versuchen herauszufinden, welche Funktion das sein könnte, wäre jedenfalls besser, als sich zu ärgern ;-)


    LG Sarah

  • na ja.. ich hatte schon eine vorlesung darüber und da haben wir es auch besprochen und hintergründe zusammengeführt und was man nun einmal tut mit einem klassiker ; )..


    aber.. das problem ist.. ich bin österreicher und der deutsche dialekt stört mich sehr.... ich werd mich aber sicherlich noch durchbeißen ; )

  • Das haben wir kurz vorm Abi in der Schule gelesen - beeindruckend und düster! Ich fand es trotz einiger Längen lesenswert!

    ...der Sinn des Lebens kann nicht sein, am Ende die Wohnung aufgeräumt zu hinterlassen, oder?


    Elke Heidenreich


    BT

  • Hallo,


    da ich mich an anderer Stelle bereits über dieses grandiose Werk ausgelassen hab, hinterlasse ich hier am besten nur den Link dazu:



    Meine Meinung zu Berlin Alexanderplatz


    Trotzdem noch mal an alle: :bruell Seid mutig und traut euch an dieses Buch heran. Vielleicht nicht heute und auch nicht morgen, aber verliert es nicht aus den Augen, denn es ist ein echter Diamant unter den Klassikern, wenn auch vielleicht auf den ersten Blick etwas roh und ungeschliffen... :-)

    Viele Grüße,Eure SUB-Priesterin :wave


    "Der Kopf ist rund, damit die Gedanken auch mal die Richtung ändern können" (Picabia)


    Zur Zeit lese ich gerade: Jane Bowles - Zwei sehr ernsthafte Damen

  • Ui - ich denke, es ist ein Buch, das entweder gehasst oder geliebt wird.
    Ich konnte leider die Erfahrung noch nicht machen, es zu lesen. Weder in der Schule - noch von mir aus.


    Ich denke, ich werde es früher oder später mal ausprobieren.... Irgendwas muss ja dran sein, wenn so heiss darüber diskutiert wird ;-)

  • Meisterwerk... auf jeden Fall!
    Anstregend und mühsam zu lesen... auch meine vollste Zustimmung!


    Allerdings fand ich das Buch derart schrecklich, dass ich davon nur wenig Seiten am Stück lesen kann. Und dann ist es auch noch so dick dabei! Uaaaah.


    Respekt auf jeden Fall an alle, die das konsequent bis zum Ende durchgelesen haben. Ich hab die Leserunde dazu trotz aller guten Vorsätze nicht überstanden.

  • Berlin Alexanderplatz hatte ich vor Jahren mal versucht, dann aber nach rund 100 Seiten wieder weggelegt. Die Berliner Schnauze hatte mir damals nicht so gut gefallen.


    Mittlerweile habe ich durch viele Freunde in Berlin aber einen stärkeren Bezug zu der Stadt und der Berliner Dialekt hat mir beim Lesen richtig Spaß gemacht. Das Nachschlagen der Berliner Ausdrücke in einem Deutschwörterbuch hat sich immer wieder gelohnt. Ein paar Ausdrücke ergeben sich von alleine (z.B. Molle = ein Glas Bier), aber dann stößt man auch auf Ausdrücke wie Mollenfriedhof (= Bierbauch): einfach nur klasse! :lache


    Das Lesen war wirklich nicht ganz einfach. Die abrupten Perspektivwechsel, diverse Einschübe und Fragmente ergeben ein Mosaik, dass man erst mit mehr Abstand als Gesamtbild erkennt. Dennoch hatte ich beim Lesen das Gefühl, mitten im Berlin der zwanziger Jahre zu sein, in den Kneipen zu sitzen, den Gesprächen und Gedanken der Leute zuzuhören, Plakate zu lesen, usw.. Wenn man sich darauf einlässt, entsteht ein unheimlich plastisches Bild der Stadt, in der die Handlung spielt.


    Für mich 8 Punkte.

  • Ich habe jetzt den ganzen Tag überlegt, ob ich mich outen soll. Aber mehr als blamieren geht nicht. :grin


    Dieses Buch ist der Grund, weshalb ich noch heute um alles, was sich "moderne Literatur" nennt, instinktiv einen weiten Bogen mache. Nur wenig, was sich "modern" oder "zeitgenössisch" nennt, erhält bei mir eine Chance. Und dann müssen irgendwelche besonderen Gründe vorliegen, daß ich mich damit beschäftige.


    Wir mußten "Berlin Alexanderplatz" in der Schule lesen. Das heißt, ich hätte es lesen müssen, habe mich aber nach rund der Hälfte geweigert, es auszulesen. Ich habe es als einfach furchtbar bis widerlich (inhaltlich) in Erinnerung; ich konnte absolut überhaupt nichts damit anfangen. Trotz "durchkauen" im Deutschunterricht. Weshalb der Deutschlehrer allerdings nicht gemerkt hat, daß ich im Lesestreik war (und so ziemlich als einziger nicht ausgelesen habe), und ich im Zeugnis dennoch eine ziemlich gute Deutschnote hatte, das entzieht sich nach inzwischen rund dreißig Jahren meiner Erinnerung.


    Fazit: Auf die Deutschnote hatte das Buch keine Auswirkungen, auf mein Leseverhalten noch immer.



    Edit. Grammatikfehler verbessert.

    Unter den Büchern finden wir wieder, was uns in der Fremde entschwand, Frieden im Innern und Frieden mit unserer Umgebung.
    (Gustav Freytag, 1816 - 1895, aus "Die verlorene Handschrift")

    Dieser Beitrag wurde bereits 1 Mal editiert, zuletzt von SiCollier ()

  • Von blamieren kann keine Rede sein. Ich glaube, jeder hat so ein paar Autoren, bei denen es einfach nicht klappen will. Mir geht es so bei Nabokov - den mag ich überhaupt nicht. :help


    Außerdem finde ich BA für den Deutschunterricht ganz schön hart. Bei uns hätte sich das kein Lehrer getraut...:lache

  • Zitat

    Original von -Christian-
    Außerdem finde ich BA für den Deutschunterricht ganz schön hart. Bei uns hätte sich das kein Lehrer getraut...:lache


    Das fanden wir damals auch. Alfred Andersch ist noch so ein Kandidat, dessen "Sansibar oder der letzte Grund" wir damals lesen mußten (und von dem ich nie mehr ein Buch angefaßt habe).

    Unter den Büchern finden wir wieder, was uns in der Fremde entschwand, Frieden im Innern und Frieden mit unserer Umgebung.
    (Gustav Freytag, 1816 - 1895, aus "Die verlorene Handschrift")

  • Mich hat Berlin Alexanderplatz überhaupt nicht angesprochen. Es war durchgehend langweilig für mich. Ich habe es nicht vorher abgebrochen, weil ich dachte, dass man so einen Jahrhundertroman bis zum Ende lesen sollte um ihn richtig beurteilen zu können.
    Das Stilmittel der Montagetechnik fand ich ganz gut, auch der Schreibstil hat mich nicht abgestoßen. Aber was nützt es, wenn dahinter eine so schrecklich langweilige Geschichte steht. Alfred Döblin - für mich nie wieder!