Späte Ernte - Nicole Wellemin

  • Produktinformation (Amazon):

    • Herausgeber ‏ : ‎ Piper; 1. Edition (29. Februar 2024)
    • Sprache ‏ : ‎ Deutsch
    • Hardcover ‏ : ‎ 352 Seiten
    • ISBN-10 ‏ : ‎ 3492071953
    • ISBN-13 ‏ : ‎ 978-3492071956

    Kurzbeschreibung (Verlag):

    „Sanft, wütend und ungemein ehrlich.“ Julia Fischer | Wer sind wir noch, wenn uns alles genommen wird?

    Im Jahr 1943 träumt die junge Südtirolerin Lene von einer glücklichen Zukunft auf dem Hof ihrer großen Liebe Elias. Wie hart das Schicksal ist, das in der rauen Bergwelt auf sie wartet, ahnt sie nicht. Viele Jahrzehnte später baut ihre Enkelin Anna in ebendieser kargen Landschaft mit viel Hingabe alte Apfelsorten an. Als sie die Mittfünfzigerin Lis kennenlernt, die eine schwere Schuld trägt, gewährt Anna ihr Unterschlupf auf dem Hof. Ein ganzes Jahr verbringen die Frauen gemeinsam im Einklang mit der Natur. Mit ihrer behutsamen Art ermöglicht Anna Lis, sich zu öffnen und zu heilen. Denn auch sie kennt die Last von fremder Schuld und den Schaden, den das Schweigen anrichten kann.

    Ein einfühlsamer Roman über die heilende Kraft der Natur und die Befreiung von einer vererbten Schuld

    Zur Autorin (Verlag):

    Nicole Wellemin, Jahrgang 1979, absolvierte nach dem Abitur in England das Eastern and Central European Studies Programme an der Karlsuniversität, Prag, und studierte Kommunikation an der Bayerischen Akademie für Werbung und Marketing in München. Dreizehn Jahre lang arbeitete sie in der Öffentlichkeitsarbeit einer Unternehmenstochter der Bavaria Film in München, ehe sie sich 2015 ganz dem Schreiben widmete.

    Meine Meinung:

    Anna hat den Hof ihrer Familie auf dem Ritten zum Apfelhof umgestaltet und vertreibt sortenreine Apfelsäfte. Als sie eines Tages während eines starken Gewitters von einem befreundeten Hotelier zurückkommt findet sie Lis im Wald, vollkommen unpassend gekleidet und ohne Gepäck. Sie nimmt Lis bei sich auf und diese nutzt die Abgeschiedenheit, um sich in ihrem Leben wieder zurecht zu finden.

    Parallel dazu lernen wir Lene, Annas Großmutter kennen, die ihren Mann in den Krieg ziehen lassen muss und als er wiederkommt mit ihm gemeinsam aus den Trümmern eben jenes Krieges ein neues Leben aufbaut.


    Ich muss sagen, mich hat das Buch sehr berührt. Angezogen worden bin ich von der Gegend in der es spielt. Südtirol ist und bleibt für mich eine zweite Heimat, ein Ort zum Runterkommen und Abstand gewinnen. Annas Idee sortenreine Apfelsäfte zu vertreiben und auch mit Cuvees zu experimentieren finde ich ganz grandios. So kann man auch einmal besondere nicht-alkoholische Getränke genießen. Annas Hof hat ein reales Vorbild, der die Autorin zu dieser Geschichte inspiriert hat. Daher werde ich das Ganze weiter im Auge behalten.


    Zusätzlich zur Entwicklung von Annas Ideen, erfahren wir auch viel über das Leben von Anna und von Lis. Und nicht zu vergessen von Lene, Annas Großmutter. Ein lang gehütetes Familiengeheimnis belastet Annas gesamte Familie und wir erfahren, wie Anna sich wenigstens zum Teil daraus lösen konnte. In Lenes Geschichte erfahren wir, wie es dazu kam.

