22 Bahnen - Caroline Wahl

  • 208 Seiten


    Kurzbeschreibung

    Tildas Tage sind strikt durchgetaktet: studieren, an der Supermarktkasse sitzen, sich um ihre kleine Schwester Ida kümmern – und an schlechten Tagen auch um die Mutter. Zu dritt wohnen sie im traurigsten Haus der Fröhlichstraße in einer Kleinstadt, die Tilda hasst. Ihre Freunde sind längst weg, leben in Amsterdam oder Berlin, nur Tilda ist geblieben. Denn irgendjemand muss für Ida da sein, Geld verdienen, die Verantwortung tragen. Nennenswerte Väter gibt es keine, die Mutter ist alkoholabhängig. Eines Tages aber geraten die Dinge in Bewegung: Tilda bekommt eine Promotion in Berlin in Aussicht gestellt, und es blitzt eine Zukunft auf, die Freiheit verspricht. Und Viktor taucht auf, der große Bruder von Ivan, mit dem Tilda früher befreundet war. Viktor, der – genau wie sie – immer 22 Bahnen schwimmt. Doch als Tilda schon beinahe glaubt, es könnte alles gut werden, gerät die Situation zu Hause vollends außer Kontrolle.


    Über die Autorin

    CAROLINE WAHL wurde 1995 in Mainz geboren und wuchs in der Nähe von Heidelberg auf. Sie hat Germanistik in Tübingen und Deutsche Literatur in Berlin studiert. Danach arbeitete sie in mehreren Verlagen. ›22 Bahnen‹ ist ihr Debütroman. Caroline Wahl lebt in Rostock


    Meine Meinung

    Tilda studiert Mathe und jobbt nebenher an der Supermarktkasse. Ihre Schulfreunde von früher sind in alle Himmelsrichtungen zerstreut und kommen höchstens ab und zu mal zu einer Party in die alte Heimatstadt. Und Ivan, der kommt gar nicht mehr, denn er ist tot.

    Die Highlights im tristen Alltag sind die täglichen Schwimmbadbesuche, wo Tilda unbeeindruckt von Wetter oder anderen Besuchern täglich ihre 22 Bahnen zieht. Oft sieht sie dabei Viktor, Ivans Bruder.

    Tilda lebt zu Hause bei ihrer alkoholabhängigen Mutter, zusammen mit ihrer kleinen Schwester Ida. Und Ida ist der Grund, warum Tilly bleibt, sie will die Kleine nicht mit der unberechenbaren Mutter alleine lassen. Doch ihr Professor stellt ihr eine Promotionsstelle in Berlin in Aussicht...

    So kämpft Tilda mit ihrem Alltag, mit den Eskapaden ihrer Mutter, mit ihrem Verantwortungsbewusstsein, mit ihrer Trauer um Ivan. mit ihren Gefühlen für Viktor... all das erzählt sie mit einer gewissen Nüchternheit. Doch es gibt es berührende Momente. Ihre Mathebegeisterung soll vermutlich dadurch unterstrichen werden, dass Ziffern in Worten als Ziffer geschrieben werden (1deutig), fand ich eher nervig.

    Ich fand die Personen alle ein wenig einseitig dargestellt, habe das Buch dennoch gern gelesen.

    Es erinnert mich vom Stil her an Schallplattensommer von Alina Bronsky.


    ASIN/ISBN: 3832168036

  • 22 Bahnen.............


    .................dieses Schwimmritual gehört zu Tildas Alltag. Ebenso wie ihr Studium, ihre kleine Schwester Ida und der Job an der Supermarktkasse.

    Das alles ist nötig um das Familienleben zu meistern. Denn Tildas alleinerziehende Mutter ist Alkoholikerin, Phasen mit exzessivem Alkoholgenuss wechseln sich mit trockenen Phasen ab, eine Quartalssäuferin also.

    Dazu kommen mehr oder minder stärkere Schübe von Depressionen.

    Eine Situation also, die alles andere als leicht ist.

    Tilda hat sich arrangiert, Tilda ist stark, Tilda schafft das.

    Irgendwie.

