Der Tote in der Crown Row - Sally Smith

  • Der Tote in der Crown Row

    Sally Smith

    Goldmann Verlag

    ISBN: 3442317924

    400 Seiten, 22 Euro



    Mit leisem Humor schildert uns Sally Smith die Figuren in diesem historischen Krimi. Der Schauplatz des Verbrechens befindet sich im Temple-Bezirk in London, in dem die Autorin ihr gesamtes Berufsleben als Anwältin verbracht hat. Dieses historische Gerichtsviertel, das sonst nur Schauspiel gähnender Langeweile zu sein scheint, wird plötzlich durch den Fund einer Leiche erschüttert; es handelt sich nicht nur um eine "beliebige" Leiche, sondern es ist der Lordoberrichter Dunning, der mit einem Messer gemein gemeuchelt wurde.


    Leider liegt er auf der Schwelle der Räumlichkeiten von Kronanwalt Sir Gabriel Ward, dessen behäbige Tagesroutine dadurch empfindlich unterbrochen wird.

    Während sich die Kollegen schon hinter vorgeschobenem Entsetzen Gedanken um die Nachfolge machen, erkennt Ward die Unfähigkeit des leitenden Ermittlers der Polizei. Doch im Temple-Bezirk regelt man seine Sachen intern und ehe sich Ward versieht, wird er mit der Aufklärung des Mordfalles beauftragt…


    Der Temple-Bezirk in dem man sich gut kennt und der Ward so viel Geborgenheit gibt, dass er ihn nicht verlassen will, wird ebenso gut geschrieben, wie seine Bewohner. Die Ermittlungen sind sehr interessant und laden zum Miträtseln ein. Dazu gibt es noch eine sehr sympathische Nebengeschichte, die perfekt in die Handlung eingebunden ist.


    Dies ist ein richtiger Wohlfühl-Krimi, der auch ohne blutrünstige Details und brutale Gewalt auskommt und der trotzdem sehr gut zu unterhalten weiß. Ich habe mich gern mit Sir Ward auf Spurensuche begeben und hoffe, es bald wieder tun zu können, denn der Titelzusatz „Sir Gabriel Ward ermittelt Band 1“ lässt hoffen, dass der Gute noch öfter tätig werden muss…


    ASIN/ISBN: 3442317924

  • „Lord Dunning jedoch, höchster Richter des Landes, entsprach in jeder Hinsicht den Erwartungen der Gesellschaft […]. Gewiss wäre niemand auf die Idee verfallen, dass Lord Dunning Opfer eines Mordes werden könnte.“


    London, 1901:

    Im Herzen der englischen Rechtswelt, dem Temple-Bezirk, herrscht helle Aufregung: Der höchste Richter des Landes, Lord Dunning, wird eines Morgens tot aufgefunden, und die Aufgabe, den Mord aufzuklären, fällt Kronanwalt Gabriel Ward zu, da die Polizei nicht befugt ist, im altehrwürdigen Viertel zu ermitteln. Der Protagonist ist ein spezieller Typ – Scharfsinn und Rechtschaffenheit zeichnen ihn aus, allerdings ist er in gewisser Weise auch ein wenig schrullig – very British eben! Die Charakterisierung des Junggesellen Ward macht ihn in meinen Augen liebenswert, spätestens seit der Erfindung von Hercule Poirot dürfen (Hobby)detektive auch Macken haben, solange sie nur brillant sind…


    Diese Inhaltsangabe hört sich zugegebenermaßen etwas trocken an, mir gefiel der historische Kriminalroman von Sally Smith aber gut. Die Autorin verfügt zweifellos über ein fundiertes Wissen, welches sie geschickt zur Erschaffung einer interessanten Krimihandlung nutzt. Auch die deutsche Übersetzung von Sibylle Schmidt ist recht gelungen, sodass „Der Tote in der Crown Row“ auch auf formaler Ebene überzeugen kann. Man muss sich als Leser/in allerdings für das Cozy Crime – Genre erwärmen können. Sally Smith entführt die Leser in eine Welt voller Traditionen und Geheimnisse, ohne dabei auf billige Schockmomente zu setzen, was aber auch bedeutet, dass das pacing eher gemächlich ist, da die Britin sich Zeit nimmt, um ihre Geschichte zu erzählen. Neben dem Hauptplot gibt es noch eine Nebenhandlung, über den genauen Verlauf will ich an dieser Stelle jedoch nicht viel verraten, um Spoiler zu vermeiden.


    „Der Tote in der Crown Row: Ein Fall für Sir Gabriel Ward“ ist ein kammerspielartiges Whodunit, daher ist es einerseits ein klassischer britischer Schmöker und andererseits ein atmosphärisches Puzzle der unvorhergesehenen Wendungen, das nie langweilig wird.