    Lis Leben wurde von einem Tag zum anderen auf den Kopf gestellt und sie hat sich dabei einfach selbst verloren. Die Ruhe und Abgeschiedenheit auf Annas Hof, die Tätigkeiten, die so wenig mit ihrem alten Leben zu tun haben, helfen ihr, sich klar zu werden, inwiefern auch sie Schuld auf sich geladen hat.


    Man sieht, Schuld und wie es dazu kommt ist ein zentrales Thema des Romans. Was wird vererbt, kann man auch durch wegschauen Schuld auf sich laden, wie geht man mit bestimmten Dingen um. Mir hat das sehr gut gefallen, da das Thema ganz unterschiedlich beleuchtet wird.


    Die Charaktere des Buches haben Ecken und Kanten, man kann, muss sie aber nicht mögen. Manches würde man selbst wohl anders machen, aber einiges hat wohl jeder auch schon selbst erlebt und ähnliche Erfahrungen gemacht. In der Leserunde mit der Autorin kamen hierzu interessante Diskussionen hoch, die das Leseerlebnis noch vertieft haben.

    Die starken Frauenfiguren, die sich gegenseitig unterstützen, fand ich besonders gelungen. Endlich mal eine Frauengemeinschaft, in der kein Zickenkrieg aufkommt, sondern die andere einfach so genommen wird, wie sie ist. Und in der man voneinander auch lernt. Für mich haben sie sich perfekt ergänzt.


    Alles in allem hat mir das Buch sehr gut gefallen und es ist sicher eines meiner Jahreshighlights. Ich kann es wirklich nur empfehlen.


    10 von 10 Punkte

    ASIN/ISBN: 3492071953


  • Lis hat München Hals über Kopf verlassen und macht sich von Bozen auf zu einer Wanderung. Völlig unpassend gekleidet wird sie von einem Unwetter überrascht und von Anna aus ihrer misslichen Lage befreit.

    Anna betreibt einen Apfelhof und erntet erste Erfolge mit sortenreinen Apfelsäften - kritisch beäugt von den anderen Bauern und von ihrer Familie.


    Sie bietet Lis an vorübergehend bei ihr zu bleiben und bei ihr zu arbeiten und Lis nutzt die Gelegenheit, um mit ihrer Geschichte zurecht zu kommen.

    Nach und nach erfahren wir die Geschichten der beiden Frauen und zusätzlich die von Lenes Großmutter, deren Schicksal von den Kriegszeiten geprägt wurde.

    Alle drei Frauen werden glaubwürdig dargestellt, man kann ihre Gedanken und Handlungsweisen nachvollziehen, das hat mir gut gefallen.


    Ganz nebenbei lernt man viel über den Apfelanbau und fühlt sich bei den wunderbaren Landschaftsbeschreibungen ein wenig wie im Südtirol-Urlaub.


    Ich habe das Buch sehr gerne gelesen!

  • Der Roman "Späte Ernte" von Nicole Wellemin handelt von den zwei starken Frauen Anna und Elisabeth. Anna lebt in Südtirol auf dem Bauernhof der Familie und baut auf über tausend Höhenmetern auf dem Berg Ritten alte Apfelsorten an. Aus den Äpfeln keltert sie gegen alle Widerstände sortenreine Apfelsäfte für die Hochgastronomie.

    Die Mitfünfzigerin Elisabeth kommt ursprünglich aus München und flüchtet vor ihrer Vergangenheit nach Südtirol. Als sie dort in ein Unwetter gerät und verunglückt findet sie Hilfe und Zuflucht auf dem Hof von Anna.

    Die beiden Frauen verbringen ein ganzes Jahr zusammen auf dem Hof im Einklang mit der Natur und versuchen beide mit einer schweren Schuld, die sie in sich tragen zurecht zu kommen.