    Dass sie dabei selbst auf der Strecke bleibt wird ihr klar, als sie ein Angebot für eine Promotion in Berlin erhält.

    Kann sie das annehmen? Mutter und Schwester zurück lassen? Wie weit reichen die familiären Verpflichtungen? Das schlechte Gewissen? Darf sie an sich selbst denken?

    Am Horizont taucht ein Lichtblick in Form von Viktor auf, ein irgendwie geheimnisvoller Russe und der Bruder eines früheren Freundes von Tilda. Dessen Schicksal mit ihrem verknüpft ist.

    Caroline Wahl beschreibt diese Zeit in Tildas und Idas Leben in einem etwas ungewöhnlichen Schreibstil.

    Dieser hat mich aber schnell gefesselt und ich konnte das Buch fast nicht aus der Hand legen.

    Für mich schon eine Entdeckung im Jahr 2023 dem ich sehr viele Leser/innen wünsche. Ich fand das Buch großartig.

  • Tilda und Ida

    22 Bahnen, Roman von Caroline Wahl, Ebook, Dumont Buchverlag.
    Die Selbstermächtigung zweier Schwestern. Coming of Age - Roman
    Tilda studiert Mathematik, schwimmt regelmäßig, arbeitet an der Supermarktkasse, kümmert sich daheim um den Haushalt, ihre alkoholsüchtige Mutter und erzieht nebenbei ihre Schwester Ida. Nur eines kommt immer zu kurz, Tilda steht immer zurück, während Gleichaltrige und Freunde ihre Träume verwirklichen, nur Tilda ist zu Hause geblieben im traurigsten Haus in der Fröhlichstraße. Bis eines Tages ein Angebot für eine Promotion in Berlin winkt. Hin- und Hergerissen zwischen Verantwortungsgefühl und Freiheit verbringt Tilda einen Sommer, doch plötzlich kommt Viktor in ihr Leben.
    Das Buch gliedert sich in drei Teile, es ist flüssig geschrieben und aus Sicht der Protagonistin verfasst, es liest sich tatsächlich fast von selbst. Dementsprechend war ich an einem einzigen Tag fertig. Die Geschichte ist zwar nicht nervenzerreißend spannend, doch macht es Spaß es zu lesen bis der letzte Punkt gesetzt ist. Emotional und herzerwärmend. Besonders hervorzuheben ist der aparte Schreibstil, alle Zahlen die im Buch erscheinen sind beharrlich als Zahlen gedruckt, ob dieses Detail dem Mathematikstudium der Protagonistin geschuldet ist, weiß ich nicht. Schnell habe ich mich daran gewöhnt und es hat mich nicht im Lesefluss gestört. Die Sprache ist modern, viele Wörter in der Umgangssprache, bzw. Jugendsprache z.B. cute, mega, weird wurden verwendet, dadurch, dass sehr oft wörtliche Rede im Drehbuchstil verwendet wird, kommt der Roman äußerst lebendig rüber.
    Das Schicksal der beiden Mädchen hat mich sehr betroffen gemacht. Beide sind mir sehr ans Herz gewachsen, Tilda ob ihres Verantwortungsbewusstseins und ihrer selbstlose Dank- und Handlungsweise. Ich kann so gut verstehen, dass sie endlich auch einmal eine Chance ergreifen will, die ihr geboten wird, noch dazu bei ihrem Talent. Ida die kleine Schwester ist fabelhaft und man muss sie einfach liebhaben, sie hat die größere Entwicklung durchgemacht. Trotzdem sehe ich keine Möglichkeit ein kleines Mädchen mit einer Alkoholikerin alleine leben zu lassen. Warum sich Tilda nie Hilfe geholt oder sich ans Jugendamt gewendet hat, verstehe ich eigentlich nicht. Dies ist auch der einzige negative Aspekt im Buch. Ich würde mich tatsächlich über eine Fortsetzung freuen. Das Buch endet ja direkt an einem Punkt, der eigentlich ein Anfang ist. Beeindruckt hat mich bei diesem Debütroman, dass es die Autorin geschafft hat, den Schmerz der Protagonistin, ihre Sorgen und Ängste in Worte zu fassen, dass sie der Leser verstehen kann.
    Von mir dafür 8 Punkte

  • Ich hatte schon viel von dem Buch gehört, sei es im Bücher-Podcast "Eat, Read, Sleep", sei es hier und es war sogar Buch des Monats beim NDR. Das alles hat mich neugierig gemacht. Auch der Klappentext sprach mich an.


