Sind Kritik am Text und Kritik an der Person trennbar?

  • Zitat

    Original von Tom
    Sind Kritik am Text und Kritik an der Person trennbar?


    Ich habe mir erlaubt das mal hervorzuheben und werde auch den Topictitel von "Das ist ein Scheißtext, Du bist ein Scheißautor" dementsprechend abändern. Vielleicht finden dann ein paar wieder zurück in die Spur. ;-)


    Gruss,


    Doc

  • Tom,


    ich weiß nicht, ob ich dich verstehe, aber geht es bei jeder Art von Kritik immer so, dass ich mich als Autor und Mensch in Frage gestellt sehe.


    Man kann, glaube ich, bei vielen Autoren den Schreiber nicht vom Menschen trennen und so also auch nicht den Text vom Menschen. Es sind meine Gedanken, die ich da zu Papier bringe. Wenn jemand also sagt, dein Text ist scheiße, dann heißt das: deine Gedanken sind scheiße. Wenn meine Gedanken, die mich aber nun mal ausmachen, scheiße sind, dann bin ich es als Mensch auch. Ist es das, was du meinst?


    Es geht dabei überhaupt nicht darum, ob die Kritik gerechtfertigt ist oder nicht, und es geht auch gar nicht um die Art der Kritik. Es geht darum, dass es da jemanden gibt, der meine Texte und also mich für unzulänglich hält.


    Das ist die eine Ebene, die ich "meine persönliche Betroffenheitsebene" nenne und die mich gekränkt sein lässt.
    Dann gibt es noch die "Vernunftebene", die irgendwann mal nachdenkt, ob an der Kritik nicht vielleicht etwas dran sein könnte. Aber das ist ein ganz anderes Thema.

  • Zitat

    Original von Ikarus
    ...sowohl gegenüber den Texten selbst als auch gegenüber mir als Person, die einfach sich selbst und ihr Erzähltalent mal ausprobiert hat.


    Du hast dich selbst ausprobiert? :wow Hier im Forum? :lache


    ätt Tom:



    *hilfsbereit bin*


    Diese Diskussion, ob die Textkritik abtrennbar von der Kritik an der Person ist, werden wir auch in hundert Jahren noch führen. Und keinen gemeinsamen Nenner finden. Ich weiß nicht, ob man das trennen kann, denn genauso, wie jeder be/getroffen von einer vielleicht als sachlich abgesandten Kritik ist, kann niemand von sich behaupten, absolut objektiv zu urteilen. Wenn mir ein Text überhaupt nicht zusagt und schlimmstenfalls ganz gegen meine Werte verstößt, kann ich auch dem Autor nicht mehr unvoreingenommen gegenübertreten. Dann meine ich nicht nur den Text, sondern auch die Person dahinter mit meiner Kritik und greife beide an. Das ist sicher auch bei einigen Texten hier im Forum so, das passiert oft sicher unbewußt, ausschließen kann ich es von vorn herein nicht, auch wenn ich es nicht beabsichtige.


  • Waren welche draußen? :wow :bruell Tom, komm zurück, das Wörterbuch "Mann/Deutsch - Deutsch/Mann" von der Fröhlich ist eh vergriffen :grin


    Back to Topic: wie oft soll ich das denn jetzt noch betonen? Redundante Themen sind irgendwo langweilig.


    Aber gut...*schulterzuck*...Antwort auf die Frage des Topics:
    Ich finde "Ja", oder sollte es zumindest sein.


    Mach halt `ne Umfrage, Doc. Geht schneller. ;-)

  • Zitat

    Original von Tom
    Lustig. Der Gegenstand der Diskussion wird hoffnungslos fehlinterpretiert. Jetzt geht es um Fäkalsprache in Kritiken. Morgen wird es sich vermutlich um die bevorzugte Farbe des Toilettenpapiers ranken. Die Ausgangsfrage bleibt nur marginal berührt, und sie hatte nichts - rein garnichts - mit Scheiße zu tun: Sind Kritik am Text und Kritik an der Person trennbar? Es ging nicht um Ehrlichkeit, nicht um Sprachwahl, nicht um Respekt oder dessen Abwesenheit, nicht um Inhalte, nicht einmal nur um schlechte Kritiken.