    In der Geschichte gibt es immer wieder Rückblicke in das Jahr 1943, als die Großmutter von Anna von einer glücklichen Zukunft auf dem Bauernhof träumt und von einem schweren Schicksal gezeichnet wird.


    Mir hat dieser Roman von den ersten Seiten an wahnsinnig gut gefallen. Die Geschichte wird abwechselnd aus der Sicht von Anna und Elisabeth erzählt und zwischendurch erfährt man in kurzen Rückblenden die Geschichte von Annas Großmutter Lene. Durch die unterschiedlichen Erzählstränge war das Buch für mich stets abwechslungsreich und sehr lebendig zu lesen.

    Es geht in der Geschichte viel um eigene und fremde Schuldgefühle, darum wie einen die Fehler der eigenen Vorfahren und Familie beeinflussen, um Angst, Selbstvorwürfe und wie man lernt damit zu Leben. Beide Frauen machen eine Entwicklung in diesem Jahr durch, genauso wie sich ein Apfel in einem Jahr von einer zarten Blüte zu einer reife Frucht entwickelt.

    Für mich war der Roman sehr emotional und berührend zu lesen. Ich habe sowohl mit Anna als auch mit Elisabeth und ihrer Großmutter Lene mitgelitten. Für mich ist es eine Geschichte, die noch länger in mir Nachklingen wird.


    Besonders gefallen hat mir auch, dass man ganz viel über den Apfelanbau, die Apfelsorten und die Verarbeitung von Apfelsaft erfährt und was es dabei für Schwierigkeiten und Hindernisse, besonders beim Anbau am Berg gibt.

    Und natürlich ist der Handlungsort Südtirol und vor allem der Berg Ritten für mich ein besonders Setting. Ich kenne diese Gegend aus zahlreichen Besuchen sehr gut und fühlte mich deswegen durch das Buch sofort in Urlaubsstimmung versetzt.


    Ich habe das Buch im Rahmen einer Leserunde hier bei den Büchereulen lesen dürfen und bedanke mich auch noch mal ganz herzlich für das Leseexemplar und für die sehr engagierte Begleitung der Leserunde durch die Autorin Nicole Wellemin  :blume


    Erwähnen möchte ich auch noch gerne das sehr schöne Cover, mit leuchtenden Äpfeln im Vordergrund und der Bergkulissen im Hintergrund und das sehr schön gestaltete Buch mit Lesebändchen.


    Ich spreche gerne eine absolute Leseempfehlung für diesen wunderschönen, berührenden Roman aus, vergebe 10 von 10 Eulenpunkten und freue mich jetzt schon auf weitere Bücher von dieser Autorin.:-]

  • Lis wurde der Boden unter den Füßen weggerissen. Sie hat sich einfach in den Zug gesetzt und ist geflohen. Dabei plagen sie Schuldgefühle. Anna hat den Hof von ihren Eltern übernommen und baut dort gegen alle Ratschläge alte Apfelsorten an. Sie produziert sortenreine Apfelsäfte und versucht, dabei etwas Besonderes zu schaffen. Auf dem Heimweg liest sie Lis auf und nimmt sie mit zu sich. Dabei stellt sie keine Fragen, sondern spannt Lis einfach in die Arbeit auf dem Hof ein. Mit der Zeit freunden sich die Frauen an, doch es dauert bis sich beide öffnen können.


    Der Roman von Nicole Wellemin erzählt von zwei starken Frauen, die ihre Wunden und Schuldgefühle mit sich herumtragen und Zeit brauchen, um sich davon frei zu machen. Dabei nimmt sie uns mit auf den Apfelhof in den Bergen von Südtirol, der ein reales Vorbild hat. Ich habe viel über Äpfel und den Anbau mit all seinen Schwierigkeiten gelernt.


    Dieser Roman beginnt mit einem bedrückenden Prolog. Lene, die Großmutter von Anna, behandelt ihre Tochter Gisela hart und lieblos. Immer wieder gib es zwischendurch Rückblenden, die von Lene und ihrem Mann Elias erzählen. Am Ende kann man Lene besser verstehen, aber gutheißen kann man ihr Verhalten nicht.


