Fragen von Tom Liehr an die Eulen

  • Hey, was ist los? Die Leserunde ist verebbt wie die Lust auf Sex mit, äh, achtundneunzig, und es gibt keine einzige Rezension. Wirklich so schlimm? Oder sind das nur die Feiertage, die Weltlage und die Inflation? Oder was? Ich bin jedenfalls seit Freitag wieder im Lande und rede gerne noch ein bisschen über das Buch. Notfalls auch über toxischen Positivismus, was auch immer das sein soll. 8)

  • Notfalls auch über toxischen Positivismus, was auch immer das sein soll. 8)

    Kenne ich gar nicht, erzähl mal. :grin

    (Werde ich sicher noch googeln).


    Liegt wohl an dem vorweihnachtlichen Stress und so.
    Ich möchte immer noch viel schreiben und eine Rezi auf jeden Fall auch, aber bei sowas hinke ich immer hinterher.


    Wenn nicht heute, dann im Laufe der Woche, ist hoch und heilig versprochen. Also, die Beiträge zur LR noch, die Rezi wird was dauern, weil ich das erst danach machen möchte.


    Es ist wie so vieles - unerledigt, aber unvergessen in meinem Kopf.

    With love in your eyes and a flame in your heart you're gonna find yourself some resolution.


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  • Tom Ich will es noch lesen, habe es aber noch nicht, ich muss warten, bis ich zur Buchhandlung komme, bei meinen momentanen Lungenproblemen nicht so einfach. Aber Tom, Du hast noch nie was "Schlechtes" geschrieben, wieso sollte es diesmal anders sein? Ist das schon toxischer Positivismus?

    Schon der weise Adifuzius sagte: "Das Leben ist wie eine Losbude, wenn Du als Niete gezogen wurdest, kannst Du kein Hauptgewinn werden.":chen

  • (Werde ich sicher noch googeln).

    Musst Du nicht, das ist als Gag gemeint (und kommt hoffentlich auch so an). Rienchen nannte die Hauptfiguren bzw. das Miteinander der Hauptfiguren vor allem im ersten Teil des Buches "toxisch positiv". Ich weiß durchaus, was sie damit gemeint hat, aber die ungewöhnliche und eigentlich oxymorotische Formulierung lässt mich nicht so leicht los. ;)


    BTW, bei dieser Gelegenheit mal eine echte buchbezogene Frage an die Eulen, verbunden, Achtung, mit einem Spoiler für jene, die noch im ersten Teil stecken, deshalb jetzt ein bisschen Platz bis zur Frage:















    Nicht wenige Leser und -innen sind ein bisschen irritiert, weil es ihrer Meinung nach keinen unmittelbaren Trennungsanlass bei Marie und Clemens gibt, und weil es aus ihrer Sicht zu wenige Hinweise darauf gibt, dass und warum die Liebe allmählich nachgelassen hat. Genau das ist natürlich Thema des Romans, das zugleich ein bisschen damit spielt, dass uns in der fiktionalen Welt immer wieder erklärt und gezeigt wird, dass und warum sich Paare trennen, und zwar meistens, weil mindestens einer von beiden Fremdbegehren spürt (okay, und dann gibt es oft auch noch einen Mord :grin). Ich meine (und glaube aus eigener direkter wie indirekter Erfahrung), dass es in der Realität überwiegend anders ist, und dass Marie und Clemens diesem Punkt nur zuvorgekommen sind, sozusagen ihrer unausweichlichen Zukunft aus dem Weg gegangen sind.


    Die Frage an Euch: Wie seht Ihr das? Trennt man sich wirklich nur, weil es einfach nicht mehr auszuhalten ist, oder weil man sich in einen anderen oder eine andere verliebt hat? Von welchen Erfahrungen wisst Ihr? Ich meine, dass viele Paare zusammenbleiben, obwohl sie sich trennen sollten, und sie tun das möglicherweise, weil sie noch auf einen Impuls warten (oder weil sie Angst haben, dass es ohne den anderen noch schlimmer sein wird). Ich kenne auch nur wenige Menschen, die sich aufgrund eines Seitensprungs getrennt haben, wobei ich diesen Begriff für irreführend halte, für eine Verniedlichung.

