'Jakob der Lügner' - Seiten 141 - 213

  • Ich habe mich auch gefragt, ob die Giftpillen vielleicht im Schal versteckt waren...

    Ich müsste tatsächlich noch mal die Szene nachlesen . Ich hatte im Kopf, er würde das Röhrchen mit den Pillen aus seiner Tasche holen . Aber vielleicht täusche ich mich da auch...

  • Ich müsste tatsächlich noch mal die Szene nachlesen . Ich hatte im Kopf, er würde das Röhrchen mit den Pillen aus seiner Tasche holen . Aber vielleicht täusche ich mich da auch...

    Nein, das Röhrchen war in seiner Arzttasche. Es gab ja viele Giftselbstmorde unter der jüdischen Bevölkerung. Und nicht alle waren ja tiefgläubig so wie die Herschels. Ich glaube, bei Kirschbaum wurde sogar schon mal erwähnt, dass er sich unter den Juden fremd fühlte. Den Glauben hat er nicht gelebt.

  • Ich müsste tatsächlich noch mal die Szene nachlesen . Ich hatte im Kopf, er würde das Röhrchen mit den Pillen aus seiner Tasche holen . Aber vielleicht täusche ich mich da auch...

    Nein, du täuscht dich nicht. Er holt im Wagen das Röhrchen aus der Tasche. Aber seit wann ist es drin?

    1.) Prof. K. holt die Tasche aus dem Schrank.

    2.) Er zeigt sie geöffnet Preuss, der keinen Blick verliert.

    3.) Seine Schwester gibt ihm den Schal.

    4.) Er tut den Schal in die Tasche.


    Ich mag solch eine für den Leser offene Handlung. Der Erzähler ist nicht allwissend. Auch er kennt diesen Abschied nur durch die Erinnerungen von Preuss nach dem Krieg.

    Viele Grüsse, Sequana :)


    Paris ist ein grosser Bibliothekssaal, der von der Seine durchströmt wird. (Walter Benjamin)

  • Er will ja den Schal zuerst nicht nehmen - d.h. 'bis es kalt wird, bin ich nicht mehr am Leben'. Sie gibt ihm ihn trotzdem, könnte bedeuten 'wenn Du ihn nicht mitnimmt, dann brauche ich ihn auch nicht mehr, denn ich weiß, dass diese Sache unser beider Ende sein wird'


    Vielleicht ist aber einfach die gewohnte schwesterliche Fürsorge 'zieh dich warm an', mit der sie ihm ein Liebeszeichen gibt, damit er getröstet in den Tod gehen kann.

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    Von den vielen Welten, [...] ist die Welt der Bücher die größte. (Hermann Hesse)


    :lesend Siegfried Lenz: Der Verlust

  • Nein, du täuscht dich nicht. Er holt im Wagen das Röhrchen aus der Tasche. Aber seit wann ist es drin?

    1.) Prof. K. holt die Tasche aus dem Schrank.

    2.) Er zeigt sie geöffnet Preuss, der keinen Blick verliert.

    3.) Seine Schwester gibt ihm den Schal.

    4.) Er tut den Schal in die Tasche.

    Das wäre auch eine Möglichkeit!

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    :lesend Siegfried Lenz: Der Verlust

  • Es ist eine Schlüsselszene in dem Buch und die Schwester hat einen guten Anteil daran.


    Sie sagt ja, "Sag ihnen, dass wir es nicht mehr gewohnt sind." Was? Gäste zu haben? Patienten zu betreuen? Egal, ich glaube auch, dass in dem Schal das Röhrchen versteckt war. Mit dem Segen der Schwester ging der Professor aus der Welt.

  • Weil wir gerade bei dieser Szene sind: kann mir eine von Euch den französischen Satz übersetzen, den Eliza eine Seite vorher zu ihrem Bruder sagt?

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    :lesend Siegfried Lenz: Der Verlust

  • Weil wir gerade bei dieser Szene sind: kann mir eine von Euch den französischen Satz übersetzen, den Eliza eine Seite vorher zu ihrem Bruder sagt?