    Auch Anna hat zu ihrer Mutter ein distanziertes Verhältnis, denn viel geredet wurde in ihrer Familie nicht. Dabei ist gerade das Unausgesprochene so wichtig. Sie ist früh von zu Hause weg und dann zurückgekommen, um den Hof zu übernehmen und nach ihren eigenen Vorstellungen zu führen. In Lis findet sie eine Freundin, der sie sich nach einer Weile öffnen kann.


    Lis hat etwas erlebt, vor dem sie nur noch fliehen wollte. Sie hat alle Verbindungen abgebrochen und ist eher zufällig in Südtirol gelandet. Für sie ist es ein Glück, dass sie Anna getroffen hat, denn Anna spürt, wie verletzt Lis ist und Lis ist froh, dass sie sich nicht erklären muss. Sie übernimmt Arbeiten, die sie in ihrem privilegierten Leben zuvor noch nie machen musste. Dabei hat sie Zeit zum Nachdenken. Mit Thea vom Dorfladen und mit Anna entsteht mit der Zeit eine Freundschaft, die ihr hilft, wieder zu sich selbst zu finden.


    Mich hat dieses Buch von Anfang an gepackt und ich konnte mich gut in die Frauen hineinversetzen.


    Ich kann diesen wundervollen Roman nur empfehlen.


    10/10

  • Meine Rezension

    In „Späte Ernte“ begeben wir uns zur Apfelbäuerin Anna nach Südtirol. An einem stürmischen Tag stolpert Lis in ihr Leben. Lis, die nach einem schlimmen Schock die Flucht ergriffen hat und völlig kopflos nach Südtirol gereist ist. Es ergibt sich, dass Anna der traumatisierten Lis Obdach anbietet. Lis nimmt an und schlüpft bei Anna unter, im Gegenzug macht sie sich nützlich.


    Im weiteren Verlauf kommt immer mehr aus ihrem früheren Leben ans Tageslicht – was tatsächlich vorgefallen ist und was sie sich selbst vorwirft.


    Auch bei Anna ist nicht alles eitel Sonnenschein. Schnell spürt man, dass ihre Familienverhältnisse alles andere als harmonisch sind. Hier wird in Rückblenden die Geschichte ihrer Familie, beginnend mit ihrer Oma Lene erzählt. Dieser Erzählstrang hat mir ausnehmend gut gefallen – die Beschreibung des kargen Lebens der Bauern in den 40er Jahren und die Vorkommnisse um Lene fand ich sehr eindringlich und oft auch beklemmend oder traurig.


    Doch auch die Szenen in der Gegenwart sind sehr lesenswert, so entsteht Stück für Stück ein sehr plastisches Bild von Anna vor den Augen des Lesers. Man kann ihre Passion für die Apfelwirtschaft richtig spüren.


    In diesem Buch geht es um Schuld und um Vergebung, um Dinge, die man sich selbst vorwirft und auch anderen. Um Dinge, die man sich oder anderen vielleicht auch nie verzeihen kann. Es geht darum, wie sich Dinge entwickeln, über die man nie miteinander spricht, weil es zu sehr schmerzt. Und letztlich geht es auch um die Frage, wie man mit Schuld umgehen kann, für die man selbst nichts kann. Spannende und auch schwierige Fragen also.


    Die einzigen – zugegebenermassen sehr kleinen – Kritikpunkte waren für mich eine Szene, in der Lis in meinen Augen sehr unauthentisch (und für mich daher auch nicht überzeugend) agiert hat und auch, dass Annas Freund im Buch eine so kleine Rolle spielt, dass es ihn eigentlich gar nicht gebraucht hätte. Für das Verknoten der Handlungsstränge am Ende hätte ich mir 2-3 Seiten mehr gewünscht, das war mir ein wenig zu kurz abgehandelt.