    Viel Spaß noch. :grin


    LOL!


    Ging es nicht um die Frage, ob der Umkehrschluß (der per se unzulässig ist, kleine Anmerkung am Rande; es geht wohl mehr um logische Form dieses Schlusses) siehe Threadtitel wenigstens als zulässig gedacht werden könnte? Fäkalkritik meint im übrigen eine Kritik, die nicht mehr nur textorientiert ist, sondern die Bedeutungsebene des Wortes "scheiße" auf den Autor in seiner Eigenschaft als Autor überträgt - Du stellst ja selbst einen qualitativen Unterschied zwischen den Begriffen schlecht und scheiße fest.


    --


    Da sich aber urplötzlich, wegen göttlicher Fügung sozusagen, der Diskussionsschwerpunkt auf Steuerbord verlagerte und es nun mehr - ach, wie konnte man es übersehen - um die Trennbarkeit von Text und Verfasser geht: wer seriös bleiben will, kritisiert textimmanent. Und dabei ist das Wie!? - entgegen kollektiver Verneinungen - durchaus entscheidend, ob eine Kritik persönlich wird - oder besser: den Autor veranlasst, die Kritik auf sich zu beziehen, was er sowieso tun wird.


    Diskurstheoretisch haben wir alle die selben Voraussetzungen, eine Kritik zu schreiben: wir können die eingestellten Texte lesen und Argumente über die Qualität bei diesbezüglich variierenden Kriterien (schließlich ist Kunst neben dem Handwerk auch eine Frage des Geschmacks) austauschen, gemäß der Maxime: das beste Argument gewinnt. Und weil es in Kritiken immer auch um Bedeutungszusammenhänge und das Wahrnehmungsprofil des Kritikers geht, ist eine einzige Kritik nicht objektiv genug -- obwohl sie schon aus wissenschaftlichem Interesse den Anspruch an sich stellt, dies zu sein. Und dazu gehört Seriösität.


    Die Ausgangsfrage, sofern sie das tatsächlich war, ist banal, wenn man voraussetzt, daß sich der Autor mit seiner Kunst identifiziert. Mit den Ohren eines Autors, der das, was er da zutage fördert, in gewisserweise lebt, klingt jede Form der Kritik wie schrilles Hohngelächter (siehe Goethe-Gedicht an Nicolai). Ein guter Kritiker läßt eben nicht zu, daß seine Kritik aus sich selbst heraus auf den Autor bezogen werden kann. Das betrifft sowohl inhaltliche, interpretatorische und handwerkliche Aspekte, die alle über verschiedene Ebenen miteinander verwoben sind. Für meine Begriffe ist Kritik am Text von der Kritik an der Person sehr wohl zu unterscheiden. Zumindest intentional, wenn sie formalen Kriterien entspricht.

    »Wer die Dummköpfe gegen sich hat, verdient Vertrauen.«
    Sartre

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  • Zitat

    Original von Idgie


    Du hast dich selbst ausprobiert? :wow Hier im Forum? :lache


    Will auch so einen schönen Strick :cry :cry :cry keiner nimmt mich ernst...Klasse! :-]

  • Zitat

    Original von Grizzly
    Für meine Begriffe ist Kritik am Text von der Kritik an der Person sehr wohl zu unterscheiden. Zumindest intentional, wenn sie formalen Kriterien entspricht.


    Da mich das Thema ja im Moment wirklich nicht ruhen lässt...
    Wie sehen solche formale Kriterien aus? Erkennt der Adressat der Kritik diese auch als solche?


