'Der Schifffskoch' - Seiten 57 - Ende

  • So bei näherer Betrachtung hätte der Runde ein Mittelteilabschnitt gut getan.

    Der Koch bekommt also einen Malariaschub, sein scharf geschliffenes Messer verliert er während des Fieberanfalls. Er kommt auch nicht mehr dazu, das Böckchen zu schlachten, das von einigen aus der Mannschaft wohl versteckt wurde, damit es dem Tode entkommt.

    Ganz schön dramatisch geht es hier zu und in seinen Fieberfantasien verwechselt er wohl die Mannschaft mit den Japanern die wohl seine Mutter mitgenommen oder gefoltert haben, da wird nicht, noch nicht, erwähnt.

    Und jetzt zieht Nebel auf......

    Mit wenigen Worten versteht es der Autor eine Atmosphäre zu schaffen, dass man sich wirklich wie auf dem Schiff fühlt, ich vermisse das Schlingern, das Klatschen der Wellen an den Bootsrumpf, das so schön einschläfernd wirkt.

  • In einem Rutsch durchgelesen - schon zum zweiten Mal.

    Ein anrührendes literarisches Ereignis, dieses Büchlein, das ich eher als Erzählung als als Novelle bezeichnen würde - aber egal.

    Die nicht selten lakonisch daherkommende Sprache changiert zwischen Leichtigkeit, Schwermut und Skurrilität, eine stilistisch fast unlösbare Aufgabe, wie sie nur ganz große Könner wie Mathijs Deen beherrschen.

    Ein literarisches Kleinod, aber ein großes Leseerlebnis!

  • Eines sei noch respektvoll hinzugefügt: Andreas Ecke, der Übersetzer aus dem Niederländischen, hat hier ebenfalls großartige Arbeit geleistet! Die Stilistik und den Duktus eines Mathijs Deen so genial in einer anderen Sprache zu treffen, ist ebenfalls hohe Kunst! :anbet

  • Eines sei noch respektvoll hinzugefügt: Andreas Ecke, der Übersetzer aus dem Niederländischen, hat hier ebenfalls großartige Arbeit geleistet! Die Stilistik und den Duktus eines Mathijs Deen so genial in einer anderen Sprache zu treffen, ist ebenfalls hohe Kunst! :anbet

    Das kann ich schlecht beurteilen, weil ich kein Niederländisch spreche. Aber der Übersetzer muss es sehr gut gemacht haben. 👍

    Die Sprache in dieser Erzählung lässt sich für mich am ehesten mit der gleichen Wechselhaftigkeit beschreiben, in der Snoek seine Wetter-, Meeres- und Himmelsbeobachtungen notiert. Das beschwört Bilder herauf. Ich liebe so etwas. Großartig!


    Überhaupt Snoek:

    ‎"Wir sind allein, Kapitän«, sagte Snoek. »Wir sind allein ohne Himmel. Und nur die Schiffe verraten, dass die See noch da ist. Aber wir sind das Licht, Kapitän.«”

    Deen Mathijs, Der Schiffskoch ,Kapitel 19

    mareverlag, 2021


  • Der Zweck der Ziege war also nicht im Kochtopf zu landen, sondern Snoeks Tod zu verursachen. Schade eigentlich, aber wirklich meisterhaft erzählt. Hat mich ja ein bisschen an Seethaler erinnert.


    Eines sei noch respektvoll hinzugefügt: Andreas Ecke, der Übersetzer aus dem Niederländischen, hat hier ebenfalls großartige Arbeit geleistet! Die Stilistik und den Duktus eines Mathijs Deen so genial in einer anderen Sprache zu treffen, ist ebenfalls hohe Kunst! :anbet

    Das ist wohl bei vielen Übersetzungen so, man muss wirklich Glück haben, einen wirklich guten Übersetzer zu finden, der die Feinheiten des Textes erfasst und mit rüber bringt.

    Ob die Autoren da mitsprechen können und wer beurteilt denn das Ergebnis, ob es wirklich gelungen ist?

  • Heute gab es das Buch bei mir auch in einem Rutsch, und von der Handlung her auf dem Schiff wurde es im Nebel dann ja deutlich konkreter.


    Allerdings weiß ich nicht, ob heute die richtige Zeit für das Buch für mich war, so richtig hineingesunken bin ich nicht. Ich fand es toll, ja, sprachlich beeindruckend, aber ich bin auch recht ratlos. Aber vielleicht ist das ja genau so wie es sein soll, und so würde es mir zu einer anderen Zeit auch gehen? Ich lasse das Büchlein jetzt mal in mir nachwirken.

  • Leider kennt man die ideale Einteilung eines Buchs erst, wenn man es selber gelesen hat.