    "Dis leurs que tu n'en as plus l'habitude" : wörtlich "Sag ihnen, dass du die Gewohnheit verloren hast" (..., dass du nicht mehr weisst wie")

    ... und den Rat befolgt ihr Bruder auch "nach so langer Zeit... Immerhin habe ich seit mehr als vier Jahren keinen Patienten mehr behandelt."

    Viele Grüsse, Sequana :)


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  • Danke Sequana !


    Das war zwar ein eher schwaches Argument, aber zumindest zeigt es die bildungsmäßige Überlegenheit der Verachteten.

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    :lesend Siegfried Lenz: Der Verlust

  • Ich habe mich auch gefragt, ob die Giftpillen vielleicht im Schal versteckt waren...

    Ich denke, dass sie in seiner Arzttasche waren.

    Er wird da so allerlei drin gehabt haben...


    Für mich war das Mitgeben des Schals durch die Schwester ein letzter Akt der Liebe, ein Umsorgen und Ersatz für eine letzte Umarmung. Der Schal als Sinnbild der Arme.

  • Weil wir gerade bei dieser Szene sind: kann mir eine von Euch den französischen Satz übersetzen, den Eliza eine Seite vorher zu ihrem Bruder sagt?

    Ich hatte das doch bereits übersetzt? Hast Du vielleicht überlesen. Post #26


    Ob nun das Röhrchen bereits in der Tasche, oder im Schal versteckt war spielt keine Rolle mehr.

    Für mich war das Mitgeben des Schals durch die Schwester ein letzter Akt der Liebe, ein Umsorgen und Ersatz für eine letzte Umarmung. Der Schal als Sinnbild der Arme.

    Das ist eine sehr liebevolle und stimmige Auslegung der Handlung. Sie wollte in Gegenwart der Männer keine Gefühle zeigen und ihn umarmend verabschieden. So aber zeigt sie ihm ihre Liebe.

  • Der Schal als Sinnbild der Arme.

    Das ist ein schönes Bild. Und ich denke auch, das es wahrscheinlich so gemeint ist und die Giftpillen nichts mit dem Schal zu tun haben. Aber es ist auch wirklich gut gemacht von dem Autor, das es ein wenig offen bleibt und jeder Leser sich seinen eigenen Reim auf diese Szene machen kann.


    Ich finde ja sowieso den Schreibstil des Autors wahnsinnig gut. Hat jemand von Euch noch andere Bücher von ihm gelesen? Haben die alle so ein depremierendes Thema oder gibt es da vielleicht etwas fröhlicheres von ihm? Ich kann mir gut vorstellen noch ein Buch von Jurek Becker zu lesen, aber wenn möglich etwas nicht ganz so trauriges.

  • So, ich muss gleich los, aber wollte mal zu diesem Abschnitt was schreiben. Eure Beiträge lese ich, wie immer, erst dann und es wird dann sicherlich auch noch mehr von mir kommen.


    In diesem Abschnitt ist ja Lina immer noch gespannt, wie das Radio aussieht, findet erstmal eine Petroleumlampe (brach mir fast das Herz, wie sie weinte, dass es doch nicht das Radio ist und erst nichts sagen wollte), dann spielt Jakob quasi seine Vorstellung für sie ab und das finde ich ganz traumhaft - sowohl von ihm, dass er das so macht als auch von ihr, dass sie da mitmacht. Hier bin ich noch nicht sicher, wieviel sie durchschaut hat, denn laut Jakob und dem Erzähler hat sie ja schon viel durchschaut, aber das lässt sie ja gar nicht so durchblicken, mal gucken, ob ich da klüger werde im weiteren Verlauf. Jedenfalls fand ich das Ganze doch sehr zauberhaft irgendwie.

    Und Jakob, der Arme, musste einen möglichen Reparateur "abwimmeln". Da sieht man aber, wie sehr Kowalski (und sicher auch andere) Neuigkeiten aus dem Radio haben möchte.