    Erzähltechnisch ist es eigentlich ein alter Hut, wenn eine geheimnisumwitterte Welt aus den Fugen gerät. Es ist die Umsetzung, die hier begeistert, ein detailverliebter „Feinschliff“, der die Geschichte von Krimieinheitsbrei, der derzeit auf den Markt geworfen wird, angenehm abhebt. Daher empfehle ich „Der Tote in der Crown Row: Ein Fall für Sir Gabriel Ward“ gern zur Lektüre.


    ASIN/ISBN: 3442317924

    "Literatur ist die Verteidigung gegen die Angriffe des Lebens."


    "...if you don't know who I am - then maybe your best course would be to tread lightly."

  • "Der Tote in der Crown Row" von Sally Smith ist das Début der Autorin - und sie tat gut daran, das Manuskript endlich aus der Schublade zu holen und das Licht der Welt erblicken zu lassen: Mir hat dieser Cosy "A Case of Mice and Murder" im englischen Original betitelt, nämlich sehr gut gefallen! Erschienen ist der Kriminalroman bei Goldmann (HC, gebunden, 397 S.) 2025. Die Autorin hat selbst viele Jahre als Kronanwältin im Temple-Bezirk in London gearbeitet - und dies merkt man diesem authentisch geschriebenen Krimi auch an! (Ich wusste zuvor nichts von den 4 Bezirken der Gerichtsbarkeit mit jahrhundertealter Tradition im Herzen Londons und finde das Setting außergewöhnlich und interessant; ebenso wie die Zeit, in der der Krimi spielt: Wir schreiben das Jahr 1901....


    Sir Gabriel Ward, scharfsinniger und dennoch Barrister und Lordrichter "mit Feingefühl", verschroben, mit neurotischen Macken, der sein ganzes Leben (und das sehr gerne) im Inner Temple lebt, stolpert eines Morgens über eine Leiche: Der Tote trägt einen schwarzen Mantel, die Melone ist ihm vom Kopf gefallen - und er hat weder Strümpfe noch Schuhe an! Wie sich herausstellt, handelt es sich um den Lordoberrichter Norman Dunning.... Da es sich um ein Verbrechen handelt (der Schaft des Messers ragt aus der Brust des Toten), wird schnell klar, dass dies ein Fall für die örtliche Londoner Polizei ist. Da diese im Temple Bezirk (einer mit dem Vatikan vergleichbaren Enklave, in der seit Jahrhunderten eigene Gesetze gelten) keine Befugnisse hat, kommt man überein, Gabriel zu beauftragen, interne Ermittlungen einzuleiten. Er kannte den Lordoberrichter von Kindesbeinen an; sie studierten zusammen im Eton College und die Laufbahnen waren sehr unterschiedlich: während der eine (Dunning) zum Lordoberrichter avancierte und zeitlebens darum fürchtete, für seinen minderen Intellekt 'enttarnt' zu werden, war der andere (Gabriel Ward) dafür bekannt, selbst die vertracktesten Fälle zu lösen, an denen seine Kollegen verzweifelten.


    Seitens der Ermittlungen kommt es zu einer Teambildung zwischen Gabriel und dem jungen Constable Wright, der hier eine gute Figur macht und von neuen Ermittlungstechniken (im Gegensatz zu seinem Vorgesetzten, der dies für 'Kokolores' hält) ebenso wie von den Fähigkeiten Gabriels sehr viel hält: So hat er eine blutige Hand an der Mauer fotografiert, die später noch Bedeutung haben sollte. Auch die neue Art, zu ermitteln, die auf Fingerabdrücken basiert, machen sich die beiden ungleichen Männer, die sich wundervoll ergänzen, später zunutze. Denn Temple-intern benötigt es wirklich 'Feingefühl', da einige, die verdächtig erscheinen könnten, sehr an ihrem Ruf, an ihrer Ehre, an ihrem Renomee - und an ihrer Karriere hängen....


