Lesen Autoren weniger? Wenn ja, warum?

  • Wolf Kunik hat in Lindau erzählt, daß er kaum noch bzw. gar nicht mehr liest, seit er selbst Romane schreibt.
    Ich habe darüber nachgedacht und bei mir selbst festgestellt, daß ich während der Arbeit an meinem Manuskript kaum noch Bücher gelesen bzw. nach ein paar halbherzigen Versuchen wieder weggelegt habe. Das wurde erst besser, als das Ende des Projekts langsam abzusehen war. Mittlerweile habe ich aber wieder richtig Spaß daran ein Buch zu lesen.


    Wie ist das bei Euch?
    Lest Ihr während der Arbeit an einem Roman noch Bücher nebenher, lest Ihr überhaupt noch? Wenn Ihr lest, lest Ihr dann gegensätzliche Genres zu Eurem Text?


    Gruss,


    Doc

  • Bei mir ist es genau umgekehrt. Ich lese wesentlich mehr, seitdem ich intensiv und zielorientiert schreibe. Aber ich kenne einige Kollegen, die eine gewisse Angst vor der "Marktbetrachtung" haben oder sich nicht mit anderen Autoren befassen wollen, weil sie irgendeine diffuse Angst davor haben, stilistisch beeinflußt zu werden - was m.E. blanker Unsinn ist.


    Es gibt zwei Dinge, die man tun muß, um besser zu schreiben, nämlich irre viel schreiben und ähnlich irre viel lesen.

  • Wenn ich an einem historischen Roman arbeite, dann vermeide ich historische Romane. Ich habe nämlich Angst, dass sich die Gedanken des anderen Romans in meinen Kopf schleichen und dort etwas durcheinander bringen oder dass ich - der schlimmste Fall - etwas abkupfere, ohne es zu bemerken.
    Schreibe ich eine Australiensaga, meide ich alle Belletristik über Australien.
    Ansonsten lese stetig sehr viel. Beim Lesen bin ich wie Picasso. Letztes Jahr hatte ich meine französische Periode, in diesem Jahr ist die DDR-Literatur dran. Davor waren es die Amerikaner. Dazwischen immer wieder mal ein Klassiker. Deshalb bin ich schon gespannt auf die Leserunde zu James Joyce.

  • Ich lese kaum noch, seit ich intensiv an Gherons und meinen Büchern arbeite. Das liegt aber an der Doppelbelastung durch Job und Schreiben, Ich komme höchstens noch zu meinen Magazinen (Geo, Spektrum, Damals etc.) oder dem einen oder anderen Artikel in der SZ.
    Dabei bin ich lesesüchtig! Mir fehlt es, ein, zwei Stunden auf der Couch oder im bequemen Sessel zu sitzen, die Beine hoch zu legen und zu lesen.


    Natürlich bin ich viel wählerischer als früher, lese mich aber immer noch alles Mögliche an Belletristik und Sachbüchern - aber fast nur noch im Urlaub. Im Wohnwagen fahren einige Stapel Bücher mit und die meisten kommen ungelesen zurück, weil ich auch im Urlaub schreibe.


    Manchmal würde ich am liebsten den Job an den Nagel hängen. damit ich Zeit zum Lesen finde. Die RUB's wachsen erschreckend - und die Stapel ungesehener DVD's auch. :cry :cry :cry


    Hört auf Tom: Lesen ist wichtig!


    Gruß Sysai (mit einem akuten Schub Lese-Entzugserscheinungen)

  • Ich muss etwas lesen, wenn ich schreibe - allerdings ein komplett anderes Genre. Schließe mich da Ines an: je nachdem, woran ich grade arbeite, kann es schon sein, dass sich eine gute Story ins Hirn schleicht und da was durcheinander wirbelt.
    Allerdings bleibt die Lesezeit bei der Arbeit an einem Projekt heftig auf der Strrecke. Zum einen muss Sekundärliteratur gewälzt werden, zum anderen hocke ich in den Schreibphasen bis ultimo am Schreibtisch und dann klappen die Augen einfach zu, da kann das Buch noch so gut sein.
    Aber was mir auffällt: ich habe langsam Mühe, Bücher zu genießen, denn wenn der Text nicht absolut fesselnd ist, mich komplett reinzieht, dann läuft nebenher eine Art Scanprogramm, das Satzbau analysiert oder den Plot verfolgt. Was aber das schlechteste nicht ist, denn, wie Tom sagt, auch das übt.
    Liebe Grüße
    Silke

  • @Doc
    das ist aber fein, daß Du wieder liest ;-)
    Glückwunsch!



