'Deutschstunde' - Kapitel 01 - 05

  • So, dann mach ich mal den Anfang, hab grade das erste Kapitel gelesen.


    Von Anfang an fasziniert mich Lenz´Schreibweise. Er beschreibt sehr schön, ausführlich, mit ungewöhnlichen Adjektiven (z.B. stochernde Ratlosigkeit gleich auf der ersten Seite). Das macht mir gleich Lust auf mehr. Auch die Beschreibung der Landschaften, der Insel und der Elbe gefallen mir sehr gut, wobei ich mir schon denken kann, daß es kein Buch ist, das man schnell mal eben nebenbei liest.


    Man merkt auch an der Sprache, daß Lenz aus dem norddeutschen Raum kommt, ich kann meine Schwiegeroma förmlich reden hören!!! Tjalk mußte ich hingegen grade mal nachgucken, war auch der Grund, warum ich nach dem ersten Kapitel schon eine Pause eingelegt habe.Für alle, die auch wissen wollen, was das ist: Hier der Link zu Wikipedia.


    Das nordische kommt auch in Ausdrücken wie "vermadderten" zum Vorschein, allerdings finde ich es nicht störend, es gibt ein bißchen Lokalkolorit.


    Mir gefällts, die Geschichte wird flüssig erzählt und schön aufgebaut und ich bin wahnsinnig gespannt, welche Freuden die Pflicht denn nun hat...


    Soviel meine ersten Eindrücke

    :lesend Anthony Ryan - Das Heer des weißen Drachen; Navid Kermani - Ungläubiges Staunen
    :zuhoer Tad Williams - Der Abschiedsstein

  • Ich finde, dass man dieses Buch gar nicht schnell lesen kann, dadurch, dass die Sätze so lang und verschachtelt sind. Mir ist außerdem aufgefallen, dass Lenz ganz viele Farben benutzt und Personifizierungen.


    Gleich zu Beginn: Joswig hat dem Fensterbrett ein paar pochende Fragen gestellt und den Ofen auf Neutralität untersucht.


    Und dann kommen auch sehr viele Personen vor, ich hab mir die Namen einfach mal notiert, weil ich noch nicht weiß, wer später noch eine Rolle spielen wird.


    Die norddeutsche Sprache mag ich sehr gern, ich war auch gerade letzten Samstag an der Elbe, bei Buxtehude und Jork und Stade. Schön war es da. Man merkt es ja auch an den Namen. Jepsen, Nansen, Ole, Jens, usw.


    Ich hab bisher die ersten 3 Kapitel gelesen.


    1. Die Strafarbeit
    Siggi wird eingesperrt, weil er während der Deutschstunde den Aufsatz zum Thema "Die Freuden der Pflicht" einfach nicht schreiben konnte, weil er seine Gedanken nicht ordnen konnte und keinen Anfang fand. Und das während einer Doppelstunde! Heißt das nun, dass Siggi besonders perfektionistisch veranlagt oder einfach ein Träumer ist? :gruebel
    Aber was er dazu schreiben will, nämlich über seinen Vater, der Polizist ist und das Malverbot des Malers Nansen überwachen muss, finde ich sehr interessant.


    2. Das Malverbot
    Jens Ole Jepsen und sein Sohn Siggi überbringen dem Maler Nansen im Jahr 43 das Malverbot, dass von der Regierung über ihn verhängt wurde.


    Die Beschreibung, wie der Vater sich bereit macht, wie er sich gegen den Wind stemmt auf seinem Rad, das hat schon was. Als würde der Autor mit Worten Bilder malen wollen. Und diese Bilder erscheinen tatsächlich in meinem Kopf.


    Nansen soll übrigens den Maler Emil Nolde darstellen.


    Die Beziehung zwischen Nansen und Jepsen ist mir noch nicht ganz klar, einerseits denke ich, dass sie sich gegenseitig respektieren, aber ob sie sich sympathisch sind oder nicht, das ist fraglich. Kann aber auch an der norddeutschen Atmosphäre liegen, dass im Buch und den bisher beschriebenen Beziehungen noch keine Herzlichkeit aufkommt.


    3. Die Möwen
    Dieses Kapitel erschien mir eher wie eine Episode, nicht wie ein Vorankommen in der Geschichte. Siggis Schwester Hilke und ihr Verlobter Addi wollen Möweneier sammeln. Siggi folgt den beiden heimlich, weil er mehr vermutet. Schließlich wagen sie unter Aufsicht kaum, Hände zu halten. Siggis Mutter überwacht sie und mag Addi gar nicht. Demnach trauen sich die anderen der Familie auch nicht, sie zu mögen. Was für eine Frau muss das sein?