    Gruss,


    Doc


  • Keine Ahnung, wie das in der Praxis ausschaut, ist nicht mein Schwerpunkt. Das Thema ist allerdings so feingliedrig, daß an diversen Unis oder Schulen auch das Studienfach Literaturkritik angeboten wird. Ich kenne mich nur mit der Literaturwissenschaft aus, schätze aber, beide Wege führen nach Rom, oder besser: kommen von da, Stichwort: Hermeneutik - das heißt, der Versuch, den Text in seiner Komposition [edit: Freudscher] zu erfassen (Motivik, Symbolik, Charakterisierung, Stilistik usw.) und ihn auf dieser Grundlage des Zusammenspiels schlußendlich zu interpretieren (wobei die Wissenschaft vollmündig behauptet, auch Facetten des Textes zu entlarven, an die der Autor nichtmal, oder wenn überhaupt nur im Traume gedacht hat). Da das alles kein phantastischer Turmbau zu Babel ist, sondern handfeste Arbeit am Text, lassen sich Interpretationsansätze oder Literaturkritiken diskutieren und ihre Argumentation(en) mit Textbezug freilich widerlegen. Das wäre zum Beispiel ein Kriterium (wie wir es aus auch anderen wissenschaftlichen Disziplinen kennen - Falsifikation).

    »Wer die Dummköpfe gegen sich hat, verdient Vertrauen.«
    Sartre

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  • Zitat

    Original von Ines
    Grizzly,


    ich widerspreche: Kritik am Text ist NICHT von der Kritik an der Person zu trennen. Ich schrieb weiter oben die Gründe dafür.


    Für einen Kritiker allerdings sieht die Sache ganz anders aus. Zumindest vordergründig.


    Ich schreibe morgen was dazu. Ich bin jetzt weg -

  • Nochmal:


    Was immer ein menschliches Wesen produziert, ist Teil von ihr/ihm.
    Stößt dieser Teil auf Ablehnung, wird auch Produzentin/Produzent getroffen.
    Ob man einem Krabbler sagt: dein Sandkuchen ist schief, einer Fünfzehnjährigen: wenn du singst, klingt es, wie wenn die Kelly-Family geschlossen kotzt oder einem Zwanzigjährigen: dein Gedicht ist Extrem-Kack
    ist im Ergebnis das gleiche.


    Bringt einen die Erkenntnis weiter?


    Ja, wenn sich beide Seiten darüber im Klaren sind.


    Der Krieg zwischen KünstlerInnen und KritikerInnen ist so alt wie die Kunst.
    Zugleich brauchen sie einander.
    Selbstherrlichkeit können beide Parteien nicht brauchen.
    Wie man auf der einen Seite nicht nur auf dickes Lob hoffen darf, darf man auf der anderen ein Deutungsmacht und Richtigkeitswahn beanspruchen.


    Das muß ausgehandelt werden: was ertrage ich von wem?
    Was sage ich wem wie?


    Das große Problem ist die Absicht, die dahinter steckt.
    Oft genug verbirgt sich da Ungutes. Neid, Ablehnung, eigenes Nicht-Können. Unverständnis, Unwissen bei KritikerInnen.
    Auf der Gegenseite Arroganz, Genie - resp. Schöpferwahn, Auserwähltsheitsvorstellungen.


    Non plus ultra.
    Für alles weitere brauche ich die nächsten zehn Jahre :grin

    Ich und meine Öffentlichkeit verstehen uns sehr gut: sie hört nicht, was ich sage und ich sage nicht, was sie hören will.
    K. Kraus

  • Zitat

    Original von magali
    Das muß ausgehandelt werden: was ertrage ich von wem?
    Was sage ich wem wie?


    Läuft das darauf hinaus, daß man als Verfasser also angeben sollte a) welchen Hintergrund man hat (also z. B. "Ich bin nur ein Hobby-Essayist und 12 Jahre alt") und b) von welchen Personen (Eule A und B) oder gar Personenkreis (alle Muttis) man sich Kritiken wünscht?


    Anschließend kann dann der Kritiker überlegen, ob und vorallem welche Form dem angemessen ist?


    Gruss,


    Doc

  • Zitat

    Original von Doc Hollywood


    Anschließend kann dann der Kritiker überlegen, ob und vorallem welche Form dem angemessen ist?