    Ich lese weniger, seit ich schreibe.


    Das ist einmal eine Zeitfrage.


    Es ist zum zweiten eine Frage der Konzentration. Je nachdem, was ich aufs Papier bringen will, empfinde ich Texte anderer als Ablenkung.
    In solchen Zeiten wächst eher mein Filmkonsum.
    Und ich hole die Comics wieder vor.


    Es kommt aber der Punkt, an dem ich gar nicht mehr lese. Dann bin ich in meiner Welt und da gehört nichts anderes hinein.


    Zum dritten lese ich nicht mehr alles. Ich greife vermehrt zu dem, was man 'Literatur' nennt und nicht zu Unterhaltungsliteratur.
    Will ich mich bewußt ablenken, während ich an etwas arbeite, nehme ich eher ein Buch, das ich schon zigmal gelesen habe, Christie ist immer gut oder Enid Blyton ;-)
    Störung also, aber bloß nicht tiefgreifend!


    Das Wichtigste aber ist: ich lese anders.
    Ich nehme geschriebene Texte völlig anders wahr, weil ich plötzlich ein Auge für die Konstruktion dahinter bekommen habe und zwar nicht aus Sicht der Interpretation, sondern aus BauarbeiterInnensicht.


    Also: ein deutlicher Verlust an Quantität, aber ein Gewinn an Qualität.


    Eine 'Entzauberung' des geschriebenen Worts habe ich glücklicherweise noch nicht erlebt. Ich kann ihm noch immer nicht widerstehen, gedruckt, handschriftlich, es lockt.

    Ich und meine Öffentlichkeit verstehen uns sehr gut: sie hört nicht, was ich sage und ich sage nicht, was sie hören will.
    K. Kraus

  • da ich ständig am schreiben bin, allerdings überwiegend sach- und fachbücher, würde mir was fehlen, wenn ich, solange ich schreibe, nicht lesen würde, meist lese ich zwei bis drei bücher nebeneinander, so in jedem raum liegt ein buch.
    allerdings würde ich kein buch lesen, das ein ähnliches genre hat, wie der roman, den ich gerade fertiggestellt habe und wo ich derzeit überlege, wie ich den am besten vermarkte.
    ich lese auch nie fachbücher in meinem fachgebiet und bei sachbücher eigentlich auch sehr wenig
    gruss
    mike

  • trotz schreiben lese ich relativ viel. Einen nicht unbeträchtlichen Teil nehmen hier Recherchen ein, andererseits brauche ich aber auch Entspannung, damit mein armes, ausgequetschtes Gehirn sich erholen kann. Ja nach Lust oder Laune greife ich dann zu bereits bekannten Büchern, die ich immer wieder gerne lese, oder zu etwas Neuem. Historische Romane zählen hier allerdings zu den Ausnahmen, weniger allerdings, weil ich mir dadurch nicht meinen eigenen Stil beeinflussen lassen will, sondern weil ich mir durch das mehrfache Kontrolllesen unserer eigenen Texte angewöhnt habe, Schwachstellen zu suchen und aufzuzeichnen. Ich kann diesen Filter beim gleichen Genre nur schlecht abschalten. Bei anderen Genres gelingt mir das besser.


    Liebe Grüße


    Gheron :wave

  • Ich brauch auch beides - das Schreiben und das Lesen :-)
    Ohne würde mir etwas fehlen. Wobei ich auch keine Romane schreibe, sondern nur Geschichten. Und das so oft und gern, dass es gar keine Zeit gibt, in der ich "gerade nicht schreibe", also besteht für mich zwischen den zwei Dingen keine wirkliche Verbindung.