    Ist diese Vernunfttrennung - bevor es schlimm werden kann - nicht der bessere Weg? Oder sind wir alle so sehr auf die paarweise Existenz als Erfüllung der evolutionären Aufgabe getrimmt, dass wir lieber leiden als wieder zu lieben? (<- geiler Satz)

  • Tom : also "toxische Positivität" ist ein Begriff, der nicht von mir stammt. ;)


    Toxische Positivität


    Es handelt sich hierbei um ein Zeitgeistphänomen, welches sich mir subjektiv gesehen in meinem Umfeld aufdrängt. So, wie sich das bei Dir zB mit der "Cancel Culture" verhält. Das fällt Dir auch überall verstärkt auf, mir weniger.


    Deine Protagonisten triggern mich diesbezüglich einfach ganz schlimm, und nicht positiv. Das wollte ich nur anmerken. Es gibt da reichlich Geschichten dazu, die aber nicht hierher gehören.


    Das hat also in erster Linie mit mir zu tun, weniger mit Deinem Buch.

    Ailton nicht dick, Ailton schießt Tor. Wenn Ailton Tor, dann dick egal.



    Grüße, Das Rienchen ;-)

  • Sorry zusammen, ich bin zu müde, um noch angemessen zu reagieren, dafür sind mir die Themen zu spannend.


    Erstmal nur kurz:

    1) toxische Positivät (ich bin so wirr, ich war gerade dabei zu schreiben "positive Toxitizität" :lache)

    Doch, ich habe gegoogelt und werde weiter nachlesen. Hab zwar nicht mitgekriegt, dass es rienchen so erwähnt hat (wenn es im Abschnitt 1-3 war, muss ich es überlesen haben; wenn in 4, 5 oder woanders, hab ich es noch nicht gelesen), aber ich finde den Begriff generell spannend. Vorhin nur wenig dazu gelesen, interessiert mich aber dann doch. Danke also dennoch fürs Reinbringen.


    2) zu der von Dir (Tom) gestellten Frage mit dem Anlass und den Erfahrungen - eine sehr gut, sehr interessante, sehr spannende und vermutlich sehr kontroverse Frage. Denn diese Frage war für mich in den Buch bzw. beim Lesen auch nicht unwichtig und ich werde darauf eingehen.

    Mich würde interessieren - kennst Du Menschen, die sich so wie Marie und Clemens getrennt haben?

    Ich denke, dass bei einer Trennung viele Faktoren eine Rolle spielen. Und ich sehe manche Sachen anders als mit 20. Bin sicher, ich sehe mit 60 einiges anders als heute. In meinen Augen ein komplexes Thema.

    Sehr schade, dass ich im März 2023 darüber nicht mit Dir werde diskutieren können. Also, schade für mich. Wie Du das siehst, darfst Du entscheiden. :grin

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  • Ist diese Vernunfttrennung - bevor es schlimm werden kann - nicht der bessere Weg? Oder sind wir alle so sehr auf die paarweise Existenz als Erfüllung der evolutionären Aufgabe getrimmt, dass wir lieber leiden als wieder zu lieben? (<- geiler Satz)

    Diese Frage würde ich klar mit nein beantworten, da dazu eigentlich hellseherische Fähigkeiten vorhanden sein müssen.

    Wie kann ich zu 100% sagen wie etwas morgen oder übermorgen sein wird? Vielleicht wird es erst in 10 Jahren "schlimm"..........und ich sage jetzt schon tschüß.......nee, diesen Gedanken und Überlegungen kann ich echt nicht so richtig folgen.:/

    Und ich kenne auch kein Paar, welches sich vorausschauend getrennt hat. ;-)


    P.S. Ich hatte ja nie den Eindruck, dass die Beiden sich nicht mehr lieben.

  • Diese Frage würde ich klar mit nein beantworten, da dazu eigentlich hellseherische Fähigkeiten vorhanden sein müssen.

    Wie kann ich zu 100% sagen wie etwas morgen oder übermorgen sein wird? Vielleicht wird es erst in 10 Jahren "schlimm"..........und ich sage jetzt schon tschüß.......nee, diesen Gedanken und Überlegungen kann ich echt nicht so richtig folgen.:/

    Und ich kenne auch kein Paar, welches sich vorausschauend getrennt hat. ;-)


    P.S. Ich hatte ja nie den Eindruck, dass die Beiden sich nicht mehr lieben.

    Seh ich auch so.


    "Lieber leiden als wieder zu lieben"? Haben Sie gelitten? (in ihren Augen vielleicht, wer weiß...) Wer garantiert, dass sie je wieder so lieben werden? Ich würde zwangsläufig jede Liebe wieder mit der perfekten vorherigen vergleichen und da kann niemand so gut abschneiden. Soll ich was Perfektes wegwerfen, weil es nur noch 90% perfekt ist, um etwas 50%-iges zu suchen?