    Nichtsdestotrotz hat mir das Buch wirklich ausnehmend gut gefallen und ich kann es nur guten Gewissens weiter empfehlen. Ich würde hier auf jeden Fall 9/10 Punkte vergeben.


    Das Setting in Südtirol hat mir sehr gut gefallen, viele Ecken kenne ich von Urlauben oder zumindest dem Namen nach. Als großer Apfelfan hat mir natürlich auch der "Apfelhintergrund" :lache gut gefallen. Hier habe ich viel Interessantes und Wissenswertes erfahren.


    Die Leserunde fand ich wieder sehr interessant – gerade hier hat es mir großen Spaß gemacht, auch die Gedanken meiner Mitleserinnen zu erfahren und mich darüber auszutauschen. Auch an dieser Stelle herzlichen Dank an den Verlag für das zur Verfügung gestellte Buch und auch an die Autorin für die tolle Leserundenbegleitung. :bluemchen

    Lieben Gruß,


    Batcat


    Ein Buch ist wie ein Garten, den man in der Tasche trägt (aus Arabien)

  • Ich hatte vor "Späte Ernte" noch kein Buch der Autorin Nicole Wellemin gelesen. Unter anderen Pseudonymen kann man in anderen Genres durchaus fündig werden. Manchmal wird man auf neue Bücher aufmerksam und fühlt sich sofort zu ihnen hingezogen. Das kann gefährlich sein, denn oft hat man dann Erwartungen an die Geschichte und die Gefahr, enttäuscht zu werden ist größer, um so vielversprechender ein Buch einem aus unterschiedlichen Gründen scheint. Die Fallhöhe steigt mit jeder Stufe an. Das Cover ist einfach ein HIngucker und passt hervorragend zum Titel Späte Ernte. Als Münchnerin ist Italien quasi von Kleinkindalter an zweite Heimat und der Klappentext verspricht starke Frauen, Dramatik und eine uralte Schuld.


    Als besonderes Zuckerl habe ich das Buch in einer Leserunde erobert und die Autorin hat uns mit viel Engagement und bereichernden Zusatzinfos begleitet. Und von der ersten Seite an war klar, dass Nicole Wellemin einfach mit wunderbar treffenden Worten erzählen kann.


    Mal ehrlich. Was sollte da noch schief gehen.


    Schon beim Prolog, der starke Gefühleauslösen konnte, hatte mich das Buch und ich bin tief eingetaucht in das Universum dreier Frauen, die unterschiedlicher nicht sein könnten. Von der bodenständigen Lene des 20.ten Jahrhunderts, über deren Enkelin Anna, die mit Mut, Hartnäckigkeit und Stärke ihre Apfelhaine vor Eis und Schnee zu schützen wusste und dabei nach ganz neuen Saftkreationen suchte, über die dritte im Bunde, die spröde Lis, die vor den großen Wunden ihres Lebens in die Abgeschiedenheit der südtiroler Alpen geflohen war und dort Ruhe und Freundschaft und die Kraft für einen Neuanfang gefunden hat. Ein Buch der großen Gefühle, der leisen Worte, der tiefen Verletzungen und warmherzigen Freundschaften. Ein Buch voller Frauenpower. Lebensklugheit und Apfelaroma.


    Meine Erwartungen wurden auf wunderbare Weise erfüllt. Was will man mehr. Als ein weiteres Buch von Nicole in dass wir uns wieder voller Vorfreude und Neugierde stürzen dürfen.