  • Ich lese weniger, höre dafür aber wesentlich mehr Musik als sonst. "Fremde" Bücher lenken mich sehr ab und irgendwie möchte ich auch keine anderen Geschichten lesen, wenn ich gerade in meine eigene eingetaucht bin. Wenn allerdings die Handlung steht und nur noch "handwerkliche" Dinge am Text zu verändern sind, bekomme ich wieder Lust zum Lesen und schnapp mir das nächste Buch.

  • Ich habe schon immer viel gelesen -- wer nicht gerne viel liest, sollte nicht ausgerechnet Literaturwissenschaften und/oder Philosophie studieren. :grin
    Aber es ist aufgrund von Zeitmangel weniger geworden, soviel ist sicher-- dafür allerdings erheblich intensiver, genauer, aufmerksamer. Denn wenn ich lese, möchte ich auf vergnügliche Weise lernen!!! :wave


    Daher lese ich Texte, die mich langweilen oder nerven, auch nicht (mehr) zu Ende. Aber dieser "Verlust" an Quantität geht schon seit längerer Zeit mit einem großen Gewinn an Qualität einher.
    Mainstream langweilt mich inzwischen ganz fürchterlich, schafft es meistens nicht mal mehr bis zur Kasse. Da tappen immer die gleichen Figuren in immer de gleichen Geschichten herum, nur die Kulissen unterscheiden sich in der Musterung, und am Ende hat man jedesmal das Gefühl, denselben handwerklichen Tricks und Finten aufgesessen zu sein.


    Trotzdem findet man immer wieder Edelsteine unter all dem Stroh, manchmal ist es auch nur Straß, aber auch das bereitet schon einen gewisses Vergnügen.


    Vor dem eigenen Genre habe ich keine Angst. Ich bin schwer erziehbar, d.h. kaum beeinflußbar. :grin Außerdem interessieren mich historische Themen einfach viel zu sehr, um die Finger davon zu lassen. Man könnte es auch unter Konkurrenzbeobachtung laufen lassen. :lache
    Allerdings bin ich bei historischen Romanen (angesichts der Masse an schlecht oder nur halb recherchierter Pseudo-Historie) noch wesentlich unduldsamer als bei anderen Genres. :grin

  • Hallo Doc,


    bei mir ist das Lesen leider auch etwas weniger geworden. Nicht, weil ich es nicht mehr will oder mag, sondern weil mir schlicht die Zeit fehlt. Irgendwie habe ich immer ein schlechtes Gewissen, wenn ich ein Buch zur Hand nehme, anstatt an meinem Manuskript weiterzuarbeiten. Würde ich noch so viel lesen wie früher, würde ich neben meinem Ganztagsjob überhaupt nicht zum Schreiben kommen.


    Mir fehlt das wirklich und ich bin froh, dass ich in knapp zwei Wochen Urlaub habe, gerade gestern das Wort ENDE unter mein Manuskript geschrieben und damit Zeit habe, zumindest auf dem 11-stündigen Flug ordentlich zu lesen. :-)



    Viele Grüße,


    Michelle

  • Wenn ich mal wieder eine Phase habe, in der ich aus Jux und Dollerei einfach nochmal was schreibe (was dann meistens in meinem Schreibtisch verschwindet, ich müsste so um die dreißig Anfänge für Geschichten darin runfliegen haben :grin) lese ich eigentlich nicht weniger als sonst auch.
    Allerdings nimmt die Länge der Nächte dann proportional mit der schwärze der Ringe unter meinen Augen zu. :nono


    LG,
    Rava

    Ich, ohne Bücher, bin nicht ich.


    Bücher sind lebensnotwendig. Ohne Bücher existiere ich. Aber ich lebe nicht.