    Als ich anfing zu lesen, war ich erst ein wenig überrascht, denn ich hatte aus irgendeinem Grund etwas anderes erwartet, doch ich habe mich darauf eingelassen und wurde mit einer wunderbaren Geschichte belohnt, die sich um die beiden Schwestern Tilda und Ida dreht.


    Tilda studiert Mathematik, arbeitet im Supermarkt und kümmert sich auch noch um Ida und den Haushalt, denn ihre Mutter ist alkoholabhängig. Dann kommt das Angebot einer Stelle in Berlin, wo Tilda promovieren könnte. Doch kann sie ihre kleine Schwester Ida alleine lassen?


    22 Bahnen schwimmt Tilda, bei Regen und bei Sonne, um wieder ins Gleichgewicht zu kommen. Dabei trifft sie Viktor, den Bruder des verstorbenen Klassenkameraden Ivan. Der schwimmt ebenfalls 22 Bahnen. Die beiden Außenseiter unterhalten sich, kommen sich auf eine behutsame Art näher, doch dann passiert etwas schlimmes.


    Die Erzählweise ist teilweise spröde und Tilda war nicht unbedingt meine Lieblingsfigur in diesem Buch. Das zeigt aber, dass ihre raue Schale auch beim Leser wirkt. Ida hingegen war toll, wie sie abwägt, welche Angebote sie annimmt oder wie sie es bevorzugt, im Regen schwimmen zu gehen und wie sie ihre kleine Seele schützt.

    Teilweise ist es sogar witzig, Tilda hat eine trockene Art von Humor.


    Am Ende habe ich das Buch mit einem Seufzer zusammengeklappt. Schön, trotz der teilweise wirklich traurigen Szenen. 9 Punkte von mir.

  • Caroline Wahl "22 Bahnen"


    Sogwirkung mit Schönheitsfehlern


    Was kann es Besseres in einem heißem Sommer geben, als mit einem Buch in der Sonne zu dösen?

    "22 Bahnen" gibt jedenfalls nach Titel und Cover ein Versprechen ab, das wir zu überprüfen haben.

    Im Mittelpunkt der Geschichte steht Tilda, eine äußerst begabte, verantwortungsbewusste und unentwegt verzweifelte Mathematikstudentin, die mit ihrer alkoholkranken Mutter und jüngeren Schwester Ida in prekären Verhältnissen lebt und an der Kasse eines Supermarktes jobt.

    Jeden Abend zieht Tilda im örtlichen Schwimmbad ihre Bahnen, um genau zu sein 22 Bahnen und trifft dort auf den schweigsamen Viktor. Sie nicken sich zu und Tilda beginnt nach und nach, ihre gemeinsame Vergangenheit offenzulegen.


    Dass etwas in der Luft liegt bzw. sich anbahnt, dürfte dem aufmerksamen Leser nicht entgehen, doch bis das Geheimnis gelüftet ist, begleiten wir Tilda unzählige Male ins Schwimmbad, richten mit ihr unsere Augen auf Viktor, den großen Bruder von Iwan, der Jahre zuvor an Drogen gestorben ist und für dessen Tod sich Tilda noch Jahre soäter verantwortlich fühlt.

    Verantwortung ist neben Schuld eines der tragenden Themen in diesem nicht ganz leichtfüßigen und zugleich gut lesbaren Sommerroman, der glücklicherweise ohne Pathos auskommt, wenn Tilda von ihrer alkoholkranken, unglücklichen Mutter erzählt, die wieder und wieder versucht, ihr Leben in den Griff zu bekommen und an guten Tagen den Abendbrottisch deckt und an schlechten sich an ihrer jüngeren Tochter vergreift.