    Dann ist Fajngold weg und aller Wahrscheinlichkeit nach nicht erfolgreich geflüchtet, würde ich mal schätzen. Rosas Gedanken kann ich absolut nachvollziehen, sie tat mir auch mit ihrem schlechten Gewissen leid. Natürlich hat sie ihm nichts Böses gewünscht, aber mit ihrem Liebsten allein zu sein hat sie sich sicher auch vorher gewünscht und nun hat sie es und findet es auch nicht schlecht, aber irgendwie wiederum auch nicht, weil sie weiß bzw. ahnt, dass es mit Fajngold kein gutes Ende nahm und schämt sich wegen ihrer Gedanken. Aber so ein Zwiespalt ist ja irgendwie auch normal. Sehr interessant, dass sie das Zimmer gerne so wie vorher haben möchte - ich vermute, damit die Abwesenheit Fajngolds und die Befürchtung, dass ihnen allen eigentlich jederzeit etwas Furchtbares geschehen kann, nicht so präsent ist. Aber auch hier bin ich gespannt, wie ihr das so seht.


    Die Geschichte um Jakob und Josefa - tja, so läuft es leider manchmal. Traurig, aber nicht mehr zu ändern. Da gäbe es sicher auch was drüber zu sagen, aber das lasse ich erstmal. Ich fand ja die Geschichte um Kirschbaum sehr spannend. Ich hatte ja auch den Gedanken, dass er ja Hardtloff helfen muss, um überhaupt zu überleben und habe gehofft, das würden die anderen schon irgendwie verstehen. Selbst beim Tod tauscht man ja den Hardtloff quasi nur auf, das System bleibt erstmal bestehen. Aber welchen Ausweg Kirschbaum wählt, das hätte ich nicht gedacht, kann es aber durchaus nachvollziehen. Im Nachhinein ist die Frage, ob einer der beiden (weiß nicht mehr, ob Preuß oder Meyer) auch was gegen Sodbrennen möchte, schon irgendwie sehr schlauer Zug von ihm. Hätte ja klappen können.


    Ich überlege, warum der Erzähler dem Preuß sagt, er habe seine Adresse vom englischen Geheimdienst. Will er ihm Angst machen? Ihn einfach etwas einschüchtern? Es ist ja die Rede von russischer Kommandantur. :gruebel



    So, ich lese dann später und bin gespannt, was ich noch so erfahre, lerne und noch schreiben werde. :grin

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  • Vielleicht will der Erzähler diesem Preuß suggerieren, dass der sich bloß nicht so sicher fühlen soll mit seiner Entnazifizierung sondern dass die westlichen Geheimdienste noch immer ein Auge auf ihn haben.

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    :lesend Siegfried Lenz: Der Verlust

  • In diesem Abschnitt ist ja Lina immer noch gespannt, wie das Radio aussieht, findet erstmal eine Petroleumlampe (brach mir fast das Herz, wie sie weinte, dass es doch nicht das Radio ist und erst nichts sagen wollte), dann spielt Jakob quasi seine Vorstellung für sie ab und das finde ich ganz traumhaft - sowohl von ihm, dass er das so macht als auch von ihr, dass sie da mitmacht. Hier bin ich noch nicht sicher, wieviel sie durchschaut hat, denn laut Jakob und dem Erzähler hat sie ja schon viel durchschaut, aber das lässt sie ja gar nicht so durchblicken, mal gucken, ob ich da klüger werde im weiteren Verlauf. Jedenfalls fand ich das Ganze doch sehr zauberhaft irgendwie.



    Sehr interessant, dass sie das Zimmer gerne so wie vorher haben möchte - ich vermute, damit die Abwesenheit Fajngolds und die Befürchtung, dass ihnen allen eigentlich jederzeit etwas Furchtbares geschehen kann, nicht so präsent ist. Aber auch hier bin ich gespannt, wie ihr das so seht.

    Ich fand die Szene im Keller, als Jakob das Radio spielt auch so herzerwärmend. Und ich konnte mir das bildlich vorstellen. Ob Lina in dem Moment schon wusste, dass Jakob das Radio erfunden und die Vorstellung fingiert hat, möglich. Aber sie akzeptiert die Situation und vor allem, sie stellt ihn nicht bloß.


    Dass Rosa das Zimmer wieder so wie zu Fajngolds Zeiten haben will, das ist eine gute Beobachtung. Warum? Vielleicht will sie nicht daran erinnert werden, dass das auch auf sie zukommt? Man muss die Illusion eines normalen Lebens so lange wie möglich aufrecht erhalten.