    Was z.B. liegt im Dunkeln, was bei dem "Kleinen Diner", das der Schatzmeister am Abend des Mordes gab, so dringend besprochen werden sollte? Welche Rolle spielen Lordrichter Brown und Wilson, der Kontrahent bei Gericht (und dennoch fairem Freund) Sir Barton - und der Schatzmeister? Ganz zu schweigen vom Reverend der Temple Church? All' diese Fragen gilt es für Gabriel und Wright, herauszufinden. Und es ist sowohl spannend als auch sehr vergnüglich zu lesen, wie die beiden dies anstellen: Da werden die Herren Lordrichter befragt; frühere Gouvernanten im Hause Dunning, die - zum Leidwesen Gabriels nicht in der näheren Umgebung leben - weshalb kurzerhand Wright in seinen freien Tagen nach Greenwich und nach Bournemuth reisen muss (Gabriel schätzt es überhaupt nicht, sich vom Temple zu entfernen, der ihm existenzielle Sicherheit und Wohlgefühl verschafft: In der Bench Street umgeben von Stapeln von Büchern fühlt er sich zu Hause; zu Frauen hat er ein eher schwieriges Verhältnis. Allerdings gibt es da Ausnahmen: Die Köchin sowie auch Meg, das Küchenmädchen sowie das gesamte Küchenpersonal hat den Anwalt ins Herz geschlossen (was sich in prächtigen Körben als Gruß aus der Küche vor seiner Türschwelle manifestiert). Doch parallel zu dem Mordfall gibt es noch eine weitere 'Ungereimtheit' - Mr. Moore, seines Zeichens Buchhändler und Verleger bzw. dessen kleine Tochter finden ein Manuskript, das ihm jemand vor seine Tür im Verlag legte: "Millie, die Kirchenmaus". Die Tochter ist so entzückt, dass ihr Vater auf die Botschaft im Kinderbuch aufmerksam wird - und es verlegt: Mit solch' einem Erfolg, dass der auf der Kippe stehende Verlag gerettet werden kann! Doch wer ist die Urheberin des Textes? Handelt es sich hierbei um ein Pseudonym? Moore versucht vergeblich, die Autorin bzw. den Autor zu ermitteln, bis es eines Tages zu einem Prozess kommen sollte: Miss Susan Hatching beansprucht das Urheberrecht an "Millie" und möchte sich nicht an den Einnahmen bereichern, sondern es 'ihrer' Kirche zukommen lassen. Doch ist sie wirklich die Autorin?


    Diese beiden "Fälle" werden parallel verfolgt und Sally Smith versteht es hervorragend, die subtile Spannung zu halten: Die Figuren werden sehr gut ausgeleuchtet und besonders Wright und Sir Gabriel Ward sind sehr sympathische Ermittler! Mir gefiel z.B. die Neurose Gabriels, das Tintenfass und den goldenen Bleistift immer in derselben Position auf dem Schreibtisch zu wissen, da ich vor ca. 30 Jahren dieselbe Neurose hatte :D. Der Cosy-Krimi hat kurze Kapitel, ist sehr eingängig und mit ironischem Unterton geschrieben, der auch die Atmosphäre dieses geschichtsträchtigen Bezirks zum Ausdruck bringt.


    Fazit:


    Ein vergnüglich zu lesender historischer Cosy-Krimi, der durch Authentizität sowohl der Lösung der Fälle als auch der Figuren überzeugt. Ich kann "Der Tote in der Crown Row" bedenkenlos und gerne weiterempfehlen und würde mich sehr freuen, wenn die Autorin weitere Fälle für Sir Gabriel Ward (und den jungen Constable Wright) folgen lässt! 4****

  • London 1901: Vor seinem Büro im Temple- Bezirk findet Barrister Gabriel Ward die Leiche des Lordoberrichters Norman Dunning. Da im Temple eigenes Recht gilt, wird die Polizei vorerst von den Ermittlungen ausgeschlossen, und Gabriel damit beauftragt. Dem passt das gar nicht, nicht nur, weil er sich auf einen baldigen Gerichtstermin vorbereiten muss.


    Gabriel Ward habe ich innerhalb weniger Seiten ins Herz geschlossen. Er ist ein besonderer Mensch, hochintelligent, sehr belesen, und hat das Herz am rechten Fleck, er hat aber auch mit Zwangshandlungen und Ängsten zu tun, so war er schon lange nicht mehr außerhalb des Temple, wo er nicht nur arbeitet, sondern auch lebt, muss ihn nun aber verlassen, um die eine oder andere Frage stellen zu können. Zum Glück wird ihm Maurice Wright, ein Constable der Londoner Polizei, zur Seite gestellt, der ihm gute Dienste leisten kann.


    Es hat mir wirklich Spaß gemacht, Gabriel bei seinen Ermittlungen zu begleiten, und er wuchs mir mit jeder Seite mehr ans Herz, manchmal ist es wirklich schade, dass jemand keine reale Persönlichkeit ist, die man tatsächlich treffen könnte. Nicht nur ihr Protagonist, auch andere Charaktere sind der Autorin sehr gut gelungen, neben Maurice hat mir auch die Schwester des Toten, Theodora Dunning, sehr gut gefallen, die selbst gerne als Juristin gearbeitet hätte, was ihr aber wegen ihres Geschlechts verwehrt wurde..