  • Ich lese immer eher mehr während den Monaten in denen ich an meinem Buch schreiben- das kann allerdings auch daran liuegen, dass ich noch nich besonders alt bin und immer versuche, über die verschiedenen Schreibweisen der Autoren zu achten

    :writeWassertinte13 :write


    ´\_/
    .O.o
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  • Es gibt Autoren (ganz besonders diejenigen, die einen Roman nach dem anderen schreiben), die Bücher wortwörtlich als Treibstoff benutzen. Frei nach dem Sprichwort "Viel Lesen heißt viel Schreiben" verschlingen sie die Bücher in Massen. Ich selbst schreibe keine Bücher, aber ich kann mir vorstellen, dass Bücher als Inspiration diesen können, obwohl es sicherlich auch Phasen gibt, in denen man keine Ablenkung gebrauchen kann. Muss doch sowieso jeder für sich entscheiden!

  • Man macht immer wieder neue Erfahrungen... ich bin im Moment in der Endphase meiner Geschichte... wann hab ich das letzte mal gelesen?! Es scheint so irr her zu sein, weil ich im Moment meine ganze Kraft auf diese Geschichte konzentriere... der Lohn ist durchschnittlich 15 Seiten pro Tag.


    LG,
    Rav

    Ich, ohne Bücher, bin nicht ich.


    Bücher sind lebensnotwendig. Ohne Bücher existiere ich. Aber ich lebe nicht.

  • Ich lese nicht unbedingt weniger - aber anders.


    Zum einen vertiefe ich mich mehr in Fachliteratur (Waffentechnik, Kriegsstrategien, mittelalterliche Kleidung, Architektur, Lebensweise)


    Zum anderen lese ich nach wie vor normale Romane - und die analysiere ich mehr als früher.
    Ich überlege, wie ich manche Probleme gelöst hätte.
    Und ich spekuliere, ob ich die Story vielleicht besser hinbekommen hätte.


    LG
    Treogen

  • Also erstmal ist mein Schreiben ohne vorheriges Lesen ja gar nicht denkbar. Und inzwischen lese ich zwar anders als früher und zwischenzeitlich auch etwas weniger, aber ich nehme erst so richtig wahr, wie wichtig das Lesen mir fürs Schreiben ist. Lesen inspiriert mich, und ich brauche auch einen Überblick, welche Genres, Themen und Schreibstile es gibt. Ohne dieses Wissen würde ich ganz anders und mE schlechter schreiben.


    Andererseits hab ich zum Beispiel neulich überlegt, ob ich nicht vorerst aufhören sollte, Geschichten zu lesen, die zentral von Liebe handeln, so lange ich selber an so einer Geschichte schreibe. Kurz zuvor hab ich nämlich einen kompletten Rappel bekommen, hab überall nur noch Liebesgeschichten gesehen, Vergleiche mit meinem Romananfang angestellt und dachte, ich schmeiß mein Projekt in die Tonne und überhaupt. Lesen kann das Schreiben also auch behindern, manchmal ... :grin

  • Ich kann selten ein buch lesen, ohne es nicht umschreiben zu wollen, vor allem sogenannte ernste literatur. Mit satiren bin ich sehr tolerant, aber wenn mir ein 'ernstes' buch nicht gefällt, ärgert es mich, und dieses ärgernis schlägt sich meisst in kurzen oder längeren pasticci nieder, oder inspiriert mich danach zu suchen, wo ich in meinen texten einen ähnlichen blödsinn verzapft habe, und ich schreibe meine eigenen texte um, oder schicke sie gleich in den papierkorb.

    DC :lesend


    Heinrich August Winkler: Geschichte des Westens I


    ...Darum Wandrer zieh doch weiter, denn Verwesung stimmt nicht heiter.
    (Grabinschrift F. Sauter )

  • Ich habe schon immer viel und gerne gelesen. Dass ich meine eigenen Geschichten schreibe ist kein Grund, plötzlich weniger zu lesen... im Gegenteil, wenn man selber schreibt, weiß man, wo bei einem die Probleme liegen (oder was noch zu verbessern ist), und man achtet bei anderen Autoren ganz besonders darauf. So kann man dazu lernen. Allerdings sollte man dabei aufpassen, dass man das ein oder andere vom Autor nicht kopiert. :-)