    Und dann die Szene, wie die Möwen ihre Eier verteidigen. Wie eine Schlacht wird es beschrieben, wie die diversen Möwenarten ihre Flügel ausbreiten, wie Kampfflugzeuge zunächst über den Dieben kreisen, dann schreien, um sie zu verjagen. Dabei fragte ich mich, ob Möwen wirklich töten könnten? :wow Ich finde sie mit ihren roten Augen und krummen Schnäbeln auf jeden Fall furchteinflößend, da ist nichts niedliches.


    Witzig, wie Maler Nansen die Möwen dargestellt hat, alle mit dem Gesicht von Polizeiposten Jepsen, mit Mützen auf und Gamaschen an. :lache


    Und dann wird Siggi von seinem Vater verprügelt. Erst war mir nicht klar, warum überhaupt. Doch die Antwort kommt: Weil er bei Gewitter zuhause zu sein hat. :bonk Ist das denn die Möglichkeit? Oh Mann... :rolleyes


    Aber sein Vater versucht ihn, auf seine Seite zu ziehen, indem er ihn bittet, den Maler Nansen gemeinsam zu überwachen. Dafür verspricht er ihm, aus ihm was Ordentliches zu machen. Schon klar... :pill


    Mein Fazit bis hier:
    Das Buch ist sehr langsam, alles wird genaustens beschrieben. Dafür muss man sich Zeit nehmen. Es ist kein Buch zum mal eben schnell lesen, jedenfalls nicht für mich. Ich bin gespannt, ob ich es bis zum Ende durchhalte.


    Ich komme wohl erst heute abend wieder zum Lesen.

  • Zitat

    Original von geli73
    Mein Fazit bis hier:
    Das Buch ist sehr langsam, alles wird genaustens beschrieben. Dafür muss man sich Zeit nehmen. Es ist kein Buch zum mal eben schnell lesen, jedenfalls nicht für mich. Ich bin gespannt, ob ich es bis zum Ende durchhalte.


    Genauso ging es mir auch nach den ersten paar Kapiteln, aber ich habe es, nachdem ich richtig "drin" war in der Geschichte, irgendwann nicht mehr so empfunden. Entweder wurden die Beschreibungen tatsächlich weniger oder man hatte sich daran gewöhnt.

  • Ich bin mir noch nicht sicher, ob ich den Stil gut finden soll oder nicht, aber ich bin ja auch erst im zweiten Kapitel. Überlange Schachtelsätze mag ich eigentlich gar nicht. Siegfried Lenz hat auch noch eine Vorliebe für Satzklammern, gegen die im Prinzip nichts einzuwenden ist, solange die zusammengehörenden Worte nicht zu weit voneinander entfernt stehen. Gerade das ist aber bisher recht häufig der Fall und hat zur Folge, dass ich mitten im Satz bisweilen den Faden verliere und den Satz noch einmal lesen muss.


    Andererseits mag ich die schon angesprochenen außergewöhnlichen Adjektive, die der Autor immer wieder mal einfließen lässt. Lenz verwendet eine lebendige Sprache, die es mir einfach macht, seine Sätze in Bilder umzuwandeln. Ich brauche nicht lange nachzudenken, mir die Frage zu stellen, wie sich der Autor die Szenen vorstellt; die Bilder sind einfach da.

  • Ja, es ist nicht schwierig zu lesen. Aber man wird gezwungen, es langsam zu lesen. So einfach mal über die Sätze drüber fliegen, geht nicht.


    Bisher habe ich auch die ersten drei Kapitel gelesen.


    1. Die Strafarbeit
    Es wundert mich, dass der Junge (also der Erzähler) in einer Anstalt für schwererzeihbare Jugendliche ist. Er macht mir eigentlich einen ganz vernünftigen Eindruck.
    Die Psychologen, die sich dort tummeln, finde ich sehr amüsant. Wie sie sich die Krankheitsbilder zuraunen: "Wartenburgischer Wahrnehmungsdefekt", "Winkeltäuschung", "Kognitive Hemmung".


    2. Das Malverbot
    Jepsen und Nansen stelle ich mir nach meinem norddeutschen Klischeebild vor: etwas wortkarg und nicht groß über Gefühle redend. Toll finde ich, wie Lenz das darstellt und beschreibt, so dass der Leser doch einiges erfährt, was dabei mitschwingen mag. Immerhin hat der Maler Jepsen mal (als sie beide noch Kinder waren) das Leben gerettet.