    Auch das Setting spricht mich sehr an. Obwohl ich schon einige historische Kriminalromane gelesen habe, die in London spielen, ist der Temple mir bisher fremd geblieben. Hier erfährt man nun einiges über ihn, das zum großen Teil auch der Wahrheit entspricht, wie man dem Nachwort der Autorin, die selbst dort arbeitet, entnehmen kann, und das auch heute noch zum Tragen kommt. Natürlich hat mich das direkt auch zum Weiterrecherchieren verführt. Es gibt eine Karte zu Beginn des Romans, aber ich fand schon die Beschreibung in der Geschichte selbst so gut, dass ich mir alles vorstellen konnte.


    Im Grunde hat Gabriel zwei Fälle zu klären, den Mord an Dunning, und den Urheberrechtsprozess, den er vor Gericht austragen muss. Durch diesen kommt neben Gabriels eine zweite Perspektive ins Spiel, die des Verlegers Herbert Moore, den Gabriel vor Gericht vertritt. Auch in ihn konnte ich mich gut einfühlen. Beide Fälle sind sehr interessant und werden am Ende nachvollziehbar gelöst. Ich hoffe sehr, dass dieser Roman der erste einer langen Reihe sein wird, ich möchte Gabriel und die anderen Charaktere unbedingt wiedertreffen.


    Der Roman hat mich von Anfang an gepackt, er punktet mit einem besonderen, sehr überzeugenden Protagonisten, einem interessanten Setting und zwei spannenden Fällen, die nachvollziehbar gelöst werden. Ich hoffe auf weitere Bände!

  • Hat mich in nahezu allen Bereichen begeistert


    Buchmeinung zu Sally Smith – »Der Tote in der Crown Row«


    »Der Tote in der Crown Row« ist ein Kriminalroman von Sally Smith, der 2025 bei Goldmann in der Übersetzung von Sibylle Schmidt erschienen ist. Der Titel der englischen Originalausgabe lautet »A Case of Mice and Murder« und ist 2024 erschienen.


    Zum Autor:

    Die Anwältin Sally Smith hat als King’s Counsel ihr gesamtes Berufsleben im Temple-Bezirk verbracht. Die historische Umgebung, in der sie lebt und arbeitet, und die jahrhundertelange Geschichte des Ortes inspirierten sie zu ihrem ersten Roman.


    Zum Inhalt:

    London 1901: Der Anwalt Gabriel Ward bekommt es mit einem Mord zu tun. Wegen der besonderen rechtlichen Lage im Temple Bezirk soll er zusammen mit einem jungen Polizisten Ermittlungen durchführen. Parallel dazu arbeitet er an einer komplizierten Urheberrechtssache.


    Meine Meinung:

    Dieses Buch hat mich von Beginn an positiv überrascht. Gabriel Ward ist eine faszinierende Figur. Einerseits ist er ein begnadeter Anwalt, andererseits sind seine zwischenmenschlichen Fähigkeiten eher bescheiden. So scheint es zumindest, aber diese Figur hat im Laufe der Geschichte meine Sympathien vollständig eingefangen. Im Gegensatz zu einigen Kollegen behandelt er alle Menschen mit Respekt und Achtung. Die Entwicklung seiner Zusammenarbeit mit Constable Wright ist ein Highlight dieses Titels, ebenso wie die Rolle Theodora Dunning, die alle Fähigkeiten eines Anwalts hat, aber trotzdem keiner werden kann, weil ihre Fähigkeiten einfach ignoriert werden.

    Es gibt reichlich Einblicke in das englische Rechtssystem und die Sonderstellung, die der Temple Bezirk geniest. Die Geschichte wird aus wechselnden Perspektiven erzählt, meist folgt der Leser aber Gabriel Ward. Viele Figuren wirken realistisch und lebendig. Hin und wieder kommen auch Klischees zu Wort. Die Handlung ist komplex mit einigen Nebenhandlungen und überraschenden Wendungen. Britischer Humor ist wiederholt spürbar. Die Spannungskurve ist gelungen und die Auflösung überraschend, aber nachvollziehbar. Mich hat dieser Titel prächtig unterhalten.


    Fazit:

    Ein historischer Kriminalroman mit einem besonderen Setting, gelungenen Figuren und überzeugender Handlung. Die Hauptfigur hat mich gefangen genommen und nicht mehr losgelassen. Diese Titel bewerte ich deshalb mit fünf von fünf Sternen (90 von 100 Punkten) und spreche eine klare Leseempfehlung aus.