    "paarweise Existenz als Erfüllung der evolutionären Aufgabe"...die evolutionäre Aufgabe war mit den zwei Kindern erfüllt. Keine weitere Beziehung wird eine evolutionäre Aufgabe mehr erfüllen. Wäre die "evolutionäre Aufgabe" die Erfüllung - was ist mit kinderlosen Paaren? Ich halte den Menschen (bis auf ein paar Ausnahmen) für ein soziales Wesen. Und auch wenn ich noch keine 70, 80, 90 bin...ich glaube kaum, dass irgendein Mensch allein alt werden und allein sterben möchte. Ist das ein Grund, um an einer Beziehung "festzuhalten"? Nein. Aber es ist durchaus eine Überlegung, die man bei "normalen" (nicht toxischen) Beziehung anstellen sollte. Ist es die "auf die Dauer perfekte Beziehung ohne Alltagsprobleme", die der Mensch erstrebt? Kann sein. Ist das möglich? Wage ich zu bezweifeln. Ist dies "Unmöglichkeit einer dauernd perfekten Beziehung" ein Grund, eine gut laufende Beziehung aufzugeben? Wage ich ebenso zu bezweifeln.


    Aber es gibt unterschiedliche Arten von Menschen. Und wenn jemand etwas beendet, weil es nicht mehr perfekt ist, ist es aus trotzdem irgendwo vielleicht nachvollziehbar. Würde ich es selbst so machen? Eher nicht.

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  • Hey, was ist los? Die Leserunde ist verebbt wie die Lust auf Sex mit, äh, achtundneunzig, und es gibt keine einzige Rezension. Wirklich so schlimm? Oder sind das nur die Feiertage, die Weltlage und die Inflation? Oder was? Ich bin jedenfalls seit Freitag wieder im Lande und rede gerne noch ein bisschen über das Buch. Notfalls auch über toxischen Positivismus, was auch immer das sein soll. 8)

    Die Leserunde ist wohl auch verebbt, weil Du auf einige Fragen deiner LeserInnen nicht mehr geantwortet hast, wie z.B. auf Schubis Frage, nach dem roten Lieben im Untertitel.

    Meine Rezension habe ich noch nicht geschrieben, weil ich mich doch davor scheue den Reigen mit einem Verriss zu beginnen. Freundlicher würde es sich doch für Dich anfühlen, wenn da als erstes eine Rezension von einer Eule stände, die von diesem Buch begeistert ist.


    Toxischen Positivismus habe ich auch erst googeln müssen und nach meinem Verständnis trifft die gefundene Definition hier nur bedingt zu. Das beschriebene Traumpaar redet sich ihre Liebe nicht schön. Sie empfinden sie in ihrer Oberflächlichkeit wirklich als perfekt so lange sie heiß aufeinander sind. Die vielen Gemeinsamkeiten und alles Verbindende (wie die Zwillinge und das Paolo-Ritual) ist nichts mehr Wert als der sexuelle Ofen aus ist. Sie trennen sich, weil sie sich zu jung für ein "altes" Ehepaar fühlen - der Hinweis mit den 98 passt in gewisser Weise.

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    Von den vielen Welten, [...] ist die Welt der Bücher die größte. (Hermann Hesse)


    :lesend U. T. Bareiss: Green Lies - Tödliche Ernte

  • Mich würde interessieren - kennst Du Menschen, die sich so wie Marie und Clemens getrennt haben?