    3. Die Möwen
    Die Karikatur mit den Möwen finde ich auch sehr lustig. Hoffentlich wird die Zeichnung nicht entdeckt.


    Sehr erstaunt hat mich das Verhalten der Mutter, als ihr Sohn vom Vater gezüchtigt wird. Sie scheint Siggi zu verachten, weil der so wimmert. Und der Vater:
    "Nachdem ich begonnen hatte, nach jedem Schlag mit einem hohen, trockenen, etwwas übertriebenen Schrei zu reagieren, lauschte mein Vater von Zeit zu Zeit auf den Gang hinaus, wartend auf das Erscheinen meiner Mutter, der er mit meinen Schreien doch eine Entschädigung bot für ihre Enttäuschung."
    Seltsam.
    Die letzten Sätze, dass der Vater Siggi die Zusammenarbeit anbietet bzw. verordnet, lassen mich nichts Gutes ahnen.

  • So. Ich habe die ersten fünf Kapitel beendet und bin immer noch Hin und Weg von der Sprache, mit der Lenz seine Geschichte erzählt.


    Ja, es ist ein "langsames" Buch, ein Buch, das nicht holterdiepolter daher kommt, aber trotzdem von feinsinnigem Humor nur so strotzt, die Beschreibung der "Meerestiere" beim Geburtstag in Kapitel 4 finde ich grandios!


    Weiterhin fällt wirklich der viele Gebrauch der Farben auf (wobei, in Bücher, wo ein Maler mitspielt, sollte das nicht so selten sein), genauso, wie die zahlenmäßigen Übertreibungen, die sich durch die Kapitel ziehen (das Haus von Nansen hat immer vierhundert Fenster, wobe das eine maßlose Übertreibung erscheint, aber es sind immer vierhundert, nie dreihundertsiebzig oder vierhundertfünfzehn).


    Mehrere Handlungsstänge interessieren jetzt: Wie geht es weiter zwischen dem alten Jepsen und Nansen, nachdem der eine dem anderen das Leben gerettet hat und der Gerettete jetzt seinem Retter zusetzt? Wie wird Jepsen versuche, sich durchzusetzen? Denn daß er Schwierigkeiten bekommen wird, ist schon klar.


    Was passiert mit Klaas? Welche Rolle spielt er in der Geschcihte?


    Und Siggi? Was wird er im Laufe der Zeit noch in der Mühle verstecken?


    Welche Rolle spielt seine Mutter? Warum wird Siggi für den Lebensmitteldiebstahl nicht bestraft? Ahnt sie etwas? Will sie ihren zweiten Sohn decken? Und was bewegt sie, sich so vehement gegen Hilkes Verlobten zu stellen?

    :lesend Anthony Ryan - Das Heer des weißen Drachen; Navid Kermani - Ungläubiges Staunen
    :zuhoer Tad Williams - Der Abschiedsstein

  • Ich habe nun auch begonnen und nach dem ersten Kapitel gefällt mir das Buch bisher sehr gut. Lenz schreibt in einer sehr angenehmen Sprache. Auch wenn die Sätze teilweise sehr lang und verschachtelt sind, stört das nicht, im Gegenteil es ergibt sich dabei eine schöne Sprachmelodie.


    Bisher bringt mich meistens eher die Tatsache wieder etwas aus dem Lesefluß raus, dass Lenz oft einen roten Faden etwas vermissen läßt. Er verliert sich hin und wieder in einigen Exkursen.


    Wohin uns die Geschichte führen wird, bin ich schon sehr gespannt. Bei Deutschstunde dachte ich bisher immer an ein Buch mit Ähnlichkeit zu "Klub der toten Dichter" oder etwas in der Art.


    Um nicht zu viel spekulieren zu müssen, werde ich jetzt einfach weiterlesen gehen. :wave


    Edit: Kapitel ÍI:


    Momentan tue ich mir mit den verschiedenen Namen noch sehr schwer. Beim Lesen selbst kommt die Erinnerung zwar meistens gleich zurück, aber hier sitze ich jetzt seit einer Minute und überlege wie der Vater geheißen hat. Deswegen wird es wohl etwas öfters Umschreibungen der Personen anstatt der Namen von mir geben.