    ASIN/ISBN: B0DLP31LP8

    :lesend Beate Maly - Tod am Semmering

    :lesendEmily Rudolf - Das Dinner

    :lesend Achim Zons - Von Schafen und Wölfen

  • Britischer Humor at its best!

    Woher haben die Briten nur ihren herrlichen und schrägen so typisch britischen Humor? Was passiert, wenn eine Frau als Rechtsanwalt im Templebezirk praktizieren will? Abgesehen davon, dass sie nicht zum Studium des Rechts zugelassen wird, müssten noch Vater und Bruder zustimmen. Frauen dürfen nur als Ehefrauen im Hintergrund sichtbar sein. Unverheiratete Frauen dürfen sich um die Kinder der verheirateten Familienmitglieder kümmern.

    Der Bezirk des Inner Temple ist in diesem historischen Krimi eine in sich geschlossene Welt. Eigene Kirche, eigenes Speiselokal mit eigener Küche, eigene Druckerei spezialisiert auf Fachliteratur der Jurisprudenz, manche der Anwälte wohnen sogar im Bezirk.

    Der Betreiber der Buchdruckerei und -ladens gibt Anlass zu einer Parallelhandlung zum eigentlichen Krimi. Das Manuskript eines Kinderbuches wurde ihm anonym auf die Türschwelle gelegt, er druckte es, das Buch wurde ein Riesenhit, der Verleger konnte seinen Laden, seine Finanzen und sein Haus sanieren. Aber nun meldet sich eine junge Frau, die behauptet, die Autorin des Buches zu sein und verlangt das ihr zustehende Geld.

    Der arme Oberrichter, noch nicht richtig tot und schon beginnt das große Hauen und Stechen um die Nachfolge. Gleich zwei Anwälte bewerben sich um diesen Posten.

    Der Anwalt Gabriel Ward wohnt ebenfalls im Inner Temple. Auf seiner Türschwelle wurde die Leiche des Lord Oberrichters entdeckt. Ward soll nun den Mord am Oberrichter klären und auch den Fall des Buchverlegers vor Gericht vertreten. Lord William Waring, Schatzmeister im Temple, verheiratet, zwei Töchter, eine Geliebte und diverse gelegentliche Gespielinnen, zwingt Gabriel, sich um die Aufklärung des Mordes zu kümmern, ansonsten droht er ihm mit dem Rauswurf aus seiner komfortablen Wohnung im Inner Temple. Waring nennt diese Erpressung euphemistisch eine “ausgesprochen erquickliche Unterredung” (S. 47)

    Ward zur Seite steht der junge Constable Maurice Wright von der City of London Police, ein Mann von außergewöhnlicher Beobachtungsgabe und liberalen Denken. Ohne viel Schulbildung und ohne ein Buch gelesen zu haben, besitzt er eine natürliche Intelligenz, die ihn Zusammenhänge schnell erkennen lässt. Die Zusammenarbeit zwischen dem trockenen, scheuen und vielbelesenen Rechtsgelehrten Ward und Wright, der “in der Schule nur Buchstaben und Zahlen gelernt und noch nie ein Buch besessen” hat (S. 72) gestaltet sich als äußerst erquicklich, für die beiden, aber auch für uns, die Leserschaft. Als Ward dem Constable einen trockenen Sherry anbietet und ihn fragt, ob der Sherry zu trocken sei, antwortet dieser ehrlich und treuherzig: “Nein, danke Sir… Er ist tatsächlich ziemlich nass.” (S. 73)

    Es ist die Zeit, in der sich neue Methoden in der Kriminologie langsam durchsetzen aber noch nicht von allen Polizisten beachtet werden. So gibt es den Sergeant, der den Tatort kontaminiert, und überall herumtrampelt und alles anfasst, weil er solch neumodische Methoden für Humbug hält.

    Ein anderes erheiterndes Thema, obwohl nichts daran lustig ist, die Kindermädchen im Buch lieben den Roman Jane Eyre von Charlotte Bronte, weil sie insgeheim die tiefe vergebliche Hoffnung hegen, dass ein reicher Gutsbesitzer sie einmal ehelichen wird.

    Ich habe den britischen Humor sehr genossen. Understatement, oft nur angedeutete Antworten, Gesten, deren Bedeutung sich dem Leser erst im Nachhinein erschließen, einfach herrlich. Für dieses Buch muss man sich Zeit lassen, um dem Humor und Iroie Gelegenheit zu geben, sich so richtig zu entfalten.


    Sehr feiner britischer Humor gepaart mit einer interessanten Krimihandlung und die Frage nach der Rolle der Frau in der Gesellschaft