    Ich nehme das mal in Verbindung mit Rosenstolz' Anmerkungen zu hellseherischen Fähigkeiten auf, die man haben müsste. Müsste man das wirklich? Wir sind in uns, wir wissen um uns, wir nehmen wahr, wir beobachten und sehen Veränderungen, und auch wenn wir vieles nicht wahrhaben wollen (etwa, dass wir älter werden und auf den unausweichlichen Tod zueilen), einfach weil uns das fertigmachen würde, alles wahrzuhaben, was wahr ist, bemerken wir doch, wie etwas Emotionales oder Soziales stagniert oder sogar erodiert. Und uns ist auch - wie ich meine, relativ früh - klar, dass es nicht mehr - nie mehr - besser werden wird. Dass der Höhepunkt überschritten ist und dass man möglicherweise versuchen kann, hier und da ein wenig zu boostern, aber dass es letztlich von jetzt an mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit immer schlechter wird. Oder anders, was manchmal dasselbe ist, aber, zugegeben, nicht immer. Die Frage, die sich dann stellt, und die sich viele (möglicherweise ohne darüber nachzudenken) mit Durchhalteparolen beantworten, lautet, ob das Schlechtere, was jetzt kommen wird, immer noch besser als alle Alternativen sein wird. Weil wir zugleich Angst vor dem Alleinsein im Alter und damit einhergehenden, auch ganz pragmatischen Problemen haben, bleiben wir in der Beziehung, die zudem in unserem sozialen Leben stark verwurzelt ist, weshalb der Verlust des Partners oder der -in auch noch weitere Verluste bedeuten würde, auch des Wohnorts usw. Dann lieber: Augen zu und durch.


    Die Antwort auf die Frage, Gummibärchen: Ja. Einmal, vor Jahrzehnten, ist mir das selbst passiert, aber das war noch nicht vergleichbar mit der Situation von Clemens und Marie, weil ich noch ein dummer Junge war und ich wurde da auch verlassen - es war also keine gemeinsame Entscheidung. Aber ich kenne tatsächlich zwei besondere Paare in den frühen Fünfzigern, die keine Paare mehr sind, sondern nur noch Freunde, und nach allem, was ich über sie weiß (insofern stimmt, was sie selbst über sich erzählt haben), haben sie sich im Guten und ohne äußeren Anlass und "nur" aufgrund der Erkenntnis getrennt, dass die Luft raus ist. Vielleicht nicht in so scheinbar (also Eurer Auffassung nach) geringem Maße raus wie bei Marie und Clemens, aber im Prinzip ging es um das gleiche. Und ich kannte ein Paar, das über fünfzig Jahre zusammen war, und sich im Alter von über siebzig Jahren auch aus diesem Grund getrennt hat. Die beiden, ehemalige Freunde meiner Eltern, sind leider längst tot, waren aber nach der Trennung wirklich äußerst positiv unterwegs, haben viel gemacht, hatten sogar beide noch andere Partner. Allerdings sind sie ein paar Jahre später - mit über achtzig Jahren - wieder zusammengekommen. Dieses Paar war Vorlage für Leonard und Luise.


    Ich kenne und kannte allerdings ziemlich viele Paare, die es nicht getan haben und ganz offensichtlich (mehr oder weniger stark) darunter leiden, dass sie noch zusammen sind. Die ihr Leben leben und überwiegend gut oder wenigstens ganz okay finden, es aber mit jemandem teilen, der nicht mehr derselbe ist, mit dem sie die Teilung mal vereinbart haben. Von außen betrachtet sind diese Beziehungen in Ordnung, wirken konfliktarm, sogar respektvoll, aber es ist stark zu spüren, dass die Basis inzwischen eine rein pragmatische ist, und dass dadurch etwas fehlt, von dem man sich einreden kann, dass man es nicht vermisst oder sowieso nie wieder bekommen würde, aber da gilt dann wieder, was ich weiter oben geschrieben habe.

  • Ich wünsche mir wirklich gerade, ich hätte die Zeit und keine Leseflaute, um mich deinem Buch zu widmen und deine Fragen dazu ausführlich beantworten zu können. Ich halte das nämlich für ein gutes, tiefgründiges Thema, das meiner Meinung nach auch dem Zeitgeist entspricht und leider immer noch zu sehr gesellschaftlichen Zwängen unterliegt bzw. tief in unserem "anerzogenen Denken" verwurzelt ist (einiges davon sprichst du selbst u. a. in deinem letzten Beitrag hier an).


    Ich bin selbst "Betroffene". Mein Mann und ich waren beide schon einmal verheiratet. Er wurde verlassen, ich habe verlassen (oberflächlich betrachtet), bin selbst ein sehr gebranntes Scheidungskind, habe im Freundes- und Bekanntenkreis (und beruflich) die unterschiedlichsten Konzepte und Lösungen erlebt. Und auch den Umgang von außen damit, der eben nicht immer verständnisvoll und positiv ist.

    Das scheint bei deiner Geschichte anders zu sein. Ich würde gerne später dazu noch mehr in der Runde schreiben, wenn ich dazu komme, das Buch zu lesen.

    (Klingt jedenfalls so, als müsse ich mir im März zwei deiner Bücher signieren lassen wollen) ;)

  • Deine aufgeführten Beispiele sind alle völlig logisch und auch total nachvollziehbar.