    Dieses Kapitel hat mir sehr gut gefallen. Es war sehr intensiv und ich musste danach unterbrechen und über das gelesen richtig nachdenken. Lenz schildert den Zwiespalt eines Polizeibeamten am Ende der Befehlskette, der einem Bekannten - einen wissend ungerechten - Bescheid überbringen muss und die Einhaltung dieses Verbots kontrollieren muss.


    Sehr gut spielt er dabei mit der Pflicht. Er erfüllt nur seine Pflicht. Der Maler weiß ebenso, dass er nur seine Pflicht erfüllt. Beide wissen, was dieses Verbot und die Überwachungspflicht für den anderen bedeutet. Ich bin schon sehr gespannt, wie sich dieses Verhältnis der Beiden daraufhin entwickeln wird. Ich habe ja so meine Vermutung, dass sich der Maler nicht an das Verbot halten wird.


    Eigenartig an der Situation finde ich vor allem, dass der Polizist seinen Sohn zu einer solchen Aufgabe mitnimmt. Oder denkt der sich in seinen Überlegungen für den Aufsatz nur dazu?

  • Zitat


    Taciturus
    Lenz schildert den Zwiespalt eines Polizeibeamten am Ende der Befehlskette, der einem Bekannten - einen wissend ungerechten - Bescheid überbringen muss und die Einhaltung dieses Verbots kontrollieren muss.


    Ich finde, das Ganze spitzt sich noch zu, als sich herausstellt,


    Da liegt nicht wenig Spannung in der Situation, ich bin auch gespannt, wie sie weitergeht.

    :lesend Anthony Ryan - Das Heer des weißen Drachen; Navid Kermani - Ungläubiges Staunen
    :zuhoer Tad Williams - Der Abschiedsstein

  • Ich habe auch erst das erste Kapitel gelesen.


    Der Schreibstil war für mich anfangs gewöhnungsbedürftig und, wie schon von euch erwähnt, nicht zum schnell nebenbei lesen, sondern man muß sich schon konzentrieren und dabei bleiben. Aus diesem Grunde freut mich die Leserunde, weil ich sonst womöglich zwischendrin aufhören würde.


    Die Beschreibungen finde ich sehr schön und man kann sich alles wirklich bildlich vorstellen. An die norddeutschen Namen muß ich mich auch erst gewöhnen.


    Bis jetzt gefällt es mir sehr gut und ich verabschiede mich hiermit, um wieder weiterzulesen :wave

  • Inzwischen habe ich Kapitel vier und fünf gelesen.


    Kapitel 4: Der Geburtstag
    Die Schilderung der schlingenden und mampfenden Geburtstagsgesellschaft mag ich. MIr ist nicht klar, welche Geschichte Doktor Busbeck hat und was gemeint ist, dass er nicht zu ihnen gehörte, "aber durch Geschehnisse, die sie fast begriffen, in ihre Mitte verschlagen war". Hoffentlich wird sich das später noch auflösen. Interessant das Gespräch zwischen Jepsen und Nansen, das Siggi heimlich mithört. Mir gefällt auch der etwas unsichere Psychologe der Rahmenerzählung, der nach Siggi eine Phobie benennen will.


    Kapitel 5: Verstecke:
    Die Mutter ist mir ein absolutes Rätsel. Sie scheint mir eine ziemlich hartherzige Frau zu sein. Wie sie sich bei der Bestrafung von Siggi verhält und wie stur sie in Bezug auf den Verlobten ihrer Tochter ist. Und auch mit Klaas will sie doch eigentlich nichts mehr zu tun haben und verlangt sogar von ihrem Mann, dass dieser weiß, was von ihm erwartet wird. Was auch immer das bedeutet. Trotzdem bestraft sie Siggi nicht, als sie ihn mit den stibitzten Lebensmitteln erwischt. Wobei sie allerdings auch hätte tun können, als habe sie nichts bemerkt.


    Auf jeden Fall gefällt mir, wie differenziert die Charaktere beschrieben sind und handeln.

  • Zitat

    Original von taciturus


    Eigenartig an der Situation finde ich vor allem, dass der Polizist seinen Sohn zu einer solchen Aufgabe mitnimmt. Oder denkt der sich in seinen Überlegungen für den Aufsatz nur dazu?


    Ja, das hab ich mich auch gefragt, aber so, wie Siggi das beschreibt, dass sein Vater ihn auf den Gepackträger gehoben hat und er im Schutze des Mantels sitzt, kam es mir so echt vor, als wäre er dabei gewesen. Aber wie alt mag Siggi wohl sein, wenn er 1943 noch nicht auf den Gepäckträger steigen kann?