    Als Tilda von ihrem Professor darauf angesprochen wird, eine Promotion zu beginnen und gleichzeitig ihre Mutter einen Rückfall erleidet, steht Tilda vor der Frage, nach Berlin zu gehen und ihre kleine Schwester allein bei der kranken Mutter zu lassen.

    Tatsächlich erweist sich Caroline Wahl in der Schilderung von kleinen Alltäglichkeiten und großen Ereignissen als ausgezeichnete Beobachterin, die nah und überzeugend an der Realität schreibt. Doch was die Autorin hier so mühelos bewerkstelligt, will ihr nicht gelingen, wenn ihre Protagonistin an der Supermarktkasse sitzt, Waren über das Band schiebt und ohne Blickkontakt versucht, den Menschen hinter seinem Einkauf zu erraten.

    Dabei setzt Caroline Wahl auf einen stark reduzierten Stil unter gleichzeitiger und massiver Nennung von Markenprodukten, die sich zum Ende des Romans noch steigern, so dass sich dem Leser zwangsläufig die Frage stellt, ob der Roman mit freundlicher Unterstützung der Nahrungsmittelindustrie

    veröffentlicht wurde.


    Als Ida, die schüchtern, kreativ und erwachsener als es für ihr Alter gut ist, eines Abends verschwindet, bittet Tilda Viktor bei der Suche nach ihrer Schwester um Hilfe und er willigt ein.

    Bis Tilda und Viktor nach diesem Abend erneut aufeinandertreffen, erzählt die Autorin neben dem Gefühlswirrwarr ihrer Protagonistin betont zeitgeistig von deren Studium und Freundeskreis, so dass sich zwangsläufig der Eindruck aufdrängt, mehr über das Leben der Autorin als das ihrer Protagonistin zu erfahren.

    Ihrer Protagonistin stellt Caroline Wahl einen männlichen Protagonisten wie aus dem Bilderbuch zur Seite, der als gutaussehend, erfolgreich und geheimnisvoll beschrieben wird. Wären da nicht seine Vergangenheit als russischstämmiger Flüchtling und der Verlust seiner Famlie, die er zu bewältigen hat und der Figur ein Profil verleihen.


    Caroline Wahl hat ganz offensichtlich für ihren sommerlichen Debütroman das richtige Rezept gefunden und mit "22 Bahnen" eine unterhaltsame, nicht immer ganz runde und doch hoffnungsvolle Liebes- und Lebensgeschichte vorgelegt, die den Leser trotz ihrer Schwächen gut und nicht zu betrübt über den Sommer bringt.

  • Tilda hat ihr Leben organisiert um die trinkende Mutter zu ersetzen. Uni, sich um die kleine Schwester Ida kümmern, an der Supermarktkasse arbeiten und im Schwimmbad genau 22 Bahnen schwimmen. Dich dann kommt ihr die Aussicht einer Promotion in Berlin und Viktor dazwischen. Viktor, der wie sie immer genau 22 Bahnen schwimmt und der der Bruder eines Freundes ist.


    Mich hat das Buch sehr berührt. Tilda hat es geschafft trotz ihrer alkoholabhängigen Mutter Abitur zu machen und zu studieren. Jetzt seht das Ende des Studiums bevor und das Angebot nach Berlin zu gehen, bietet einerseits ein Stück Freiheit, allerdings ist da auch Ida, die Tildas Meinung nach nicht stark genug ist, um alleine bei der unzuverlässigen Mutter zu bleiben. Ich fand es beeindruckend, wie sie sich aufmacht, ihre Schwester selbstbewusster zu machen und selbstständiger werden zu lassen.


    Ich fand den Schreibstil sehr angenehm, ich konnte mich gut in Tilda versetzen. Besonders gut gefallen hat mir der Spagat zwischen Verantwortungsbewusstsein und einfach mal jung und unvernünftig sein wollen. Eigentlich hat sie keine Zeit zum jung und unvernünftig sein und schon gar nicht um sich zu verlieben und trotzdem tut sie es.


    Ich fand die beiden Schwestern einfach nur grandios und freue mich jetzt auf Idas weitere Geschichte im Nachfolgeband Windstärke 17, der jetzt im Mai erscheint.


    Von mir eine Leseempfehlung


    9 von 10 Punkte