    Und ich kann es natürlich verstehen, wenn sich ein Paar trennt, weil es keine Gemeinsamkeiten etc. mehr gibt...........

    Oder/und im Glücksfall die Freundschaft zumindest bestehen bleibt.


    Das alles ist kein Thema.


    Aber - und das war für mich "mein" Manko in der Beschreibung der Beziehung von Marie und Clemens - es wurde nicht deutlich gemacht, dass die Liebe nicht mehr vorhanden ist. Und auch nach der Trennung wurden sie ja nicht glücklich in ihren neuen Beziehungen.

    Von daher kann ich bei diesem Paar nichts erkennen, was diese Entscheidung (rückblickend) rechtfertigt oder nachahmenswert erscheinen lässt.


    Mir fällt es auch schwer eine Rezi zu schreiben.:S Die erste auf jeden Fall nicht...............;)

  • Ich kenne und kannte allerdings ziemlich viele Paare, die es nicht getan haben und ganz offensichtlich (mehr oder weniger stark) darunter leiden, dass sie noch zusammen sind. Die ihr Leben leben und überwiegend gut oder wenigstens ganz okay finden, es aber mit jemandem teilen, der nicht mehr derselbe ist, mit dem sie die Teilung mal vereinbart haben. Von außen betrachtet sind diese Beziehungen in Ordnung, wirken konfliktarm, sogar respektvoll, aber es ist stark zu spüren, dass die Basis inzwischen eine rein pragmatische ist, und dass dadurch etwas fehlt, von dem man sich einreden kann, dass man es nicht vermisst oder sowieso nie wieder bekommen würde, aber da gilt dann wieder, was ich weiter oben geschrieben habe.

    Aber warum muss das schlecht sein? Mein Mann ist auch nicht mehr derselbe, den ich vor mehr als 25 Jahren als den Menschen gewählt habe, mit dem ich mein Leben teilen will. Und ich bin ganz sicher auch eine andere geworden. Und wir hatten auch Phasen, in denen unsere Beziehung nicht so doll und größtenteils pragmatisch war. Aber wir waren immer Freunde, wir hatten immer Respekt füreinander und wir waren immer ehrlich zueinander. Und ja, wir hätten damals mit den Schultern zucken und beschließen können, dass es nicht besser wird und wir lieber auseinandergehen, haben uns aber dafür entschieden, an unserer Beziehung zu arbeiten und haben eine neue auf dem Fundament der alten aufgebaut. Und auch wenn unsere Beziehung heute eine andere ist als damals, er ist dennoch der Mensch, der mich am besten kennt, dem ich blind vertraue, in dessen Gegenwart ich mich wohl fühle und der es immer wieder schafft, mich zu erden, indem er mich einfach in den Arm nimmt. Und ganz ehrlich - das ist mir so viel mehr wert als die blinde, übersprudelnde Verliebtheit zu Beginn unserer Beziehung. Ist unsere Entscheidung tatsächlich falsch oder schlechter als die von Marie und Clemens?


    Rezension folgt noch, sobald meine Bronchitis nachgelassen hat und mein Hirn wieder besser funktioniert.

  • Aber - und das war für mich "mein" Manko in der Beschreibung der Beziehung von Marie und Clemens - es wurde nicht deutlich gemacht, dass die Liebe nicht mehr vorhanden ist. Und auch nach der Trennung wurden sie ja nicht glücklich in ihren neuen Beziehungen.

    Von daher kann ich bei diesem Paar nichts erkennen, was diese Entscheidung (rückblickend) rechtfertigt oder nachahmenswert erscheinen lässt.


    Aber diese Perspektive von außen auf Beziehungen/Trennungen ist doch absolut authentisch (ich weiß nicht, ob Tom das so beabsichtigt hat, ich habe das Buch noch nicht gelesen; falls ja Hut ab). Müssen wir als Außenstehende tatsächlich immer wissen oder verstehen, warum ein Paar die Beziehung beendet? Können wir das überhaupt? Kann man die Entscheidung nicht einfach akzeptieren, ohne Gründe zu kennen bzw. darüber urteilen zu müssen?

  • Aber diese Perspektive von außen auf Beziehungen/Trennungen ist doch absolut authentisch (ich weiß nicht, ob Tom das so beabsichtigt hat, ich habe das Buch noch nicht gelesen). Müssen wir als Außenstehende tatsächlich immer wissen oder verstehen, warum ein Paar die Beziehung beendet? Können wir das überhaupt? Kann man die Entscheidung nicht einfach akzeptieren, ohne Gründe zu kennen bzw. darüber urteilen zu müssen?