    Finde ich ja schön, dass hier schon soviel los ist. Ich gehe auch gleich ins Bett und lese weiter. Ich hatte schon mal reingelesen vor einigen Monaten und hab das Buch wieder weggelegt, aber in der Leserunde bin ich mir sicher, dass ich es dieses Mal auch beenden werde. :-)

  • Jetzt wird klar, dass sein Vater ihn für die Überwachung verwenden will, womit die Mitnahme zur Befehlsüberbringung auch einen logischen Grund findet. Jetzt steht aber auch die Frage im Raum, ob es wirklich nur Pflichterfüllung und nicht-anders-können ist oder ob diese Geschichte nicht insgeheim gebilligt wird. Es könnte aber auch der Versuch sein sich aus der Situation zu befreien.


    Über das Alter von Siggi habe ich mir auch schon Gedanken gemacht. Es ist sehr schwer einschätzbar, vor allem weil man auch nicht weiß, wann die Gegenwartshandlung spielt. Ich würde ihn im 1943' Teil auf 8-10 Jahre schätzen.


    Kapitel III erschien mir sehr wirr und es war für mich recht schwer den Ereignissen am Strand zu folgen. Aufeinmal war Addi tot und kurz darauf haben sie gemeinsam gegen die Möwen angekämpft.
    Seit ich als kleines Kind einmal im Fernsehen einen Bericht darüber gesehen habe, dass Raben eine Frau getötet haben, habe ich einen großen Respekt vor Federvieh.


    Bei diesen ganzen Szenen hatte ich aber eher das Gefühl, dass hinter diesen Beschreibungen mehr steckt und damit eigentlich ein Bombenangriff geschildert werden sollte.


    Auch die Zeichnung Jansens kann man im Lichte dieser Geschehnisse interpretieren, dass Siggis Vater den Angriff des Regimes auf ihn darstellt.


    Hier fällt mir aber vor allem eine zeitliche Einordnung schwer. Waren diese Ereignisse vor oder nach dem Malverbot?

  • Ich hätte Kapitel 3 nach Kapitel 2 eingeordnet, weil Siggis Vater so interessiert daran war, ob Nansen gemalt hat, während die Kinder bei ihm waren.


    Und ja, den Eindruck, dass hinter dem Möwenangriff eigentlich was anderes steckt, hatte ich auch, schließlich werden sie mit "JU-87-Schwingen" beschrieben und Kamikaze-Vögel genannt.

  • Mich beschäftigt die Frage, ob Jepsen "nur seine Pflicht tut" oder darüber hinaus geht.


    In Kapitel 5 sagt ihm Okko Brodersen ja ganz klar ins Gesicht:
    "Es wird erzählt, daß du mehr tust, als einer tun sollte, jedenfalls mehr, alsd ie Pflicht verlangt. - Ihr wißt nicht, was sie von mir erwarten, sagte mein Vater. Nein, sagte der Postbote, das wissen sie wohl nicht, aber sie glauben, darüber Bescheid zu wissen, was du selbst von dir erwartest in dieser Angelegenheit: es wird erzählt, daß du dir persönlich was vorgenommen hast."


    Mir ist aber noch nicht klar, aus welchen Gründen er das tut. Überzeugter Nazi scheint er doch nicht zu sein. Er versteckt sich hinter den Beschlüssen von Berlin.

  • Hallo,


    ich habe bisher die ersten beiden Kapitel Strafarbeit und Das Malverbot gelesen und will jetzt auch meine Eindrücke schildern.


    Der Roman ist aus der Ich-Perspektive des Siggi Jepsen geschrieben. Bisher kommt der Roman gänzlich ohne direkte Rede aus. Siggi Jepsen sitzt in Einzelhaft einer Besserungsanstalt. Aus dieser Perspektive wird die Geschichte im Rückblick erzählt.


    Lenz' Schilderungen sind detailreich. An manchen Stellen finde ich sie etwas zu langatmig und umständlich. Vielleicht muss ich mich auch erst an den Stil gewöhnen. Lenz' Stil ist so ganz anders als man es von "modernen Büchern" gewöhnt ist. Ich teile die Ansicht von einigen hier, dass es ein „langsames“ Buch ist und habe den Eindruck, dass ich mich mit meinem Lesetempo anpassen muss, um dem Roman gerecht zu werden.


    Zu Schulzeiten hätte mir das Buch glaube ich nicht gefallen, da mir die „Action“ gefehlt hätte. Jetzt bin ich gespannt, wie sich die Geschichte weiter entwickeln wird und woher Siggis Unfähigkeit rührt, die „Freuden der Pflicht“ zu Papier zu bringen und ob sein Vater wirklich nur ein treuer Pflichterfüller ist.