    "Wir sind allein, Kapitän«, sagte Snoek. »Wir sind allein ohne Himmel. Und nur die Schiffe verraten, dass die See noch da ist. Aber wir sind das Licht, Kapitän.«”

    Ein Satz, der mich umhaut.


    Die Szene mit Snoeks Tod muss ich noch einmal lesen. Und dann vielleicht mit meinen Fragen daherkommen.

  • Das stimmt, vor allem denkt man, es ist so dünn, da braucht es nicht mehr. Erst der Inhalt offenbart die Abschnitte, die passend gewesen wären.

    Eigentlich war der Schnitt zwischen den beiden Abschnitten zufällig recht gut gewählt, denn da fällt die Entscheidung, dass das Böcklein genau jetzt sterben muss, weil es sonst für Lammert zu spät würde. Und danach spitzt sich alles zu.

  • So, der zweite Abschnitt ist auch gelesen - ich weiß nicht wirklich, was ich dazu noch sagen soll, außer, dass ich verdammt froh bin, dieses kleine Buch gelesen zu haben. Die Sprache ist großartig, dem Autor gelingt es hervorragend, mit wenigen Worten Stimmungen hervorzurufen und Settings und Figuren zu zeichnen, die lebendig und interessant sind.

  • Der Koch ist gar nicht so alt, wie wir gedacht hatten.

    Am Anfang von Kapitel 13 beschreibt Lammert, wie er als kleiner Junge, gerade erst 5 geworden, den einheimischen Koch begleitet und mit ihm zusammen ein Huhn schlachtet.

    Dann, im letzten Absatz des Kapitels: " Fast dreißig Jahre waren seitdem vergangen....."


    Die japanische Invasion auf Java war übrigens, laut Wiki, 1942.

  • Ja, das hab ich auch gelesen, und die Zeit der Besetzung durch Japan und der Lager hab ich zu Anfang des Buches recherchiert, weil ich nicht da gar nicht auskannte.

    Lammert war vom Gefühl her für mich ein alter Mann, der aber wesentlich jünger war. Das Leben hat ihm so einiges aufgebürdet...

  • Noch einer der vielen bemerkenswerten Sätze, die ich notiert habe. Die Mannschaft steht ehrfürchtig und in Gedanken, als der Sarg mit Snoek vom Schiff gelassen wird;


    "Nur wer einen Blick für solche Dinge hat, sieht, wie sich das Sonnenlicht in den Wellen zu kleinen blauen, braunen, zartgelben und goldenen Kreisen bricht, als würden irgendwo unter der Wasseroberfläche Jongleure mit bunten, rotierenden Tellern auf Stöcken trainieren.”


    Mathijs Deen "Der Schiffskoch ", Kapitel 21 (ganz am Ende)

    mareverlag 2021

  • Den Satz fand ich auch ganz wunderbar.

  • Das ist eine dramatische und tragische Situation, die da durch eine Verkettung unglücklicher Ereignisse entsteht. Der Koch, der gerade im ungünstigsten Moment vom Fieber gepackt wird, in seinen Fieberträumen die Schrecken seiner Jugend nochmals erleben muss und Snoek, den der Wahnsinn packt.

    Nach gelerntem Muster einen Schuldigen für alles Unglück sucht und ihn in dem unschuldigen Böckchen findet.


    Es gab ja schon einmal eine Situation, wo er so gebannt in die Augen des Tierchens schaut. Genial geschildert.


    Und dann kommt gerade das Böckchen ungeschoren davon, landet weder im Kochtopf noch in Snoeks Schlinge, sondern daheim in der Herde.


    Sündenbock im Glück könnte man sagen.


    Ich habe das Büchlein jetzt auch zwei Mal gelesen und bin ganz hingerissen davon.

  • Ich habe das Büchlein jetzt auch zwei Mal gelesen und bin ganz hingerissen davon.

    Der Schiffskoch lädt definitiv zum mehrmals Lesen ein, das habe ich auch fest vor, wenn auch nicht direkt.

    Und dann kommt gerade das Böckchen ungeschoren davon, landet weder im Kochtopf noch in Snoeks Schlinge, sondern daheim in der Herde.

    Wo er ja eigentlich nie sein sollte. Was das ganze Bild umso schöner macht.

  • Ich bin ebenso begeistert, wie ihr.

    Mir gefallen so viele Sätze, die kann ich gar nicht alle zitieren.

    Das Ende hat mich überrascht, ich fand es aber total stimmig.

    Wenn ich so begeistert bin von einem Buch, werde ich oft sprachlos. :anbet

    Die eigentliche Geschichte aber bleibt unerzählt, denn ihre wahre Sprache könnte nur die Sprachlosigkeit sein. Natascha Wodin