    Sicher müssen und können wir das nicht. :-)

    Aber dadurch wurde es mir sehr schwer gemacht, so richtig Gefallen an der Geschichte zu finden.

    Etwas gut zu finden, was ich (in diesem Fall, in dieser Geschichte) so gar nicht nachvollziehen oder verstehen konnte.

    Da aber das ganze Buch auf dieser Entscheidung aufbaut spielt diese einfach die ausschlaggebende Rolle - und trägt natürlich viel zur allgemeinen Meinung zum Buch bei. Also zu meiner Meinung. Auch zu meiner Meinung zu der Entscheidung. ;-)

  • Aber warum muss das schlecht sein?

    Wo sage ich denn, dass das schlecht sein muss? Oder dass es schlecht ist? Ich zeige nur ein Paar, das diesen Weg nicht wählt, das nicht um eine - auch noch einzigartig harmonische - Beziehung "kämpft" (ich halte diesen Begriff für bizarr in diesem Zusammenhang, denn es gibt ja überhaupt keinen Gegner, gegen den man kämpfen könnte), sondern sich die Chance geben will, noch in diesem Leben etwas Neues anzufangen, und nicht erst im nächsten oder übernächsten, von dem viele zu glauben scheinen, dass es existiert, was, ganz unter uns, äußerst unwahrscheinlich ist. Es geht um diese Unausweichlichkeit gerade bei einem vermeintlich so niedrigen Problemlevel, die viele von uns (mich eingeschlossen) dazu bringen würde, an etwas festzuhalten und sich der Stagnation hinzugeben. Klar, manchmal wird es besser, einige verändern sich gemeinsam zum Positiven (oder behaupten das zumindest, auch sich selbst gegenüber), oder man findet eine andere Interessensebene, was weiß ich. Aber bei den meisten Paaren, die im besten Sinn den Zenit ihrer Beziehung überschritten haben, ist der Trend ein eindeutiger. Und da stellt sich eben die Frage, ob das, was es dabei trotzdem an Gutem gibt, die Option auf ein zweites, anderes, schönes Leben aufwiegt. Beziehungsweise, ob das, was man an Gutem aufgeben würde, das Risiko lohnt, möglicherweise sehr, sehr unglücklich zu werden.


    Wir sind darauf gepolt und trainiert, die Zweierbeziehung bis zum Ende als Lebensziel anzustreben, und wir halten um viele Preise daran fest, obwohl große Teile von uns ahnen, dass es nicht alternativlos ist. Es geht nur darum, darüber nachzudenken. Ich propagiere kein Modell, ich plädiere nicht für etwas.

  • Aber diese Perspektive von außen auf Beziehungen/Trennungen ist doch absolut authentisch (ich weiß nicht, ob Tom das so beabsichtigt hat, ich habe das Buch noch nicht gelesen; falls ja Hut ab). Müssen wir als Außenstehende tatsächlich immer wissen oder verstehen, warum ein Paar die Beziehung beendet? Können wir das überhaupt? Kann man die Entscheidung nicht einfach akzeptieren, ohne Gründe zu kennen bzw. darüber urteilen zu müssen?

    Möglicherweise ist das insofern hier nicht ganz so einfach, weil Marie und Clemens selber nicht unbedingt bereit zu sein scheinen, andere Lebensmodelle zu akzeptieren. Sie kommen für mich (und wenn ich mich richtig an den einen oder anderen Kommentar erinnere, auch für andere) ein wenig überheblich rüber. Ich denke zwar, dass das im Wesentlichen daran liegt, dass das Buch einen so langen Zeitraum abdeckt und insofern eher streiflichtartig diverse Schlüsselepisoden dieser Ehe beleuchtet und man den Figuren aber nicht wirklich nah kommt. aber es bleibt doch ein wenig das Gefühl, dass die beiden ihren Weg als den einzig richtigen ansehen.


    Genauso könnte man ja fragen, ob Außenstehende tatsächlich immer wissen oder verstehen müssen, warum ein Paar sich dafür entscheidet, eine Beziehung einzugehen oder fortzusetzen. Müssen Außenstehende da tatsächlich urteilen oder könnten sie diese Entscheidung nicht ebenfalls stehen lassen?