    Viele Grüße,
    Frühlingsfee

  • Kapitel IV:


    Die Beschreibung der Geburtstagsfeier war sehr eigenwillig. Ich mag es eher weniger, wenn solche Personifizierungen wie hier verwendet werden und dann ein ganzer Haufen Meerestiere herumsitzt.


    Jetzt erfährt man auch mehr über das Verhältnis zwischen Jepsen und Jansen. Jansen hatte ihn das Leben gerettet. Jepsen meint, dass es langsam genug des Dankes sei.
    Der Befehl aus Berlin wird nun verschärft. Die offensichtliche Missachtung des Malverbotes von Jansen ignoriert Jepsen bisher, obwohl er jetzt bereits von der zweiten erfahren hat.


    Die Mutter erscheint mir als die unverständlichste Person bisher. Wie sie bei der Geburtstagsfeier reagiert und Siggi abführt, um das Zimmer von Addi auszuräumen. Zum Schmunzeln brachte mich der Gedanke von Siggi, wie weit er ihr ins Meer folgen müsste. Hier wird auch wieder mit dem Thema Pflicht gespielt.


    Zurück im Heim kommt ein Psychologe und man bekommt langsam auch kleine Hinweise, warum Siggi in diesem Heim einsitzt.

  • Ihr seid mir mittlerweile ein wenig voraus. Erst heute habe ich die ersten drei Kapitel des Buches lesen können.


    Erstaunlicherweise fand ich den Einstieg sehr flüssig und die Beschreibungen wirklich so gut, dass sie sofort Bilder hervorriefen.


    Im Moment bleiben bei mir die Fragen offen:


    Würde sich im wirklichen Leben tatsächlich ein Schüler finden, der eine einsame Strafarbeit aus einem inneren Bedürfnis heraus quasi freiwillig verlängern würde?


    Wie gefährlich war es im Faschismus, wenn ein junger Mann epileptische Anfälle bekam?


    Was geschah mit dem älteren Bruder, wurde er eingesperrt, psychiatrisiert, ...?


    In welcher Beziehung zueinander stehen Addi und Jutta?


    Wird Siggi sich von seinem Vater als Spitzel mißbrauchen lassen, um seine Anerkennung zu erhalten?

  • Zitat

    Original von taki32
    Mich beschäftigt die Frage, ob Jepsen "nur seine Pflicht tut" oder darüber hinaus geht.


    In Kapitel 5 sagt ihm Okko Brodersen ja ganz klar ins Gesicht:
    "Es wird erzählt, daß du mehr tust, als einer tun sollte, jedenfalls mehr, alsd ie Pflicht verlangt. - Ihr wißt nicht, was sie von mir erwarten, sagte mein Vater. Nein, sagte der Postbote, das wissen sie wohl nicht, aber sie glauben, darüber Bescheid zu wissen, was du selbst von dir erwartest in dieser Angelegenheit: es wird erzählt, daß du dir persönlich was vorgenommen hast."


    Mir ist aber noch nicht klar, aus welchen Gründen er das tut. Überzeugter Nazi scheint er doch nicht zu sein. Er versteckt sich hinter den Beschlüssen von Berlin.


    Ich kann ihn dabei auch noch nicht ganz einschätzen. Wenn er sich anderen Personen gegenüber für sein Verhalten rechtfertigen will, schiebt er es gerne auf die reine Befehlsausübung. Sein Verhalten bei der Übergabe spricht auch eher dafür, dass er mit der Situtation nicht wirklich glücklich ist, was aber auch darauf zurückführbar sein könnte, dass er sich persönlich in der Schuld von Jansen stehend sehen könnte, da dieser ihm einst das Leben gerettet hatte.


    Wenn er aber allein mit Siggi darüber spricht, erscheint er mir regelrecht fanatisch. Ob er das aber aus Überzeugung der nationalsozialistischen Ideologie tut oder aus einem persönlichen Kleinkrieg mit Jansen, erscheint mir bisher noch nicht klar.


    Und wenn man bedenkt, dass dieses ganze Nachdenken darüber unter dem Titel "Die Freude an der Pflicht" steht, dann könnte auch das Phänomen dabei sein, dass Jespen einfach seine Macht genießt, die ihm das Regime verleiht. Vor allem da er zu Hause nicht sonderlich viel zu sagen hat und dort seine Frau dominiert.