    Hollundergrüße :wave



    :lesend

    T.J. KLune - Mr Parnassus Heim für magisch Begabte


    (Die Freiheit des Menschen liegt nicht darin,

    daß er tun kann, was er will,

    sondern daß er nicht tun muß,

    was er nicht will - Jean Rousseau)

  • Späte Ernte erinnerte mich anfangs an Alte Sorten von Ewald Arenz. Zwei ganz unterschiedliche Frauen treffen in bäuerlicher Umgebung aufeinander und wachsen im Tun in der Natur zusammen, um sich ihren eigenen Lebenskrisen – den Umgang mit Schuld - zu stellen. Dazu kommt in beiden Büchern ein sehr sinnlicher Schreibstil. Da wird gekocht, geschmeckt, gerochen – und als Leserin kann ich auch die Süße des Obstes schmecken, die Bienen summen hören und den Geruch der Blüten in mir aufnehmen. Das ist pralles Leben und ich darf es miterleben.


    Beiden Büchern ist gemeinsam, dass ich mir als Leserin selbst Gedanken machen darf. Hier darf ich die Geschichte von Lene, Anna und Lis miterleben, aber es wird nicht gewertet, so dass ich frei für eigene Interpretationen bin. Diese Offenheit gegenüber den Leserinnen und Lesern haben wir in der Büchereulen-Leserunde sehr genutzt, so dass rege Diskussionen entstanden sind. :wave Toll, wenn Literatur diesen Freiraum lässt! Dabei sind die Charaktere sehr menschlich, sie haben ihre Stärken und Schwächen und handeln auch so. Sie leben und sind nicht nur Figuren!


    Es gab auch viel zu diskutieren, denn es steckt sehr viel in dem Buch. Die Fragen, mit denen sich die Frauen in Späte Ernte beschäftigen, sind dann doch ganz andere als in Alte Sorten, so dass sich gegen Mitte des Buches eine ganz eigene Tonalität und Atmosphäre entwickelte. Von daher: beide Bücher sind vergleichbar, aber doch ganz eigenständig (wie Äpfel und Birnen eben ;)).


    Toll fand ich auch das Umfeld in Südtirol. So ganz nebenbei erfährt man sehr viel über das Leben dort und über den Apfelanbau und deren Weiterverarbeitung. Ich mag es, wenn Bücher nicht nur unterhalten, sondern auch neue Infos vermitteln.


    Das Buch spielt hauptsächlich in der Gegenwart, blickt aber immer wieder in das Erleben von Annas Großmutter Lene im und kurz nach dem 2. Weltkrieg und in Lis Vergangenheit zurück. Diese Rückblenden sind sehr gut in die Gegenwart eingewoben, so dass sich eine wunderbare Einheit ergibt.


    Fazit: Ein sehr empfehlenswertes Buch, das den Vergleich mit Alte Sorten nicht zu scheuen braucht, aber ein ganz eigenes (und wichtiges) Thema hat. Von mir ausgezeichnete neun Eulenpunkt von zehn.

    "Alles vergeht. Wer klug ist, weiß das von Anfang an, und er bereut nichts." Olga Tokarczuk (übersetzt von Doreen Daume), Gesang der Fledermäuse, Kampa 2021

  • Aufmerksam geworden bin ich auf das Buch wegen dem wunderschönen Cover.

    Und auch die Beschreibung der Geschichte hat mich angesprochen.

    Schon allein das "Apfelthema" fand ich hochinteressant und dann auch noch die Aussicht auf eine Erzählung über starke Frauen, die neue Wege gehen.


    Und ich wurde nicht enttäuscht.

    Angefangen bei Lene, die während des 2. Weltkriegs von einem Leben mit ihrem Liebsten träumt und nach anfänglichem Hoffen bitter enttäuscht wird über ihre Enkelin Anna, die Neues wagt über der vom Leben und der Liebe enttäuschten Lis, wurde hier eine hoffnungsmachende Geschichte erzählt, die wunderschön beschrieben ist.

    Drei Frauen, die nicht aufgeben, die ihr Leben in die Hand nehmen und trotzdem offen sind für das Bestehende und Bewährte.

    Denn dies kann man gut mit neuen Ideen und Gedanken verbinden.


    Mich hat das Buch sehr gut unterhalten und besonders der "Lene-Teil" war für mich sehr berührend.