  • Ich fand die Szene im Keller, als Jakob das Radio spielt auch so herzerwärmend. Und ich konnte mir das bildlich vorstellen. Ob Lina in dem Moment schon wusste, dass Jakob das Radio erfunden und die Vorstellung fingiert hat, möglich. Aber sie akzeptiert die Situation und vor allem, sie stellt ihn nicht bloß.


    Dass Rosa das Zimmer wieder so wie zu Fajngolds Zeiten haben will, das ist eine gute Beobachtung. Warum? Vielleicht will sie nicht daran erinnert werden, dass das auch auf sie zukommt? Man muss die Illusion eines normalen Lebens so lange wie möglich aufrecht erhalten.


    Ja, Du hast recht, ich konnte das auch so vor Augen sehen und fand es sehr amüsant und, wie Du es treffend beschreibst, herzerwärmend.


    Auch die Sache mit dem Zimmer würde ich so sehen - eben nicht daran erinnert werden wollen, dass es auch auf sie zukommen kann. Würde mich jetzt interessieren, ob der Mischa nun doch wieder umgestellt hat oder was passiert ist. :lache


    Wenn ich so überlege, welche Stellen mich in diesem Abschnitt am meisten berührt haben, dann waren das wohl die Stelle mit dem Radio (Jakob und Lina im Keller), diese Geschichte mit dem Zimmer, dem fehlenden Fajngold, der Umstellung und auf jeden Fall die Sache mit dem Kirschbaum, der diesen Ausweg aus seinem Dilemma gewählt hat.


    Tante Li

    Ja, so ähnlich stelle ich mir das auch vor, was den englischen Geheimdienst und die wahre Quelle des Erzählers angeht.

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    :lesend Siegfried Lenz: Der Verlust

  • Auch die Sache mit dem Zimmer würde ich so sehen - eben nicht daran erinnert werden wollen, dass es auch auf sie zukommen kann. Würde mich jetzt interessieren, ob der Mischa nun doch wieder umgestellt hat oder was passiert ist. :lache

    :chen Könnte ich Dir verraten - aber ich will ja nicht vorgreifen.


    Ich könnte mir auch vorstellen, dass Rosa die vorsichtig leisen Liebkosungen von Mischa besser gefallen haben als die jetzt mögliche Hemmungslosigkeit.

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    :lesend Siegfried Lenz: Der Verlust

  • Ich fand ja die Geschichte um Kirschbaum sehr spannend. Ich hatte ja auch den Gedanken, dass er ja Hardtloff helfen muss, um überhaupt zu überleben und habe gehofft, das würden die anderen schon irgendwie verstehen. Selbst beim Tod tauscht man ja den Hardtloff quasi nur auf, das System bleibt erstmal bestehen. Aber welchen Ausweg Kirschbaum wählt, das hätte ich nicht gedacht, kann es aber durchaus nachvollziehen. Im Nachhinein ist die Frage, ob einer der beiden (weiß nicht mehr, ob Preuß oder Meyer) auch was gegen Sodbrennen möchte, schon irgendwie sehr schlauer Zug von ihm. Hätte ja klappen können.

    Kam zwar hier nicht zur Sprache, aber als Arzt hat er ja irgendwann seinen Hippokratischen Eid geleistet, d. h. er hätte deshalb aus Gewissensgründen den Gestapo-Chef fachgemäß behandeln müssen. Und dazu sah er sich einfach nicht in der Lage nach allem, was er durch ihn und seinesgleichen hat erleiden müssen. Da blieb ihm nur der Freitod als Ausweg.

    Ich könnte mir vorstellen, dass er das schon lange mit seiner Schwester besprochen hat und jetzt nur noch den Mut dazu durch ihre würdevolle Haltung gebraucht hat.


    :


    Es war übrigens Preuß, dem der Arzt die Giftpillen angeboten hatte. Diese Gelegenheit war wohl einfach zu verlockend, wenigstens einen seiner Peiniger mit ins Grab zu nehmen.

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    :lesend Siegfried Lenz: Der Verlust

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