    Hmm, mit dieser Filterfunktion verbaut man sich aber auch einiges. :gruebel

  • Doc,


    ein entschiedenes ja und nein. :lache


    Im Vordergrund steht der Text, den man vor Augen hat. Den liest man.
    Dieses Lesen erfolgt nach bestimmten Kriterien, muß so erfolgen.
    Von Rechtschreibung (einfach, na, ja vor der sogenannten neuen) und Formfragen über Dinge wie Handlungslogik, Personenführung und -Charakterisierung bis hin zu so kniffligen Themen zu Metaebenen.
    Allein all diese Dinge auf die Reihe zu kriegen, ist ebenso schwierig wie schreiben.
    Wenn ich nun die Kriterien auf der Reihe habe und dabei gleichzeitig immer im Kopf behalte, daß es ein teilweise flexibles System ist,
    dann muß ich noch beurteilen, wie es um die Person der/des Schreibenden steht.
    Was kann ich vom einem 12jährigen erwarten? Was von einem Hobby-Autorin, was von einem Autor, der für ein bestimmtes Marktsegment schreibt?
    Und wenn ich mir all das durchüberlegt habe und noch sieben Sachen dazu, dann kann ich die Kritik formulieren.
    Respekt also, vor dem Gegenüber. Die Anerkennung der künstlerischen Leistung dadurch, daß man sich als KritikerIn die größte Mühe gibt.


    Der 12jährige wird trotzdem in Tränen ausbrechen, Hobby-Autorin wird mir trotzdem an den Kragen gehen und vom Marktsegment werde ich die Bestsellerliste bekommen, mit einer Schachtel vergifteter Pralinen.
    Macht nichts, ich sterbe mit einem guten Kritikerinnen-Gewissen.


    Hai capito, carissimo?


    Tom
    laß uns Hamster füttern gehen :-)

    Ich und meine Öffentlichkeit verstehen uns sehr gut: sie hört nicht, was ich sage und ich sage nicht, was sie hören will.
    K. Kraus

  • ich verstehe nicht, warum manche meinen, dass das bei künstlern so viel anders ist als bei anderen menschen.


    auch ein koch steht hinter seinem gulasch. auch ein tischler hat vielleicht sein herzblut in die kommode gehobelt. auch ein arzt fühlt sich nicht nur als arzt, sondern auch als mensch gekränkt, wenn die patienten nicht mehr zu ihm gehen.


    sooo wichtig sind wir autorInnen nun auch wieder nicht, dass wir meinen, sensibler zu sein als andere menschen. unser gulasch besteht aus wörtern, unser hobel ist die sprache und anstatt rezepte schreiben wir gedichte.



    und es stimmt schon. jede kritik kann auch kränken. kann berühren. stellt in frage. aber nur, indem wir uns ständig in frage stellen, können wir uns entwickeln. wir alle. der koch. die tischlerin. der arzt. die autorin.


    die testsiegerin

  • Zitat

    Original von Ines als Gast
    Man kann, glaube ich, bei vielen Autoren den Schreiber nicht vom Menschen trennen und so also auch nicht den Text vom Menschen. Es sind meine Gedanken, die ich da zu Papier bringe. Wenn jemand also sagt, dein Text ist scheiße, dann heißt das: deine Gedanken sind scheiße. Wenn meine Gedanken, die mich aber nun mal ausmachen, scheiße sind, dann bin ich es als Mensch auch.


    Hallo, Ines


    Wenn eine Kritik mir deutlich macht "dein Text taugt nichts", müssen es ja nicht unbedingt die Gedanken sein, die die Mängelrüge verursacht haben. Es kann auch an meinem schlichten Versagen liegen, die Gedanken so zwingend in Sätze zu backen, dass das geschätzte Publico gar nicht anders kann, als sich an den Allgemeinplätzchen zu bedienen.


    Dass der Kuchen misslingt, passiert den besten Backenden - ob Profi- oder Amateurliga. Wenn er allerdings nie gelingt, muss ich mich nicht nur fragen, ob ich die richtigen Zutaten zum geeigneten Rezept habe. Gut, oft genug hapert es am Küchentalent. Aber manchmal ist auch einfach der Ofen nicht richtig angeschlossen.


    Manche Kritisierende haben schlicht eine Haselnussallergie. Für die ist die beste Nusstorte nichts. Und wenn ich denen Nussgipfeli vorsetze, die auch noch ein bisschen überbacken sind, dann - tja.


    Schöne Grüße von blaustrumpf

    Wer einmal aus dem Schrank ist, passt nicht mehr in eine Schublade.
    Aber mein Krimi passt überall: Inge Lütt, Eine Bratsche geht flöten. ISBN: 978-3-89656-212-8. Erschienen im Querverlag